Wer Morde an Juden verhindern will, muss jede Form des Antisemitismus' bekämpfen - auch den sich im Gewand der „Israelkritik“ versteckenden ...
Eines betrifft uns alle: die Verantwortung, jeglichem Antisemitismus entgegenzutreten, ihn nicht zu dulden, nicht zu tolerieren und den Kampf gegen ihn nicht zum nutzlosen Lippenbekenntnis verkommen zu lassen. Nur dann ist eine Gesellschaft denkbar, in der Jüdinnen und Juden ohne Angst leben können. Die bittere Wahrheit ist, dass wir von einer solchen Gesellschaft weit entfernt sind.
RND (Hervorhebungen vom Blogger)
Als Kind hat Alex Kleytman mit seiner Familie in Sibirien den Holocaust überlebt. Jetzt starb der 87-Jährige am Bondi Beach in Sydney. Er wurde brutal ermordet, als er mit seiner Frau und mehr als 1000 anderen Besucherinnen und Besuchern den Beginn des jüdischen Lichterfestes Chanukka feiern wollte. Es sollte ein fröhliches Treffen werden – und endete in einem Blutbad mit 14 weiteren getöteten Teilnehmern und einem der Mörder.
Der Anschlag in Australien zeigt die grausame Kontinuität des Antisemitismus. Der Hass auf Juden zieht sich durch Generationen, erstreckt sich über alle Kontinente. Mehr als 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz müssen Jüdinnen und Juden weltweit noch immer um ihre Sicherheit bangen. Wenn sie ihre Kinder in eine jüdische Schule bringen, wenn sie eine Synagoge besuchen, wenn sie religiöse Feste feiern.
Sicherheitsschleusen, Wachpersonal und bewaffnete Polizisten vor der Tür gehören auch in Deutschland zum Alltag vieler jüdischer Gemeinden – ebenso wie Bedrohungen, Beleidigungen und Gewalt. Das ist keine neue Entwicklung.
Davon zeugen das Attentat palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen in München im Jahr 1972, die Ermordung Shlomo Lewins und Frida Poeschkes durch einen Neonazi 1980 in Erlangen und nicht zuletzt der antisemitische und rassistische Anschlag von Halle im Jahr 2019. Damals versuchte ein bewaffneter Rechtsextremist, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die dortige Synagoge einzudringen, um möglichst viele Juden zu töten.
Allzu oft bleibt offener Judenhass unwidersprochen. Nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 dient der Nahostkonflikt dabei immer wieder als Katalysator und vermeintliche Rechtfertigung für antisemitischen Hass. Gerade seit dem Anschlag der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg in Gaza ist die antisemitische Terrorgefahr auch in Europa wieder massiv angestiegen.
Islamistische, linke und rechte Antisemiten nutzen die Geschehnisse in Israel und Palästina, um judenfeindliche Ressentiments zu schüren. Bewusst durchbrechen sie dabei die Grenze zwischen gerechtfertigter, nachvollziehbarer Kritik am politisch-militärischen Vorgehen Israels sowie einer Pauschalisierung und Dämonisierung, die sich alter antisemitischer Stereotype bedient. Nein, nicht jeder, der in den vergangenen Jahren gegen Israels Kriegsführung in Gaza demonstriert hat, ist Antisemit. Natürlich nicht. Doch allzu oft bleibt bei diesen Protesten selbst offener Judenhass unwidersprochen. [Blogger: ... und die klare Abgrenzung zur Hamas, Hisbollah und Judenhass in den eigenen Reihen unterbleibt.] Jede Demonstration, bei der dies geschieht [respektive nicht geschieht], trägt so zur Verbreitung und Normalisierung des Antisemitismus bei.
Jede Form des Antisemitismus gehört geächtet – ob sie nun als Verschwörungsgerede vom „jüdischen Finanzkapital“ daherkommt, sich im Gewand der „Israelkritik“ versteckt oder ganz offen und „ehrlich“ auftritt. Denn die Geschichte hat uns immer und immer und immer wieder gelehrt, dass jede Spielart der Judenfeindlichkeit – sei sie auch noch so gut getarnt – zu Ausgrenzung, Hass und tödlicher Gewalt führt.
Nach Anschlägen wie dem in Australien heißt es oft, antisemitische Gewalt betreffe „uns alle“. Das verstellt den Blick darauf, wer in erster Linie das Ziel solcher brutalen Attacken ist: Jüdinnen und Juden und jene, die von Antisemiten für solche gehalten werden.
Doch eines betrifft uns tatsächlich alle: die Verantwortung, jeglichem Antisemitismus entgegenzutreten, ihn nicht zu dulden, nicht zu tolerieren und den Kampf gegen ihn nicht zum nutzlosen Lippenbekenntnis verkommen zu lassen. Nur dann ist eine Gesellschaft denkbar, in der Jüdinnen und Juden ohne Angst leben können. Die bittere Wahrheit ist, dass wir von einer solchen Gesellschaft weit entfernt sind.