LUTHERS LISTE – Der Reformator und seine Kirche als Garanten für den Holocaust // Von Stefan Weinert © 2019
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LUTHERS LISTE – Der Reformator und seine Kirche als Garanten für den Holocaust
Von Stefan Weinert © 2019
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Zum Aufbau des Buches.
Sowohl die verschiedenen Einleitungssequenzen, als auch die dann folgenden Prologe, sind nicht als eine Art Beigabe zum vorliegenden Band, oder zum „Warmlesen“ desselbigen gedacht, die man eventuell auch überspringen könnte. Vielmehr sind sie fester Bestandteil zu „Luthers Liste“ mit dem Untertitel „Luther und seine Kirche als Garanten für den Holocaust“. Ganz bewusst habe ich den Titel auf Anspielung von „Schindlers Liste“ so gewählt. Während Oskar Schindler über 1.000 Juden vor dem Weg in die Gaskammern von Auschwitz bewahrte, hatte die „Lichtgestalt“ und der große Reformator Martin Luther durch seine Traktate und Bücher, seine Listen, 400 Jahre zuvor genau das Gegenteil getan.
Die dann folgenden Kapitel möge sich die verehrte Leserschaft wie Verhandlungstage vorstellen, an denen der mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedenen Gruppierungen unserer modernen Gesellschaft überfüllte Saal, mit dem konfrontiert wird, was Martin Luther außer der Übersetzung des Alten Testamentes, dem Tanach der Juden (Weisung, Propheten, Schriften) und des Neuen Testamentes, der damit einhergehenden Schaffung einer einheitlichen deutschen Sprache und seiner Liedkompositionen, noch vollbracht hat. Und das war weit mehr, als das eben Genannte. Das war - sowohl auf das religiöse und gesellschaftliche Leben (vor allem des Deutschen bezogen) - weit einflussreicher als uns lieb sein könnte.
Martin Luthers antisemitischen Äußerungen, in Tischreden, Traktaten, Schriften und Büchern, wurde nicht – wie immer wieder offiziell bis in die Gegenwart behauptet wird – von den Antisemiten des Mittelalters, des Deutschen Reiches, der Weimarer Republik, des „Drittem Reiches“, der Bundesrepublik Deutschlands und Europas „instrumentalisiert“ (= missbraucht, benutzt), sondern im Gegenteil: Dr. Martin Luther hat seinen Antisemitismus dem Deutschen und Europäer so eingeimpft, eingebläut und unauslöschlich mit auf den Weg der zukünftigen Geschichte gegeben, dass auch die Nazis und die sie unterstützenden lutherischen Christen - in der Tradition des Reformators – die Juden für die Not ihrer jeweiligen Zeitepoche verantwortlich machten: „Die Juden sind unser Unglück!“. So lässt es auch Professor Harald Lesch in seiner dreiteiligen Dokumentation „500 Jahre Reformation“ von einem Historiker ganz offiziell transportieren, wenn dieser meint, Julius Streicher hätte in den Nürnberger Prozessen 1945 (sic) Luther instrumentalisiert. Nein, das hat er nicht, sondern er hat sich (leider) zu Recht auf ihn berufen können. „Luther und die Juden, das ist ein bedrückendes Kapitel“, sagt Harald Lesch im Teil III dieser Dokumentation. (ZDF-Info, 20. Januar 2019) Eine wirkliche Vertiefung und Verarbeitung dieses „bedrückenden Kapitels“ findet aber durch ihn auch hier nicht statt.
Kaum aber dürfte bekannt sein, dass Martin Luther auch die Arbeitsethik „des Deutschen“ vor 500 Jahren festgelegt hat. „Made in Germany“ leitete er aus der Bibel ab. Das Thema „Arbeit“ spielt gegen Ende der Weimarer Republik nicht nur eine wichtige, sondern auch verheerende und abgrundtiefe Rolle.
„Vor mir tat sich die Hölle“ auf, werde ich wenig später schreiben. Und so ist es! Deshalb habe ich die dann folgenden Abschnitte nicht als „Kapitel“ bezeichnet, sondern sie sind als „Beweislastaufnahmen“ bezeichnet. Dabei hoffe ich, dass ich eine vom Leser mit „sehr gut“ beurteilte „Quellenarbeit“ geleistet habe und aufzeigen kann, dass ich mit meiner Behauptung und mit meinem Urteilspruch „Martin Luther und seine (!) Kirche seien Hitlers Garant für den Holocaust gewesen“ nicht nur eine These aufstelle, sondern es faktisch belegen kann. Zumal ich auch nicht der erste bin, der dies von der Sache her so sieht. Am Schluss des Buches versuche ich, mit einigen Zeittafeln, Tabellen und Zeitleisten, den Leser noch mehr in die Lebensumwelt der Reformation und das damalige Zeitgeschehen mit hinein zu nehmen.
„Nietzsche hat über die Deutschen gesagt: ‚Ein Volk, das sich der Intelligenz eines Luther unterordnet!‘ – Nein Hitler ist kein Zufall, kein illegitimes Unglück, keine Entgleisung. Von ihm fällt ‚Licht‘ auf Luther zurück, und man muss diesen weitgehend in ihm wiedererkennen. Er ist ein echtes deutsches Phänomen.“ (Thomas Mann, Tagebucheintrag vom 20. Oktober 1937). –
Schon zu Lebzeiten Luthers gab es in Kirche und Staat einen bereits 1.400 Jahre alten Antijudaismus. Durch seine theologische Interpretation und heilsgeschichtliche auf Jesus Christus bezogene Herangehensweise an die „Judenfrage“, ließ der Reformator den Antijudaismus zum religiösen "Antisemitismus“ werden. Weil die Juden Jesus nicht als ihren Messias akzeptieren, sind sie verdamm und verloren. Weil sie verdammt sind, sind sie des Teufels. Weil sie des Teufels sind, ist in ihnen rein nichts Gutes zu finden und selbst ihr Wille zur christlichen Taufe, ist ein Täuschungsmanöver. Das war dann nicht mehr nur religiös begründet, sondern auch schon rassistisch. Luther hat seine Aussagen wider die Juden nachträglich nie in frage gestellt und auch nie widerrufen, sondern diese bis vier Tage vor seinem Tod öffentlich gepflegt. Ich bin beileibe nicht der Erste, der dies feststellen muss. Viele Autoren vor mir haben den Sockel, auf den Luther seit 1517 gehievt wurde, abgetragen und den Lack der übermächtigen Figur Schicht für Schicht entfernt. Martin Luther hatte nicht „eben auch ein paar Schattenseiten“, wie seine Verehrer und Verteidiger bis heute meinen, sondern durch sein gesamtes öffentliches Leben (Reden, Handeln, Schreiben) von 1505 bis zu seinem Tod 1546 konterkarierte er das, was er ins Deutsche übersetzt hatte. Die Bibel. Ihnen möchte ich mit diesem Buch erneut eine Stimme geben möchte. Der Titel des Bandes und sein Cover mögen provozierend und für manchen evangelischen Christen gar blasphemisch sein. Doch die folgenden Seiten werden zeigen, dass ein Luther-Denkmal (denk mal nach) nicht nur nach Worms und Wittenberg gehört, sondern auch und gerade nach Dachau, Treblinka, Ravensbrück und Auschwitz!
Um auf Luthers letzte Predigt zurückzukommen. Im Januar 1546 kam Luther von Wittenberg nach Eisleben, um einen Streit in der Mansfelder Familie zu schlichten, was ihm auch gelang. Da es ihm aber gesundheitlich nicht gut ging, blieb Luther in Eisleben, wo er am 14. Februar 1546 einen Gottesdienst abhielt. Während der Predigt erlitt Luther einen Schwächeanfall, so dass er die Predigt abbrach und nur noch eine „Vermahnung wieder die Juden“ verlesen konnte. Der Predigttext war aus Matthäus 11: „Kommt her zu mir (Jesus) alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Und welch ein Widerspruch, welch ein Konterkarieren der schönsten aller Jesus Worte m Neuen Testament, wenn Martin Luther nun der Gemeinde folgende Worte vorträgt: „Wollen sich die Juden zu uns [nicht „zu Jesus“] bekehren und von ihrer Lästerung, und was sie sonst getan haben, ablassen, so wollen wir (dito) es ihnen gerne vergeben: wo aber nicht:, so wollen wir sie auch bei uns nicht dulden, noch leiden.“ (zitiert bei Andreas Pangnitz, „Luthers Judenfeindschaft“).
Schon längst hätte ich mich mit dem Antisemitismus des Dr. Dr. Martin Luthers intensiv beschäftigen müssen. Spätestens ab dem Zeitpunkt wo klar war, in welcher prunkvollen (Qualität) und ausführlichen (Quantität) Weise die evangelische und christliche Welt gedachte, den großen Reformator 500 Jahre nach Veröffentlichung seiner 95 Thesen in Wittenberg zu feiern. Und nicht nur das Jahr 2017 sollte und musste für dieses „Hochamt“ herhalten, sondern die gesamten zehn Jahre zuvor wurden als „Jubeldekade für Luther“ ausgerufen und gefeiert. Das heißt, dieses Buch hätte schon vor zehn Jahren erscheinen sollen. Vielleicht aber waren die Zeit und auch ich dafür noch nicht reif.
Bei meinen ausführlichen Recherchen zu diesem vorliegenden Band tat sich mir im wahrsten Sinne des Wortes die „Hölle“ auf, so dass ich den Arbeitstitel des Manuskriptes immer wieder änderte und verschärfte. Luther schickte nicht nur das Hab und Gut der Juden seiner Zeit und darüber hinaus, sondern auch sie selbst – vom Kleinkind bis zum Familienvorstand – in das Feuer. Und das, was nicht brennbar war, sollte mit Sand zugeschüttet werden. Geistig behinderte Kinder und Erwachsene waren für ihn nur ein „seelenloses Stück Fleisch“, das ebenso ins Feuer gehörte. So tat es denn auch Joseph Mengele 400 Jahre später, als er im Konzentrationslager Auschwitz ein gerade entbundenes Kind unter der Bettdecke der Mutter, die das Baby verbergen wollte, hervorzog, und direkt lebendig ins Feuer warf.
Sie alle – Juden und Behinderte - schrieb Luther dem Teufel zu, sie selbst alle waren für ihn Teufel. Das Wort „Teufel“ benutzte Martin Luther im Laufe seines Lebens sehr häufig. Und zwar all denjenigen gegenüber, die nicht mit seiner persönlichen theologischen, politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen d’accord gingen. Vom Juden, der sich nicht auf den „dreieinigen Gott“ taufen lassen wollte, sondern an dem Einen, an „G’tt Jahwe“ (Jehova ist eine falsch vokalisierte Übersetzung) festhielt, über die Bauern samt ihrem Führer Thomas Müntzer, den Behinderten, bis hin zum Papst, waren sie alle – wie ich oben schon bemerkte - des Teufels Kinder und Teufel selbst, die auf das Ärgste und mit allen Mitteln zu bekämpfen und auszumerzen seien.
„Beliebt ist der Hinweis darauf, dass die schlimmsten antisemitischen Ausfälle Luthers aus seinen letzten Jahren stammen, so dass man zwischen einem judenfreundlichen frühen Luther, dem eigentlichen Reformator, und dem alten, verbitterten Judenfeind unterscheiden müsse. Diese Erklärung läuft jedoch darauf hinaus, die Katastrophe psychologisierend zu verharmlosen.“ (Andreas Pangritz in „Luthers Judenfeindschaft“, Seite 1)
Die Relativierung und Verharmlosung eines – wie ich feststellen muss - bis heute tödlichen Virus’ ging mir einfach zu weit, und ich begann mit meinen Nachforschungen. Und wie gesagt. Es war wesentlich schlimmer als geahnt. Unter der Prämisse meines Ergebnisses, hätte ein „Lutherjahr“ mit diesem „Jubelkonzept“ und eigener Briefmarke, niemals stattfinden dürfen. Und die davor liegende Dekade hätte vielmehr dazu genutzt werden sollen, nicht nur die Parallelität, sondern vor allem die Kausalität zwischen Luthers Antisemitismus’ und dem Holocaust“ herzustellen, es zuzugeben und aufzuarbeiten.
Die Evangelische Kirche (DEK) damals, wie heute die EKD, hat es nie vermocht, sich von Luther und seinem Antisemitismus bei gleichzeitiger Anerkennung von großer Schuld, zu distanzieren. Luthers Verdammung der Juden fand nicht erst in seinen „letzten“ Jahren statt, sondern – wenn auch noch nicht so plakativ, offen und schonungslos wie 1543 – theologisch und christologische verpackt. Der EKD tut es vielmehr Genüge (Synode 2000), sich von dem Antisemitismus Adolf Hitlers und dem Versagen ihrer Kirche von 1932 (Reichstagswahlen im Juli und November) bis 1945 abzugrenzen, blendet jedoch aus, dass ohne Luthers Judenhass, den seine Kirche bereits in der Weimarer Republik weiter transportiert hatte, Hitler und die NSDAP niemals an die Macht gekommen wären, und somit die Shoa und der Holocaust gar nicht hätten stattfinden können.
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"Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen." (Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, von Dietrich Eckart, München 1924; S. 34).
Diese einst von Adolf Hitler geäußerte Ansicht war deckungsgleich mit der Sicht der Evangelischen Kirche während und zum Ausgang der Weimarer Republik. Martin Luther war für sie ein von Gott gesandter Jesus 2.0, und ebenso war es nun auch Adolf Hitler, der von Gott gesandt war, um den Gläubigen den rechten Weg zu weisen und um das deutsche Volk zu retten. Vor allem, die sich aus der Evangelischen Kirche rekrutierenden „Deutschen Christen“ (DC) sahen Jesus – Luther – Hitler in einer Reihe.
„Die Deutschen Christen (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus, die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte. Sie wurde 1931 als eigene Kirchenpartei in Thüringen gegründet und gewann 1933 die Leitung einiger Landeskirchen in der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK). Mit ihrer Gleichschaltungspolitik und dem Versuch, durch die Übernahme des Arierparagraphen in die Kirchenverfassung Christen jüdischer Herkunft als Judenchristen auszuschließen, löste sie den Kirchenkampf mit anderen evangelischen Christen aus. Diese gründeten daraufhin im Mai 1934 die Bekennende Kirche, die die DC als Häretiker betrachtete und aus der Kirchengemeinschaft ausschloss.“ Quelle: wikipedia
PROLOG
Viele – auch offizielle – Vertreter der Evangelischen Kirchenwelt relativieren und rechtfertigen bis heute - gemeinsam mit einigen Historikern - den „späten Judenhass“ des Reformators. Luthers Hass auf die Juden wird dabei begründet allein und ausschließlich mit a) nie verwundener Enttäuschung (Härte und Verbitterung), weil die jüdische Reaktion auf seine Reformation nicht so war, wie er sich erhoffte, nämlich dass die Juden sich christlich taufen lassen würden, und b) mit seinem Mangel an klarem Urteilsvermögen aufgrund seines fortgeschrittenen Alters, so dass er sich also zu seinen antisemitischen Äußerungen und Schriften hat „hinreißen“ und c) dass Luther ein Kind seiner Zeit war, in der Judenhass salonfähig und aus dem Alltag nicht wegzudenken war.
Andere Historiker allerdings deuten Luthers Kehrtwende zum Judenhass als taktische Maßnahme, um seine Reformation nicht zu gefährden. Eigentlich, so meinen sie, sei es keine Kehrtwende, sondern ein sich „outen“ von dem, was schon immer und latent in Luther vorhanden war: Der Jude war für Luther lediglich ein Objekt, dass zum Glauben an Jesus Christus zu missionieren sei. Für ihn war der Jude, solange er Jude war, kein von Gott geliebtes Individuum. Und ließ er sich nicht zum Christentum bekehren, dann zeige er sich als Parasit, der das Volk aussauge, und ließe so sein wahres Gesicht erkennen. Luthers spätere und angebliche Nebel umnachteten Judenschriften (quasi „Ausrutscher“) wurden bereits zu seiner Zeit einige Male für lokale Pogrome gegen Juden benutzt. Antisemiten benutzten sie im Kaiserreich ab 1876 zur Ausgrenzung von Juden. Nationalsozialisten und „Deutsche Christen“ legitimierten und unterstützten damit die staatliche Judenverfolgung, besonders die Novemberpogrome von 1938. „Deutsche Christen“ forderten christlich getaufte Juden auf, ihre Gemeinschaft (= Kirche) zu verlassen, denunzierten sie oder schlossen sie von sich aus, und schickten sie somit ins KZ und in das sichere Gas!
Martin Luthers 450. Geburtstag am 10. November 1933 kam den Nationalsozialisten gerade recht. Nach der Machtergreifung der NSDAP im Januar 1933 (Hindenburg ernannte Hitler ohne Not zum Reichskanzler und meinte, wie auch von Papen, dass man Hitler nach zwei Monaten in „die Ecke gedrückt hätte, dass es nur so quietsche.“ - Wilfried von Bredow, Thomas Noetzel: Politische Urteilskraft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009), ließen sie den runden Geburtstag des Reformators mit einem „Deutschen Luthertag“ im ganzen Land feiern. „Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen“ – dieses Zitat Luthers aus der Zeit seines Aufenthalts auf der Wartburg 1521 (also in jungen Jahren) steht auf einer Gedenkplakette, die eigens für den Luthertag geprägt wurde. Es ist auch auf dem „Cover“ der „Richtlinien der deutschen Christen“ von 1932 zu finden.
In diesen Richtlinien heißt es unter anderem: (Quelle)
- Wir stehen aus dem Boden des positiven Christentums. Wir bekennen uns zu einem bejahenden artgemäßen Christus-Glauben, wie er deutschem Luther-Geist und heldischer Frömmigkeit entspricht. Wir wollen das wiedererwachte deutsche Lebensgefühl in unserer Kirche zur Geltung bringen und unsere Kirche lebenskräftig machen
- In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. Sie hat neben der Äußeren Mission keine Daseinsberechtigung. Wir lehnen die Judenmission in Deutschland ab, solange die Juden das Staatsbürgerrecht besitzen und damit die Gefahr der Rassenverschleierung und Bastardierung besteht. Die Heilige Schrift weiß auch etwas zu sagen von heiligem Zorn und sich versagender Liebe. Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden zu verbieten.
- Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen, für deren Erhaltung zu sorgen uns Gottes Gesetz ist. Daher ist der Rassenvermischung entgegenzutreten. Die deutsche Äußere Mission ruft auf Grund ihrer Erfahrung dem deutschen Volke seit langem zu: „Halte deine Rasse rein!“ und sagt uns, daß der Christus-Glaube die Rasse nicht zerstört, sondern vertieft und heiligt
Das!! ist nie von der Evangelischen Kirche aufgearbeitet worden. Im Gegenteil: martin Luther wurde zehn Jahre lang gefeiert!
Aufgrund des verlorenen Weltkrieges von 1914 bis 1918, der „Dolchstosslegende“, in der das „bolschewistische und das internationale Judentum“ eine große und unsägliche Rolle spielten, dem Aufrüstungsverbot und der über hohen Reparationszahlungen (Versailler Vertrag), war auch ein Adolf Hitler 400 Jahre nach Martin Luther sehr verbittert und erzürnt, und hat dies alles nie verwunden. Diese tiefe innere Verwundung führte dazu, dass sein klares Urteilsvermögen so sehr litt, dass er sich dazu hinreißen ließ, das Buch „Mein Kampf“ zu schreiben, den Holocaust und seine Durchführung mit all seinen grausamen Nebenerscheinungen an 6.000.000 Juden zu befehlen, die höchstmögliche Härte gegen die Menschlichkeit zeigte, und darüber hinaus noch für den Tod von weiteren 44.000.000 Menschen hauptverantwortlich war. Das alles sei zwar sehr schlimm, doch wenn man bedenkt, dass Hitler enttäuscht, verhärtet, geistig nicht klar war, dann muss man verstehen, dass er so geredet, geschrieben und gehandelt hatte. Vorsicht: Satire!
Das jedenfalls wäre das Ergebnis der Luther-Logik hinsichtlich der Entstehung Hitlers Antisemitismus’. Damit wäre das, was Hitler und seine Gefolgsleute 400 Jahre später den Juden, den Sinti und Roma, den Homosexuellen, den Politischen angetan hatte, ein Verhalten, das nach unserem nachträglichen Verständnis verlange, und also nicht mehr als ein entschuldbarer „Vogelschiss“ in der Geschichte Deutschlands sei. Die AfD lässt herzlich grüßen.
Es muss festgestellt werden, dass Luther mit seiner Reform der Kirche auf mindestens der halber Strecke stehen geblieben ist. Er war ein Doktor der Theologie und kannte nicht nur die Schriften des Alten Testamentes, sondern auch die des Neuen Testamentes, vom Evangelium des Matthäus bis hin zum Brief an die Hebräer und der Apokalypse des Johannes. Er hatte sie alle in die deutsche und damit für sich und seine Zeitgenossen unmissverständliche Sprache übersetzt, und dennoch an der Institution „Kirche“ in ihrer Pyramidenform und den monetären Berufen des Pastors, Pfarrers und Bischofs festgehalten.
Bereits die erste Kirche ab dem ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhunderts hätte sich von dem Priesterkult abwenden müssen. Das Amt des „Priesters“ stammt aus den antiken, den „heidnischen“ Religionen („Heide“ = aus dem isländischen stammendes Wort für „nordgermanischen Nichtchristen“ = heiðin; aus christlicher Sicht der Zustand, nicht zu einer der monotheistischen Religionen zu gehören) . und wurde vom Volk Israel und dem späteren Judentum übernommen. Doch bereits die Propheten des Alten Testaments erhoben immer wieder ihre Stimme gegen die Priester!. So predigt der Prophet Hosea: „Doch nicht irgendwer wird verklagt, nicht irgendwer wird gerügt, sondern dich, Priester, klage Ich an. Am helllichten Tag kommst du zu Fall ... Mein Volk kommt um, weil ihm die Erkenntnis fehlt, weil du die Erkenntnis verworfen hast ... Sie, die Priester, sie nähren sich von der Sünde meines Volkes und sind gierig nach seinen ruchlosen Opfern ..." (Hosea 4,8)
Es ist der immerwährende geistige Kampf "Prophet contra Priester, contra Pfarrer und contra Pastor". Es ist das Geschäft mit Sünde, Schuld, Vergebung, das sich für die Priester und Pastoren, Bischöfe, Kardinäle und Papst bis heute als sehr lukrativ erwiesen erweist. „Wenn du zu Gott (zurück) willst, wenn du nach dem Tod ewig bei IHM weiterleben möchtest, dann nur mit meiner Vermittlung. Und da dies das Wertvollste ist, was ein Mensch besitzen kann, habe ich es verdient, (!) von diesem Vermittlerdienst auch meinen Lebensunterhalt zu bestreiten und mir darüber hinaus Wohlstand und Luxus anzuhäufen.“ (Siehe dazu den deutschen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst 2013) Schöne und einleuchtende These – aber beileibe keine göttliche!
Selbst Paulus, der nach seinem Damaskuserlebnis jahrelang unentwegt durch Kleinasien (heute Türkei), Griechenland, Spanien und Italien pilgerte und das Mittelmeer durchkreuzte, um die Frohe Botschaft zu verkünden und um christliche Gemeinschaften zu gründen, ließ sich nicht von den Neubekehrten bezahlen. Sowohl Saulus von Tarsus, als auch er als Paulus von Damaskus war Zeltmacher. „Danach verließ Paulus Athen und kam nach Korinth und fand einen Juden mit Namen Aquila, aus Pontus gebürtig; der war mit seiner Frau Priszilla kürzlich aus Italien gekommen, weil Kaiser Klaudius allen Juden geboten hatte, Rom zu verlassen. Zu denen ging Paulus .Und weil er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete; sie waren nämlich von Beruf Zeltmacher.“ (Apostelgeschichte 18, 1-3 ) - „Sein Leben war zum großen Teil das Leben eines Menschen in einer Werkstatt, gebeugt über eine Werkbank wie ein Sklave und arbeitend an der Seite von Sklaven. Das zu wissen ist nützlich, auch um sich keinen Illusionen hinzugeben, als sei Paulus selbständiger Handwerker mit der Möglichkeit freier Zeiteinteilung und in wirtschaftlicher Unabhängigkeit gewesen.“ (Frankfurter Allgemeine vom 21.12.1995) „Tarsus, die Geburtsstadt des Paulus, war bekannt für die Herstellung von Zelten … Alle Juden erlernten ein Handwerk, dem sie sich zuwenden konnten, wenn es nötig war.“ (Quelle: https://www.bibelkommentare.de) Und wenn Jesus von Nazareth 30 Jahre vor Paulus’ Tätigkeit gesagt hatte: „Aber ihr sollt euch nicht Rabbi (Pastor, Hochwürden, Monsignore) nennen lassen; denn einer ist euer Meister, Christus; ihr aber seid alle Brüder“, so meint er genau dieses. (Matthäus 23,8 – Lutherbibel von 1912)
Bis ins Mittelalter durften jüdische Rabbiner mit der Tora kein Einkommen erzielen, deshalb arbeiteten sie in Europa nebenberuflich in diesem Amt. Erst im 14. Jahrhundert wurde dies nach ständiger Ausweitung der Anforderungen schließlich aufgegeben. Zu den Aufgaben eines Rabbiners zählt heute die religiöse Lehre, und als Talmudkenner kommt ihm die Entscheidung in religiösen Fragen zu.
Aber ein orthodoxer Rabbiner ist kein Priester, dem besondere religiöse Aufgaben alleine zustünden. Deshalb kann im Grunde auch jedes dazu befähigte Mitglied einer jüdischen Gemeinde den Gottesdienst leiten, vorbeten, aus der Tora vorlesen usw. In manchen Gemeinden haben jedoch nur Rabbiner die dazu erforderlichen Kenntnisse. Aufgabe eines Rabbiners ist auch die Betreuung der und Sorge für die Gemeindemitglieder. In den meisten Gemeinden wird aufgrund seiner Vorbildfunktion von einem Rabbiner erwartet, dass er verheiratet ist und Kinder hat.
Wenn man also bedenkt, dass auch die Evangelische und Reformierte christliche Kirche die Philosophie und Struktur ihrer gelebten postulierten, proklamierten und vorgeschriebenen Gottesbeziehung – als halbherzige Abspaltung von der Katholischen Kirche - vom Judentum von Beginn an übernommen hat, dann ist Luthers theologischer und christologischer Antisemitismus (bis hinein in das „Deutsche Christentum“) überhaupt nicht nachzuvollziehen, es sei denn, er hat auch jene Verse aus dem Römerbrief verdrängt oder gar geleugnet: „Du aber, der du ein wilder Ölzweig (nicht zu Israel gehörig) bist, in den Ölbaum (Israel) eingepfropft wurdest und Anteil bekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ – Luthers Reformation als ein geistlich-theologisch-gesellschaftlicher Rosinenkuchen?
Die Kirchen (vor allem die evangelischen und –reformierten und auch frei-evangelischen) haben im Laufe der Jahrhunderte und vor allem im 20.ten Jahrhundert von 1933 bis 1945 gegenüber den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und gegenüber der jeweiligen Politik dermaßen versagt, dass ein Schweigen zur Verharmlosung und Relativierung des "antisemitischen Luthers und seiner antisemitischen Kirche" eben diesen gleichkäme und die Verleugnung und Verdrängung der kirchlichen Untaten, besser gesagt: Nichttaten, und auch die fehlende Aufarbeitung dieser kirchlichen Versagen mit deckt. "Wer schweigt, scheint zuzustimmen." (Papst Bonifatius VIII, 1235 - 1303).
1543 forderte der Reformator die evangelischen Fürsten mit seinem „Sieben-Punkte-Katalog“ zur Versklavung, Vertreibung und Vernichtung der Juden auf und erneuerte dazu die judenfeindlichen Stereotype, die er 20 Jahre zuvor noch verworfen hatte. Damit überlieferte er diese in die Neuzeit (!). Kurz zuvor, im Januar 1543, veröffentlichte Luther seine Schrift "Von den Juden und Ihren Lügen" - und es folgten weitere Schriften. Wohl einer Jubelfeier 480 Jahre später wert. Satire!
Mit seiner Schelte am Klerus war für Luther nur der Gipfel einer langen Reihe seiner kritischen Auseinandersetzungen mit einer verweltlichten, in Dogmen erstarrten Kirche erreicht. Diese sah er vor allem in der Gründung neuer Bettelorden, der Auflösung religiöser Glaubensgrundsätze, wie sie etwa durch die Katharer (Dualismus), oder auch der Hussiten geschah, deren erster Vertreter, der Reformator Johann Hus, 100 Jahre zuvor 1415 in Konstanz am Bodensee als Häretiker (weil er nicht widerrufen wollte), auf dem Scheiterhaufen endete und im aufkommenden Humanismus sah Luther eine Gefahr für die Kirche.
Seit dem gewaltsamen Tod Johann Hus’ hatte sich die politische Lage in Europa jedoch sehr verändert. Luthers Aufruf zu einer Kirchenreform fiel in eine Zeit, in der Kaiser Karl V., der nicht nur über das Deutsche Reich, sondern auch über Spanien und dessen Eroberungen in Südamerika, die Niederlande und Teile des heutigen Italiens herrschte, und der ein glühender Christ und noch mehr Katholik war. Um ein Gegengewicht zu diesem mächtigen Herrscher zu schaffen, unterstützten zahlreiche deutsche Territorialherren Luthers Reformationsbemühungen dann auch mehr aus politischen Gründen. Auch der französische König Franz I., damals in Europa der wichtigste Gegenspieler Karls V., ging aus diesem Grund zunächst nicht entschieden gegen die Reformation vor. Das Kalkül dahinter war, dass ein christlicher Herrscher notwendigerweise geschwächt werden müsste, wenn die Pfeiler des Glaubens, mit dem er seine Macht legitimierte, ins Wanken gerieten.
Aus Luthers Glaubenslehre ließ sich für die deutschen Fürsten auch eine Legitimierung ihres eigenen Herrschaftsanspruchs ableiten. Zwar ist ein zentrales Element der lutherschen Lehre eine Stärkung der einzelnen Gläubigen, die dazu ermutigt werden sollen, selbst und ohne Vermittlung kirchlicher Würdenträger Zwiesprache mit ihrem Gott zu halten. Jedoch hat der Reformator diese Schwächung der klerikalen Autorität mit der expliziten Aufforderung zur Unterwerfung unter die weltlichen Autoritäten verbunden. Da er in deren Stärke die Garantie für die Freiheit des Glaubens sah, dekretierte er unmissverständlich, dass "jedermann der Obrigkeit untertan" zu sein habe.
Doch der Gedanke der Freiheit des Glaubens wurde spätestens neun Jahre nach Luthers Tod durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555 ad absurdum geführt. Denn die dabei festgeschriebene Maxime "cuius regio, eius religio", widersprach der lutherschen Vorstellung eines individuellen Wegs zu Gott in geradezu höhnischer Weise. Stattdessen erwuchs hieraus ein neues Bündnis zwischen Territorialstaaten und Kirche, und zwar unabhängig von der jeweiligen Konfession. Während Luther die Unterwerfung unter die weltlichen Herrscher lehrte, gilt für Katholiken das Primat der außerweltlichen, göttlichen Herrschaft auch im innerweltlichen Bereich. Luther selbst hat seine Vorstellung von geistiger Freiheit im Glauben bei gleichzeitiger Einwilligung in soziale Unfreiheit vor allem im Rahmen der Bauernkriege gezeigt. Als die Bauern, angeführt von dem Prediger Thomas Müntzer, die reformatorische Kritik an Autoritäten auch sozial und damit politisch deuteten und dafür kämpften, bezog Luther klar Position gegen die Aufständischen.
Man könne nicht Gewalt mit Gegengewalt begegnen, denn das sei nicht Gottes Wille, predigte der Reformator dem gemeinen Volk.
Luthers Verhalten während des Bauernaufstandes wird unterdessen von protestantischer Seite zuweilen als Versuch zur Deeskalation gedeutet. Doch hat der Reformator unverblümt zur Gewalt gegen die Bauern aufgerufen, indem er forderte, man solle "die mörderischen und räuberischen Rotten (…) zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich." Es gebe nichts "Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres" als "einen aufrührerischen Menschen." Diesen müsse man deshalb "wie einen tollen Hund totschlagen." (Luther 1525 in „Wider die mordischen und reubischen Rotten der Bawern“) Diese Hetze Luthers setzte sich gegenüber Menschen jüdischen Glaubens fort.
Luthers Judenattacken besaßen eine Jahrhunderte überdauernde tödliche Explosivkraft.“ – Martin Stöhr, evangelischer Theologe
Beweislasterhebung Teil I (Erster Verhandlungstag)
Mit Doktor Martinus Luther und seiner vorangetriebenen Reformation der bisherigen allein selig machenden Kirche, kam es erstmals zu dem theologisch und christologisch begründeten (rassistisch gemeinten) Antisemitismus. Das Selbstverständnis der Christen als "Verus Israel" führte dazu, den Juden die Zugehörigkeit zum Gottesbund abzusprechen. Als Gottesmörder seien sie dazu verdammt, heimatlos in der Welt umherzuirren.
Diese theologisch begründete Auffassung vom Judentum und von der jüdischen Existenz in der Diaspora (= konfessionelle Minderheit) ging als fester Bestandteil in die kirchliche Glaubenslehre ein. Erste und entscheidende Ausprägungen erhielt der religiöse Antijudaismus bereits in den Schriften des neuen Testaments (Paulus), und in den Werken der Kirchenväter. So schreibt der vom Judentum zu Christentum konvertierte Paulus aus Tarsus in einem seiner überlieferten Briefe eine abqualifizierenden Bemerkungen über die Juden, wenn er meint„ „die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns verfolgt haben und Gott nicht gefallen und allen Menschen feindlich sind.“ (1.Thess.2, 15). Dass es auch gegenteilige Aussagen im Neuen Testament von Paulus gibt, wenn er an anderer Stelle bedenkt, dass nicht wir (Christen) die Wurzel, sondern die Wurzel (die Juden) uns (Christen) trägt (Römer 11), ist zwar auch wahr. Doch für die Entwicklung des Selbstverständnisses des Christentums und seiner Überlegenheit blieben die Negativaussagen. Wie sagte doch Jesus. Ein wenig Sauerteig, verdirbt den ganzen Teig!
Schon bei den Kirchenvätern finden wir jede Menge von Negativaussagen über die Juden. Der Autor des um 130 bis 135 n. Chr. verfassten Barnabas Briefes zweifelt offen an der Gültigkeit des Bundes zwischen Gott und den Juden, weil dieser nie zustande gekommen sei, denn Moses habe ja die Gesetzestafeln zerschmettert, als er sah, dass das Volk Israel um das „Goldene Kalb“ tanzte. Dass die Gesetzestafeln später erneuert wurden, verschweigt „Barnabas“. Johannes Chryostomos (344 bis 407 n. Chr.) sah zwar auch eine Auserwählung Israels, schrieb aber über die Juden: „Weil ihr Christus getötet habt, weil ihr gegen den Herrn die Hand erhoben habt, weil ihr sein kostbares Blut vergossen habt, deshalb gibt es für euch keine Besserung mehr, keine Verzeihung und auch keine Entschuldigung. Denn damals ging der Angriff auf Knechte, auf Moses, Jesaja und Jeremia. Wenn auch damals gottlos gehandelt wurde, so war das, was verübt wurde, noch kein Todeswürdiges. Nun aber habt ihr alle alten Untaten in den Schatten gestellt durch die Raserei gegen Christus. Deshalb werdet ihr auch jetzt mehr gestraft. Denn, wenn dies nicht die Ursache eurer gegenwärtigen Ehrlosigkeit ist, weshalb hat euch Gott damals ertragen, als ihr Kindesmord begangen habt, wohingegen er sich jetzt, da ihr nichts Derartiges verübt, von euch abwendet? Also ist klar, dass ihr mit dem Mord an Christus ein viel schlimmeres und größeres Verbrechen begangen habt als Kindesmord und jegliche Gesetzesübertretung.“ (390 n. Chr. in „adversos Iudaeos“)
Von hier aus führt eine direkte Linie zur mittelalterlichen Theologie. Die vorreformatorische Kirche verbot die Konversion von Christen zum Judentum. Ebenso galt das Verbot der Ehe zwischen Christen und Juden und sogar die gemeinsamen Speiseeinnahme. Mit dem IV. Laterankonzil 1215 in Rom (Lateran = Stadtteil Roms) erreichte die gesellschaftliche Absonderung von der christlichen Bevölkerung einen weiteren Höhepunkt. Die Juden sollten fortan auch äußerlich durch Kennzeichnung der Kleidung (!) als Angehörige des von Gott verworfenen Volkes kenntlich gemacht werden. Ab dem 13. Jahrhundert mussten die Juden in vielen europäischen Ländern und Regionen außen sichtbar ein Stoffstück in Kreis-, Ring- oder Rechteck-Form – meist vorn in Brusthöhe – in gelber Farbe auf der Kleidung tragen. Juden sollten nur noch in für sie bestimmte Viertel wohnen. Die Existenz der Juden in der Gesellschaft entsprach damit zunehmend dem Judenbild der christlichen Glaubenslehre, was eigentlich schon fast einer modernen Theokratie (Gottesstaat), wie etwa im Iran oder Saudi-Arabien heute, entspricht.
Kirchliche Einrichtungen trieben die Juden zur Zwangstaufe, unterwarfen sie der Inquisition und beteiligten sich selber unmittelbar an Judenverfolgungen. Zum anderen leistete die Kirche antijüdischen Einstellungen und gewaltsamen Ausschreitungen auch indirekt Vorschub, da das von ihr geformte negative Judenbild Eingang in Liturgie, Predigten, Gebete und Katechismen fand. Die Judenfeindschaft wurde fester Bestandteil der Volksfrömmigkeit. Antijüdische Mythen und Vorurteile prägten sich tief in Bewusstsein und Mentalität der christlichen Bevölkerung aller sozialen Schichten und bildeten den Ausgangspunkt zahlreicher gewaltsamer Ausschreitungen und Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung.
Wohl versuchten Bischöfe und andere Kirchenleute zum Schutz der Juden anzutreten; doch Volksfrömmigkeit und Aberglaube waren mächtiger und richteten sich vor allem seit Mitte des 12. Jahrhunderts gegen die Juden, die bezichtigt wurden, die Tötung Jesu stets aufs Neue zu wiederholen. .
Der große Reformator, Martin Luther, auf den ab 1517 bis zu seinem Tode 1546 alle Welt aufmerksam geworden war und alle Welt ihm auch zuhörte, hatte es in der Hand gehabt, dem religiösen und kirchlichen Antijudaismus Einhalt zu gebieten und den christologisch begründeten rassistischen Antisemitismus erst gar nicht aufkommen zu lassen. Seine Kreierung einer gemeinsamen deutschen Sprache, und die inzwischen von Johannes Gutenberg ab 1450 erfundene Buchdruckerkunst, die er ja auch für die rasche Bibelverbreitung nutzte, waren für ihn die große Chance, auch und vor allem, der deutschen und europäischen Geschichte eine Wende in Sachen Mitmenschlichkeit und Humanismus zu geben. Er, der aus dem griechischen „eleos“ und dem lateinischen „misericordia“ das für alle verständliche Wort „Barmherzigkeit“ (althochdeutsch „armherzi“ = ein Herz für die Armen haben) formte, tat jedoch genau das Gegenteil. Mit seinem Hass und seiner Hetze gegen die Juden ab Mitte der 1520er Jahre („Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“, 1523), und wo er unter anderem einem protestantischen Pastor untersagte (1530), ein taufwilliges jüdisches Mädchen zu taufen (denn es liege in der Art der Juden, die Christen zu täuschen), und die dann in seinen in Deutsch verfassten und weit verbreiteten „Judenschriften“ ab 1543 gipfelten, begründete er den theologisch - christologischen Antisemitismus. „Und diese trübe Neige, garstige Hefe, verdorrter Schaum, schimmlige Grundsuppe und morastiger Pfuhl vom Judentum [sind] nichts als eine faule, stinkende, verworfene Neige. Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist's um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes (...) [D]ie Juden (...) sollten wahrlich und gewißlich nichts haben, das muß gewißlich unser sein. So arbeiten sie nicht (...) dennoch haben sie unser Geld und Gut und sind damit unsere Herren in unserm eigenen Lande (...). Wir (die Juden) arbeiten nicht, haben gute faule Tage, die verfluchten Gojim (Nichtjuden) müssen für uns arbeiten (...). Wenn ein Dieb zehn Gulden stiehlt, so muß er hängen, raubt er auf der Straße, so ist der Kopf verloren. Aber wenn ein Jude zehn Tonnen Goldes durch seinen Wucher stiehlt und raubt, so ist er lieber als Gott selbst. (...) Sie sind eitel Diebe und Räuber, die täglich nicht einen Bissen essen noch einen Faden am Leibe tragen, den sie uns nicht gestohlen und geraubt hätten durch ihren verdammten Wucher, leben also täglich von eitel Diebstahl und Raub mit Weib und Kind, als Erzdiebe und Landräuber, in aller unbußfertigen Selbstsicherheit. Denn ein Wucherer ist ein Erzdieb und Landräuber, der billig am Galgen siebenmal höher als andere Diebe hängen sollte. (...)“ So Martin Luther in seinem Buch „Über die Juden und ihre Lügen“ (1543).
Bei Luther verfestigte sich gegenüber den Juden der Verdammungsgedanke mit all seinen Konsequenzen, wie er ihn bereits grundsätzlich überhaupt gegen Andersdenkende und Andersgläubige hatte: "Wenn der Jude sich nicht zum Christentum bekehrt, ist er des Teufels oder ein Teufel und soll dann entsprechend bestraft oder getötet werden." („Von den Juden und ihren Lügen“).
Muss es denn sein, Luthers dunkle Seiten so in den Vordergrund zu zerren? Hat nicht Luther so viel Gutes getan und Segen über die Christenheit gebracht! Mitnichten, liebe Leserschaft. In seinen Schriften, Büchern und Traktaten kommt so viel Menschenverachtung „rüber“, die Jesu Worte von Liebe, Nächstenliebe, Feindesliebe, Vergebung und Versöhnung dermaßen konterkarieren, als dass man hier schweigen könnte. Luther ist nicht Vergangenheit geworden, sondern sein Erbe, das keine Halbwertzeit kennt, „strahlt“ bis in das 20. Jahrhundert und leider auch darüber hinaus.
Da Luther seine Meinung und Erkenntnis mit denen seines Gottes identifizierte (!), war jeder Mensch ein antigöttlicher Teufel, der seine Lehre nicht akzeptierte. Dabei verstieg Luther sich sogar (allerdings ganz bewusst) darin, den Juden das Lesen der Heiligen Schrift (ihr ureigenstes Gut) zu verbieten: „Ihr Juden seid doch nicht wert, dass ihr die Biblia von außen solltet ansehen, geschweige, dass ihr drinnen lesen solltet. Ihr solltet allein die Bibel lesen, die der Sau unter dem Schwanz steht und die Buchstaben, so da selbst herausfallen, fressen und saufen." („Von den Juden und ihren Lügen“)
Luthers krankhafte Fäkalsprache feiert auch in Bezug auf die Juden peinliche Triumphe: "Der Teufel hat in die Hosen geschissen und den Bauch abermals geleeret. Das ist ein recht Heiligthum, das die Juden und was Jude sein will, küssen, fressen, sauffen und anbeten sollen …“ (Luther in „Shem Hamphoras“) Martin Luther war in einer groben Umgebung aufgewachsen. Das kann seinen Vulgärismus zwar erklären, nicht aber entschuldigen. Selbst Zeitgenossen Luthers waren über seine „Nomenklatur“ entsetzt und empört. So zum Beispiel sein Wegbegleiter Philipp Melanchthon. Mansfeld war ein Bergstädtchen, in dem es dauernd Wirtshausschlägereien gab. Luthers Onkel kam bei einem solchen Streit ums Leben und sein Vater hatte zwei Schänkenbesucher mit seinem Bierkrug blutig geschlagen. In den Jahren 1507 bis 1509 wurden in Mansfeld (2.000 Einwohner) drei Verbrecher hingerichtet. (vgl. Robert Zwilling in „Darf man einen großen Judenhasser 10 Jahre lang mit einem Millionenaufwand vermarkten?“)
Indem Professor Dr. Martin Luther die Juden so "überzeugend" zu Teufeln erklärt hat, hatte er auch die Grundlage für ihre brutale Verfolgung geschaffen. „Man solle ihnen überhaupt nicht nur "den Wucher verbieten", sondern "nehme ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold.“, so Luther in „Die Juden und ihre Lügen“. Die Nazis haben sich 400 Jahre später präzis an diese Devise Luthers gehalten, ebenso auch an die weiteren Anweisungen des Reformators. Er ist kein Ignorant, er weiß, dass alle diese bösen Behauptungen gegen die Juden Lügen sind. Aber in nicht mehr zu überbietender Bosheit gibt er zu bedenken, dass all diese Gräuelmärchen auf einer höheren Ebene doch wahr seien – nämlich metaphysisch - weil Juden aus ihrem tiefsten Wesen heraus eben zu all dem Verbrecherischen fähig seien. Und genau hier wird die Schwelle vom Antijudaismus zum Antisemitismus von Luther überschritten, wobei er sich sogar auf Jesus beruft: "Ich weiß wohl, dass sie solches und alles leugnen. Es stimmt aber alles mit dem Urteil Christi, dass sie giftige, bittere, rachgierige, hämische Schlangen, Meuchelmörder und Teufelskinder sind, die heimlich stechen und Schaden tun, weil sie es öffentlich nicht vermögen." („Über die Juden und ihre Lügen“) Dabei hätte auch der Schriftkundige Luther wissen müssen (und hat es auch sicher gewusst), dass Jesus sich mit seinen Drohworten nicht gegen sein Volk, die Juden allgemein gewendet hat, sondern gegen ihre Theologen (Schriftgelehrte) und die jüdische Sekte der besonders frommen und fundamentalistischen Pharisäer (peruschim = die Abgesonderten).
Der als Lichtgestalt verehrte Martin Luther hat eine ungeheure Geschichtsschuld auf sich geladen. Denn da die Konstellation der Geschichte des 16. Jahrhunderts ihn durch das Medium „Buchdruck“ zu einer außerordentlichen, wirkungsvollen Persönlichkeit gemacht hatte (vgl. Hitler: Rundfunk und Tonfilm), musste auch seine Judenhetze gewaltige Langzeitfolgen haben. Luthers These, alle Juden, die sich nicht zum Luthertum bekehren wollen, seien "Lästerer", "Räuber", "Mörder" und "leibhaftige Teufel" und sie seien daher zu enteignen, gefangen zu halten, zu verjagen oder totzuschlagen, war nicht nur religiös motiviert, weil der Reformator die Hauptsünde der Juden in der Ablehnung und Tötung des Gottessohnes sah, sondern ging darüber hinaus. Nicht der Jude als Andersgläubiger, sondern als „Andersmensch“ wird von Luther abgelehnt und bekämpft. Das auf diese Weise geschaffene Gedankengut in den Köpfen und Herzen der Nachfahren Luthers konnte nun von jedem antisemitischen Diktator ausgiebig genutzt werden, vor allem vom rassistischen Judenhasser Hitler.
Hitler selbst hat auch mehrfach betont, dass er sich in der Judenfrage mit Luther eins wisse. Und wenn er gegenüber dem katholischen Osnabrücker Bischof Wilhelm Berning 1936 erklärte, „dass er in Bezug auf die Juden nur das tue, was die Kirche seit 1500 Jahren tut“ (vgl. „Der Theologe“, 85, dort zit. nach Friedrich Heer, Gottes erste Liebe, Berlin 1981, S. 406), so dürfte er auch bei dieser Aussage den gewaltigen Beitrag Luthers gemeint haben. Angesichts der strengen Bücherzensur und -kontrolle während der Nazi-Zeit kann es zudem kein Zufall sein, dass Luthers wichtigstes Anti-Juden-Buch „Von den Juden und ihren Lügen“) unter Hitler neu aufgelegt wurde. Eine fatale, makabre Konsequenz zieht sich jedenfalls von Luther bis Hitler.
Seit dem 12. Jahrhundert kam zu dem religiös begründeten Judenhass auch noch der aus wirtschaftlichen Gründen hinzu. Das bis heute noch wirksame Stereotyp von den Juden als "Wucherern", stammt aus dieser Zeit. Von der „christlichen Wirtschaft“ ins Abseits gedrängt, musste sich die jüdische Bevölkerung vom Trödelhandel und Kleintierzucht ernähren. Eine besondere Rolle spielte der aus dieser Not heraus geborener Geldhandel gegen Zinsen, der der christlichen Bevölkerung zunächst verboten war (später aber aufgehoben wurde) und den auch das Alte Testament untersagt. Demnach durfte kein Jude von einem Juden Zinsen verlangen. Von einem Christen schon. So jedenfalls legten es die damaligen Rabbiner aus. Während des 14. Jahrhunderts verurteilten Päpste und Konzilien wiederholt diesen, als "jüdischen Wucher" verschrienen Geldhandel, übersahen dabei aber, dass sie selbst durch ihre Politik die Juden in diese Situation gebracht hatten, und leisteten auf diese Weise den Feindschaften christlicher Schuldner gegenüber ihren jüdischen Gläubigern Vorschub. Kein Wunder also, dass dem Deutschen der Jude als der nicht nur verstockte, sondern nun auch noch als der geldgierige Mensch galt, der die Notlage seiner christlichen Umwelt erbarmungslos auszunutzen wusste.. Diese absolut pervertierte Darstellung der Realität, verfestigte sich durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte in das gesellschaftliche Bild vom Juden und findet sich sehr prominent in Shakespeares (1564 bis 1616, also nach Luthers Leben) 'Kaufmann von Venedig', wieder. In diesem Schauspiel wird das Thema „Gnade vor Recht“ behandelt, wobei der Dichter die Gnade des Neuen Testaments dem Recht des Altes Testaments gegenüberstellt.
Das bisher kaiserliche Recht zum Schutz der Juden hatte mit der Schwächung des Kaisertums im 13. und 14. Jahrhundert erheblich an Geltung eingebüßt. Die Sichtweise und die Beurteilung der Juden durch das kirchliche Recht war – wie schon erwähnt - mehr und mehr auch in das weltliche Recht eingedrungen. Für den Schutz und ihr Aufenthaltsrecht hatten Juden nun erdrückende Sonderabgaben zu leisten und wurden mit hohen Steuern belegt. Gleichzeitig waren sie der Willkür der jeweiligen Landesherren ausgesetzt, die sie jederzeit ausweisen konnten.
Der sukzessive Rückbau des kaiserlichen Judenschutzes, wie auch die religiöse, soziale und ökonomische Stigmatisierung der Juden, führten im vorreformatorischen Zeitalter zu Verfolgungswellen, deren Ausmaß allein in „der“ Schoah (הַשּׁוֹאָה = determiniert: die Katastrophe, das große Unglück/Unheil) und dem Holocaust (ὁλόκαυστος = holókaustos „vollständig verbrannt“) des 20. Jahrhunderts übertroffen wurde. Ihnen fielen die meisten jüdischen Gemeinden des Mittelalters zum Opfer. Im Laufe der Zeit mussten die Juden die westeuropäischen Länder und nach und nach auch viele deutschen Städte und Territorien verlassen. Nordeuropäischen Juden wanderten nach Osten ab, doch kam es auch zu einer Binnenmigrationen. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt jüdischen Lebens wieder stärker in den mitteleuropäischen Raum.
Auch nicht der Humanismus, und schon gar nicht der lutherische Reformationsversuch und das anschließende Zeitalter der Konfessionalisierung (1540 bis 1648), brachten eine Wende in der Haltung der Kirche gegenüber den Juden. -- DAS GEGENTEIL WAR DER FALL. -- Der grundtiefe Hass gegen die Juden, wurde durch die Reformation Martin Luthers nicht nur verstärkt, sondern von Luther selbst auch noch auf den Namen des „Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft“ (= von Gott und von seiner, der reformierten Kirche, als abgesegnet erklärt und damit legitimiert), wie noch weiter ausführlich dargelegt wird. Die Kirche, vor allem die reformierte, bekannte sich zur Lehre der Kirchenväter mit all ihren antijüdischen Implikationen. Aus der Gottesmord-Theorie, aufgestellt von Melito von Sardes in seiner Osterpredigt 190 n. Chr.), wurde der „kriminelle Charakter“ der Juden geboren.
Luthers maßloser Judenhass ging jedoch weit über die Grundstimmung antijüdischer Tendenzen seiner Zeit in bestimmten christlichen und auch humanistischen Kreisen hinaus. Das kann allein mit Altersstarrsinn und Enttäuschungen nicht erklärt werden.
Andere protestantische Glaubensreformer und Zeitgenossen Luthers, aber auch Humanisten wie Johannes Reuchlin (1455 bis 1522), zeigten ein toleranteres Verhältnis zu den Juden. Und der katholische Reformer Ignatius von Loyola (1491 bis 1556), von dem der Begriff der „Loyalität“ abgeleitet wird, gab ein Beispiel dafür, dass der Aufbruch in Glaubens- und Kirchenreform sowie Missionseifer nicht mit rigoroser Abgrenzung und gewaltsamer Ausgrenzung der Juden einherzugehen brauchte.
Sehr Zutreffend ist hier die Einsicht des protestantischen Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann, der sagt: „Luthers sich obzessiv steigernde Judenfeindschaft war die dunkle Kehrseite seiner Christusliebe, seines Rechtfertigungsglaubens, seiner Deutung der Schrift“ (Th. Kaufmann: Martin Luther, Beck-Wissen S. 111). Auch Luthers Gnadentheologie ging auf Kosten des Judentums.
Um das Jahr 1.500 n. Chr. lebten im „Heiligen Römischen Reich“ nördlich der Alpen weniger als 40.000 Juden (0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: Im Jahre 1925 erklärten sich 563.733 Personen in Deutschland der jüdischen Religionsgemeinschaft zugehörig, das waren 0,9 Prozent der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches. Acht Jahre später, nach der Volkszählung vom 16. Juni 1933, hatte sich ihre Anzahl auf 499.682 reduziert). Zwar erkannten sie ihre christlichen Herrscher an, hielten aber an ihrer Messiaserwartung fest und beurteilten das Christentum gemäß der Thora als Bilder- und Götzendienst, wie er im Dekalog (Zehn Gebote) von Gott Jahwe untersagt wird. Im Kurfürstentum Sachsen lebten damals anteilig weit weniger Juden als anderswo. Seit 1536 bestand dort ein Aufenthalts-, Erwerbs- und Durchzugsverbot für Juden, das 1543 auf Luthers Betreiben (!) erneuert wurde. In Thüringen gab es um 1540 nur noch etwa 25 kleine jüdische Siedlungen ohne Synagogen und Einzelfamilien an der Peripherie des Landes.
In Luthers Wohn- und Aufenthaltsorten lebten damals keine Juden, nur in Eisleben, wo er gegen Ende seines Lebens für ein paar Wochen verweilte. Seine wenigen persönlichen Kontakte mit Juden gingen initiativ von diesen aus, darunter 1525 ein Treffen mit drei Rabbinern, nach dem er aber seine negativen Urteile über sie noch verstärkte. Er und seine Frau Katharina von Bora verdächtigten jüdische Mediziner, ihn ermorden zu wollen. Sein Judenbild wurde demnach kaum von persönlicher Erfahrung, sondern von antijudaistischen Vorurteilen, seiner eigenen Bibelauslegung, innerchristlichen Konflikten und religionspolitischen Zielen bestimmt.
Als Luther 1523 seine erste Judenschrift verfasste, tat er dies mit großem Selbstbewusstsein. In maßloser Selbstüberheblichkeit hielt er seine Schriftauslegung für die einzige vom Heiligen Geist inspirierte wahre Lehre. Zu diesem Übermut bekannte er sich öffentlich mit „sanctissima superbia“ – ‚heiligem Hochmut’. Aus diesem Ansatz heraus konnten andersdenkende Christen nur vom Teufel sein. Das galt übrigens auch für die muslimischen Türken, wie er die Bewohner des Osmanischen Reiches bezeichnet. Luther schreibt: Und: „Der Türke ist Gottes Rute und des Teufels Diener, das hat keinen Zweifel." („Wider die Türken“) Diese Auffassung wurde am 15. Juni 1520 von Papst Leo X in seiner Bulle "Exsurge Domine" zurückgewiesen und als irrig verurteilt, worauf hin Luther mit dem Satz konterte: „Wie der Papst der Antichrist ist, so ist der Türke der leibhaftige Teufel.“ Die Islamphobie Luthers finden sich im Disput des 21. Jahrhunderts bei vielen Deutschen und hier vor allem bei den fundamentalistischen Evangelikalen wieder. Auch in dieser Angelegenheit ist Luther ein Wegbereiter und wird dafür in der evangelikalen Literatur als Vorbild für den Antiislamismus gelobt. Andererseits aber profitierte Luthers Reformation von den „Türken und ihrer teuflischen Religion“. Die Beteiligung der Protestanten an der Abwehr der Türken wurde von katholischer Seite, und zuvörderst von Kaiser Karl V. in gewisser Weise mit dem Schutz der reformatorischen Lehre erkauft, solange es den dann dauerhaften Religionsfrieden (1555 in Augsburg) nicht gab.
In den frühen 1520er Jahren glaubte Luther noch an nennenswerte Bekehrungen von Juden, wenn ihnen erstmals nach Jahrhunderten das „unverfälschte Evangelium“ (seine ins Deutsche übersetzte Bibel) gepredigt würde. Nur unter dieser Perspektive sollten die Juden in protestantischen Landen geduldet werden. Als die jüdische Massenkonversion nicht eintraf, schlug Luthers Grundkonzept durch, dass „Christusfeinde“ mit allen sozialen und staatlichen Mitteln bekämpft und vertrieben werden sollten.
Es gibt noch eine weitere Triebkraft für Luthers Antisemitismus. Als bei ihm – wie schon angesprochen - 1530 ein lutherischer Pastor vorsprach, wie er sich verhalten solle zu dem Ersuchen eines jüdischen Mädchens, das die christliche Taufe begehrte, hätte Luther eigentlich erfreut über diesen Übertrittswünsche gewesen sein müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Luther mahnte den Anfragenden zu einer skeptischen Haltung und Prüfung, denn er war der festen Überzeugung, dass die Täuschung der Christen in der Art des Juden verborgen liege. Luther hatte also die Juden dermaßen fest in die Schublade seiner theologischen Kommode gesteckt, dass ein Entkommen über die Jahrhunderte bis ins Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Nazi-Diktatur und Deutschland heute unmöglich war. Man lese dazu auch das wichtige und erhellende Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“, von Alexander und Margarete Mitscherlich.
Luther unterstellt Juden auch 'verdorbenes Blut'". (vgl. Luther-Bibel 2017, Seite 29). Für den Historiker Thomas Kaufmann ist das eine Frühform des Antisemitismus. Er sagt: „ Die Vorstellung, dass Juden ein eigener Menschentypus sind, dem nicht zu trauen ist, der verschlagen ist, der alles darauf anlegt, Christen zu übervorteilen oder noch Schlimmeres. Das sind Vorstellungen, die auch bei Luther immer wieder anzutreffen sind und die ich nicht ohne weiteres auf eine biblische Grundlage zurückführen kann.“ (Telepolis, 26.12.2016)
Diese Ansätze zu einer völkischen Argumentation zeigen, dass bei Luther tatsächlich und faktisch bereits ein religiös begründeter rassistisch gemeinter Antisemitismus zu finden ist.
„Wenn ihr uns Juden stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht?“ (Shakespeare im Kaufmann von Venedig)
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Beweislasterhebung Teil II (Zweiter Verhandlungstag)
Martin Luthers anfängliches Wohlwollen gegenüber den Juden, die er seinen Lesern in seiner Schrift „Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“ ebenso ans Herz legte, mag echt gewesen sein. Leider aber sind nur der Beginn und das Ende dieses Buches allgemein bekannt, wo Luther eben judenfreundlich schreibt. Hier heißt es: „Darum wäre meine Bitte und Rat, dass man säuberlich mit ihnen umginge und aus der Schrift sie unterrichtet, so möchten ihrer etliche herbei kommen. Aber nun wir sie nur mit Gewalt treiben, … dass man sie gleich wie Hunde hält, was sollten wir Gute an Ihnen schaffen? …Will man ihnen helfen, so muss man nicht des Papstes, sondern christlicher Liebe Gesetz an ihnen üben und sie freundlich aufnehmen.“ („Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“, zitiert bei Pangritz)
Der mittlere Abschnitt dieses Werkes allerdings bietet bereits die ersten – von Luther theologisch und christologisch (= auf die Erlösungstat Jesu am Kreuz hin bezogen) begründeten – antijüdischen und konnotierten antisemitischen Bemerkungen und Abwertungen. So schreibt Luther dazu: „Und ist Wunder, dass die Juden das nicht bewegt, an diesen Jesum ihr eigen Fleisch und Blut zu glauben, auf welchen die Sprüche der Schrift sich mit der Tat so mächtig und eben reimen, weil sie doch sehen, dass wir Heiden [Nichtjuden] so viel, so hart, so fest an ihm halten, dass viel tausend um seinetwillen ihr Blut vergossen haben … Sie wissen ja wohl, dass die Heiden allezeit natürlich keinem Volk feindlicher gewesen sind, als den Juden und nie haben wollen leiden ihre Herrschaft noch Gesetze und Regiment.“ („Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“, zitiert bei Pangritz, ebd.)
Luther behauptet also, dass, wenn schon die Heiden (damit sind immer die Völker außerhalb des Judentums gemeint) dem Juden Jesus ihr Leben anvertrauen und um seinetwillen so viel Blut vergossen haben (gemeint ist ihr eigenes und nicht das der unterworfenen und zwangsmissionierten Nichtchristen, siehe auch die Kreuzzüge) und die Juden selbst, diesem Juden nicht folgen, es unentschuldbar sei. Mit der Formulierung „allezeit natürlich“ in Bezug auf die Feindschaft der Heiden gegen die Juden, begründet Martin Luther bereits in „frühen“ Jahren die Konnotation von Antijudaismus und Antisemitismus. Das Wort „natürlich“ darf nicht auf seine heutige Bedeutung von „selbstverständlich“ reduziert werden. Im Mittelalter bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde es im Sinne von „der Natur gemäß“ und/oder „von der Natur (vor)gegeben“ benutzt. Luthers Leser haben also genau verstanden, was gemeint war.
Luthers anfänglich gemäßigten Äußerungen über die Juden waren auf jeden Fall immer schon allein Mittel zum Zweck. Aus seiner Sicht bot die katholische Kirche dem Juden nichts entscheidend Befreiendes, und vom Judentum Veränderndes, außer einer neuen und „getauften“ Werkgerechtigkeit und dem päpstlichen Joch aus Rom. Die von Luther reformierte Kirche jedoch versprach den Juden die „Freiheit eines Christenmenschen.“ So versuchte der Reformator anfänglich, den unterdrückten Juden ein einigermaßen normales Leben in evangelischen Gebieten zu ermöglichen, allerdings unter der Prämisse, diese christliche Freundlichkeit hat die Konversion der Judenschaft zur Folge. Luthers vordergründige Maxime bis etwa 1525 war deshalb die positive Haltung gegenüber den Juden und er argumentierte, sie würden wegen der göttlichen Verheißung an den mit den Christen gemeinsamen Vorfahren Abraham zu Jesus Christus finden. Und so schreibt er: „Man sage ihnen [den Juden] gütlich die Wahrheit. Wollen sie nicht, so lasst sie fahren. Wie viele sind Christen, die Christus nicht achten, auch seine Worte nicht hören, ärger als Heiden und Juden.“ („Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei“)
Als sich der auf diesem Weg erhoffte Missionserfolg gegenüber den Juden jedoch nicht einstellte und Luther die Juden nicht für seine neue Lehre gewinnen konnte, zeigte der Reformator sein wahres Gesicht und verließ den moderaten Weg der Judenfreundlichkeit. Durch Schriften, Tischreden und Predigten steigerte sich sein Hass, seine Verdammung und Abscheu gegen die Juden, die allesamt in seinem 1543 Jahren erschienenen Buch „Von den Juden und ihren Lügen“ gipfelten und zum zukünftigen Entwurf für Kirche und Gesellschaft im Umgang mit den deutschen und europäischen Juden wurde.. Erst mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) und seiner starren konfessionellen Konfrontation, entspannte sich allmählich auch das christlich-jüdische Verhältnis, womit jedoch keineswegs gleich eine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte verbunden war.
Das zu Beginn des 18. Jahrhunderts publizierte und von antijüdischen Stereotypen geprägte Werk „Entdecktes Judenthum“ des Heidelberger Orientalisten Johann Andreas Eisenmenger (1654 bis 1704), war zu dieser Zeit sogar eher eine Ausnahme. In vielen anderen theologischen Werken machte sich hingegen eine entspannte Geisteshaltung bemerkbar, die besonders vom humanistisch inspirierten christlichen Interesse am Judentum befördert wurde. Dieses „christliche“ Interesse beruhte jedoch nur bedingt auf einem neuen Geist der Toleranz, sondern wurde letztlich von der Hoffnung getragen, durch das bessere Kennenlernen des Judentums Missionserfolge zu erzielen. Der Jude als Missionsobjekt, nicht als Mensch auf Augenhöhe. Der Jude als religiöser „Analphabet“, der zu lernen hat und von dem absolut nichts zu lernen ist. Dahinter standen die Überzeugungen von einer in der Endzeit (Apokalypse und Wiederkunft Jesu) erwarteten Bekehrung aller Juden und die daraus resultierende Folgerung einer schon jetzt bestehenden Pflicht zur Missionierung. Vor allem in pietistischen Kreisen (ab 1660 in Süddeutschland), die sich theologisch als eine Besinnung auf zentrale Anliegen der Reformation verstanden, fand diese Auffassung weite Verbreitung. Ausführlich darüber schreibt der Theologe Peter Vogt (Hrsg.) in dem Buch „Bekehrungseifer und Philosemitismus“ darüber. In der Rezension von Hedwig Richter zu diesem Buch heißt es: „Im Jahr 1716 sorgten zwei Pietisten vor der Prager Synagoge für einen „großen Zulauf der Juden“ und „Gedräncke des Volks“. Sie erzählten den Herbeigelaufenen „wie sie der Herr […] wiederum zu seinem Volck und Eigenthum annehmen werde“, worauf die Juden in Tränen ausbrachen. „Wir empfunden eine grosse Liebe zu ihnen allen, und sie bezeugten deßgleichen“, wie sich einer der beiden Pietisten später erinnerte (S. 71-73).“ (Quelle: https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-10562).
Weiter Protagonisten der Pietisten sind Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und Philipp Jacob Spener, wobei nicht nur bei Letzterem antisemitische Äußerungen zu hören sind, die jedoch verteidigt werden, wenn es heißt: „Das theils ohne ihre Schuld geschiehet, indem sie eignes land zu bauen nicht haben, auch an meisten orten zu handwerckern, sie zu lernen oder zu treiben, nicht gelassen werden“ (S. 39, ebenda)
Im Zuge der „Aufklärung“ gab es zwei Strömungen bezüglich der Juden. Gotthold Ephraim Lessing (1729 bis 1781), selbst ein Jude, schrieb: „Die Allherrschaft der Vernunft ist gleichzeitig die Allherrschaft des Menschlichen, des Humanen. … Schließlich (sind) alle Konfessionen für den Toleranten, und das heißt für den wahrhaft Menschlichen, nur verschiedene Benennungen desselben Menschen.“ Für die Aufklärung sind nur „Vernunftwahrheiten“ „notwendig“. „Geschichtswahrheiten“ sind dagegen „zufällig“ und nur dann wahr bzw. „überzeugend“ und „allgemein verbindlich“, wenn sie die Vernunftwahrheiten bestätigen.“ (zitiert bei Hannah Arendt: Aufklärung und Judenfrage. In: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt a. M. 1976, S. 109). Unter dieser Prämisse ist auch Lessings Parabel „Nathan der Weise“ zu verstehen und zu deuten. Egal, an welchen Gott der Mensch glaubt, Jahwe, Jesus oder Allah, entscheidend ist, dass wir Menschen auf den Grundlagen des Humanismus miteinander umgehen. - Doch ganz anders der Philosoph Friedrich Schleiermacher (1768 bis 1834). Er lehnte die Gleichheit aller Menschen als den Hauptgedanken der Aufklärung ab und vertrat die Meinung, die christliche Lehre würde durch konvertierte Juden (Proselyten) verwässert.
Die Idee des säkularen Staates, der Toleranzgedanke und der Grundsatz von der Rechtsgleichheit aller Menschen stellte allerdings die Frage nach der Rolle der Juden neu und leitete so die mit der Emanzipation im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgte gleichberechtigte Teilhabe der Juden am gesellschaftlichen und politischen Leben ein. Wohlgemerkt: Diese Denkweise ging von den Humanisten aus, nicht von den Christen, nicht von den Lutheranern.
Verkannt werden darf dabei jedoch nicht, dass die Zahl der Aufklärer äußerst klein und ihre Haltung den Juden gegenüber dennoch nicht frei von Ambivalenzen und versteckten antijüdischen Ressentiments war. Sie waren zwar Kinder ihrer Zeit, was wohl manches erklären, nicht aber entschuldigen kann. Selbiges gilt übrigens für Zeitgenossen aller Epochen, bis hin zu Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittem Reich und dem 21. Jahrhundert.
So muss gesagt werden, dass nicht Luther persönlich Schuld am Holocaust war und gewesen sein kann - das waren vielmehr die Nazigrößen und ihre Anhänger, die Vertreter der Deutschen Christen und der Evangelischen Kirche und ihre Gläubigen. Letztere waren es, die den Luther-Hitler-Vergleich immer wieder befeuerten und die nicht so kirchengeschichtlich bewanderten und bibelfesten Nazis auf Luthers Antisemitismus hinwiesen. Man muss daher ganz klar erkennen und feststellen, dass der im Nationalsozialismus zementierte und abgrundtiefe Antisemitismus und der Wille, das Judentum vollkommen zu vernichten, ohne Luthers 400 Jahre zuvor gesätem und von den Protestanten tradierten todbringenden Hass gegen die Juden, in der deutschen Bevölkerung 1933 bis 45 nicht den notwendigen Rückhalt gefunden hätte.
Das Aufblühen dieses lutherischen Erbes zeigte sich bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Es entstanden neue Formen von Judenhass und Antisemitismus’, die "wissenschaftlich" argumentierten. Und zwar einerseits unter Berufung auf Joseph Arthur de Gobineau (1816 bis 1882), der ein französischer Diplomat und Schriftsteller war. Richard Wagner war einer seiner Bewunderer. Der Rassismus bei Gobineau enthält jedoch keine Hinweise auf Antisemitismus noch auf deutschen Nationalismus. Diese ideologischen Elemente wurden erst durch die Gobineau-Rezeption im Umfeld Richard Wagners und seines Schwiegersohns Chamberlains hinzugefügt. Auch die darin enthaltenen antisemitischen und deutschnationalen Ausführungen waren mit für die Genozide und Ausrottungspolitik der Nazis 45 Jahre später mit verantwortlich.
Andererseits waren da auch die Erkenntnisse der Naturwissenschaft durch Charles Darwin in seiner Evolutionstheorie. Diese sagt vereinfacht wiedergegeben Folgendes: Jedes Lebewesen (Flora, Fauna, homo sapiens) ist bestrebt, sich immer besser an seine Umgebung anzupassen. Auf diese Weise sind durch Evolution aus einfachen Einzellern immer komplexere Lebewesen entstanden. Diejenigen Lebewesen, welche die Anpassung am besten bewerkstelligen, haben die größten Chancen, langfristig zu überleben. Daraus folgt, dass in jeder Gruppe von Lebewesen sich der stärkere bzw. der am besten angepasste auf die Dauer durchsetzen wird. In anderen Worten: Dem Stärkeren gehört die Welt. Allerdings hat Darwin ausgeblendet, übersehen oder zumindest vergessen zu erwähnen, dass der homo sapiens – im Gegensatz zur Pflanzen- und Tierwelt - nicht nur Instinkte, sondern auch ein Gewissen hat. Genau diese Sichtweise Darwins passte den Nazis untermauernd ins Konzept, denn schon Martin Luther hatte ja die Juden als Untermenschen, nämlich als Objekte und Parasiten, gesehen. Hitlers „Sozialdarwinismus“ gibt es nicht und selbst der große Forscher wollte seine Erkenntnisse nicht so verstanden wissen und angewendet sehen. Doch Adolf Hitler sah sich und den arischen Menschen als den „Wolf“ der durch die Wälder streicht, um zu töten und zu vernichten, was schwächer als er und was krank ist. Er ließ sich gerne mit „Wolf“ anreden, sein Schäferhund trug diesen Namen, und das gab es dann auch noch die „Wolfsschanze.“ Hitler hat Darwin völlig missverstanden.
Hatte der ältere religiöse Antijudaismus die "Bekehrung" der Juden und deren Taufe zum Ziel, so stigmatisierte der wiedererwachte, aber bereits von Martin Luther im 16. Jahrhundert begründet und bis in die Neuzeit transportierte Antisemitismus die Juden schon allein deshalb, weil sie eben Juden waren (Blut), mit dem Ziel der Ausgrenzung, der Vertreibung und in letzter Konsequenz mit dem Endziel (Endlösung) der völligen Vernichtung der jüdischen Minderheit.
Der Neologismus „Antisemitismus“ ist wörtlich und sprachlich genommen eine Fehlkonstruktion, weil er, um Judenfeindschaft mit wissenschaftlichem Anspruch zu untermauern, die Sprachfamilie der Semiten (dazu gehören auch die Araber, die Äthiopier und andere) als Rasse verstand, dabei jedoch nur die Juden meinte. Den Antisemitismus gab es inhaltlich, eben seit dem lutherischen Jahrhundert schon längst. Doch als feststehender Begriff entstand er erst 1879 im Umkreis des Publizisten Wilhelm Marr. Den Hintergrund bildete die damals öffentlich diskutierte "Judenfrage". Marr propagierte im deutschen Sprachraum als Erster auch den Anarchismus. 1879 gründete er die erste antisemitische politische Vereinigung, die Antisemiten Liga. Marr schrieb in der Tradition von Johannes Pfefferkorn (1508) – Einen zum Christentum konvertierten Juden – und Hartwig von Hundt-Radowsky (1819), im Jahre 1862 den „Judenspiegel“, Hundt-Radowsky hatte seinen „Judenspiegel in 14 Kapitel aufgeteilt. Das letzte Kapitel hatte die Überschrift: Betrachtungen über Verbesserung, Ausrottung und Vertreibung der Juden.
Hundt-Radowsky bezeichnete die Juden in seinem Werk als „Untermenschen“ und „Ungeziefer“. Er vertrat die Meinung, dass die Juden als Sklaven an die Engländer verkauft werden sollten, die sie dann in ihren überseeischen Kolonien einsetzen sollten. Oder die Juden sollten in Bergwerken unter Tage arbeiten und sie sollten kastriert werden. Die Jüdinnen als Prostituierte wollte er in Bordellen beschäftigen, in denen sie wegen ihres angeblichen Knoblauch- und Zwiebelgeruches Freier vom außerehelichen Geschlechtsverkehr abhielten und so zur Sittlichkeit beitrügen. Am Ende von Kapitel 14 heißt es dann:
„Am besten wäre es jedoch, man reinigte das Land ganz von dem Ungeziefer, und hiezu gibt es gleichfalls zwei Mittel. Entweder, sie durchaus zu vertilgen, oder sie auch, wie Pharao, die Meininger, Würzburger und Frankfurter es gemacht haben, zum Lande hinausjagen ... Obgleich ich, meines Orts, die Tötung eines Juden weder für Sünde, noch für ein Verbrechen, sondern bloß für ein Polizeivergehen halte, so werde ich doch nie raten, sie, wie es jetzt in andern Fällen Mode zu werden scheint, ungehört zu verdammen und zu bestrafen.“
Im Nachgang zum großen Religionskrieg 1618 bis 1648 – ausgelöst durch Luthers Reformation (besser und richtiger muss es heißen „Kirchenspaltung“) – begann 70 Jahre später die Diskussionen um die bürgerliche Integration der Juden in die europäische Gesellschaft. Sicher war die Zeit des so genannten späten Mittelalters nicht reif für das, was Luther aus heutiger Sicht und Erkenntnis hätte wirklich tun müssen, nachdem die Erneuerungsversuche der Katholischen Kirche dort auf unfruchtbaren Boden fielen. Nicht eine neue, eine weitere Kirche hätte er „gründen“ sollen, sondern die Verweigerung und Abschaffung einer von Menschen gemachten, verwaltenden und kontrollierten religiösen Institution hätte sein Ziel sein müssen. So aber entstand eine weitere bald selbst betonierte „Katholische Kirche light“, statt der von Jesus proklamierten und gewollte „Gemeinschaft der Herausgerufenen“ = ekklesia, (ek = heraus; kaleo = rufen) mit einem direkten und persönlichen Zugang zu Gott..
Im Jahre 1720 veröffentlichte der Engländer John Toland seine Schrift „Reasons for Naturalizing the Jews in Great Britain and Ireland“. 1753 billigten beide Häuser in London die Naturalizing Bill (die Einbürgerung). Diese Entscheidung musste aber auf Druck der öffentlichen Meinung wieder zurückgenommen werden. Am 27. September 1791 dann verkündete die Französische Nationalversammlung die Gleichberechtigung aller französischen Juden in Frankreich. In den unter französischem Einfluss stehenden deutschen Gebieten wurden die Juden vorbehaltlos emanzipiert, etwa im „Königreich Westphalen“ und in den linksrheinischen Gebieten. In den deutschsprachigen Staaten wurde die rechtliche Gleichstellung der Juden allmählich und in vielen Einzelschritten von 1797 bis 1918 vorgenommen.
In der Sitzung der Nationalversammlung am 27. September 1791wurde die Judenemanzipation erreicht. Allerdings erst, nachdem die bisherige Forderung nach Anerkennung der Gemeindeautonomie aufgegeben worden war. Zwei Jahre zuvor hatte der Pariser Abgeordnete Anne Antoine Jules Clermont-Tonnerre (1749–1830) gefordert, dass die Emanzipation nur den einzelnen Juden, nicht aber der Judenschaft allgemein zukommen könne. Weder Körperschaft noch eine Klasse, sondern allein individuelle Bürger. Erst als die Juden des Elsass’ und Lothringens auf alle ihre bisherigen Korporationsrechte verzichteten und eine hohe monetäre Gegenleistung versprachen, erhielten die Juden das lange und bisher vergeblich begehrte Emanzipationsdekret, in dem es unter anderem hieß: „(Die Nationalversammlung) setzt sämtliche in die früher ergangenen Dekrete in Bezug auf die Juden aufgenommenen Vertragsbestimmungen, Klauseln und Ausnahmebestimmungen außer Kraft, indem sie zugleich bestimmt, dass der von den Juden zu leistende Bürgereid als Verzicht auf alle ehedem zu ihren Gunsten geltenden Privilegien und Sondergesetze zu behandeln ist.“ ((Révoque tous ajournements, réserves et exceptions insérés dans les précédents Décrets relativement … zitiert bei Friedrich Battenberg, Judenemanzipation im 18. und 19. Jahrhundert, S. 402f).
So blieben die Juden in Europa in einer gesellschaftlichen Randposition. Trotz der ausgerufenen und zum Programm gemachten Gleichberechtigung, hatten Juden immer noch kaum die Chance, bürgerliche Berufe zu ergreifen und blieben weiterhin in erster Linie Geldverleiher und Kleinhändler. Dem sollte zwar durch Dekrete (siehe oben) entgegengewirkt werden, doch gingen diese auch immer einher mit Eingriffen ins jüdische Gemeindeleben, Kontrolle und Konzessionierung der Handelstätigkeit und der Einschränkung von Mitteln, jüdische Rechtsansprüche geltend zu machen, und wurden von den Erfolgen der staatlichen „Erziehungspolitik“ abhängig gemacht. Diese Maßnahmen sollten ursprünglich nur vorübergehend gelten und waren für den beschleunigten Emanzipationsprozess und die bessere Integration der Juden in die napoleonische Gesellschaft gedacht. Nach der Besitznahme des Rheinlandes durch Preußen im Jahr 1815 wurden diese Bestimmungen aber immer wieder verlängert und führten somit zu anhaltenden Einschränkungen der staatsbürgerlichen Rechte für Juden und erreichten damit Genau das Gegenteil.
1879/80 war "die Judenfrage" in Deutschland einerseits Gegenstand eines Gelehrtenstreites, den der Historiker Heinrich von Treitschke mit Überfremdungsängsten (!) ausgelöst hatte, andererseits wurde sie durch den Berliner Hofprediger Adolf Stoecker in dessen christlich-sozial argumentierender Kampagne gegen die Arbeiterbewegung instrumentalisiert. Stoecker wetterte gegen den „verjudeten“ Großkapitalismus und gegen die „verjudete“ Linke. Das politische Fernziel Stoeckers war ein christlich-deutscher Gottesstaat als Ständestaat. In Österreich vertrat der Wiener Bürgermeister Karl Lueger ähnliche Positionen. Der Jude wurde als Parasit gesehen, der sich sein Kapital nicht auf ehrliche Weise verdient hat, sondern auf unlautere Art und Weise: Raffen, statt Schaffen! Da der Jude zur eigenen Staatsbildung unfähig sei, befalle er andere Staaten und sauge diese aus.
Grundstein für die These des jüdischen „Wirtsvolkes“ in Deutschland und Europa aber legte niemand anders als Martin Luther in seinen antijüdischen Schriften. So formuliert er 1543: „Jawohl, sie halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein […] sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.“ („Von den Juden und ihren Lügen“)
Wirts- oder Gastvölker gab es im Mittelalter – auch schon vor Luther – tatsächlich. Es war eine aus der Antike fortgesetzte Tradition. Luther allerdings verband die „Judenfrage“ mit der des Wirtsvolkes und versetzte ihm noch ein negatives Voruzeichen. In „Von den Juden und ihren Lügen“ meint der denn auch: „Leiden wir doch mehr unter den Juden, als die Welschen (Italiener) von den Spaniolen. Die nehmen dem Hauswirt Küche, Keller und Beutel ein, fluchen ihnen dazu und drohen ihnen den Tod. Ebenso tun uns die Juden, unsere Gäste, auch. Wir sind ihre Hauswirte.“ Treitschke und andere haben den Begriff vom Wirtsvolk Ende des 19. Jahrhunderts so populär gemacht, dass er von den Juden selbst angewendet wurde ohne seine Implikationen zu ahnen. Friedrich Ratzel, ein Anthropo-Geograph jener Zeit (1844 bis 1904) schreibt: „Juden, Armenier, Zigeuner wohnen bei anderen Völkern gleichsam zur Miete.“ (Erdenmacht und Völkerschicksal, Seite 240). Luther – Treitschke – Hitler! Noch Fragen?
Zwar war die in Deutschland seit der Revolution von 1848/49 immer stärker geforderter Gleichberechtigung des jüdischen Bevölkerungsteils seit 1871 in der Deutschen Reichsverfassung verankert, doch begannen fanatische Judenfeinde, sich in Parteien und Verbänden zu organisieren. In Dresden existierte seit 1881 die "Deutsche Reformpartei"; in Kassel wurde 1886 die "Deutsche Antisemitische Vereinigung" ins Leben gerufen, deren Protagonist der Bibliothekar Otto Böckel (1859 -1923) war. Von 1887 bis 1903 saß dieser im Reichstag; er war Herausgeber völkischer Zeitschriften und betätigte sich maßgeblich im "Deutschen Volks-Bund", der ab 1900 versuchte, "national gesinnte Männer" gegen "die erdrückende Übermacht des Judentums" zusammen zu schließen.
Dabei ist zu bedenken, dass die jüdische Bevölkerung zu dieser Zeit nur 1,25 Prozent der Gesamtbevölkerung des deutschen Reiches betrug (512.000 Personen). Bei der Volkszählung 1933 waren es nur 0,77 Prozent (503.000 Personen, davon allein in Berlin 144.000). Die empfundene „Übermacht“ der Juden war deshalb auch mehr eine Frage des Sozialneides. Deutsche Juden waren städtisch- und bildungsorientiert. Ein Drittel von ihnen arbeitete im Handel und im Gewerbe, nur knapp 2 Prozent in der Landwirtschaft. In Preußen waren von den 11.674 zugelassenen Anwälten immerhin 3.370 Juden. Unter den Ärzten in Deutschland betrug der jüdische Anteil etwa 16 Prozent. Und dieser hohe Satz von Bildung und von lukrativen Geschäften und Berufen bei einem „Volksanteil“ von nur einem drei Viertel (3/4) Prozent, konnte das ja irgendwie nicht mit rechten Dingen zugegangen sein und zugehen. Da mussten Wucher und Betrug herhalten, um den wirtschaftlichen und akademischen Erfolg der Juden zu erklären. Und unter Heranziehung all der weiteren, seit Martin Luther gepflegten Stereotype, Mythen und Gräuelgeschichten über die Juden, war für die heranziehende Wirtschaftskrise sehr schnell und überzeugend der Sündenbock gefunden. Das Bruttonationalaufkommen des Deutschen Reiches betrug am Ende einer Aufschwungsphase bei 52,3 Milliarden Reichsmark. 19323 waren es nur noch 33,6 Milliarden. Dann kam Hitler an die Macht und tatsächlich nahm das Bruttonationalaufkommen im Deutschen Reich von 1933 bis 1938 bis auf 59,2 Milliarden zu, lag also um cirka 15 Prozent höher als vor der Wirtschaftskrise. (Quelle: „Lange Reihen ab 1925“, Statistisches Bundesamt). Kein Wunder also, dass die Begeisterung für Hitler zunahm und sich die NSDAP-Wähler von 1932 bestätigt fühlten. Aber es war nicht nur der Bau der „Autobahn“, die Deutschlands Wirtschaft zum Aufschwung verhalt, sondern vor allem die Rüstungsindustrie von der Herstellung einer Pistole bis zum Bau eines Panzers; von Uniform, „Affen“, Feldstecher und Feldbesteck. Adolf Hitler war tatsächlich der von Gott gesandte Erlöser des Deutschen Volkes, so wie es auch einst Martin Luther 400 Jahre zuvor gewesen war. Was lag da näher, des Reformators Antisemitismus als bei Hitler folgerichtig aufgehoben zu sehen und ihn zu bejahen, zu unterstützen und zu befolgen!
Zur Erinnerung: Die Bezeichnung und Rolle des „Sündenbockes“ stammt aus der Geschichte des Volkes Israel und der Liturgie seiner Gottesdienste selbst. Der Israelit – und im Verlaufe der Geschichte – genannt, der Jude, kam zum Priester, um seine Schuld zu bekennen. Dabei brachte er ein makelloses männliches Schaf oder Ziege (Lammbock) mit. Nach erfolgter „Beichte“ legte der Priester seine Hand auf den Bock, und somit symbolisch auch die Schuld des Menschen. Anschließend wurde das Tier geschlachtet und zur Hälfte verbrannt (die andere Hälfte stand dem Priester zu) und somit war die Schuld vor Gott durch den stellvertretenden Tod des Sündenbockes getilgt. Wer sich den Kauf eines Schafes oder einer Ziege aus ökonomischen Gründen nicht leisten konnte, der brachte ein Paar Turteltauben als Opfer mit. Für den Christen ist Jesus dieses Opferlamm, der Sündenbock, der am Kreuz für seine Sünden stellvertretend starb.
Auf dem Antisemitentag in Bochum einigten sich Anfang Juni 1889 die verschiedenen judenfeindlichen Strömungen (mit Ausnahme der christlich-sozialen Partei Adolf Stoeckers) auf gemeinsame Grundsätze und Forderungen, aber schon über der Bezeichnung des Zusammenschlusses entzweiten sich die Antisemiten wieder. Es gab nun eine "Antisemitische Deutschsoziale Partei" und eine "Deutschsoziale Partei" und ab Juli 1890 die von Böckel in Erfurt gegründete "Antisemitische Volkspartei", die ab 1893 "Deutsche Reformpartei" hieß. Im Reichstag errangen Vertreter antisemitischer Gruppierungen 1890 fünf und 1893 sechzehn Mandate. Ernst Henrici war zusammen mit dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Pickenbach 1894 Gründer des "Deutschen Antisemitenbunds".
Am meisten Aufsehen im Parlament erregte der Demagoge Hermann Ahlwardt (1846-1914), der ab 1892 als Parteiloser im Reichstag saß und sich als Radau-Antisemit (!) besonders hervortat. Durch hemmungslosen Populismus war Ahlwardt, den man damals "den stärksten Demagogen vor Hitler in Deutschland" genannt hatte (aufgeklärt müsste es heißen, „den stärksten Demagogen seit Luther“), vorübergehend erfolgreich. Wegen Verleumdung und Erpressung gerichtsnotorisch und vielfach bestraft, als Volksschulrektor nach Unterschlagungen entlassen, verbreitet Ahlwardt als Verfasser zahlreicher Pamphlete in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts rastlos und wirkungsvoll antisemitische Propaganda. Politischen Einfluss erlangten die Antisemiten im Kaiserreich nicht. Aber ihre Propaganda entfaltete Wirkung: Juden wurden mit allen nur denkbaren schlechten Eigenschaften belegt, deren Grund, so erklärten die Antisemiten, liege in der "Rasse".
Im Kontext dieser antijüdischen und antisemitistischen Entwicklungen und im weisen Vorausblick auf das, was noch kommen würde, schrieb der ungarische Jude Theodor Herzl (Herzl Tivadar) 1896 das Buch „Der Judenstaat“. In ihm vertritt der Autor mit Überzeugung die Meinung, dass die Juden eine Nation seien und dass aufgrund des Antisemitismus, gesetzlicher Diskriminierung und gescheiterter Aufnahme von Juden in die Gesellschaft, ein jüdischer Staat gegründet werden müsse. Herzl wurde zum Vordenker eines Staates Israel und er war der Mitbegründer des politischen Zionismus („Zion“ ist der Name des Tempelberges in Jerusalem). Während die osteuropäischen Juden von der zionistischen Idee und der Gründung eines eigenen Staates sehr angetan waren, blieben die deutschen Juden dieser gegenüber sehr skeptisch. Sie waren stolz, deutsche Juden zu sein und waren gar patriotische deutsche Staatsbürger. Das wurde zwanzig Jahre später auch dadurch deutlich, dass sich sehr viele deutsche Männer jüdischen Glaubens als Soldaten rekrutieren ließen, um gegen die Franzosen und Engländer in den Krieg zu ziehen. Schließlich hatte Kaiser Wilhelm II. 1914 verkündet: „.Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche.“ Bereits ein Jahr nach Erscheinen seines Buches, wurde Herzl auf dem Ersten Zionistischen Weltkongress in Basel zum Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation gewählt. Dabei war ihm und allen Anwesenden klar, dass ein Staat Israel nur auf dem Gebiet des damaligen Palästina (Land der Philister) bzw. des ehemaligen Kanaan, und nicht etwa sonst irgendwo auf der Welt, seinen Platz finden sollte.
„Summa, liebe Fürsten und Herren, so Juden unter sich haben, ist euch solcher mein Rat nicht eben, so trefft einen besseren, dass ihr und wir alle der unleidlichen, teuflischen Last der Juden entladen werden …“ (Martin Luther in „Von den Juden und ihren Lügen“, Seite 12)
Beweislasterhebung Teil III
Die ideologisierte Judenfeindschaft, die in Manifesten und Pamphleten seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts verbreitet wurden (Karl Eugen Dühring mit seinen rassistischen Verschwörungsphantasien, Otto Glagau mit seinen Denunziation in der „Gartenlaube", wo er den Juden Schuld an der wirtschaftlichen Misere von 1873, dem "Gründerkrach" gab (gemeint aber ist der Börsenkrach von 1873 aufgrund vorheriger spekulativer Firmengründungen, und infolge des deutsch-französischen Krieges 1870/71 und der deutschen Reichsgründung 1871). In simplen Welterklärungen für den naiven Bürger wurden Zeitungsartikel, Traktate und Schriften angebotenen, in denen die Juden als Sündenböcke Schuld für alle wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme zugewiesen bekamen.
Es gab aber auch „tiefschürfende“ und philosophisch/psychologisch und wissenschaftlich begründete Versuche, den Antisemitismus und den Glauben an die Herrenrasse im Volk zu etablieren. Zwei Vertreter von ihnen waren der Komponist Richard Wagner in seinem Essay "Das Judentum in der Musik" und sein Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain mit seiner Kulturphilosophie "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts". Ihre Werke beeinflussten das Bildungsbürgertum nachhaltig mit der Lehre von der Überlegenheit gewisser Rassen und der Verunglimpfung der Juden. Beide, Wagner und Chamberlain lebten in einer Zeit, in der Antisemitismus zum guten Ton gehörte. Aber dieser „gute Ton“ war – wie wir schon gesehen haben und noch sehen werden - Luthers Erbe. Zudem war Martin Luther sozusagen der erste Komponist, der seine Lieder in der gesamtdeutschen Sprache komponierte. Und wie sehr sein Liedgut im Deutschen und seinem Denken verankert war, ist wenig später in den Schützengräben von 1914 bis 1918 zu hören: „Ein feste Burg ist unser Gott.“
So schreibt der große deutsche Komponist Richard Wagner:
„Der Jude, der bekanntlich einen Gott ganz für sich hat, fällt uns im gemeinen Leben zunächst durch seine äußere Erscheinung auf, die, gleichviel welcher europäischen Nationalität wir angehören, etwas dieser Nationalität unangenehm Fremdartiges hat: Wir wünschen unwillkürlich mit einem so aussehenden Menschen Nichts gemein zu haben. Dies musste bisher als ein Unglück für den Juden gelten: in neuerer Zeit erkennen wir aber, dass er bei diesem Unglücke sich ganz wohl fühlt; nach seinen Erfolgen darf ihm seine Unterschiedenheit von uns als eine Auszeichnung dünken. Der moralischen Seite in der Wirkung dieses an sich unangenehmen Naturspieles vorübergehend, wollen wir hier nur auf die Kunst bezüglich erwähnen, dass dieses Äußere uns nie als ein Gegenstand der darstellenden Kunst denkbar sein kann: wenn die bildende Kunst Juden darstellen will, nimmt sie ihre Modelle meist aus der Phantasie, mit weislicher Veredelung oder gänzlicher Hinweglassung alles dessen, was uns im gemeinen Leben die jüdische Erscheinung eben charakterisiert. Nie verirrt sich der Jude aber auf die theatralische Bühne: die Ausnahmen hiervon sind der Zahl und der Besonderheit nach von der Art, dass sie die allgemeine Annahme nur bestätigen. – Wir können uns auf der Bühne keinen antiken oder modernen Charakter, sei es ein Held oder ein Liebender, von einem Juden dargestellt denken, ohne unwillkürlich das bis zur Lächerlichkeit Ungeeignete einer solchen Vorstellung zu empfinden. Dies ist sehr wichtig: einen Menschen, dessen Erscheinung wir zu künstlerischer Kundgebung, nicht in dieser oder jener Persönlichkeit, sondern allgemein hin seiner Gattung nach, für unfähig halten müssen, dürfen wir zur künstlerischen Äußerung seines Wesens überhaupt ebenfalls nicht für befähigt halten. Ungleich wichtiger, ja entscheidend wichtig ist jedoch die Beachtung der Wirkung auf uns, welche der Jude durch seine Sprache hervorbringt; und namentlich ist dies der wesentliche Anhaltspunkt für die Ergründung des jüdischen Einflusses auf die Musik. – Der Jude spricht die Sprache der Nation, unter welcher er von Geschlecht zu Geschlecht lebt, aber er spricht sie immer als Ausländer. Wie es von hier abliegt, uns mit den Gründen auch dieser Erscheinung zu befassen, dürfen wir ebenso die Anklage der christlichen Zivilisation unterlassen, welche den Juden in seiner gewaltsamen Absonderung erhielt, als wir andererseits durch die Berührung der Erfolge dieser Absonderung, die Juden auch keineswegs zu bezichtigen im Sinne haben können. Dagegen liegt es uns hier ob, den ästhetischen Charakter dieser Ergebnisse zu beleuchten. - Zunächst muss im Allgemeinen der Umstand, dass der Jude die modernen europäischen Sprachen nur wie erlernte, nicht als angeborene Sprachen redet, ihn von aller Fähigkeit, in ihnen sich seinem Wesen entsprechend, eigentümlich und selbständig kundzugeben, ausschließen. Eine Sprache, ihr Ausdruck und ihre Fortbildung ist nicht das Werk Einzelner, sondern einer geschichtlichen Gemeinsamkeit: nur wer unbewusst in dieser Gemeinsamkeit aufgewachsen ist, nimmt auch an ihren Schöpfungen teil. Der Jude stand aber außerhalb einer solchen Gemeinsamkeit, einsam mit seinem Jehova in einem zersplitterten, bodenlosen Volks stamme, welchem alle Entwicklung aus sich versagt bleiben müsse, wie selbst die eigentümliche (hebräische) Sprache dieses Stammes ihm nur als eine tote erhalten ist. In einer fremden Sprache wahrhaft zu dichten, ist nun bisher selbst den größten Genies noch unmöglich gewesen. Unsere ganze europäische Zivilisation und Kunst ist aber für den Juden eine fremde Sprache geblieben; denn, wie an der Ausbildung dieser, hat er auch an der Entwicklung jener nicht teilgenommen, sondern kalt, ja feindselig hat der Unglückliche, Heimatlose ihr höchstens nur zugesehen. In dieser Sprache, dieser Kunst kann der Jude nur nachsprechen, nachkünsteln, nicht wirklich redend dichten oder Kunstwerke schaffen. Im Besonderen widert uns nun aber die rein sinnliche Kundgebung der jüdischen Sprache an. Es hat der Kultur nicht gelingen wollen, die sonderliche Hartnäckigkeit des jüdischen Naturells in Bezug auf Eigentümlichkeiten der semitischen Aussprechweise durch zweitausendjährigen Verkehr mit europäischen Nationen zu brechen. Als durchaus fremdartig und unangenehm fällt unsrem Ohre zunächst ein zischender, schrillender, summsender und murksender Lautausdruck der jüdischen Sprechweise auf: eine unsrer nationalen Sprache gänzlich uneigentümliche Verwendung und willkürliche Verdrehung der Worte und der Phrasenkonstruktionen gibt diesem Lautausdruck vollends noch den Charakter eines unerträglich verwirrten Geplappers, bei dessen Anhörung unsre Aufmerksamkeit unwillkürlich mehr bei diesem widerlichen Wie, als bei dem darin enthaltenen.“ (R. Wagner; Das Judentum in der Musik“, Seite 5f, 1869) – ZitatendeKein Wunder also, das Adolf Hitler und die Nazigrößen Richard Wagner verehrten. 2002 berichtet Spiegel online über eine Sendung von „Spiegel-TV“ vom 22. Juli 2002 mit dem Titel „Götterdämmerung in Bayreuth". Dort heißt es: „Schon in den zwanziger Jahren steht Bayreuth im Mittelpunkt eines rechtsradikalen "Netzwerks", das den Aufstieg Hitlers und seiner Partei nach Kräften fördert und im Ausland immer wieder Finanzquellen für die Nazis erschließt. Die junge Winifred, seit 1915 Ehefrau des homosexuellen Komponistensohns Siegfried Wagner, pflegt eine innige Freundschaft zu Hitler. Die Wagners sind überzeugte Antisemiten. Nach Siegfrieds frühem Tod leitet Winifred die Festspiele, die 1933 nur Dank finanzieller Unterstützung Hitlers dem Ruin entgehen. Bayreuth wird zum Gralstempel des Dritten Reiches, der Reichskanzler ist alljährlich umjubelter Gast im Hause Wagner. Dort spielt Hitler den Ersatzvater für die Wagner-Erben, pflegt engste Freundschaften mit Winifreds Kindern … Winifred stirbt 1980 - ungebrochen in ihrer Verehrung für Hitler. Bereitwillig hat sie die Verantwortung für die dunklen Jahre der Festspiel-Geschichte übernommen, ihren Kindern so das Erbe gerettet. Doch die Schatten der Vergangenheit sind bis heute nicht gewichen:“ (http://www.spiegel.de/sptv/reportage/a-204921.html; zitiert bei Dr. Frederik Weinert in „Nazivergleiche und Political Correctness“, S. 152)
Dennoch: Dass bis heute die Spitzen der bundesdeutschen Politik bis hin zur Kanzlerin Angela Merkel, die Prominenz aus Kunst, Schauspiel und Wirtschaft nach Bayreuth pilgern, wenn alljährlich Richard Wagner auf dem Programm steht, ist genauso widerlich und schizophren, wie die Huldigung Martin Luthers zur „vierten Person Gottes“. Beide aber, Luther und Wagner werden von ihren „Fans“ insofern in Schutz genommen, als dass man sie teilt: Luthers Reformwillen der katholischen Papstkirche einerseits, sein tödlicher Antisemitismus andererseits; Wagners hervorragende Notensätze einerseits, seine Rassenlehre andererseits. Sogar in Israel ist es eine ernsthafte und sehr kontroverse Diskussion, ob Wagner aufgeführt werden soll und darf.
Chamberlain, der eine Tochter Wagners zweiten Ehefrau Cosima geheiratet hatte, schreibt zeitgleich in „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ über Arier, Luther und die Juden folgendes:
„Was die Araber gründen, ist von kurzer Dauer; die Mongolen zerstören, aber schaffen nichts; die großen Italiener des rinascimento [Renaissance] stammen alle aus dem mit lombardischem, gotischem und fränkischem Blute durchsetzten Norden oder aus dem germano-hellenischen äußersten Süden; in Spanien bilden die Westgoten das Lebenselement; die Juden erleben ihre heutige »Wiedergeburt«, indem sie sich auf jedem Gebiete möglichst genau an germanische Muster anschmiegen. Von dem Augenblick ab, wo der Germane erwacht, ist also eine neue Welt im Entstehen, eine Welt, die allerdings nicht rein germanisch wird genannt werden können, eine Welt, in welcher gerade in unserem Jahrhundert neue Elemente aufgetreten sind, oder wenigstens Elemente, die früher bei dem Prozess weniger beteiligt waren, so z. B. die früher reingermanischen, nunmehr durch Blutmischungen fast durchwegs »entgermanisierten« Slawen und die Juden, eine Welt, die vielleicht noch große Rassenkomplexe sich assimilieren und mithin entsprechende, abweichende Einflüsse in sich aufnehmen wird, jedenfalls aber eine neue Welt und eine neue Zivilisation, grundverschieden von der helleno-römischen, der turanischen [Turanismus = Ideologie, die einen gemeinsamen Ursprung der Turkvölker, Finno-Ugrier, Mongolen und Mandschu-tungusischen Völker annimmt], der ägyptischen, der chinesischen und allen andern früheren oder zeitgenössischen.“ (Chamberlain, „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, Seite 8f)
Und weiter schreibt Chamberlain: „Ein Gang durch die Büstensammlung des Berliner Museums wird überzeugen, wie sehr gerade dieser Typus sich in dem durch und durch von Goten, Langobarden und Franken germanisierten Norditalien erblicken will, mit rein germanischem Blut und zwar als dem einzig schöpferischen Element durchsetzt (siehe Savigny: Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, I, Kap. 3) festgesetzt hatte; die nächste unzweifelhafte physiognomische Verwandtschaft finden wir noch heute in jenen vorhin genannten deutschen Tirolern, sowie in Norwegen, und einzelne verwandte Züge überall, wo es echte Germanen gibt. Jedoch, betrachten wir die größten germanischen Männer, so werden wir nicht eine, sondern zahlreiche physiognomische Gestaltungen finden; zwar wiegt die kühne, mächtig geschwungene Nase vor, doch finden wir fast alle denkbaren Kombinationen bis zu jenem gewaltigen Kopfe, der in jedem Zug das Gegenstück zu Dantes abgibt, gerade in diesem Gegensatz die innige Verwandtschaft verratend: bis zu dem Kopf Martin Luthers. Hier umweht jener Orkan, von dem [Honore de] Balzac sprach [„Dieser Orkan von menschlichen Gesichtern, dieses Hin- und Herfließen von durch die gleiche Bewegung getragenen menschlichen Körpern“, in „Adieu“ I], Stirn und Augen und Nase, keine Marmorkuppel wölbt sich darüber; es ruht aber dieser Flammen speiende Vulkan von Energie und Gedankenfülle auf Mund und Kinn wie auf einem graniten Felsen. Jeder kleinste Zug des gewaltigen Antlitzes zeugt von Tatendurst und Tatkraft; bei diesem Anblick steigen Einem die Worte Dantes ins Gedächtnis Colà dove si puote Ciò che si vuole [„Wo das Vollbringen und Verlangen, da muss man es tun“, Dante in Die Hölle: III. Gesang] --- Dieser Mann kann, was er will, und sein ganzes Wollen strebt hinaus zu großen Taten: in diesem Kopf wird nicht studiert, um gelehrt zu sein, sondern um Wahrheit zu erforschen, Wahrheit fürs Leben; er singt nicht um des Ohrenschmauses willen, sondern weil Gesang das Herz erhebt und kräftigt; er hätte es nicht wie Dante vermocht, stolz und verkannt abseits zu leben, seinen Ruhm künftigen Geschlechtern anvertrauend, — was gilt diesem Antlitz Ruhm? »Die Liebe ist der Pulsschlag unseres Lebens«, sagte er. Und wo kräftige Liebe, da ist auch kräftiger Hass. Von einem derartigen Antlitz zu sagen, wie Henke, es repräsentiere den norddeutsch-slawischen Typus1, ist durchaus irrig. Eine so gewaltige Erscheinung ragt über derartige Spezifikationen weit hinaus; sie zeigt uns die äußere Einkleidung einer der erstaunlich reichsten Entwickelungsmöglichkeiten des germanischen Geistes in ihrer höchsten Fülle. Wie Dantes, so gehört auch Luthers Antlitz dem gesamten Germanentum an. Man findet diesen Typus in England, wohin nie ein Slave drang, man begegnet ihm unter den tatkräftigsten Politikern Frankreichs. Lebhaft stellt man sich diesen Mann 1.500 Jahre früher vor, hoch zu Ross, die Streitaxt schwingend zum Schutze seiner geliebten nordischen Heimat, und dann wieder am trauten Herde inmitten der Kinder Schar, oder an der Männertafel, das Methorn bis auf den letzten Tropfen leerend und Heldenlieder den Ahnen zum Ruhme singend.
Zwischen Dante und Luther bewegt sich die reiche physiognomische Skala großer Germanen. Wie Tacitus sagte: sie gleichen nur sich. Jeder Versuch aber einer Lokalisierung der Typen, etwa nach Nord und Süd oder nach keltischem Westen und slawischem Osten, ist offenbar verfehlt, verfehlt wenigstens, sobald man die bedeutenderen und darum charakteristischeren Männer ins Auge fasst und von den Zufälligkeiten der Tracht, namentlich der Barttracht, absieht. Goethe z. B. könnte der Gesichtsbildung nach jedem germanischen Stamme entsprossen sein, Johann Sebastian Bach auch, Immanuel Kant ebenfalls.“ (a.a.O. Seiten 501 ff)
In Dantes Divina Commedia gibt es den Schriftzug über dem Eingangstor zur Hölle. Dort ist zu lesen: Per me si va ne la città dolente, per me si va ne l'etterno dolore, per me si va tra la perduta gente -- durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer, durch mich geht man hinein zum ewigen Schmerze, durch mich geht man zu dem verlornen Volke. Für den italienischen Juden Primo Levi, der das KZ Auschwitz überlebte, war die Reise nach Auschwitz die Reise ins Jenseits, die Reise in die Hölle, .und er setzte Dantes Schriftzug gleich mit dem von „Arbeit macht frei. (vergleiche Primo Levi in „Ist das ein Mensch?“)
Auch Anja Lundholm (1914 bis 2007), eigentlich Helga Erdtmann, Tochter einer Jüdin, die das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, in das sie als italienische Widerstandskämpferin 1944 deportiert wurde überlebte, hat ihre Erfahrungen von dort in dem Buch „Das Höllentor“ festgehalten. Auch in Ravensbrück prangte über dem Eingangstor zum KZ der Schriftzug „Arbeit macht frei“. Lundholm hat, bevor sie die Hölle von Ravensbrück beschreiben konnte, mehrere andere Bücher publiziert, um sich durch diese Stück für Stück an dieses eigentlich unaussprechliche Thema heranzuwagen. Aber waren Anja Lundholm und ihre Leidensgenossen – von 130.000 Frauen in Ravensbrück überlebten nur 3.000 (knapp 2,5 Prozent) das KZ – und all die anderen vielen Millionen Juden nicht genau dahin gelangt, wohin Luther sie einst verortet hatte, wenn er sagte, sie, die Juden, seien des Teufels, nämlich in die HÖLLE?“
Exkurs: ARBEITSETHIK der DEUTSCHEN
(vergleiche: https://glitzerstrasse.de/das-dritte-himmelreich-luther-als-wichtiger-wegbereiter-des-ns/)
Die Arbeitsethik hat sich im Laufe der vergangenen 3.000 Jahre stark gewandelt. Für große historische Persönlichkeiten wie Homer (8. vorchristliches Jahrhundert) und Aristoteles (384 – 322 vor Christus) war der Müßiggang (Faulenzen, das Nichtstun) eine alternative Lebenshaltung, bei der man von seinen Zeitgenossen nicht gleich als asozial abgestempelt wurde. Mit dem Aufkommen des Christentums galt Arbeit als notwendiges Übel und als kollektive Bußtätigkeit für die "Erbsünde", denn auf den ersten Seiten der Bibel heißt es: 'Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen' (Genesis 3,19). Es galt auch das Wort des Apostels Paulus, der cirka 68 nach Christus an seine Glaubensgeschwister in Thessaloniki (Griechenland) folgendes schrieb: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ So jedenfalls legt er den Edenspruch Gottes aus. Franz Müntefering von der SPD griff 2006 diese Paulusaussage auf und sagte. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" [...] "Nur wer arbeitet, soll auch essen." – (9. Mai 2006 in der Bundestagsfraktion der SPD zum geplanten „SGB II-Optimierungsgesetz“, vergl. ZEIT online 10.05.2006, taz 11.05.2006).
Im Jahr 1232 bestimmte Papst Gregor IX., dass es fortan 85 arbeitsfreie Feiertage geben solle, damit die Menschen sich Gott zuwenden konnten. Seit Beginn der lutherischen Reformation ging die Zahl der arbeitsfreien Feiertage massiv zurück. Luther forderte, "dass man alle Feste abtäte und allein den Sonntag behalte, denn so wie nun der Missbrauch mit Saufen, Spielen, Müßiggang und allerlei Sünde im Gange ist, erzürnen wir Gott mehr an den heiligen Tagen denn an den anderen." (Luther in „An den christlichen Adel“ 1520)- Entgegen dem biblischen Gebot und der mittelalterlichen Tradition behauptete Luther, dass "heilige Tage nicht heilig, Werkeltage aber heilig sind, und Gott und seinen Heiligen nicht allein kein Dienst, sondern große Unehre geschieht mit all den Heiligen Tagen. Dazu nimmt der gemeine Mann zwei leibliche Schäden über den geistlichen Schaden: Dass er an der Arbeit versäumt wird, dazu mehr verzehrt als sonst, ja, auch seinen Leib schwächt und ungeschickt macht, wie wir es täglich sehen, doch niemand zu bessern gedenkt.“ (ebenda, zitiert bei „Luthers fünf und neunzig Sätze, Julius Leopold Pasig, Leipzig 1845.) "
Und 1539 schreibt er: „Wir wissen ohne Ostern und Pfingsten, ohne Sonntag und Feiertag (Freitag) selig zu werden.“ (WA 50, 559) Übrigens stand Luther mit seiner Auffassung nicht allein. Seine Mitreformatoren Calvin und Zwingli dachten auch so, wobei Calvin der erste Vertreter der „Wohlstandstheologie“ (heute in den USA und in charisamtischen Freikirchen sehr populär) war, die besagt: je mehr Erfolg du im Beruf hast und je reicher du dabei wirst, umso mehr lebst du im Wohlgefallen Gottes. Zwar distanzierte Luther sich von dieser Denke, doch aufgrund seinem Verständnis von Arbeit, stieg die Wochenarbeitszeit fast ruckartig und nicht unerheblich an. Die Handwerksbetreiber und andere Unternehmer haben es dankend „hingenommen“. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag die Wochenarbeitszeit in den deutschen Handwerksbetrieben bei über 80 Arbeitsstunden. Hier eine Statistik mit empirischen Zahlen:
1825: 82 Stunden (7-Tage-Woche)
1875: 72 Stunden
1900: 60 Stunden ( 6 Tage)
1913: 57 Stunden
1918: 48 Stunden (8-Stunden-Tag)
1932: 42 Stunden
1941: 50 Stunden (Verlängerung im Zweiten Weltkrieg)
1950: 48 Stunden
1956: Übergang zur 5-Tage-Woche
1965: 40 Stunden (Druckindustrie)
1967: 40 Stunden (Metallindustrie)
1984: 38,5 Stunden (Metallindustrie, in Verbindung mit Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitdifferenzierung, und Druckindustrie)
1995: 35 Stunden (Druck-, Metall- und Elektroindustrie)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wochenarbeitszeit (zuletzt aufgerufen am 29. Januar 2019)
Für Martin Luther, den gefeierten und "heiliggesprochenen" Reformator, der die deutsche Mentalität und Lebensphilosophie weit über das Kirchenleben hinaus bis heute geprägt hat (Devotheit, Arbeitsethik, Antisemitismus!) aber war der „Müßiggang“ nichts anderes als Sünde (Sünde = das, was von Gott trennt), und die Arbeit war für ihn Gottesdienst (Kirchenpostille von 1522). Wer nicht unter Plage und Schweiß einer Arbeit nachging, der betrog den biblischen Gott. Diese Gott gefällige Pflichterfüllung wird aber – so der Reformator – dem Menschen durch Gottes Berufung (daher Beruf) selbst geschenkt, somit er (der Mensch) keinen Einfluss darauf hat. Fleiß, Disziplin und Pedanterie sind seit Luthers Zeitalter Kennzeichen deutscher (nicht griechischer oder italienischer, rumänischer oder polnischer) Arbeitsmoral und werden noch heute als „Made in Germany“ von Innen und Außen als solche wahrgenommen.
"Gott will keine faulen Müßiggänger haben, sondern man soll treulich und fleißig arbeiten, ein jeglicher nach seinem Beruf und Amt, so will er den Segen und das Gedeihen dazu geben", behauptete Luther. (Weimarer Ausgaben [WA] 31, 437) Müßiggänger, die sich nicht am kollektiven Arbeitsprojekt Gottes beteiligen, werden jetzt zu Dieben an der Gemeinschaft abgestempelt. Faulheit und Zeitvergeudung waren nun eine Todsünde - und sind es bis heute. Nur wer arbeitet, hat eine Existenzberechtigung ... Abgesehen von seinem glühenden Antisemitismus war Martin Luther auch ein glühender Arbeitsfanatiker. Ja, die Reformation befeuerte geradezu die moderne Lohnarbeit und den Kapitalismus. Denn 'Müßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, der hier Arbeit befohlen hat', so Luther.(zitiert bei Zeit-Online, 25. November 2016)
Für die Nationalsozialisten war Arbeit ein zentraler und in unterschiedlichsten Zusammenhängen feststehender Begriff. 1920 hielt Hitler eine Rede mit dem Titel „Warum wir Antisemiten sind“ und argumentiert an Beginn und Ende mit dem Betrug der Juden an den Deutschen, um diese durch Verschwörung um die Früchte ihrer Arbeit gebracht hätten. Im 25-Punkte-Plan der NSDAP heißt es unter anderem. „Erste Pflicht jeden Staatsbürgers muss sein, geistig oder körperlich zu schaffen. Die Tätigkeit des Einzelnen darf nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, sondern muss im Rahmen des gesamten und zum Nutzen aller erfolgen. Daher fordern wir die Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens (heute: bedingungsloses Einkommen) und Brechung der Zinsherrschaft.“ (Punkte 10 und 11.
Der 1. Mai als „Tag der Arbeit“ hat seinen Ursprung in Chicago. 1889 wurde dort der 1. Mai zum „Kampftag der Arbeiterbewegung.“ Während der Weimarer Republik wurde er nur einmal und zwar 1919 als gesetzlicher Feiertag begangen. Erst Hitler machte ihn 1933 für allezeit zum gesetzlichen Feiertag. Ab 1934 war der 1. Mai sogar „Nationalfeiertag", was den Wert und die Bedeutung von Arbeit für die Nationalsozialisten deutlich macht. Für Luther galt die Formel „Arbeit = Gottesdienst“, für Hitler hieß sie „Arbeit = Deutschland.“ Die Nationalsozialisten versuchten somit auch, die nicht gerade hoch angesehene Arbeiterklasse während der Weimarer Republik zu „adeln“ und den Arbeitern Anerkennung zuzusprechen, und sie als Wählerschaft hinter sich zu versammeln.
“Die Arbeit der Deutschen ist Gottesdienst und gleichzeitig ein Kampf gegen die unterstellte Arbeitsauffassung der Juden. Innerhalb des Nationalsozialismus als politischer Religion bekommen die Juden so auch beim Thema Arbeit die Funktion des Teufels: Deutscher Arbeitsdienst ist Gottesdienst und gleichzeitig Bollwerk gegen die Juden. Die nationalsozialistische Arbeitsideologie grenzte besonders die Juden aus, sie wurde aber auch – mit veränderten Verleumdungen – gegen andere Gruppen propagandistisch eingesetzt, so z.B. gegen die slawischen Völker, indem diese pauschal als faul dargestellt wurden.” (Weyrather, I.: „Deutsche Arbeit“ – Arbeitskult im Nationalsozialismus, 2004, S. 34)
Nun aber, im Laufe der folgenden zwölf Jahre geschah in Hinsicht auf „Arbeit“ etwas sehr Perfides. Die eigentlich hoch positive Besetzung des Begriffes „Arbeit“ wird für die vom Staat Auszugrenzenden (vor allem für die Juden) zum Mittel ihrer Vernichtung. Zunächst nahm man den Juden ihre Arbeit durch Arbeitsverbote und Zwangsverkäufen ihrer Geschäfte. Dann – wenn sie die Selektion in den Konzentrationslagern überstanden und nicht sofort in die Gaskammern mussten – wurden sie zu Arbeiten unter den extrem schwersten Bedingungen (oft auch waren es völlig sinnlose Arbeiten, die von den KZ-Aufsehern nach Vollendung wieder zerstört wurden, siehe Anja Lundholm in „Das Höllentor“) gezwungen, bis sie vor Erschöpfung starben oder sich aus tiefster Verzweiflung in die elektrischen Umzäunungen der Lager warfen, was den sofortigen Tod bedeutete.
„In den Arbeitskommandos wurden die Juden oft genötigt, im Laufschritt zu arbeiten und dabei völlig sinnlose Tätigkeiten auszuführen. Ähnlich wie die Geistlichen mussten sie auf Tischplatten und manchmal nur in Mützen den Schnee in die Würm tragen, mit schweren Pfählen die Erde stampfen oder in der Kiesgrube den Kies unaufhörlich von einer Stelle auf die andere schippen. Der tschechische jüdische Journalist und Publizist Alfred Fuchs wurde bei einer solchen sinnlosen Arbeit zu Tode gequält. Nach der Aussage der Überlebenden Karel Kašák und Karel Frinta, welche direkt nach der Befreiung vor der Kommission des tschechischen Nationalkomitees in Dachau gemacht wurde und daher als verhältnismäßig authentisch betrachtet werden kann, musste Fuchs bei eisiger Kälte im rasenden Tempo und unter schweren Schlägen der Kapos und SS-Männer den Schnee in den Fluss räumen. Nachdem er diese Schikane nicht lange durchhielt und bewusstlos wurde, übergossen ihn seine Peiniger mit Wasser und befahlen ihm zweimal in den eiskalten Bach zu steigen. Draußen ist es gerade an die minus 30 Grad Celsius. Nun muss er seine Mütze abnehmen, seine Handschuhe, sowie den nassen Mantel und so mehrere Stunden lang am Tor Strafe stehen. Alfred Fuchs und sein tschechischer jüdischer Kollege waren vor Kälte ganz erstarrt und sahen so aus, als ob sie aus Blech wären. Da beiden nach dieser Tortur die Aufnahme ins Revier verweigert wurde, starben sie binnen weniger Tage an Lungenentzündung und schweren Erfrierungen. http://www.hagalil.com/czech/dachau/dachau-3b.htm)- aGalil.com
Doch noch einmal zurück zu Chamberlain, der sich im wahrsten Sinne des Wortes dazu verstieg, die Seele der einzelnen „Rassen“ zu kennen und ergründet zu haben. So schreibt er:
„Und nun wollen wir versuchen, einen Blick in die Tiefen der Seele zu werfen. Welche sind die spezifischen geistigen und moralischen Kennzeichen dieser germanischen Rasse? Gewisse Anthropologen hatten uns belehren wollen, alle Menschenrassen seien gleich begabt: wir wiesen auf das Buch der Geschichte hin und antworteten, das lügt ihr! Die Rassen der Menschheit sind in der Art ihrer Befähigung, sowie indem Masse ihrer Befähigung sehr ungleich begabt und die Germanen gehören zu jener Gruppe der zuhöchst Begabten, die man als Arier zu bezeichnen pflegt. Ist diese Menschenfamilie eine durch Blutbande geeinigte, einheitliche? entwachsen diese Stämme wirklich alle derselben Wurzel? Ich weiß es nicht, es gilt mir auch gleich; keine Verwandtschaft kettet inniger aneinander als Wahlverwandtschaft, und in diesem Sinne bilden ohne Frage die indoeuropäischen Arier eine Familie. In seiner Politik schreibt Aristoteles (I, 5): »Wenn es Menschen gäbe, die an Körpergröße allein soweit hervorragten, wie die Bilder der Götter, so würde Jedermann gestehen, dass die übrigen von Rechtswegen sich diesen unterwerfen müssen. Ist aber dies in Beziehung auf den Körper wahr, so kann mit noch größerem Rechte diese selbe Unterscheidung zwischen hervorragenden Seelen und gewöhnlichen gemacht werden.« Körperlich und seelisch ragen die Arier unter allen Menschen empor; darum sind sie von Rechtswegen (wie der Stagirit sich ausdrückt [gemeint ist hier Aristoteles, der in Stageira geboren wurde) die Herren der Welt.“ (a.a.O. Seite 503) – Zitatende
Heinrich Graetz, ein jüdischer Historiker, beklagte 1853 unter Hinweis auf eine große Zahl antijüdischer Autoren, die sich auf Luther berufen hatten, dieser (Luther) habe „mit seinem judenfeindlichen Testament die protestantische Welt auf lange Zeit hinaus vergiftet“. (Graetz: „Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart“). Reinhold Lewin, ebenfalls ein jüdischer Historiker war 1911 zu der Einschätzung gelangt: „Die Saat des Judenhasses, die er (Luther) darin ausstreut, (…) wirkt noch lange durch die Jahrhunderte fort; wer immer aus irgendwelchen Motiven gegen die Juden schreibt, glaubt das Recht zu besitzen, triumphierend auf Luther zu verweisen.“ (Lewin: „Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland während des Reformationszeitalters“)
Und in der Tat. Wenn man auf den Seiten 12 und 13 von Luthers „Von den Juden und ihren Lügen“ (s. o.) weiter liest, können nur dem blinden Leser die Parallelen zu dem, was den Juden in den folgenden Jahrhunderten widerfahren ist, bis hin zum Umgang der Nazis mit den deutschen und europäischen Juden ab 1933, ab 1938 und ab 1941, entgehen. Es waren bei weitem aber nicht nur Parallelen, sondern es waren klare und eindeutige Kausalitäten.Luther also schreibt weiter: „ … dass ihr und wir alle der unleidlichen, teuflischen Lift der Juden entladen werden und nicht vor Gott all der Lügen, des Lästerns, Speiens, Fluchens schuldig und teilhaftig werden, die die rasenden Juden wider die Person unsers Herrn Jesu Christ, seiner lieben Mutter, aller Christen, aller Obrigkeit und unserer selbst so frei und mutwillig treiben, keinen Schutz noch Schirm noch Geleit noch Gemeinschaft sie haben lassen, auch nicht eure und eurer Untertanen Geld und Güter durch den Wucher ihnen dazu dienen und helfen lassen. Wir haben ohnedies eigner Sünde genug auf uns, noch vom Papsttum her, tun täglich viel dazu mit allerlei Undankbarkeit und Verachtung seines Worts und aller seiner Gnaden, dass nicht Not ist, auch diese fremden schändlichen Laster der Juden auf uns zu laden und ihnen dann noch Geld und Gut zu geben. Ich will hiermit mein Gewissen gereinigt und entschuldigt haben, da ich's treulich angezeigt und gewarnt habe. Und euch, meine lieben Freunde, die Pfarrherrn und Prediger sind, will ich ganz treulich eures Amtes hiermit erinnert haben, dass auch ihr eure Pfarrleute vor ihrem ewigen Schaden warnt, wie ihr wohl zu tun wisst, nämlich sie sich vor den Juden hüten und sie meiden, wo sie können … Die Obrigkeit lasse man hier mit ihnen gebaren, wie ich eben gesagt habe. Es tu aber die Obrigkeit dazu oder nicht, so nehme dennoch ein jeder vor sich selbst seines Gewissens wahr.“ (Luther: „Von den Juden und ihren Lügen“)
Während der vier Jahre des Ersten Weltkrieges wurden die antijüdischen Vorbehalte in Deutschland weiter verstärkt. Ungeachtet der Tatsache, dass die deutschen Juden die Kriegsbegeisterung des Sommers 1914 teilten und dass die Zahl der jüdischen Freiwilligen überdimensional – gemessen am jüdischen Bevölkerungsanteil – groß war, fand das Gerücht von der "jüdischen Drückebergerei" bei der deutschen Bevölkerung großen Widerhall. Dazu passte dann auch das antisemitisches Stereotyp vom Juden als dem "geborenen Wucherer und Spekulanten", der sich als Kriegsgewinnler an der Not des Vaterlandes bereichert. In zahlreichen Schriften wurden diese Klischees verbreitet. So etwa in einem Flugblatt, das im Sommer 1918 kursierte, auf dem die jüdischen Soldaten lasen, wovon ihre nichtjüdischen Kameraden und Vorgesetzten trotz der vielen Tapferkeitsauszeichnungen (30.000) und Beförderungen (19.000) und trotz der 12.000 jüdischen Kriegstoten bei insgesamt 100.000 jüdischen Soldaten überzeugt waren: "Überall grinst ihr Gesicht, nur im Schützengraben nicht." Entgegen der Wahrheit hielt die Mehrheit der Deutschen an ihrem negativen Judenbild fest.
Nach dem Ersten Weltkrieg kamen Rassismus und antisemitische Propaganda zur weiteren Blüte. Die Ängste deklassierter Kleinbürger und verletzter deutscher Nationalstolz machten "den Juden" zum Schuldigen. In den Werken zur Rassenkunde eines Hans F. K. Günther ging in den 20er Jahren die Saat des 19. Jahrhunderts weiter auf, kam zur vollen Blüte und bereitete die Wege für Manipulation und Demagogie . Am weitesten verbreitet waren Günthers "Rassenkunde des deutschen Volkes" (München 1922, 16. Auflage 1933), seine "Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes" (München 1929) und die "Rassenkunde des jüdischen Volkes" (München 1930). Mit solchen "wissenschaftlichen" Schriften wurde die Bahn weiter für Schmähschriften gegen "die Juden" geebnet, mit denen rechtsradikale Parteien wie die NSDAP auf Stimmenfang gingen.
Allerdings war all’ das bis zu diesem Zeitpunkt und das, was noch folgen sollte nur möglich geworden und würde möglich werden, weil die Schicksalsstunde zur Abkehr vom Antijudaismus und Antisemitismus von Martin Luther bewusst nicht genutzt wurde. Der Leser mag sich wundern, dass in dem vorliegenden Band immer wieder explizit darauf verwiesen wird. Dieser Verweis dient jedoch der Vorbeugung. Denn Nicht der wieder aufkeimende Antisemitismus im Kaiserreich und der sich zuspitzende Judenhass während der Weimarer Republik, nicht Wagner, nicht Bismarck und sonst noch wer waren die primären Wegbereiter zum Holocaust des 20. Jahrhunderts, sondern sie waren lediglich die logische Folge eines während der Reformation eingepflanzten antijüdischen Genoms in die deutsche Seele, das vor allem bei den reformierten und lutherischen Christen zum Tragen kam. Nun ging die Saat auf, deren Pflege und Ausbringung Luther 400 Jahre zuvor hätte verhindern können.
Der Antisemitismus diente den Nationalsozialisten als Erklärungsmuster für alles nationale, soziale und wirtschaftliche Unglück (wir sind immer noch beim Thema "Arbeit"), das die Deutschen seit dem verlorenen Ersten Weltkrieg erlitten hatten, und Antisemitismus war das Schwungrad, mit dem Hitler seine Anhänger in Bewegung brachte. Die Überzeugungen, die in Hitlers "Mein Kampf" zu lesen waren, die von ihm und seinen Unterführern seit den Anfängen der Partei gepredigt wurden und sich in der Forderung nach "Lösung der Judenfrage" zuspitzten, gingen letztlich primär nicht auf die Erkenntnisse und Behauptungen der antisemitischen Sektierer und Fanatiker des 19. Jahrhunderts zurück, sondern auf Dr. Dr. Martin Luthers „Judenschriften“, wie wir noch weiter sehen werden.
Im Programm der völkischen und nationalistischen Parteien der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, vor allem der NSDAP ab 1920 und in der Deutschnationalen Volkspartei, bildete der Antisemitismus das ideologische Bindemittel, mit dem Existenzängste und Erklärungsversuche für wirtschaftliche und soziale Probleme konkretisiert wurden, um republik- und demokratiefeindliche Verzweifelte als Anhänger zu gewinnen. Im Programm der NSDAP waren seit 1920 folgende Lehr- und Grundsätze des Antisemitismus fixiert (Luther und die AfD lassen grüßen): "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein." - "Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben können und muss unter Fremdengesetzgebung stehen." - "Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen." - "Jede weitere Einwanderung Nichtdeutscher ist zu verhindern. Wir fordern, dass alle Nichtdeutschen, die seit dem 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen werden." (Am 24. Februar 1920 verkündete Adolf Hitler vor etwa 2.000 Personen im Münchner Hofbräuhaus dieses Programm. Am selben Tag wurde die 1919 gegründete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) umbenannt).
Mit dem Machterhalt der NSDAP wurde der moderne Antisemitismus 1933 zum deutschen Dogma. Durch Akte wie das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" (1933), das Juden aus dem öffentlichen Dienst entfernte, und vor allem die "Nürnberger Gesetze" von 1935, die alle deutschen Juden zu Staatsangehörigen minderen Rechts machten, wurde die rassistische Ideologie mit Berufsverboten und unzähligen administrativen Schikanen in die Tat umgesetzt. Der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 war ein erster Akt staatlich legitimierter Ausgrenzung. Der zweite Gewaltakt, die "Reichskristallnacht" 1938 (Novemberpogrome), bezeichnete das Ende der Judenpolitik, die mit Mitteln der Gesetzgebung und Verwaltung darauf zielten, die Juden aus Deutschland zu vertreiben, nach dem sie entrechtet und ausgeplündert waren. Die Novemberpogrome sind die Wegmarke, von der an, mit den Stufen der Einführung von Ghettos, der Konzentrierung und Stigmatisierung, die physische Vernichtung der Juden vorbereitet und umgesetzt wurde. Der Verpflichtung zur Zwangsarbeit, der Kennzeichnung (Judenstern ab September 1941) und dem Verbot der Auswanderung folgte die "Endlösung der Judenfrage", die als Völkermord 1941-1945 im ganzen deutschen Herrschaftsbereich die letzte Konsequenz der Ideologie des Antisemitismus bildete.
„Und der Teufel, Luthers Teufel, Faustens Teufel, will mir als eine sehr deutsche Figur erscheinen, das Bündnis mit ihm, die Teufelsverschreibung, um unter Drangabe des Seelenheils für eine Frist alle Schätze und Macht der Welt zu gewinnen, als etwas dem deutschen Wesen eigentümlich Naheliegendes.“ (Thomas Mann, zitiert bei Herfried Münkler in „Der Pakt mit dem Teufel“).
Beweislastaufnahme IV
Theodor Fritsch veröffentlichte 1887 einen "Catechismus für Antisemiten", der 1944 unter dem Titel "Handbuch der Judenfrage" die 49. Auflage erreichte. Auf 650 Seiten folgt hier eine antisemitische Äußerung nach der anderen. Im Vorwort und in der Einführung zur 49.ten Auflage (330.000) im Jahre 1943 heißt es: „Kampf des Neuen Deutschlands um die Gewinnung und Sicherung der Rassereinheit und arteigenen Volks Schöpfung haben die "Nürnberger Gesetze zum Schutze des Deutschen Blutes und der Deutschen Art", gegeben am Reichsparteitag 1935, ein vorläufiges Ziel gesetzt. Die Entjudung des öffentlichen Lebens, der Politik, Kultur und Wirtschaft im Deutschland Adolf Hitlers hat in der ganzen Welt größte Beachtung gefunden. Die mit allen Mitteln wühlende Hetze des Judentums gegen Deutschland und alle judengegnerischen Bestrebungen machen es notwendig, mehr denn je die Aufklärung der Völker über diese Grundfrage ihres Bestandes zu fördern. Vom Deutschen geschaffen und von der Betrachtung deutscher Dinge ausgehend, ist daher das "Handbuch der Judenfrage" gerade in der Gegenwart zu einer unentbehrlichen Geisteswaffe gegen die jüdische Weltpest geworden … Die judengegnerische Bewegung, die in Deutschland in richtiger Erkenntnis der Zusammenhänge durch Adolf Hitler 1933 zum Siege geführt wurde, hat eine jahrhundertealte (Anmerkung: !!) literarische Vorgeschichte. Man kann von einem Quell sprechen, der durch die Zeiten zu einem unüberwindlichen Strom angewachsen ist. Am Anfang steht Martin Luthers Schrift "Von den Juden und ihren Lügen", in der er mit der harten, oft unerhört derben Sprache seiner Zeit das Judentum anprangert.“ (Theodor Fritsch: „Handbuch der Judenfrage“ – Die wichtigsten Tatsachen zur Beurteilung des jüdischen Volkes, Seite 8)Bevor Hitler sein Buch „Mein Kampf“ schrieb, hatte er diesen „Catechismus“ als sein geistiges Rüstzeug gelesen, und dieses findet sich auch in seinem literarischen Lebenswerk „Mein Kampf“ und auch in seiner Weltanschauung vollends wieder. Ebenso beschäftigte er sich in dieser Zeit mit Houston Stewart Chamberlains Kulturphilosophie "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts", (mit dem wir uns später noch genauer beschäftigen werden). Chamberlain war übrigens ein Schwiegersohn Richard Wagners (dito) Seit seiner Inhaftierung in Landsberg 1924 waren dem zukünftigen „Führer“ die Elemente von progermanisch-arischer, rassisch-antisemitischer und rassenhygensicher Gedanken zur nicht mehr revidierenden Heilsgewissheit geworden. Hitlers Bild vom Juden aber war letztlich ein aus Mythen, Vorurteilen, Verunglimpfungen und pseudo-philosophischen-theologischen Fachaufsätzen zusammen gewürfeltes Mosaik; sein Antisemitismus war eine eklektische und synkretistische Weltanschauung und Weltreligion, für die er in den Jahren bis 1945 folgerichtig immer nur Bestätigungen erhielt – auch von und durch den „großen Mann und Riesen“ Martin Luther.
Anfang der zwanziger Jahre hatte Hitler mit den aufeinanderfolgenden Chefredakteuren des Völkischen Beobachters, Dietrich Eckart und Alfred Rosenberg, zwei Berater an seiner Seite, die Luther gerade wegen seines Kurswandels vom Judenfreund zum Judenfeind bewunderten. Und bereits in seiner Nürnberger Parteitagsrede von 1923 und ein Jahr später in „Mein Kampf“ brachte Hitler seine Wertschätzung Luthers zum Ausdruck, in dem er den „großen Reformator“ würdigte und in eine Reihe mit Friedrich dem Großen und Richard Wagner als herausragenden Deutschen stellte. Nicht aber wegen dessen Bibelübersetzung und Schaffung einer einheitlichen deutschen Sprache, sondern seines „Wandels vom Judenfreund zum Judenfeind“. Und natürlich finden sich auch in dem „Handbuch der Judenfrage“ – Hitlers ganz persönlicher „Bibel“ - Luthers antisemitische und judenfeindliche Äußerungen wieder. So heißt es dort:
„ … da machte er seinem ehrlichen Herzen in bitteren Worten Luft - mit der ganzen Leidenschaft eines rechten Mannes, einer großen Natur. Er ließ im Jahre 1543 zwei Bücher erscheinen: "Von den Juden und ihren Lügen" und "Vom Sehern Hamphoras", in denen er geradezu vernichtende Urteile über dieses verworfene, mit dem Fluche Gottes beladene Volk fällt …“ … „Der Odem stinkt ihnen nach der Heiden Gold und Silber, denn kein Volk unter der Sonnen geiziger, denn sie sind, gewest ist, noch sind, und immerfort bleiben, wie man siehet an ihrem verfluchten Wucher; und sich auch trösten, wenn ihr Messias kömmt, soll er aller Welt Gold und Silber nehmen, und unter sie teilen." (zitiert nach „Dr. Martin Luther’s polemische deutsche Schriften“, Dr. Johann Konrad Irmscher, Erlangen 1842, S. 176).
Auch innerhalb der evangelischen Kirche wuchs in den zwanziger Jahren die Zustimmung zur antisemitischen Bewegung. Der spätere bayerische Landesbischof Hans Meiser, ein Mitglied der „Bekennenden Kirche“, veröffentlichte als Direktor des evangelischen Predigerseminars 1926 den Aufsatz „Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage“. Darin fordert er Maßnahmen zur Zurückdrängung des jüdischen Geistes im öffentlichen Leben und zur Reinhaltung des deutschen Blutes. „Gott hat jedem Volk seine völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit es seine völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen lässt. Auch unser Volkstum ist ein anvertrautes Pfund, mit dem wir wuchern sollen, und für das wir einst Rechenschaft schuldig sind. Darum können wir uns mit den völkischen idealen weiterhin einverstanden erklären und halten es für einen Gewinn, wenn unser Volk durch die völkische Bewegung wieder an seine Pflicht gegen die eigenen Art und das eigene Blut (!) erinnert wird.“ (Röhm/Thierfelder „Juden – Christen – Deutsche“, Band I. Seite 357f)
Der Wahlforscher Jürgen Falter ermittelte in einer Untersuchung, dass die NSDAP ihre Siege im April und November 1932 den evangelischen Wählern verdankte. Von ihnen hatte sich jeder Zweite für Hitler entschieden, von den Katholiken dagegen nur jeder Fünfte. Wobei noch einmal zu bedenken ist, dass 63 Prozent aller Deutschen damals Protestanten waren und nur 32 Prozent sich Katholiken nannten.. Die Katholische Kirche hatte eine wesentlich größere Distanz zur NSDAP. Sie hatte im Jahr 1930 ihren Mitgliedern verboten, der NSDAP beizutreten, und den Nationalsozialisten die Sakramente, zum Beispiel Taufe und Hochzeit, verweigert. In einem Hirtenbrief von 1931 vor den Reichstagswahlen, rief die Katholische Kirche ihre Gläubigen dazu auf, nur christlich orientierte Politiker und Parteien zu wählen.
Wörtlich heißt es in diesem Hirtenbrief: „ … Wir begegnen Äußerungen, die im schärfsten Gegensatz zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehen, Schmähungen enthalten gegen die katholische Kirche und ihren Glaubensinhalt, gegen die Heilige Schrift (nicht nur gegen das Alte Testament), gegen den Apostolischen Stuhl, gegen katholische Religionsübung, alles mit dem Ziele, eine vom Stuhle Petri losgelöste künftige Religionsgemeinschaft zu gründen, d. h. eine "neue deutsche Volkskirche", die sich lossagen müsse vom ¯römischen Zentralismus" der katholischen Kirche. In diesem Sinne ist das Hakenkreuz Kampfzeichen gegen Christi Kreuz. Ober alles dieses können manche harmlos lautende, von Leitern der Partei in Versammlungen, Zeitungsartikeln und Broschüren abgegebene Erklärungen nicht hinwegtäuschen.
Mögen auch viele Katholiken durch die Unzufriedenheit mit den heutigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen sich zum Anschluss an die NSDAP haben bestimmen und durch religiös klingende Redewendungen von Wahlrednern haben täuschen lassen, [...] Da jeder, der einer Partei beitritt, das ganze Programm der Partei und die Arbeit in ihrem Geiste unterstützt, so ist für katholische Christen die Zugehörigkeit zur NSDAP. unerlaubt, "solange und soweit sie kulturpolitische Auffassungen kundgibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind". Nach wie vor scharen wir uns zusammen unter dein Banner des Königtums Christi zum Kampfe für die Sache des Glaubens … “ - Paderborn, den 10. März 1931. Die Bischöfe der Paderborner Kirchenprovinz + Caspar, Erzbischof von Paderborn. + Josef Damina, Bischof von Fulda. + Nicolaus, Bischof von Hildesheim. (Quelle: http://www.k-l-j.de/048_kirche_drittes_reich.htm)
Im Vorwort seiner schon erwähnten Schrift „Martin Luther und die Juden – weg mit ihnen!“ (siehe Abbild oben) äußerte sich der evangelische Bischof Sasse so: „Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen (…). In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutsche Prophet im 16. Jahrhundert [Luther] einst aus Unkenntnis als Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden.“ (Landesbischof Martin Sasse: "Martin Luther und die Juden - weg mit ihnen!", Freiburg 1938)
Für nur 10 Reichspfennige war diese Schrift in den Buchhandlungen und Kiosken jeder Stadt zu erhalten. Wohlgemerkt. Es ist keine Schrift der Nazis, es ist nicht „Der Stürmer“ – es ist ein evangelischer Bischof der hier schreibt.
https://www.bz-berlin.de/kultur/mehr-kultur/was-man-von-martin-luther-nicht-verschweigen-darf
Als der Judensterns an Weihnachten (!) 1941 Pflicht wurde, begrüßten acht norddeutsche Landeskirchen der „Deutschen Christen“ dies mit folgender Erklärung: "Als Glieder der deutschen Volksgemeinschaft stehen die unterzeichneten deutschen Evangelischen Landeskirchen und Kirchenleiter in der Front dieses historischen Abwehrkampfes, der u.a. die Reichspolizeiordnung über die Kennzeichnung der Juden als der geborenen Welt- und Reichsfeinde notwendig gemacht hat, wie schon Dr. Martin Luther nach bitteren Erfahrungen die Forderung erhob, schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen." (Günter Brakelmann/Martin Rosowski (Hg.), Antisemitismus, Göttingen 1989, S. 108.)
Dass sich die Nationalsozialisten auf Luther als „Kronzeugen“ für ihren Antisemitismus bezogen haben, wird schließlich in einer Erklärung deutlich, die Julius Streicher am 29. April 1946 bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen abgegeben hat: „Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dieses Buch („Die Juden und ihre Lügen“) in Betracht gezogen würde.“ Immer wieder wird auch von Historikern und Vertretern der Evangelischen Kirchen behauptet, Streicher hätte hier Luther nur instrumentalisiert, um sich die Hände in Unschuld waschen zu können. Doch dann würden Ursache und Wirkung (wie so oft) historisch verkannt und pervertiert. Allerdings muss die Aussage Streichers eigentlich ergänzt werden. Denn außer Martin Luther, würde er zu dieser Zeit noch gelebt haben, gehörten auch all die evangelischen Bischöfe, Pfarrer und Pastoren auf die Nürnberger Anklagebank. Die zwar selbst nie Zyklon-B in die Schächte der Gaskammern der KZs von Dachau oder Sachsenhausen geworfen, nie selbst einen Juden erschossen, erhängt oder todgespritzt, tot gefoltert, tot experimentiert haben. Doch waren sie – in Berufung auf Martin Luther – genauso geistige Brandstifter, wie die Nazis selbst.
„Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.“ - Karl Jaspers: Philosophie und Welt, München 1958, S. 162
Beweislasterhebung V
„Dann wurden wir zum ersten Mal gewahr, dass unsere Sprache nicht über die Worte verfügt, um diesen Angriff, diese Zerstörung eines Menschen zu beschreiben... Wir hatten den Tiefpunkt erreicht. Es ist unmöglich, noch tiefer zu sinken... Es gibt nichts mehr, das uns gehört: Sie haben uns unsere Kleider genommen, unsere Schuhe, sogar unser Haar... Sie werden uns sogar unseren Namen wegnehmen... Nicht wir, die Überlebenden, sind die wirklichen Zeugen. Das ist eine unbequeme Einsicht, die mir langsam bewusst geworden ist, während ich die Erinnerungen anderer las und meine eigenen nach einem Abstand von Jahren wieder gelesen habe. Wir Überlebenden sind nicht nur eine verschwindend kleine, sondern auch eine anomale Minderheit; wir sind die, die aufgrund von Pflichtverletzung, aufgrund ihrer Geschicklichkeit oder ihres Glücks den tiefsten Punkt des Abgrunds nicht berührt haben. Wer ihn berührt hat, konnte nicht mehr zurückkehren, um zu berichten, oder er ist stumm geworden.“ Primo Levi, italienischer Jude, Chemiker und Schriftsteller. (Vad Yashem)
Wenn Adolf Hitlers Untaten nach dem zweiten Weltkrieg von vielen Deutschen zwar nicht geleugnet werden, so werden diesen doch seine gute Tat der „Autobahn für Deutschland“ und der Allgemeinaussage „er hat auch Gutes getan“ gegen über gestellt. Gleichermaßen verfährt man auch mit Martin Luther. Sein segensreiches Wirken (Bibelübersetzung, Schaffung einer einheitlichen Sprache, Liedgut) überstrahle seine dunklen Aspekte bei Weitem.
Zu Luthers „dunklen Seiten“ gehörte aber nicht nur sein verheerenden Antisemitismus, sondern auch die Degradierung der Frau zu einer reinen Gebärmaschine. „Der Tod [der Mutter] im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da,“ schreibt Luther (Martin Luther, Werke, Weimarer Ausgabe Bd. 10/2, Weimar 1907, S.296). Und auch dieses meint der Reformator über die Frauen: „»Wer mag alle leichtfertigen und abergläubischen Dinge erzählen, welche die Weiber treiben … es ist ihnen von der Mutter Eva angeboren, dass sie sich äffen und trügen lassen. […] Eine Frau hat häuslich zu sein, das zeigt ihre Beschaffenheit an; Frauen haben nämlich einen breiten Arsch und weite Hüften, dass sie sollen stille sitzen.“ - (zit. nach Arnulf Zitelmann, 1997, »Widerrufen kann ich nicht«. Die Lebensgeschichte des Martin Luther, Beltz und Gelberg, S.111).
Die behinderten Menschen, vor allem die geistig behinderten Kinder bezeichnete Martin Luther als „massa carnis sine anima“ = „Stück Fleisch ohne Seele“ für geistig behinderte Kinder, die vom Teufel gezeugt und den Frauen von ihm „untergeschoben“ seien. Den Fürsten von Anhalt gab er den Rat, dass man diese „Wechselbalge … ersäufen sollte.“ Sie seien bloßes Fleisch, das „nicht gedeiht, sondern nur frisst und säugt“. Sie würden „scheißen, fressen und saufen“ wie zehn gesunde Kinder und nur ihre Mütter aussaugen. Die damaligen Fürsten von Anhalt lehnten Luthers Ratschlag, behinderte Kinder zu „ersäufen“, ab. (Luthers Tischreden Nr. 4513 und Nr. 5207, auch Nr. 3676).
Diese dunklen Gedanken und Äußerungen Luthers, verbal und niedergeschrieben, haben unauslöschlich (!) ihre Spuren in der deutschen Kultur und Geschichte hinterlassen. Der Reformator hat uns aber auch unsere Untertanenmentalität eingebläut. Er hat uns gelehrt, der Obrigkeit hörig zu sein und uns in die Innerlichkeit zurückzuziehen, ins Private zu emigrieren, während draußen auf den Feldern die Bauern und das Volk von ihren Lanzen durchbohrt und ihren Schwertern enthauptet und ihren Landsknechten geschändet werden. In dem Martin Luther uns zur Verachtung gegenüber sozial Unterprivilegierten und Ausgegrenzten ermutigt und erzogen hat, ebenso wie im selbstgefälligen Abbügeln Andersdenkender, hat er uns in unserem deutschen und europäischem Antisemitismus bestärkt und ihm Vorschub geleistet. Das und Luthers generelle Verachtung des „Anderseienden“, des „Abnormalen“, sollten wir uns Tag für Tag vor Augen halten, wenn „Ihn“ feiern.
Damit "wir alle der unleidlichen, teuflischen Last der Juden entladen werden", formulierte Luther am Ende seiner Schrift „Über die Juden und ihr Lügen“, einen „Sieben-Punkte-Plan“, ein Sofortprogramm zur Lösung der „Judenfrage“. In seiner/n judenfeindlichen Schrift/en unterstellte Luther den Juden mehrmals die Bereitschaft, Brunnen zu vergiften und Kinder, wie einst den Simon von Trient zu rauben und zu zerstückeln. Diese Legenden, die er 20 Jahre zuvor noch als „Narrenwerk“ zurückgewiesen hatte, untermauerte er nun mit einem Zitat aus Matthäus 12,34: "Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, wenn ihr böse seid? Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht der Mund.“
Zur Erinnerung: Simon von Trient (geboren um 1472 in Trient; † 26. März 1475) war ein in der römisch-katholischen Kirche als Märtyrer verehrtes Kind, das einem Ritualmord von Juden zum Opfer gefallen sein soll. Sein Fall ist eine der bekanntesten und langlebigsten antijudaistischen Ritualmordlegenden. Sie wurde erst 1965 vom Bischof von Trient endgültig verworfen. Der Folterprozess von 1475 gegen die als Täter inhaftierten Juden diente den Betreibern um Fürstbischof Johannes Hinderbach als Grundlage und Rechtfertigung für Judenpogrome, die damals noch nicht so hießen. Der Begriff Pogrom stammt von dem Russischen und bedeutet „Verwüstung“, „Zerstörung“, „Krawall“. (grom = Donner) Er ist im Zusammenhang mit Übergriffen auf Juden im Russland der 1880er Jahre aufgekommen. 14 der damals (s. o.) inhaftierten Juden wurden hingerichtet, mehrere starben infolge der Haftbedingungen und der Folter. Einige weitere Ritualmordlegenden und Opferkulte wurden infolge dieses Falls geschaffen. (vergleiche: wikipedia)
Martin Luther aber appellierte an den Sozialneid seiner Zeitgenossen, wobei er demagogisch die reale Lage verkehrte = pervertierte. Von der Obrigkeit, den Fürsten, forderte er sieben Schritte gegen die Juden, die er zynisch als „scharfe Barmherzigkeit“, später offen als „Unbarmherzigkeit“ bezeichnete. Martin Luther fragte: „Was sollen wir Christen nun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden tun? Zu leiden ist's uns nicht, nachdem sie bei uns sind und wir solch Lügen, Lästern und Fluchen von ihnen wissen, damit wir uns nicht teilhaftig machen aller ihrer Lügen, Flüche und Lästerungen.“ (Von den Juden und ihren Lügen). Und weiter meint der Reformator (weiter oben befreits schon einmal zitiert): „Jawohl, sie (die Juden) halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, saufen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Junker lassen sein ( ... ) sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.“ (ebenda).
„Was sollen wir Christen nun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden tun?“ (Martin Luther)
Beweislasterhebung VI
So fragt Luther suggestiv die Fürsten, seine Amtskollegen und das Volk und gibt auch gleich selbst die Antwort, in dem er sagt und schreibt: „Ich will meinen treuen Rat geben: Erstlich, dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien und solch öffentlich Lügen, Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht geduldet noch gewilligt haben. Denn was wir bisher aus Unwissenheit geduldet (ich habs selbst nicht gewusst), wird uns Gott verzeihen; nun wir’s aber wissen, und sollten darüber frei vor unserer Nase den Juden ein solches Haus schützen und schirmen, darin sie Christum und uns belügen, lästern, fluchen, anspeien und schänden (wie droben gehört), das wäre ebenso viel, als täten wir’s selbst, und viel ärger, wie man wohl weiß. [...] Moses schreibt [5 Mos. 13,16], dass, wenn eine Stadt Abgötterei triebe, sollt man sie mit Feuer ganz zerstören und nichts davon behalten. Und wenn er jetzt lebte, so würde er der erste sein, der die Judenschulen und -häuser ansteckte. Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre- Denn sie treiben eben dasselbige drinnen, das sie in ihren Schulen treiben. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall [KZ] tun, wie die Zigeuner, auf dass sie wissen, sie seien nicht Herren in unserem Lande, wie sie rühmen, sondern im Elend und gefangen, wie sie ohne Unterlass vor Gott über uns Zeter schreien und klagen. Zum dritten, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten, darin solche Abgötterei, Lügen, Fluch und Lästerung gelehrt wird.
Zum vierten, dass man ihren Rabbinen bei Leib und Leben verbiete, hinfort zu lehren. Denn solch Amt haben sie mit allem Recht verloren, weil sie die armen Juden mit dem Spruch Mosis (5. Mos. 17,11) gefangen halten, da er gebeut, sie sollen ihren Lehrern gehorchen bei Verlust Leibes und Seelen ... Zum fünften, dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe, denn sie haben nichts auf dem Lande zu schaffen, weil sie nicht Herren noch Amtleute noch Händeler, oder desgleichen sind; sie sollen daheim bleiben. ... Denn ihr sollt und könnt sie nicht schützen, ihr wollt denn vor Gott alles ihres Greuels teilhaftig sein.
Zum sechsten, dass man ihnen den Wucher verbiete, der ihnen von Mose verboten ist, wo sie nicht sind in ihrem Land Herren über fremde lande, und nehmen ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwahren. Und dies ist die Ursache - alles, was sie haben (wie droben gesagt). Haben sie uns gestohlen und geraubt durch ihren Wucher, weil sie sonst keine Nahrung haben. Solches Geld sollt man dazu brauchen (und nicht anders), wo ein Jude sich ernstlich bekehrt, dass man ihm davon vor die Hand gebe hundert zwei drei Floren, nach Gelegenheit der Person, damit er eine Nahrung für sein arm Weib und Kindlein anfahren möge, und die Alten und Gebrechlichen damit unterhalte, denn solch böse gewonnen gut verflucht ist, wo man’s nicht mit Gottes Segen in guten nötigen Brauch wendet. Zum siebenten, dass man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nase, wie Adams Kindern aufgelegt ist 1. Mos. 3, 19. Denn es taugt nichts, dass sie uns verfluchten Gojim wollten lassen im Schweiß unseres Angesichts arbeiten, und sie, die heiligen Leute, wollten’s hinter dem Ofen mit faulen Tagen, Feisten und Pompen, verzehren und drauf rühmen lästerlich, dass sie der Christen Herren wären, von unserm Schweiß; sondern man müsste ihnen das faule Schelmenbein aus dem Rücken vertreiben. Besorgen wir uns aber, dass sie uns möchten an Leib, Weib, Kind, Gesind, Vieh etc. Schaden tun, wenn sie uns dienen oder arbeiten sollten, weil es wohl zu vermuten ist, dass solche edle Herren der Welt und giftigen bitteren Würme, keine Arbeit gewohnt, gar ungern sich so hoch demütigen würden unter die verfluchten Gojim: so lasst uns bleiben bei gemeiner Klugheit der anderen Nationen, als Frankreich, Hispanien, Böhmen etc., und mit ihnen rechnen, was sie uns abgewuchert; und danach gütlich geteilt, sie aber immer zum Land ausgetrieben. Denn, wie gehört, Gottes Zorn ist so groß über sie, dass sie durch sanfte Barmherzigkeit nur Ärger und ärger, durch Schärfe aber wenig besser werden. Drum, immer weg mit ihnen.“
Dann gibt Luther noch folgendes mit auf den Weg: „Wenn Du siehst oder denkst an einen Juden, so sprich bei dir selbst also: Siehe das Maul, das ich da sehe, hat alle Sonnabend meinen lieben Herrn Jesum Christ, der mich mit seinem teuren Blut erlöst hat, verflucht und vermadeleiet und verspeiet, hat dazu gebetet und geflucht vor Gott . Unsere Oberherrn, so Juden unter sich haben, wünsche ich und bitte, dass sie eine scharfe Barmherzigkeit wollten gegen diese elenden Leute üben, wie droben gesagt, ob’s doch etwas (wiewohl es misslich ist) helfen wollte wie die treuen Ärzte tun, wenn das heilige Feuer [Luther meint: Gürtelrose oder Wundbrand] in die Beine kommen ist, fahren sie mit Unbarmherzigkeit und schneiden, sägen, brennen Fleisch, Adern, Bein und Mark ab. Also tue man hier auch, verbrenne ihre Synagogen, verbiete alles, was ich droben erzählt habe, zwinge sie zur Arbeit, und gehe mit ihnen um nach aller Unbarmherzigkeit; wie Mose tat in der Wüste und schlug drei Tausend tot, dass nicht der ganze Haufen verderben müsste. Sie wissen wahrlich nicht, was sie tun, wollen’s dazu wie die besessenen Leute nicht wissen, hören noch lernen. Darum kann man hier keine Barmherzigkeit üben, sie in ihrem Wesen zu stärken. Will das nicht helfen, so müssen wir sie wie die tollen Hunde ausjagen, damit wir nicht, ihrer gräulichen Lästerung und aller Laster teilhaftig, mit ihnen Gottes Zorn verdienen und verdammt werden. Ich habe das Meine Getan; ein jeglicher sehe, wie er das Seine tue. Ich bin entschuldigt. („Von den Juden und ihren Lügen“)
Wenige Tage noch vor seinem Tod predigte Martin Luther am 15. Februar 1546 in Eisleben: "Nun ist's mit den Juden also getan, dass sie unseren Herrn Jesum Christum nur täglich lästern und schänden. Weil sie das tun und wir das wissen, so wollen wir es nicht leiden. Denn wenn ich den bei mir leide, der den Herrn Christum schändet, lästert und verflucht, so mache ich mich fremder Sünden teilhaftig. So ich doch an meinen eigenen Sünden genug habe, darum sollt ihr Herren sie nicht leiden, sondern sie wegtreiben. - Anders wird nichts daraus; denn sie treiben es zu arg, sie sind unsere öffentlichen Feinde, hören nicht auf, unseren Herrn Jesum Christum zu lästern, heißen die Jungfrau Maria eine Hure, Christum ein Hurenkind. Uns heißen sie Wechselbälge und, wenn sie uns könnten alle töten, so täten sie es gerne. Darum seid unverworren mit ihnen als mit denen, die da nicht anders bei euch tun, denn dass sie unseren lieben Herrn Jesum Christum greulich lästern, stehen uns nach Leib, Leben, Ehre und Gut. ... Darum bitte ich, wollet euch fremder Sünde nicht teilhaftig machen. Ihr habt genugsam Gott zu bitten, dass er euch gnädig sei und euer Regiment erhalte. ... Das habe ich als ein Landskind euch zur Warnung wollen sagen zuletzt, dass ihr euch fremder Sünden nicht teilhaftig macht. Denn ich meine es ja gut und treulich mit euch allen." (Quelle: Reformation & Toleranz Online-Publikation zur Broschüre und Anregung zum Philosophieren mit Jugendlichen)Luthers sieben verdrängte und „verschollene“ antisemitische „Thesen“ unterdessen wurden vierhundert Jahre später aufgegriffen und zur bitteren Realität,. und sei zur Erinnerung(skultur) hier noch einmal aufgezählt:
Zu Luthers Vorschlag und These Nummer 1.) im Umgang mit den Juden: Genau das geschah durch die Nationalsozialisten, z. B. in der Reichspogromnacht 1938, an Luthers Geburtstag.
Zu 2.) Die Nationalsozialisten zogen die Juden zunächst in bestimmten Häusern zusammen, ab 1939 in Gettos. Später wurden sie in Eisenbahnwaggons gepfercht und in die Konzentrationslager gefahren. Dort mussten sie zu Hunderten in Baracken wohnen, die oft nur eine Pritsche hatten.
Zu 3.) Die Nationalsozialisten ließen 1933 die jüdischen Schriften verbrennen.
Zu 4.) Die Nationalsozialisten nahmen den Juden das Leben. Sie wurden erschossen, vergast, zu Tode gehungert, zu Tode „operiert“, vergiftet und oder lebendig begraben. Ihre Leichen wurden in Massengräbern verscharrt oder verbrannt. Die ersten Pogrome erfolgten bereits 1933, die Massenmorde begannen 1939.
Zu 5.) Juden durften in der nationalsozialistischen Zeit ihren Wohnort nur mit polizeilicher Genehmigung verlassen. Später gilt das auch für die Gettos (ab 1939). Wer sich nicht daran hielt, wurde verhaftet.
Zu 6.) 1938 wurde der jüdische Besitz "zwangsarisiert", 1939 der Schmuck eingezogen, später das Geld, nach ihrer Ermordung (aber vor der Verbrennung) wurde ihnen sogar das Zahngold ausgebrochen.
Zu 7.) Die "jungen und starken Juden und Jüdinnen" wurden von deutschen Firmen der Nazi-Zeit als Zwangsarbeiter eingesetzt. In den Konzentrationslagern wurden die Arbeitsfähigen seit 1938 von den Schwächeren getrennt. Die einen mussten unter dem Motto "Arbeit macht frei" zwangsarbeiten und wurden erst hingerichtet, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden. Die anderen werden gleich umgebracht. Arbeitswert statt lebenswert.
Luthers Forderungen wider die Juden, waren eine Agenda der Unmenschlichkeit, die – wie beschrieben - von den Nationalsozialisten gleichsam Punkt für Punkt abgearbeitet wurde. Es ist absolut kein Wunder, dass sich Ex-Gauleiter Streicher 1946 in Nürnberg auf Luther und seine Schriften berief, so wie sich auch die offizielle evangelische Christenheit von 1932 bis 1945 auf diese berufen hatte. Ja, ohne den kirchlichen Antisemitismus hätte es den Holocaust nicht gegeben. Und der kam, wie schon erwähnt, mit 85 Prozent vom evangelischen Lager. Luther – und das kann nicht deutlich genug gesagt werden - schrieb seine antisemitischen Zeilen keineswegs aus "Alzheim", wie uns manche Historiker weismachen wollen, sondern ganz bewusst und berechnend aus Eisleben, wo er drei Jahre nach Veröffentlichung seines „Masterplans des Grauens“ im Alter von 62 Jahren starb (damalige Lebenserwartung bei Männern und Frauen in Thüringen betrug 55-60 Jahre).
Dazu schrieb der Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, Salomon Korn in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 12.11.2017: [Im Wissen um den Holocaust] "erscheinen Luthers hasserfüllte Schmähungen wie eine Handlungsanleitung für die Endlösung der Judenfrage. Von der In Brand Setzung der Synagogen oder die Zerstörung der jüdischen Wohnhäuser und den Zwang zu harter körperlicher Arbeit bis hin zur Empfehlung, den Juden alle Bücher und Wertsachen zu entziehen, um nur einige Beispiele zu nennen, findet sich hier das gesamte Sammelsurium der 400 Jahre später in den antisemitischen Rassegesetzen der Nationalsozialisten formulierten Grausamkeiten ... Das Ausmaß der Dämonisierung ist beispiellos. Es wiegt umso schwerer, als Luther so gut wie keine persönlichen Begegnungen mit Juden hatte."
Das ursprüngliche „kauft nicht bei Juden“ stammt nicht von den Nationalsozialisten oder gar von Hitler persönlich. Im Jahre 1921 veröffentlichte der evangelische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus der bayrischen evangelischen Landeskirche seine antisemitische Studie „Das jüdische Problem“. Darin ruft der Pfarrer öffentlich zum Boykott jüdischer Geschäfte auf. (Clemens Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949, München 1989, S. 123)
Zwölf Jahre später, 1933, organisiert die NSDAP - von der evangelischen Kirche unterstützt - einen landesweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte. 1942 wollte Pfarrer Auer die Nazis sogar dazu bewegen, die Endlösung der Judenvernichtung landesweit in einer Nacht zu vollziehen, wenn im Krieg die alliierten Angriffe auf Deutschland nicht aufhören.
Am 18.6.1933 schrieb Der Evangelische Presseverband für Württemberg rückblickend über den Boykott gegen die jüdischen Geschäfte: "Der Boykott am 1. April und das fernere Vorgehen gegen die Juden hat in manchen christlichen Kreisen eine Gewissensnot verursacht, mit der sie nicht fertig werden können. Diese Not mag davon herrühren, ... dass sie überhaupt kaum noch etwas von den schweren Gefahren aller Art wussten, die unserem Volk von jüdischer Seite drohen ... die ´Gräuelpropaganda` ... von Juden verursacht, genährt und geleitet ... führte zur Aufwiegelung der Völker gegen Deutschland. ... Sich mit allen brauchbaren Mitteln zu erwehren, war das gute Recht des deutschen Volkes. Dabei mitzuhelfen war die Pflicht auch des Christen. ... Wer sein Volk in der Gefahr im Stich lässt, der ist nicht nur ein Feigling, sondern er vergeht sich gegen Gottes Willen! Der Boykott und andere Maßnahmen gegen den jüdischen Einfluss waren ´kriegerische` Handlungen, entsprungen aus der Notwehr ... Auch die Bibel weiß von dieser Schicksalsgemeinschaft, die Schuldige und Unschuldige gleichermaßen umfasst. Man denke etwa an die Erzählung von den ägyptischen Plagen. ... Wir wollen daraus lernen, nicht verweichlicht zu denken. Es gehört auch zur Aufgabe des christlichen Glaubens, die Welt in ihrer ganzen Nüchternheit und u. U. Brutalität zu begreifen und sich in das Verhängnis der Schuldzusammenhänge hineinzustellen, anstatt voreilig daraus zu fliehen. ... Der Kampf gegen die jüdische Gefahr ist nicht gelöst durch Boykott und Entlassungen, sondern dazu bedarf es einer seelischen Neuwerdung des Deutschen ... dass diese verheißungsvolle Bewegung ihre Kräfte aus den letzten Tiefen hole und dass die nationale Revolution weiterführe zu einer Reformation des deutschen Menschen, das ist die größte und verantwortungsvollste Aufgabe, die dem deutschen Christen heute gestellt ist.“ (Quelle: Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt, 18.6.1933; zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 377-379)
In der öffentlichen Erinnerungskultur der Evangelischen Kirchen in Deutschland ist Luther bis heute ein untadeliges Vorbild. „In Wittenberg wird am 10. November 2007 eine Internationale Martin-Luther-Stiftung gegründet. Im Mittelpunkt der der Stiftungsarbeit sollen Projekte stehen, die die Auseinandersetzung gesellschaftlicher Verantwortungsträger mit ethischen Werten fördern.“ (Lutherstiftung, 2007)
Die Lutherstiftung für ethische Verantwortung vermittelt den Eindruck, als gäbe es nur den weltanschaulichen und rassistisch begründeten Antisemitismus, und als gäbe es keinen religiösen Antisemitismus. Sie ist eher eine evangelische Selbstdarstellung in Geschichtsvergessenheit. Sich selbst als ethische Instanz darstellen und die eigene Unmoral wortreich zerreden und vertuschen, scheint sie zu ihrer Aufgabe gemacht zu haben.
Die Luther Stiftung selbst beschreibt ihre Ziele wie folgt: „Die Grundimpulse der Reformation in einen themenbezogenen und ergebnisorientierten Dialog von Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik übersetzen, Personen und Gruppen unterstützen, die eigene Talente und Erfolge im Sinne reformatorischer Tradition für das Gemeinwohl einsetzen, Ideen, Projekte und Initiativen fördern, die Unternehmer-Courage und Kreativität, ein Wirtschaftsethos auf christlichem Wertefundament und das lutherische Berufsethos pflegen und stärken. Um diese Ziele zu erreichen, wird die Stiftung darüber hinaus geeignete Maßnahmen ergreifen sowie Kommunikationsformen nutzen und entwickeln, um das Bewusstsein für Leben und Werk Martin Luthers in den „Kernländern der Reformation“ Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, in Deutschland und international zu schärfen. Luther erfuhr die Botschaft des Evangeliums als eine befreiende Kraft. Durch sie löste sich seine religiöse Verzweiflung. Er konnte sich nun selbstvergessen anderen Menschen zuwenden und sich um sie kümmern, denn für ihn und sein Heil hatte ja Christus gesorgt, besser, als er es je selbst hätte tun können. Damit hat Luther die "Frohe Botschaft" des Evangeliums erhalten.“ (Sonntagsblatt, 31.10. 2007).Das klingt nach einer völlig heilen Lutherwelt des 16. Jahrhunderts, an der sich die heutige des 21. Jahrhunderts aufrichten könnte. Für den aufgeklärten Europäer, für den moralisch-ethischen Menschen, den Humanisten, für den religionsoffenen Christen und für die gesamte deutsche, europäische, nahöstliche und weltweite jüdische Gemeinde – ob geistlich oder säkular – ist das ein unglaublich zynischer Schlag ins Gesicht. Das ist ein Skandal, der als solcher aber auch an die Öffentlichkeit gehört.
Offiziell wurden die Novemberpogrome von den Nazis, die mit der so genannten „Reichkristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 begannen, mit dem „Grynszpan-Attentat" vom 7. November 1938 in Paris - ein polnischer Jugendlichen schießt auf einen deutschen Legationssekretär, der am 9. November stirbt – begründet. Der siebzehnjährige polnische Jude Herschel Grynszpan hatte sein späteres Opfer, Ernst Eduard vom Rath, in der Homosexuellenszene kennen gelernt. Aufgrund dieser Tatsache ließen erst Goebbels und später endgültig Hitler, den Schauprozess gegen Grynszpan fallen. Dieser verstarb später im KZ Sachsenhausen. Überhaupt wird das Grynszpan-Attentat als Grund für den Beginn der Reichspogrome als Vorwand der Nazis gesehen.
Um diese Aktion(en) der so genannten Reichskristallnacht koordiniert und flächendeckend durchführen zu können, bedurfte es vor 80 Jahren eine lange Vorbereitungszeit. Es war also keine Spontantat im Sinne eines heutigen „Flash-Mobs“. Die Nacht vom 9. auf den 10. November ist auch die Nacht des Geburtstages von Martin Luther und könnte der wahre Grund für den Brand von 1.400 Synagogen und jüdischen Betstuben in Deutschland in dieser Nacht und den folgenden Tagen gewesen sein. Verschwörungstheorie? Mitnichten. Denn 1938 schreibt der evangelische Landesbischof von Thüringen, Martin Sasse: „Vom deutschen Volk wird (...) die Macht der Juden auf wirtschaftlichem Gebiet im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit der gottgesegnete Kampf des Führers zu völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt. In dieser Stunde (dito siehe oben) muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einst als Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden." (online zitiert bei Telepolis, ein deutscher Held, 26.12.2016)
1941 erklärten sieben deutschchristliche Landeskirchenführer - und dem schloss sich die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei an: „Bekanntmachung über die kirchliche Stellung evangelischer Juden vom 17. Dezember 1941: Die nationalsozialistische deutsche Führung hat mit zahlreichen Dokumenten unwiderleglich bewiesen, dass dieser Krieg in seinen weltweiten Ausmaßen von den Juden angezettelt worden ist. Sie hat deshalb im Innern wie nach außen die zur Sicherung des deutschen Lebens notwendigen Entscheidungen und Maßnahmen gegen das Judentum getroffen. Als Glieder der deutschen Volksgemeinschaft stehen die unterzeichneten deutschen evangelischen Landeskirchen in der Front dieses historischen Abwehrkampfes, der u. a. die Reichspolizei-Verordnung über die Kennzeichnung der Juden als der geborenen Welt- und Reichsfeinde notwendig gemacht hat, wie schon Dr. Martin Luther nach bitteren Erfahrungen die Forderung erhob, schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen. Von der Kreuzigung Christi bis zum heutigen Tage haben die Juden das Christentum bekämpft oder zur Erreichung ihrer eigennützigen Ziele missbraucht und verfälscht. Durch die christliche Taufe wird an der rassischen Eigenart eines Juden, seiner Volkszugehörigkeit und seinem biologischen Sein nichts geändert. Eine deutsche evangelische Kirche hat das religiöse Leben deutscher Volksgenossen zu fördern. Rassejüdische Christen haben in ihr keinen Raum und kein Recht. Die unterzeichneten deutschen evangelischen Kirchenleiter haben deshalb jegliche Gemeinschaft mit Judenchristen aufgehoben. Sie sind entschlossen, keinerlei Einflüsse jüdischen Geistes auf das deutsche religiöse und kirchliche Leben zu dulden.“ (Quelle: Gesetz- und Verordnungsblatt der Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen, Jahrgang 1942, S. 4, nachgedruckt in: Joachim Beckmann (Hrsg.): Kirchliches Jahrbuch für die evangelische Kirche in Deutschland 1933–1944, 60. bis 71. Jg., Bertelsmann, Gütersloh 1948, 2. Aufl. 1976, S. 460)
Zwar hat die 9. Synode der EKD (2000) zu den antisemitischen Ausschreitungen 1933 bis 1945 einen Beschluss gefasst, in der sie sich „zur Mitschuld der Kirche an der Judenverfolgung" bekennt. Es wurde beschlossen: „Unsere Gemeinden rufen wir auf, jeder Art von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten." Ganz offensichtlich aber ist damit nicht der ‚historische Antisemitismus' des Reformators gemeint. Und mit Verlaub: Mitschuld war es nicht, es war SCHULD!
„Tue deinen Mund auf für den Stummen.“ – Sprüche 31, 8
Beweislasterhebung VII
Je mehr die Zeit voranschritt und sich die Lage in deutschen Landen nicht so entwickelte wie Luther gehofft, desto mehr war er davon übererzeugt, dass die Welttage sich dem Ende zuneigen und dass der universale Endkampf zwischen Christus und Satan begonnen hat. Die Zeit der Apokalypse, des biblischen Armageddon, die Zeit der sieben vom Himmel gesandten Reiter schien ihm sehr nahe. Wieder einmal eine „Naherwartung“, wie sie sie schon um die Jahrtausendwende, zurzeit Otto III. gab. Bereits Bernhard von Clairvaux ( + 1153) hatte geglaubt, er würde in der Endzeit leben und ging davon aus, dass der Antichrist aus der Gemeinde der Christen käme. Für Luther saß dieser Antichrist seit dem Tod von Papst Gregor VII. im Jahre 1.085 n. Chr. auf dem päpstlichen Stuhl in Rom, der sich in den göttlichen Tempel der Kirche setzte.
Daher rührte Luthers Furcht und Angst, der Teufel, den der jeweils aktuelle Papst auf Erden repräsentierte, würde sich mit den Türken, mit den Juden und allen anderen Heuchlern (Ungläubigen) zusammentut, um das Offenbarwerden der Wahrheit der Reformation zu verhindern, die Luther als Gegenreaktion der antigöttlichen Zeit, in der er lebte, verstand. Er schrieb deshalb 1543 in der später von Julius Streicher und seinesgleichen unentwegt zitierten Schrift „Von den Juden und ihren Lügen", die Juden seien verworfen und verdammt wie der Papst, die Türken (Muslime) und alle Glaubensfeinde. Um zu retten, was zu retten ist, bliebe den protestantischen Fürsten nur, sich in ‚scharfer Barmherzigkeit' gegen die vom Teufel Besessenen zu wehren, womit er auch und gerade die Juden meinte. Das Ergebnis war dann der oben schon zum Thema gemachte „Sieben-Punkte-Katalog“ wider die Juden.
Am 25. Dezember 1941 hatte der fanatische Antisemit Julius Streicher geschrieben und veröffentlicht: "Wenn die Gefahr der Fortpflanzung dieses Fluches Gottes im jüdischen Blut endlich zu einem Ende kommen soll, dann gibt es nur eine Weg: die Ausrottung dieses Volkes, dessen Vater der Teufel ist.“ Der Stürmer, 25.12.1941) Ab dem Jahre 1933, geprägt auch von den antisemitischen „Deutschen Christen“ (DC), gab es eine bemerkenswerte Wiederauferstehung Luthers. Der Reformator wurde als deutscher Nationalheros, als Urbild des kerndeutschen Mannes und Kämpfers gefeiert und verehrt. Nicht selten wurden historische Traditionslinien von Luther zu Hitler gezogen, und zwar von den Protestanten selbst und das mit Stolz.
Ein regelrechter Luther-Hype. In der evangelischen Adventsgemeinde Berlin, Prenzlauer Berg, sprach DC-Glaubensgenosse Haertel am 12. Dezember 1933 über „Luther und die Juden“. Es müsse Aufgabe der Deutschen Christen sein, Luthers klare Stellung in der „Judenfrage“, die Hitler von neuem gelehrt habe, in der Kirche wieder voll zur Geltung zu bringen.
In der Spandauer Lutherkirchengemeinde beschloss der Gemeindekirchenrat im September 1935, parallel zur Verabschiedung der „Nürnberger Gesetze“, die sofortige kostenlose Verteilung von eintausend Stück „Luther und die Juden“ sowie die Beschaffung von Aushängekästen für Streichers Hetzblatt „Der Stürmer“. Johannes Schleuning, Superintendent im Berliner Osten, verwies im März 1937 in einem Artikel „Judentum und Christentum“ besonders auf Martin Luther und Adolf Stoecker als christliche Vorkämpfer gegen das Judentum. Er pries dabei die jüngste Sondernummer des „Stürmers“ zur „Judenfrage“ und betonte im Anschluss daran, Christus sei ein „Arier“ gewesen, ein nordischer Held, so wie ihn Houston Stewart Chamberlain geschildert habe.
In seiner Ausgabe Nr. 35, Seite 1 aus dem Jahre 1937 beschäftigt sich der „Stürmer“ mit der Judenfrage nicht nur deutschlandweit, sondern mit dem „Alljuden“ weltweit. „Der heuchlerische Jude spricht vom Frieden und macht den Krieg“, … „der Alljuda [gemeint ist die internationale Verschwörung des Weltjudentums] ist der Drahtzieher des Völkermordens“ ... „Ohne die Lösung der Judenfrage ist keine Erlösung der Menschheit“ möglich.“ (vergleiche „Antijüdische Stereotype in den Artikeln der Wochenzeitung „Der Stürmer“, von Peter Hammerschmidt).Im Unterschied zu den „Nürnberger Gesetzen“, die in der DC-Publizistik weithin Zustimmung fanden, herrschte im gesamten protestantischen Milieu nach den Pogromen von 1938 eher Schweigen vor. Explizite Zustimmung zu den Exzessen war selten, aber auch das kam vor. Der Stuttgarter DC-Theologe Immanuel Schairer schrieb am 20. November 1938 einen beifälligen Kommentar zu den Ereignissen und berief sich dabei ausdrücklich auf Luthers „Von den Juden und ihren Lügen“. Pfarrer Friedrich Peter, 1933-1935 Bischof in Magdeburg, hielt eine Woche nach den Pogromen anlässlich des Staatsbegräbnisses für den Pariser Gesandtschaftssekretär Ernst vomRath die Grabrede in Düsseldorf: „Und wir fragen heute an diesem offenen Grabe die Völker der Erde, wir fragen die Christen in aller Welt: Was wollt ihr tun gegen den Geist jenes Volkes, von dem Christus sagt, ‚sein Gott ist ein Mörder von Anfang an gewesen und ist nicht bestanden in der Wahrheit’. Wir Deutschen haben gelernt, dass man sich große Gedanken und ein reines Herz von Gott erbitten soll. Wie steht es aber um Juda, dessen Gott [gemeint ist der Teufel] ein Mörder ist von Anfang an?“ (EKD, „Das große Schweigen“, 8.11.2018). Der Thüringer Landesbischof Martin Sasse ließ unmittelbar nach den Pogromen eine Schrift mit Auszügen aus Luthers Judenschrift drucken und an die Thüringer Pfarrerschaft verschicken.
Der von den Nationalsozialisten im April 1945 ermordete evangelische Theologe und Pfarrer, Dietrich Bonhoeffer, beschrieb die damaligen politischen Deutungen Luthers 1927 so: „Überall Luthers Worte und doch aus der Wahrheit in Selbstbetrug verkehrt.“ Bis dahin war Bonhoeffer mit der Allgemeinheit seiner Kirche in Bezug auf die Juden aufgrund fehlender und falscher Informationen mehr oder weniger d’accord. Erst mit Beginn der 1930er Jahre begann sich seine Sicht der Dinge zu ändern und zwar auch dadurch, dass er sich das erste Mal eingehend mit dem Wort der Bibel beschäftigte und unter anderem erkannte, dass ja Jesus selbst ein Jude war und blieb. Durch seinen Schwager Hans von Dohanyi, den persönlichen Referenten des Reichsjustizministers Franz Gürtner, war Bonhoeffer recht bald über den wahren Charakter des NS-Staates, über Gräueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich nach der Machtübernahme informiert. Aufgrund seiner elterlichen Erziehung gehörten für Bonhoeffer und seine Geschwister Klaus, Karl-Friedrich, Walter, Susanne und Sabine (verheiratete Leibholz) das Dasein für andere, die Mitmenschlichkeit und die Nächstenliebe, das Mitleiden (Symphatie und Emphatie) am Schicksal der Schwestern und Brüder, für die Christus gestorben ist, und Übernahme von Verantwortung für die, die Hilfe brauchen, egal welchen Standes und welchen Glaubens, in die Mitte des Evangeliums und untrennbar zusammen. Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Friedrich Bonhoeffer einer der ganz wenigen evangelischen Theologen und Verantwortlichen seiner Kirche war, die sich bis zum Ende (Tod durch den Galgen am 9. April 1945 in Flossenbürg) öffentlich und mutig gegen das Gift des Antisemitismus in Kirche und Staat stellten.
Statt Luther über zehn Jahre zu feiern und ihn 2017 „heilig zu sprechen“, sollte der 9. April 2020 deutschlandweit zum Anlass genommen werden, des Mutes eines wahren humanistisch-christlichen Menschen zu gedenken: Nicht Luther, sondern Bonhoeffer. - „Und ich ergänze gerne: Nicht Luther, sondern Giordano Bruno, Thomas Müntzer, Erasmus von Rotterdam (einer der ersten Europäer) und die, die im Geiste eines humanistischen, anti-eurozentrischen, anti-rassistischen, anti-kolonialen, anti-kapitalistischen Denkens und Handelns und mit einem aufgeklärten Frauenbild, einer anderen Sexualität, auf Seiten der Unterdrückten … waren und sind. Bischof Romero, die französischen Arbeiterpriester, Beyers Naudé und Desmond Tutu in Südafrika, Nyerere in Tansania, Kenneth Kaunda in Sambia, Ivan Illlich, Augusto Boal, … Uta Ranke-Heinemann, Helmut Gollwitzer, Pastor Niemöller, und, und, und alle die, die in keiner Kirche, der evangelischen ganz sicher nicht, hier vorkommen.“ (Wolfram .F. in einer Email an mich).
In diesem Zusammenhang ist unbedingt der Österreicher Anton Schmid, der von 1940 bis 1942 als Feldwebel in der deutschen Wehrmacht diente, zu erwähnen. Im September 1941 wurde er nach Wilna in Litauen versetzt. Von dort schreibt er seiner Frau einen recht kurzen Brief, der so endet: „Ich will Dir noch mitteilen, wie das Ganze kam. Hier waren sehr viele Juden, die zusammengetrieben und auf einer Wiese außerhalb der Stadt erschossen wurden, immer so 2.000, 3.000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege gleich an die Bäume angeschlagen – kannst Du Dir das vorstellen?“ (zitiert bei „Deutschlandfunk Kultur“ am 31.01.2016) Anton Schmid ist Christ und beschließt, seine Stellung in der Wehrmacht voll dafür zu nutzen, Juden zu verstecken und ihnen zur Flucht zu verhelfen. Insgesamt an die 350 Menschen jüdischen Glaubens hat er so tatsächlich das Leben gerettet und sich selbst damit in Lebensgefahr gebracht. In einem weiteren Brief schreibt Anton Schmid an seine Ehefrau in Wien wie folgt: „Wenn jeder anständige Christ auch nur einen einzigen Juden zu retten versuchte, kämen unsere Parteiheinis mit ihrer ‚Lösung der Judenfrage‘ in verdammte Schwierigkeiten. Unsere Parteiheinis könnten ganz bestimmt nicht alle anständigen Christen aus dem Verkehr ziehen und ins Loch stecken.“ (ebenda)
Im Winter 1941/42 beschäftigt Schmid 150 Juden aus dem Wilnaer Ghetto als Handwerker in den Werkstätten seiner Arbeitsstelle und rettet sie damit über den Krieg hinaus. Mit gefälschten Papieren (Marschbefehle) schleuste er Juden aus dem Ghetto in andere, damals als sicher geltende Ghettos in Polen und Weißrussland. Andere steckte er kurzer Hand in Militäruniformen und ließ sie für sich arbeiten. Doch schon Ende Januar 1942 wird Schmid bei einer seiner Rettungsaktionen verhaftet. Am 13. April 1942 wird er in Wilna hingerichtet. Schmid war auch an der Vorbereitung des Warschauer Aufstandes beteiligt.
Im Gegensatz zu Oskar Schindler war und ist Anton Schmid in Deutschland und Europa so gut wie unbekannt. Während Schindlers Rettungsaktionen 1993 gekonnt verfilmt wurden und er auch zuvor schon bekannt war, ist Schmid als Retter der Juden bis heute nicht im Gedächtnis der Deutschen. Der Historiker Wolfram Wette, der in dieser "Verschleierung" ein politisches und gesellschaftliches Kalkül sieht, sagt dazu: „Anton Schmid verkörpert die Tatsache, dass es auch kleine Leute in der Uniform der Wehrmacht gab, die innerhalb ihrer Handlungsmöglichkeiten geholfen und gerettet haben. Es stimmt also gar nicht, dass man nichts machen konnte, wie es ja millionenfach nach dem 2. Weltkrieg gesagt worden ist, sondern Anton Schmid war einer, der bewiesen hat, dass man tatsächlich etwas machen konnte - und gar nicht wenig!“ (ebenda) Schmid gilt als wichtiger Protagonist des sogenannten „Rettungswiderstands“; einer, der wenigen Soldaten, die sich bewusst und nachdrücklich für das Leben von Juden eingesetzt und dabei ihr eigenes Leben aufgeopfert haben. Im Jahre 2000 dann wurde im norddeutschen Rendsburg am Nord-Ostsee-Kanal eine Kaserne in „Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne“ umbenannt. Doch 2010 wurde sie im Zuge der Bundeswehrreform geschlossen. Sechs Jahre später - von der überregionalen Öffentlichkeit kaum beachtet - wurde 2016 die Harzkaserne in Blankenburg nach Anton Schmid um benannt. Die Liegenschaft ist dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zugeordnet.
„Der Umfang seiner Rettungsaktionen ist einmalig“, sagt Wolfram Wette über Anton Schmid. (ebenda) Auch wenn es nur fünf Monate waren, die Schmid für seinen Mut in Litauen und Polen blieben, gäbe es doch genug "Stoff", um einen aufwühlenden Film daraus zu machen.
Martin Luther war zwar ein großer Intellektueller (Dr. Dr. und Professor), doch letztendlich auch ein schwacher, von teils undefinierbarer Angst erfüllter, umtriebig destruktiver Charakter. Der Intelligenzquotient (IQ) Martin Luthers betrug 170. Damit stand er mit Richard Wagner, Georg-Friedrich Händel, Johann Strauß, Plato und Raphael auf einer Stufe. Zum Vergleich: Leonardo da Vinci hatte einen IQ von 220 und der IQ Deutschlands größten Dichters, Johann Wolfgang von Geothe, lag bei 21O. Auch Adolf Hitler war nicht dumm: Sein IQ lag bei 155. Dagegen besaß Abraham Lincoln nur einen IQ von 128 und der von Dr. Martin Luther King jr. lag auch „nur“ bei 140. (Quellen: Tutorium Berlin und GENI). Ab einem IQ von 130 und höher (2,2 Prozent der heutigen Weltbevölkerung) spricht man von einer „Hochbegabung“.
Was aber eines Menschen IQ über ihn selbst nicht aussagt, sind die Fähigkeiten zum Umgang mit sich selbst, mit seiner Umwelt und vor allem mit seinem Mitmenschen. Hier spielen ganz andere Faktoren, Qualitäten und „Quotienten“ eine Rolle. Moral, Ethik, soziales Gewissen und die emotionale Intelligenz (EQ). Dinge, für die es kein staatliches Diplom, keinen Doktorgrad, keine Professur oder Ordinationsurkunde gibt. Dinge, die nicht ererbt und studiert werden können, sondern er-zogen und er-lebt werden müssen. Hier trennt sich der lebendige und humanistische Weizen von der toten und allein verwaltenden Spreu.
Beweislasterhebung VIII
Luther war nicht nur überdurchschnittlich begabt, sondern er hatte Theologie studiert. Er verstand Hebräisch, Griechisch und Latein und er hatte die gesamte Heilige Schrift in seine eigene Sprache übersetzt. Niemand also, nicht einmal der Papst, kannten das Alte Testament (die Geschichte der Juden) und das Neue Testament (Geschichte des Juden Jesus und dessen Botschaft der Nächstenliebe) so gut, wie Martin Luther. Und doch wurde er zum Judenhasser par excellence und darüber hinaus ein erklärter Feind der nach weltlicher Freiheit strebenden Kräfte im einfachen Volk, insbesondere der niederen Bauern.
Während bei anderen historischen Figuren (Kirchenväter, Päpste, Kaiser und Könige, Wissenschaftler, Ärzte und Forscher), durchweg die Messlatte des 21. Jahrhunderts angelegt wird, gilt der Reformator Martin Luther heute immer noch als Lichtgestalt und Freiheitskämpfer. Gemessen am Wissen des Jahres 2018 und unserer freiheitlich demokratischen Verfassung, muss Luther von den Historikern und dem wissenden Zeitgenossen eher als Despot bezeichnet werden, der einer späteren totalitären Staatsform durchaus Vorschub leistete und sicherlich (neben vielen anderen) als einer der geistigen Vorväter einer rassischen Ideologie bezeichnet werden darf, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekanntlich in die Katastrophe (kata = nach unten, strophein = bewegen) des menschlichen Äons führte.
Apropos: Der Protestantismus wird nicht selten und bis in die Gegenwart als Brutstätte freiheitlicher Werte missverstanden. Doch Luthers Vorstellungen von Freiheit bewegten sich stets in einem sehr engen Rahmen. Er schloss aus der inneren Freiheit des Christenmenschen (frei von Sünde durch den Glauben an Jesus), dass dieser es nicht nötig habe, für die äußere Freiheit zu kämpfen und begründete damit die verhängnisvolle Autoritätshörigkeit nicht nur seiner Kirche, sondern des "Deutschen" überhaupt (Devotheit). Die Nationalsozialisten bezeichneten die reformierte Kirche als die wahre Kirche.
Selbst die Führungsspitze der heutigen und modernen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat sich Anfang Februar 2019 (Umfragewert zu diesem Zeitpunkt: 15 Prozent) ganz bewusst auf der Wartburg getroffen, um „die SPD nach links zu rücken, und die klaffende Wunde, die es bei der SPD wegen der Hartz-IV Reformen immer noch gibt.“ (Handelsblatt, 8.2.2019), so als ob der auf der Wartburg sich im Asyl befindliche Reformator dem „gemeinen Mann“ und dem einfachen Bürger mit dessen Not vor 500 Jahren Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Im Gegenteil. Luther hat dem einfachen Volk – siehe vor allem den Bauern – untermauert mit biblischem Wort - gepredigt, sich der Obrigkeit zu unterwerfen und nicht gegen sie für leibliche Freiheit zu kämpfen.
Nein, Luther war kein „Linker“. Martin Luther war keine „rote Socke“; Luther war ein absolut „Rechter“ seiner Epoche, und gab den ihm folgenden Zeitaltern durch seine Traktate und Bücher bezüglich des „Kapitalismus’“ und „Antisemitismus’“ eine entsprechende Steilvorlage. Von Luther bis zum späteren Deutschen Kaiserreiches ( ab 1871), durch die Weimarer Republik (1919 bis 1932) hindurch und bis zur Propaganda des „Dritten Reiches“ und der ihr folgenden tief abgründigen Verbrechen, ist eine klare Kausalität (nicht Parallelität) zu erkennen. Luther wurde von ihnen allen nicht etwa „nur missbraucht“, sondern er wurde von ihnen gebraucht, um ihre ungeheure Menschenverachtung von Oben absegnen zu lassen und damit ihren Zeitgenossen zu signalisieren: Gott will es! .
Es ist allerdings höchst bedenklich, wie wenig unsere hoch dotierten Spitzenpolitiker in „Geschichte“ Bescheid wissen. Für die SPD ist es zudem noch hoch peinlich, sich nach ihrer Neujustierung nach "links" ausgerechnet auf der Wartburg, dem Asyl des Arbeiterfeindes Martin Luther, zu treffen. Unglaublich. Beim diesem Vorhaben, wäre wohl ein Ort wie Bad Godesberg (November 1959: Godesberger Programm) besser gewählt. Einem Mann zu huldigen, dessen Ansichten die eigenen Werte konterkarieren und einen Ort zu wählen, wo diese menschenverachtenden Gedanken ausgeheckt wurden zeigt, wie sehr bis in die Gegenwart, ein verzerrtes Bild von Luther und seiner Reformation in unserer (nicht nur deutschen) Gesellschaft vorherrscht.
Das ist mit einer der Gründe, weshalb die deutsche Vergangenheit nie richtig aufgearbeitet werden konnte. Zwar wurden die Haupttäter 1946 zum Tode verurteilt und – wenn sie vorher nicht Selbstmord begingen (Göring) – auch hingerichtet oder zu lebenslangen Haftstrafen (Hess) verurteilt; das geschah so auch bei den späteren „Auschwitzprozessen“ in den 1960er Jahren. Es sei denn, man galt inzwischen als politische „entnazifiziert“ (als wenn das tatsächlich möglich wäre). --- Doch nie saß ein Pastor, ein Pfarrer oder Landesbischof der evangelisch-reformierten Kirche oder die der „Deutschen Christen“ auf der Anklagebank. Und nie gab es innerhalb der heutigen EKD (Evangelische Kirche Deutschlands) eine „Entantisemitifizierung“. Sie alle nämlich waren geistige Brandstifter, sie alle befeuerten mit Berufung auf Luther den Judenhass und machten den Holocaust erst möglich.
Das „Dritte Reich“ unter Adolf Hitler war auf keinen Fall eine atheistische Diktatur. 1933 waren knapp zwei Drittel (62,7%) der Deutschen Protestanten; etwa ein Drittel (32,5%) gehörten der katholischen Kirche an. Macht zusammen 95,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wie schon erwähnt, wählten 50 Prozent der Protestanten (~ 26 Prozent der deutschen Bevölkerung) und 20 Prozent der Katholiken (~ 4 Prozent der Deutschen) 1932 die NSDAP. Bei der Reichstagswahl im Juli '32 gingen 36.882.354 Deutsche zur Wahl. Davon wählten 13.745.680 Wähler die NSDAP. Die Wahlbeteiligung betrug 84,1 Prozent. Schaut man sich die Zahlen an, muss man konstatieren, dass die Nazis ihre Mitglieder fast ausschließlich aus Mitgliedern der „Christlichen Gemeinschaft“ – also der beiden großen Kirchen – rekrutierten und nachweislich überwiegend aus dem protestantisch bürgerlichen Lager der damaligen Weimarer Republik. Unter den verbleibenden 4,8 Prozent der damaligen deutschen Bevölkerung bekannten sich nur wenige Bürger offen zum Atheismus. Eher zu religiösen Splittergruppen und zum Judentum. Bekennenden Atheisten blieb der Eintritt in die SS übrigens – formal – strikt untersagt. Schließlich widersprach die Gottlosigkeit, ein Kind der Aufklärung, Himmlers Volksglauben und Hang zum Mystizismus des Germanentums. Der „Führer“ kann, im Gegensatz zu Himmler, wie folgt zitiert werden: „Es könnte in den Reihen unserer Bewegung der gläubige Protestant neben dem gläubigen Katholiken sitzen, ohne je in den geringsten Gewissenskonflikt mit seiner religiösen Überzeugung geraten zu müssen. Der gemeinsame gewaltige Kampf, den die beiden gegen den Zerstörer der arischen Menschheit führten, hatte sie im Gegenteil gelehrt, sich gegenseitig zu achten und zu schätzen." (Mein Kampf)
Das Interesse des Katholiken Adolf Hitlers (Hitler wurde bis heute nicht exkommuniziert) galt nicht dem Erhalt der Bekennenden Kirche, sondern der Schaffung einer christlich-arischen Volksgemeinschaft bzw. einer nationalsozialistisch geprägten Einheits- und Staatskirche. Die "Deutschen Christen" (DC), eine breite, 1932 gegründete und von Hitler unterstützte Strömung innerhalb der protestantischen Kirche, passen dabei sehr gut ins Bild. In Artikel 24 des Parteiprogramms der NSDAP ist zum Verhältnis der Partei gegenüber der Religion Folgendes zu lesen:
„Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeitsverbot der germanischen Rasse verstoßen. Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden.“
Martin Luther als geistigen Vordenker einer menschenverachtenden Ideologie zu bezeichnen, die sich schon vor 1933 ihr ideologisches Weltbild und eigene Wahrheiten aus vielerlei Einflüssen zurechtzimmerte, mag bei jenen strittig sein, die der Reformationsromantik verhaftet sind und Luther als den Jesus 2.0 sehen. Die explizite Deutlichkeit, mit der Luther seine Gedanken zu Papier brachte, sollte in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden. Unstrittig aber muss sein, dass Luther den zu seiner Zeit vorherrschenden kirchlichen und gesellschaftlichen Antijudaismus durch seinen religiös und auf Christus bezogenen Antisemitismus durch seine Schriften und Predigten und deren rasante Verbreitung durch das Europa umspannende Medium Buchdruck, quantensprunghaft bis in die Neuzeit manifestierte.
1536 verbot Kurfürst Johann Friedrich I., der Großmütige, den Juden im Kurfürstentum Sachsen Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Durchreise. Daraufhin reiste Josel von Rosheim, der damalige Anwalt der Juden im Reich, an die sächsische Grenze und bat Luther brieflich um ein Treffen und darum, sich beim Kurfürsten für die Aufhebung dieses Verbots einzusetzen. Er sah in ihm noch einen möglichen Fürsprecher der Juden. Luther lehnte am 11. Juni 1537 ab: Seine Schrift von 1523 habe allen Juden viel gedient. Aber weil sie seinen Dienst für unerträgliche Dinge schändlich missbraucht. hätten, sehe er sich jetzt außerstande, noch bei den Fürsten für sie einzutreten. Obwohl Jesus auch Jude sei und den Juden kein leidgetan habe, würden sie ihm (Jesus) ständig lästerten und ihn verfluchten. Darum vermute Luther, die Juden könnten tun was sie wollten, immer würden sie alle Christen um Leben und Besitz bringen.
Das belegt und bestätigt noch einmal, dass Luthers Reformation eigentlich eine Durchsetzung seines Egos, eine „Reformation“ nach seinen Vorstellungen war, nicht aber nach den Vorstellungen des göttlichen Wortes, der von ihm übersetzten Bibel. Nach dem Motto „Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ (250 Jahre später Goethe im „Erlenkönig“), bläst Luther zur Vernichtung des Judentums, dessen etwaige Bekehrung durch Gewalt er gar nicht mehr im Sinne hatte. Genauso verfuhren die Nazis mit den Juden, die sich, um der Gaskammer zu entkommen, hatten christlich taufen lassen. Es nützte ihnen nichts. Denn Jude ist und bleibt Jude, weil er ein Jude ist – so wie es auch schon Luther meinte.
Houston Stewart Chamberlain (1855 bis 1927), Schwiegersohn von Richard Wagner, verfasste 1899 das problematische Werk "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts". Darin ist auch der Reformation ein Kapitel gewidmet, in dem Luther vor allen Dingen als Politiker gewertet wird. "Der schwache Punkt war bei Luther seine Theologie; wäre sie seine Stärke gewesen, er hätte zu seinem politischen Werke nicht getaugt, seine Kirche auch nicht." (zitiert bei „Kirche von unten“) Luther wird also theologisch entkernt. Und in der Tat ging die geplante theologische und religiöse Reformation der damaligen Papstkirche in eine nationale und politische Revolution des gemeinen Mannes, des Volkes, gegen die Missstände in der Gesellschaft über, der sich ein Martin Luther allerdings nicht anschloss, sondern sich vielmehr gegen sie stellte. Wieder einmal blieb er auf halber Strecke stehen. Man muss konstatieren, dass Luthers Reformation zwar ein Politikum war, nämlich ein Ereignis von politischer Bedeutung und Auswirkung, nicht aber „Politik“ in ihrem tiefen Verständnis selbst. Denn diese ist für das Wohl der Stadt, griechisch = „polis“ gedacht, sowohl als Zusammenschluss von Menschen, die Bildung einer Sozietät, als auch als gemeinsames Wohngebiet. Wie wir sahen und sehen, hat aber Luther genau das Gegenteil bewirkt. Zwar hat Luther durch seine Bibelübersetzung den Deutschen auch eine gemeinsame Sprache geschenkt, durch sein Leben und seine Lehre aber hat er deren Inhalt mehr als konterkariert.
Deshalb und auch aufgrund seines abgrundtiefen Hasses gegen die Juden, die Frauen, den gemeinen Mannes (Bauern), die geistig Behinderten und gegen seine Mitmenschen allgemein, ist es relativ einfach, in Martin Luther (der als Martin Luder geboren wurde und sich selbst später „Luther“ nannte) einen Egoisten zu sehen, der nur sich und die mit ihm theologisch, politisch und gesellschaftlich völlig übereinstimmenden Menschen unter der Gnade Gottes durch Jesus Christus sah.
Zwar bekämpfte er den Papst, doch war er selbst einer. Aus Sicht des Juden Sigmund Freuds 350 Jahre später und der sich seit dem entwickelten Psychoanalyse und Psychotherapie muss man vermuten, dass Martin Luther sich weder von Menschen noch von seinem Gott wirklich geliebt fühlte und sich selbst auch nicht liebte, es sei denn im Sinne der Selbstverliebtheit und der Selbstbewunderung. Narzissmus statt Philia und Agape. Und Luther projizierte seine Defizite und sein Recht auf Absolutheit auf den Papst und seine Papisten. Gegen seinen leiblichen Vater, Hans Luder, konnte sich Martin nie durchsetzen, ohne dass sich beide entzweiten und er dessen Liebe verlor. Erst als Luther sein Klosterleben mit 42 Jahren aufgab, näherten sich Vater und Sohn wieder an. Es ist auch davon auszugehen, dass Martin Luther Katharina von Bora nur deshalb heiratete, weil Vater Hans unbedingt Enkelkinder von ihm haben wollte. Unter dieser Prämisse ist es sehr bemerkenswert, dass Martin Luther sich andererseits gegen Kaiser Karl V. und Papst Leo X. durchsetzen konnte, so lange es um seine Sicht der Dinge und seine eigene Freiheit ging. Denn andererseits wiederum, als die Bauern und mit seinem einstigen Mitstreiter Thomas Müntzer auch ihre Freiheit verlangten, stelle er sich offen gegen sie und vertrat und verteidigte die Sicht der Herrschaften.
„Das Jahr 1933 ist nicht nur ein Jahr der Erinnerung an ihn [Luther], sondern ein Jahr der Erfüllung dessen, was er gewollt“ hatte.“ (Hermann Wolfgang Beyer, 1898-1942, Professor für Kirchengeschichte in Greifswald)
Beweislasterhebung IX
Der Deutsche Evangelische Kirchenbund stellte sich 1933 positiv zur „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten. Otto Dibelius befürwortete beim Tag von Potsdam (21. März 1933) die Abschaffung der Weimarer Verfassung und bezeichnete diese als „neue Reformation“, und machte Adolf Hitler kurzerhand zum neuen Messias, dem gottgesandten Retter des deutschen Volkes. Des Führers und Luthers Biografien wurden parallelisiert und eine gegen Menschenrechte, Demokratie und Liberalismus gerichtete historische Kontinuität von Luther zu Hitler wurde hergestellt. Reichspräsident Paul von Hindenburg, sowie protestantische Reichstagsabgeordnete waren an jenem Tag in der evangelischen Nikolaikirche, wo Dibelius die Festpredigt hielt. Anlass war die feierliche Eröffnung des neuen Reichstages, den die Katholiken parallel in der Sankt Peter und Paul Kirche feierten. Anschließend fand der offizielle Staatsakt in der Berliner Krolloper statt, denn das Reichstagsgebäude war ja abgebrannt.(vgl. http://www.tpi-oritzburg.de/reformation/rr/modul_6-3_einfuehrung.asp)
„Ab 1933 behauptete das NS-Hetzblatt der ‚Stürmer’, in neueren kirchengeschichtlichen Arbeiten werde Luthers ‚geradezu fanatischer Kampf gegen das Judentum totgeschwiegen’. Er, Luther, habe als guter Mensch Juden erst zu bekehren versucht, dann erkannt, dass Mission vergeblich sei, weil ‚der Jude…der geborene Zerstörer sei’, und das deutsche Volk darüber aufgeklärt. 1937 und 1938 bekräftigten zwei Artikel im Streicher-Blatt, Luther müsse als ‚unerbittlicher und rücksichtsloser Antisemit’ gelten und die evangelischen Pastoren müssten das viel stärker predigen. 1941 wies der ‚Stürmer’ die Auffassung zurück, Luthers späte Judentexte seien eine Rückkehr zum Mittelalter, Alterslaune oder rein theologisch motiviert gewesen. 1943 erklärte der Redakteur Julius Streicher Luthers Übersetzung des Alten Testamentes und seine Schrift von 1523 (judenfreundlich) sei eine Folge kirchlicher Erziehung gewesen, von der er sich danach abgekehrt habe. Er habe erkannt, Christus könne mit dem ‚jüdischen Mördervolk’ nichts gemein haben, und deshalb ihre Ausweisung verlangt. Er spreche als Mahner in die Gegenwart: ‚Das Verbrechervolk der Juden muss vernichtet werden, auf dass der Teufel sterbe und Gott lebe.’ Streicher behauptete daher 1946 im ersten Nürnberger Prozess: ‚Dr. Martin Luther säße heute an meiner Stelle auf der Anklagebank’, wenn seine Schrift von 1543 berücksichtigt würde. Darin habe er geschrieben, ‚die Juden seien ein Schlangengezücht, man solle ihre Synagogen niederbrennen, man solle sie vernichten.“ (zitierte Quelle: http://www.tpi-moritzburg.de/reformation/rr/modul_6-3_einfuehrung.asp)„
Während des Zweiten Weltkrieges werden die historischen Bücherreihen zum Thema „Luther – Hitler“ mit jenem Vorzeichen versehen, die Luther zum geistigen Urheber des Nationalsozialismus machten. 1941 veröffentlichen Mc Govern und W. Montgomery das Buch "From Luther to Hitler" und 1949 P.F. Wiemer "Martin Luther - Hitlers Spiritual Ancestor". Ernst Niekisch sieht in seinem Buch "Deutsche Daseinsverfehlung" Luther als den heimlichen Vater der heillosen Entwicklung, die zum Nationalsozialismus führte. Luther habe das Bündnis mit den revolutionären Bauern abgelehnt, damit sei die Reformation politisch zusammengebrochen, und Luther habe das Fundament zum deutschen Obrigkeitsstaat gelegt, das im NS-Staat seinen furchtbaren Ausdruck fand. Im "Hochland", der katholischen Elitezeitung, erscheint 1946 ein Aufsatz von Alfred v. Martin. Er macht die Reformation für den Anfang der Säkularisierung verantwortlich, die sich im preußischen Machtstaat und in der NS-Diktatur fortsetze und verdichte.
Auch zum Luther-Jubiläum November 1946 erscheinen Lutherdeutungen, z. B. von Hanns Lilje und auch von Walter Künneth in seinem vielgelesenen Buch "Der große Abfall". Künneth sieht in der Säkularisierung seit dem 16. Jahrhundert den beginnenden Abfall vom christlichen Glauben, der nun in der Nachkriegszeit eine dramatische Zuspitzung erfahre. Man stehe in der Krisis zwischen den gottwidrigen und gottgewollten Kräften. Dabei sei eine Rückbesinnung, so jedenfalls meint es Künneth, auf die Reformation hilfreich, denn Luther stelle "den historischen Gegenpol" zu Hitler dar, die Reformation stehe "in unbedingtem Gegensatz zum Nationalsozialismus". Die Kirchen seien "Widerstandszentren" gewesen, und die Kirche habe in den Stürmen der Weltgeschichte das Wächteramt zu vollziehen, nämlich die säkularen Elemente auszuscheiden und sich einem biblischen Realismus, wie ihn Luther neue entdeckt habe, zuzuwenden. - Welch’ eine Verkehrung (Pervertierung) Künneth hier vornimmt wird deutlich, wenn man sich die Rollen der Kirchen und Christen in der Geschichte des Mittelalters bis Ende des Zweiten Weltkrieges ungeschminkt vor Augen hält.
In dem Kapitel "Grundsätze einer evangelischen Geschichtsdeutung" feiert Künneth die christliche Gesinnung der Preußenkönige. Noch eindrücklicher erweise sich die christliche Gebundenheit der preußisch-deutschen Geschichte in der Epoche der Freiheitskriege, Bismarck bejahte bewusst die christlichen Fundamente für sein persönliches Leben. Dabei wird allerdings bewusst oder aus falschem Respekt übersehen, dass Bismarck ein „Fresser und Säufer vor dem Herrn“ und seine Memoiren alles andere als eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben war. Künneth feiert "die beiden letzten Ritter christlichen, deutschen Soldatentums, Mackensen und Hindenburg". August (von) Mackensen (1849 bis 1945) stieg als Offizier bis zum Adjutanten Wilhelm II. auf und wurde von diesem 1899 geadelt. Im Ersten Weltkrieg war er ein erfolgreicher Heerführer und wurde später als Anhänger Hitlers von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke eingesetzt. "Die Preisgabe der christlichen Tradition des deutschen Heeres war der tiefste Grund seines Untergangs." (zitiert bei „Kirche von unten“). Künneth zieht hier also die im Dritten Reich so beliebte Linie Luther - Friedrich der Große - Bismarck - Hitler wieder auf, aber ersetzt Hitler durch Hindenburg und gibt dieser Traditionslinie wieder ein christliches Vorzeichen.
Eindrucksvoller lässt sich die Kontinuität der Nachkriegszeit mit der Hitlerzeit und zur Kriegszeit um 1917 nicht belegen. Nicht etwa eine erneute Militarisierung Westdeutschlands ist dann die Sorge Künneths, sondern ob die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik Deutschland im christlichen Geiste (!) erfolgen wird. Und das sieht Künneth dann in den 1950iger Jahren unter dem katholischen-christlichen Ex-Bürgermeister von Köln, Konrad Adenauer und dessen „Christlich Demokratischer Union“ (CDU) gewährleistet. Künneths Buch erlebt 1946 / 47 eine beispiellose Aufnahme, zwei Auflagen sind in kurzer Zeit vergriffen, und Künneth schreibt in seinen Lebenserinnerungen aus dem Jahre 1979, das Buch habe "an Aktualität noch nichts eingebüßt".
Goldhagens These (1996 in „Hitlers Willing Executioners. Ordinary Germans and the Holocaust“), Luther sei mitverantwortlich für jenen «eliminatorischen» Antisemitismus, der unter Hitler zum Holocaust führte, ist nicht nur in Europa, sondern auch in Israel umstritten. Goldhagen schreibt: „Die antisemitischen Auffassungen der Deutschen waren die zentrale Triebkraft für den Holocaust.“ (S. 22) Zwar verweist der Autor darauf, dass „monokausale“ Erklärungen für Gräueltaten grundsätzlich nicht „angemessen“ seien, erklärt aber die Motivation zur Vernichtung der deutschen und europäischen Juden aus einer „einzigen gemeinsamen Quelle“, nämlich einem „bösartigen Antisemitismus“ (S. 8).
Die große Mehrheit der akademischen Insider lehnt diese Logik als allzu einfach und allzu linear ab. Professor Moshe Sluhovsky ist einer von ihnen. Er weist darauf hin, dass es lange nach Luther, aber noch weit vor Hitler sehr enge protestantisch-jüdische Beziehungen gab und dass die lutherischen Pietisten den Juden gedanklich nahestanden. Im 19. Jahrhundert einte die textkritische Arbeit an der Bibel Juden und Protestanten. Dass es in der Beziehungsgeschichte auch übelste Konfrontationen gab, so der Professor, relativiere diese Erkenntnis nicht. Zwar sei es richtig, dass die verblüffende Erkenntnis evangelischer Theologen im „Dritten Reich“, Jesus Christus sei ein Arier gewesen, Lutherschem Denken sehr nahe käme., doch sei Luthers Antijudaismus zu seiner Zeit nun einmal nichts Außergewöhnliches gewesen. Exzesse habe es immer gegeben. Luther sei gedanklich nicht nötig, um die Gräuel der Nazis zu erklären. - Wobei wir wieder einmal bei der beliebten und oft gespielten „Kind seiner Zeit“ – Karte wären, die hier sogar von einem gebildeten Akademiker gespielt wird. Jeder Herrscher, jeder auf einem Gebiet Mächtige, ob menschenfreundlich oder despotisch – von Alexander bis Hitler – war ein Kind seiner Zeit. Doch genauso lange schon hat und hatte jeder dieser Verantwortlichen in Staat und Kirche und Gesellschaft allgemein die Möglichkeit, gegen den Strom seiner Zeit zu schwimmen (siehe die Geschwister Scholl, Bonhoeffer, Anton Schmid) statt populär und/oder opportunistisch sich dem Trend zu ergeben. Das gilt auch – wenn auch mit durchaus tödlichen Folgen – für den „gemeinen Mann.“ Niemand, wirklich niemand von ihnen, bis auf den heutigen Tag, kann von seinen Untaten freigesprochen werden, oder sich selbst frei sprechen, nur weil er „ein Kind seiner Zeit“ war. Jedes einzelne Individuum ist Mitgestalter „seiner Zeit.“ Wenn also Sluhovsky allen Ernstes meint, Luther sei gedanklich nicht nötig, um die Gräuel der Nazis zu erklären, dann übersieht er, dass gerade Luther es war, der die Deutschen mit antisemitischem Gedankengut und Genom bis heute unauslöschlich vergiftet hat. Die Pest wurde besiegt. Doch dieser Virus des gesprochenen und geschriebenen Wortes über die „Juden und ihre Lügen“ ist mächtiger als der „schwarze Tod“ es je war.
Für die evangelischen Kirchen im Deutschen Kaiserreich blieb im Umgang mit dem Judentum zunächst Luthers Schrift von 1523 maßgebend („Dass Jesus Christus ein geborener Jude war“). Seine späten Schriften galten als unvereinbar mit Paulus und der reformatorischen Theologie. Zunächst beriefen sich nicht einmal gemäßigte Antisemiten wie der Hofprediger Adolf Stoecker auf Luthers Spätschriften. Maßgeblich für die publizistische Verbreitung des Antisemitismus im Kaiserreich und seine anachronistische Berufung auf Luther wurde der Verleger und Publizist Theodor Fritsch: Der „deutsche Luther“ sei 1543 mit den „schärfsten Waffen“ gegen den „jüdischen Weltfeind“, die „ehrlosen Fremdlinge“, die weltweit kooperierende „Verbrecher-Genossenschaft“, die „Nation der Menschheitsverräter“ vorgegangen. Fritsch erklärte Jesus zum Arier, der den Gott des Alten Testaments besiegt habe. In der Weimarer Republik nimmt der Antisemitismus in den republikfeindlichen Rechtsparteien rasch zu. Völkische Autoren eröffneten in den 1920er Jahren eine öffentliche Debatte um die Stellung des Alten Testaments und Luthers Judenschriften. Der antisemitische Schriftsteller Artur Dinter nennt Jesus Christus 1926 den „größten Antisemiten aller Zeiten“, der kein Jude gewesen sein könne. Er forderte eine „Vollendung der Reformation“ und konsequente „Entjudung“ der „Heilandslehre“ durch ihre Trennung von der „jüdisch-römischen Fälschung“ des Alten Testaments und von Paulus. Dafür sei Luther wegen seiner Bindung an das Alten Testaments keine Autorität mehr. Auch wenn Dirter und seine Deutsche Volkskirche eine Randerscheinung blieben, verbreitete seine aggressive publizistische Tätigkeit doch antisemitisches Gedankengut in weiten Teilen der Bevölkerung.
Das NSDAP-Blatt „Der Stürmer“ vereinnahmt ab 1923 aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus dem Neuen Testament und von christlichen Autoren, darunter auch Luther, für seine antisemitische Hetze. 1928 stellte das Blatt Luthers späte Judentexte als „viel zu wenig bekannt“ dar. Durch persönliche Erlebnisse mit Juden habe er nach dem Kampf gegen Rom die Aufgabe erkannt, die Deutschen von der „jüdischen Pest“ zu befreien. Erinnert sei hier aber noch einmal daran, dass Martin Luther, persönlich nur zwei oder drei jüdische Rabbiner kannte und ansonsten keinen einzigen Juden.
Martin Luther wurde – wie schon weiter oben angemerkt - unter dem Namen „Martinus Luder“ geboren. Er selbst hat später im Alter von 35 Jahren seinen Abstammungsnamen, also seinen Familiennamen, in „Luther“ umgewandelt. Schon im Mittelalter und bis heute hin bezeichnet die Jägersprache jenes tote Tier, das zum Anlocken von Raubtieren verwendet wird, als das „Luder“, dass an einem Luderplatz ausgelegt wird. Als Schindluder wurde früher totes oder krankes Vieh bezeichnet, das zum Abdecker (Schinder) gebracht wurde. Der Leipziger Namensforscher Professor Jürgen Udolph meint, „Luder“ habe vor 500 Jahren noch negativer geklungen als heute – eher wie “liederlich” oder “lotterhaft“. Martin Luther wählte seine Nachnamensform etwa um 1515. Er leitete sie vom Herzog Leuthari II. oder von dem griechischen Wort ‚eleutheros‘ = frei ab, so Udolph, und benutzte vorübergehend die daraus abgeleitete Form Martin Eleutherios (Martin, der Freie). Vermutlich gab Luther nach seinem Aufstieg in die Wittenberger Oberschicht seinem niederdeutschen Namen „Luder“, eine hochdeutsche Form, um das Missverständnis seines Namens (liederlicher Mensch) zu vermeiden. Das „th“ galt in seiner Zeit als „schick“.
Wie dem auch sei: Der historische Martinus Luder, alias Dr. Dr. Martin Luther, war ein grober Mensch. Er liebte das Derbe und Unflätige, was einerseits die deutsche Sprache um unzählige treffliche Ausdrücke bereichert hat. Viele seiner Zeitgenossen lasen – abseits aller theologischen Überzeugung – schon allein wegen seiner Wortwahl aus purem Vergnügen „Luther.“ Doch im Austeilen war der Reformator nicht zu schlagen. Allerdings gab es in Luthers Welt auch keinen Platz für andere Meinungen. Nur er dachte richtig und las Texte richtig. Das bekamen nicht nur Juden und Bauern, sondern auch alle seine Disputanten, unter ihnen Zwingli, zu spüren (Abendmahlsstreit). Luther bestand auf dem katholischen Verständnis des Abendmahles (Kommunion), bei dem Jesus tatsächlich in zwei Gestalten gegenwärtig ist, während .Zwingli die Abendmahlsfeier als eine symbolische Gedächtnishandlung ansah. Luther war hier zu keinem Kompromiss bereit. So spaltete er nicht nur die römische Kirche, sondern auch die reformatorische Bewegung im deutschsprachigen Raum. Doch diese Spaltung(en) – vor allem im evangelischen Raum – haben nie aufgehört und gehen heute in das fast Unermessliche. 2011 bezeichneten sich weltweit 2.300.000.000 Menschen als Christen – aufgeteilt in 42.000 Konfessionen bzw. Denominationen, die sich auf Jesus Christus berufen ("International Bulletin of Missionary Research" mit Sitz im US-Bundesstaat Connecticut). Es ist wie und nach der Spaltung des Atomkerns und der von ihm ausgelösten Kettenreaktion, über die dann aber die Kontrolle verloren wurde.
Epilog
Lügen – Mord – Hass – Verzweiflung
Martin Luthers Geschichte beginnt und endet mit einem Paukenschlag. Martin Luthers Schritt in öffentliche Leben ist jener Tage im Jahre 1505, als er sich gemeinsam mit Hieronymus Butz auf dem Wege von Mansfeld, wo Luthers Vater ein Bergwerkunternehmen führte, nach Erfurt befindet. Luther und Butz studierten dort Jura. Sie gerieten in ein heftiges Gewitter und einer der Blitze trifft den Kommilitonen Hieronymus tödlich. In diesem Moment fleht Luther den Himmel um Verschonung seines Lebens an und verspricht, ins Kloster zugehen, sollte es so kommen. Martin Luder, wie er zu diesem Zeitpunkt noch hieß, rief allerdings nicht zu „Gott“ oder zu „Jesus“, sondern zur Heiligen Anna, die unter anderem auch die Schutzpatronin der Bergwerke und der Bergleute war. Jene Anna war die Mutter der Maria von Nazareth, so zu sagen, Jesu Großmutter. So jedenfalls die offizielle Version des lutherischen Damaskuserlebnisses, die bis heute in den Konfirmandenunterricht tradiert wird.
Die Wahrheit, die Fakten allerdings ist und sind andere. Martin Luder und Hieronymus Butz waren beide in Erfurt dabei, Jura zu studieren. Luther ab dem 20. Mai. Theologische Interessen hatte Luther damals überhaupt nicht. Wenig später schon kam es zu einem heftigen Streit wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Studenten. Luther lud seinen „Freund“ zu einem Spaziergang in die Felder rings um Erfurt ein. Sie stritten und duellierten sich. Was Buntz nicht wusste, war die Tatsache, dass Luther unter seinem Gewand ein langes Messer, das er vorsätzlich mitgenommen hatte, trug und seinen Studienkollegen im Laufe der Auseinandersetzung damit erstach. Martin Luther hatte aufgrund seiner Erziehung einen impulsiven Charakter. Er konnte unkontrolliert handeln und dabei „blind“ gewalttätig werden. Auf Grund geringster Anlässe handelte er spontan, ohne lange zu überlegen.
Beunruhigt über die Folgen dieses Mordes, begab sich Luther zu seinem Protektor und Freund Johannes Braun, um ihn um Rat zu fragen. Dieser empfahl ihm, in ein Kloster einzutreten, um den gerichtlichen Folgen der Affäre zu entgehen. Das tat der Mörder am 17. Juli 1505 (Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt, nach einer feuchtfröhlichen Abschiedsfeier mit seinen Freunden und unter deren völligem Unverständnis). Er kam so in den Genuss des klösterlichen Asylrechtes, das damals von der weltlichen Gerichtsbarkeit anerkannt wurde.
Luthers erste 1517 herausgegebene Abhandlung trägt den Titel "Über die, welche in der Kirche Zuflucht nehmen; sehr brauchbar für weltliche Richter als auch für Leiter einer Kirche und Prälaten von Klöstern“. Sie erschien zunächst anonym, in einer neuen Auflage aber unter Luthers Namen. In dieser Schrift geht es darum, dass jemand gemäß dem Alten Testament nicht schuldig ist, wenn er aus dem Affekt jemand getötet hat, ohne sein Feind zu sein.
Luther ist für seinen Mord nie von einem weltlichen Gericht belangt worden. Vielleicht aber wäre das besser für ihn und die Weltgeschichte nach ihm gewesen. Luther wusste – das brauchte ihm niemand zu erzählen – dass auf ihn der Galgen wartete, oder – falls er einen gnädigen Richter fand und der Mord als Totschlag interpretiert wurde - zumindest das Ausstechen der Augen und/oder das Abschneiden der Nase, der Zunge, der Ohren und die lebenslange Verbannung. Doch da er Buntz vorsätzlich getötet hatte (siehe das mitgenommene lange Messer) und Luther das 4. Buch Moses mit dem Kapitel 35 ab dem Vers 10 kannte, wo zwischen einem ungewollten Totschlag und einem vorsätzlichen Mord unterschieden wird, wäre für ihn der Galgen, also die Todesstrafe, die einzige Gnade gewesen wäre, denn er war – wie gesagt - ein vorsätzlicher Mörder. Dagegen war ein „freiwilliges“ Leben im Kloster doch das Paradies. Doch glücklich war und wurde Luther bis an sein Lebensende nie. Im Gegenteil!
Um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen und zu ersticken, berief sich Luther auf eine These, die auch schon Augustinus vertrat. Es geht um die berühmte Rechtfertigung durch den Glauben allein. Luther dazu: "Man muss auf Christus blicken, damit du, sobald du sehen wirst, dass deine Sünden nachgelassen sind, vor deinen Sünden, dem Tode und der Hölle in Sicherheit sein wirst. Daher wirst du sagen: 'Meine Sünden sind nicht meine, denn sie sind nicht in mir, sie sind in einem anderen, nämlich in Christus, folglich können sie mir nicht schaden.' (Das Ende Luthers von E. C. übers. von Eugen Golla, aus "Societe Augustin Barruel" Nr. 21, Mai 1992)
Augustinus von Hippo (354 bis 430 n. Chr.) meinte, dass Gott durch seine „zuvorkommende und wirksame Gnade“ (gratia praeveniens, gratia operans) uns von der Sünde befreit. Erst danach und auf Grund der Gnade wirkt die Gnade auch mit uns, mit unserem Willen, mit unserer Aktivität zusammen:: nicht wir mit der Gnade, sondern die Gnade mit uns (gratia subsequens, gratia cooperans).
Martin Luther befand sich auf einem gefährlichen Weg. Von Eigenverantwortung, Moral, Ethik, Seelenhygiene, Mitgefühl und dergleichen, ist bei ihm keine Rede. Nur allein von der Gnade Gottes spricht er, die ja keine Gnade mehr sei, wenn man dafür etwas tun, also selbst einbringen müsse. Nach dem Motto: Wenn Gott mir nicht gnädig ist, dann ist das nicht meine Schuld, sondern die seine. Was aber vielmehr stimme, sei diese Tatsache: Das menschliche Gewissen kann nur dann ruhig sein, wenn die „Sünden“, die Untaten, die Morde, seinem Blickfeld entzogen sind. Sie müssen folglich dem Blickfeld so entzogen sein, „dass du weder auf deine Tat, noch dein Leben, noch dein Gewissen, sondern nur auf Christus blickst." (In „Esaiam prophetam" scholia, Kap. 53.). Modern könnte man diese Taktik auch als Derealisierung bezeichnen.
Genau das war das Verhalten der Protestanten einerseits und der Deutschen allgemein andererseits in den Jahren 1932 bis 1945 und den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Die Schuld und die Mitschuld an der Shoa und dem Holocaust waren nur zu ertragen, wenn sie durch eine höhere Instanz gerechtfertigt ist. „Dass du weder auf deine Denunziationen, Erschießung, Vergasung und Experimenten, noch dein ganzes antisemitisches Leben, noch dein Gewissen, sondern nur auf den Reformator und vor allem auf den Führer blickst“ musste deshalb die Maxime und Losung Nazideutschlands lauten. Dazu kam noch die vorherige Entmenschlichung (Ratten, Ungeziefer, Parasiten, Untermenschen) und Entpersonalisierung (Tätowierung der Nummer, Haare abschneiden) der Juden, bevor man sie liquidierte. So Unterschied sich der Mord an ihnen in keiner Weise mehr vom Töten von Tieren. Es wurde geleugnet, verdrängt und eben derealisiert, dem Blickfeld des Gewissens entzogen – bis weit in die 1960er Jahre und teilweise bis ins 21. Jahrhundert, um mit der SCHULD leben zu können.
Haarspalterisch und spitzfindig will der Mensch die Fakten, die eigentlich direkt ins Auge springen und sagen „ich habe gesündigt“, nicht wahrhaben. Dafür ist es erforderlich, den Ball ein Leben lang unter Wasser zu halten, wofür eine Megaanstrengung (maximus labor) erforderlich ist, nämlich das Gegenteil von dem zu behaupten, was man als wahr erkannt hatte. Und so baut sich eine Lüge auf der anderen auf und es kommt zu einer unheilvollen Verstrickung von Fakes, Halbwahrheiten und Postfakten, um frei von jedem Fehler und Irrtum bleiben zu können. Aber das menschliche Gewissen bleibt objektiv gesehen unabänderlich ein und dasselbe, wie auch das Auge, das Kain aus dem Grabe, das er sich selbst grub, anblickte. Dieses in unserer Seele tief verankerte Gewissen ist nichts anderes als die Stimme Gottes, die Stimme der Vernunft, die Stimme des Humanismus. Ganz recht hätten uns die „Zehn Worte“ (Dekalog) des alten Testaments genügt. Komprimierter kann es im menschlichen Gewissen nicht gespeichert sein, es sei denn, man fasst die „Zehn Gebote“ in dem einen Satz zusammen: „Liebe dich selbst, und dann gehe mit deinem Nächsten so um, wie du es mit dir selbst tust.“ (Jesus von Nazareth)
"Wenn er konzentriert an Gottes Zorn dachte oder an Beispiele des göttlichen Strafgerichtes, wurde er plötzlich von einem solchen Schrecken ergriffen, dass er beinahe sein Bewusstsein verlor. Ich selbst sah ihn anlässlich der Teilnahme an einer Gelehrten-Disputation - bestürzt über deren Ausgang - wie er sich auf ein Bett im benachbarten Zimmer hinstreckte, wobei er unter Stöhnen folgenden Spruch ausstieß, den er oft wiederholte: Gott schloss alle Menschen in die Sünde ein, um sich ihrer zu erbarmen." (Das Ende Luthers von E. C. übers. von Eugen Golla (aus "Societe Augustin Barruel" Nr. 21, Mai 1992)
Dies berichtet Melanchthon über Martin Luther, dessen Wegbegleiter er war. Ist das die „Freiheit des Christenmenschen“, die der Reformator ständig vor sich hertrug? Mitnichten. Weder ist der homo sapiens sapiens in der Sünde eingeschlossen, noch ein Gefangener ihrer selbst! Vielmehr ist er im Besitz jener Freiheit, die die Versuchung von sich weisen kann!
Luther trieb es auf die Spitze. 1531 erschien sein Kommentar zum Galaterbrief, in dem sich Paulus mit dem mosaischen Gesetz beschäftigt. Luther schreibt: „Es war ganz und gar - ohne jede Einschränkung - von der Art, dass es den Gläubigen weder anklagen noch quälen kann, eine Lehre von höchster Wichtigkeit, die von den Dächern verkündet werden müsste, bringt sie doch gewissen Trost, vor allem in den Stunden, wo uns das Entsetzen packt. Ich sagte es oft und wiederhole es nochmals, denn man kann niemals genug sagen: der Christ, welcher durch den Glauben die Wohltat Christi ergreift, steht über allen Gesetzen, er ist frei von allen Verpflichtungen anstelle des Gesetzes. (...) Wenn Thomas [der hl. Thomas von Aquin] und die anderen Theologen der Schulen vom Gesetze Mosis sprechen, sagen sie, dass damit gerichtliche und zeremonielle Gesetze der Juden gemeint sind, die aufgehoben wurden, aber dass dies nicht für die Moralgesetze gilt [das sind die „Zehn Gebote“ der Dekalog]. Sie wissen nicht, was sie sagen." (zitiert bei Das Ende Luthers von E. C. übers. von Eugen Golla (aus "Societe Augustin Barruel" Nr. 21, Mai 1992)
Luther also propagiert die Befreiung von den Gesetzen der Moral und der Ethik und lehnt somit die von Gott und Vernunft in unsere Natur eingeschriebene natürliche Wertordnung ab. Luther versucht, den Kreis zu quadrieren, in dem er sich von den unvernünftigen und zügellosen Leidenschaften mitreißen lässt (er selbst spricht ja von dem „fröhlichen Sünder“), und zugleich die Vorwürfe des Gewissens mit Lügen und Sophismen in sich zu ersticken. So muss es irgendwann zur endgültigen Verzweiflung kommen. Luther selbst beschrieb sich und seine Gemütslage vor dem Eintritt ins Kloster selbst, als sei er „damals immer traurig einhergegangen.“ Die tentatio tristitiae, die „Versuchung der Traurigkeit“,(Depression), sei allgegenwärtig gewesen. Als Gründe führt Luther die Angst um seine Sünden; die Furcht vor dem Jüngsten Gericht an.
„Eines Tages, einige Zeit vor seinem Tode, saß Luther an einem schönen Sommerabend auf einer einsamen Bank hinten in seinem Garten in Wittenberg. Seine Frau, Katharina Bora, kam zu ihm. Er war in eine traurige Stille versunken. Seine Gedanken waren zum Himmel gerichtet. Plötzlich schrie er auf: "O schöner Himmel, niemals werde ich dich sehen!" Die unglückliche Katharina Bora, erschreckt von dem, was sie gerade gehört hatte, stand auf und näherte sich ihm: "Wenn wir nun später dorthin zurückkehren?" - "Nein", erwiderte Luther, "unnötig daran zu denken!" - "Weshalb denn?" - "Weil das Fleisch zu tief in den Schmutz trat." Um dem Anblick des Himmels zu entgehen, der seiner Seele so viele Gewissenspein zufügte, erhob sich der Unglückliche und schloss sich in seiner Wohnung ein. Es war quälender Wahnsinn, der ihn nicht mehr verließ. Die Verzweiflung nagte an seinem Herzen. Ed. Drumond schrieb: "Der Unglückliche wollte manchmal seine Zuflucht zum Gebet nehmen, aber er war dazu nicht imstande. Sogar sein Gebet war ein Aufschrei des Hasses: 'Ich bin nicht imstande zu beten, ohne zu fluchen, und wenn ich sage: Geheiligt sein dein Name, wiederhole ich: verflucht, verurteilt sei der Name Papist. Sage ich: Dein Reich komme, wiederhole ich: verflucht, verurteilt, vernichtet sei das Papsttum! Sage ich: Dein Wille geschehe, wiederhole ich: verflucht, verurteilt seien die Absichten der Papisten! Das ist mein Gebet'". Das Leben des Apostaten (Abtrünniger, besonders jemand, der sich vom christlichen Glauben lossagt) wurde wahrhaft zur Hölle. Er fürchtete den Tod so sehr wie er ihn auch in seinen Wünschen herbeirief. "Die Welt hat mich satt und ich bin es ihrer" verkündete er. "Die Trennung wird bald erfolgt sein. Ach, wäre ich ein Türke hier, um mich zu töten ..." (Das Ende Luthers von E. C. übers. von Eugen Golla (aus "Societe Augustin Barruel" Nr. 21, Mai 1992)
Martin Luther starb am 18. Februar 1546 in Eisleben, wohin er vier Wochen zuvor, am 17. Januar gereist war, um einen Streit in der Grafenfamilie auf Schloss Mansfeld zu schlichten. Die Verhandlungen waren erfolgreich.
Hier der Bericht von Luthers Dieners Rudtfeld über seinen Tod, veröffentlicht vom Gelehrten Sedulius 1606: "Martin Luther ließ sich von seiner gewohnten Unmäßigkeit überwältigen und trank derart im Übermaß, daß wir gezwungen waren, in vollständig betrunken wegzutragen und in sein Bett zu legen. (...) Tags darauf begaben wir uns wieder zu unserem Meister, um ihm, wie gewohnt, beim Ankleiden behilflich zu sein. Wir sahen nun - O Schmerz - unseren (wie man ihn nannte) Meister Martin an seinem Bett aufgehängt und elend erstickt. Wir meldeten den Fürsten, seinen Tischgenossen vom Tage vorher, Luthers abscheuliches Ende. Vom Grauen erfasst wie wir, veranlassten uns diese unter tausend Versprechungen und feierlichsten Schwüren, vor allem über dieses Ereignis für ewig tiefstes Stillschweigen zu bewahren, damit nichts unter die Leute gebracht werde. Sie verlangten von uns, den Strick vom schrecklichen Leichnam Luthers zu entfernen, ihn auf sein Bett zu legen und unter dem Volke zu verbreiten, dass mein Meister plötzlich aus dem Leben geschieden sei." Der herbeigerufene Doktor Coster stellte fest, dass der Mund krampfhaft verzerrt sei, das Antlitz schwarz, der Hals rot und entstellt, wie erdrosselt. Man kann diese Diagnose nachprüfen auf einem Kupferstich, der am Tage nach dem Tode von Lukas Fortnagel (Furtnagel musste zwei Bilder anfertigen, weil das erste nicht „zufriedenstellend“ war) angefertigt wurde.“ (veröffentlicht von Jaques Maritain in seinem Werk "Trois reformateurs" auf S. 49).
Die These vom Selbstmord Luthers ist umstritten Die Möglichkeit, der Reformator habe Selbstmord begangen, verbreitete zuerst Thomas Bozius 20 Jahre später. Auch wenn man von der Annahme ausgeht, Luther sei eines natürlichen Todes gestorben, so ist die Verstrickung Luthers in Schuld und Verzweiflung doch erwiesen. Zum anderen wird deutlich, dass bestimmte Grundirrtümer Luthers sehr eng mit herausragenden Ereignissen in seinem Leben verknüpft sind. (Vgl. dazu auch Grisar: "Luther" 3 Bde., 31924/25.)
ZEITTAFEL I
(Quelle: https://www.historicum.net/themen/juedische-geschichte/zeitleiste/)
Zeitleiste der Judenverfolgung
1492 | Vertreibung der Juden aus Spanien, Zerstreuung in die Mittelmeerländer sowie die (spanischen) Niederlande |
1495 | Ausweisung der Krakauer Juden und Niederlassung im benachbarten Kasimierz |
1495 | Vertreibung der Juden aus dem Großfürstentum Litauen |
1496 | Vertreibung der Juden aus Württemberg und Salzburg |
1497 | Vertreibung der Juden aus Portugal |
1499 | Vertreibung der Juden aus Ulm und Nürnberg |
1503 | Erneute Niederlassung von Juden im Großfürstentum Litauen |
1509 | Johannes Pfefferkorn, ein zum Christentum konvertierter Jude, erlangt von Kaiser Maximilian I. ein Mandat, wonach alle jüdischen Bücher an Pfefferkorn zur Prüfung auszuliefern seien |
1509 | Josel ben Gerschom von Rosheim wird im Bereich der Unterlandvogtei Elsass durch die Gemeinden mit der Verwaltung und Vertretung jüdischer Angelegenheiten betraut |
1510 | Vertreibung der Juden aus Brandenburg |
1512 | Gründung einer hebräischen Druckerei in Prag |
1516 1517 | Gründung des Ghettos in Venedig Luthers Thesen |
1519 | Vertreibung der Juden aus der freien Reichsstadt Regensburg, letzte dauerhafte Vertreibung einer bedeutenden Stadtgemeinde im Reich |
1525 | Vertreibung der Juden aus dem Herzogtum Kleve |
1526 | Josef Caro, Sohn von 1492 aus Spanien vertriebenen Juden, macht sich in Safed in Palästina ansässig und begründet damit eines der wichtigsten Zentren jüdischen Denkens seiner Zeit |
1528 | Im Marktflecken Fürth wird Juden die Wiederansiedlung gewährt, es entsteht die seit dem 17. Jh. dominierende Großgemeinde in der Region Franken |
1530 | Disputation auf dem Augsburger Reichstag zwischen Josel von Rosheim und dem Konvertiten Antonius Margaritha, bei der Josel die antijüdischen Anschuldigungen Margarithas widerlegen konnte und dieser aus Augsburg ausgewiesen wurde |
1530 | Gescheiterter Versuch Josels von Rosheim, auf dem Augsburger Reichstag eine von jüdischer Seite erarbeitete Judenordnung verabschieden zu lassen |
1536 | Ausweisung der Juden und Verbot von Aufenthalt und Durchzug im Kurfürsten- und Herzogtum Sachsen (die damaligen wettinisch-ernestinischen Territorien in Thüringen), damit faktisch Sperrung des wichtigen Königsweges (Frankfurt a.M. - Erfurt - Leipzig - Osteuropa) für jüdische Händler |
1539 | Erlass der ersten Judenordnung in der Landgrafschaft Hessen; erneute Gestattung von Durchzug und Geleit durch das Kurfürstentum Sachsen auf Betreiben Josels von Rosheim |
1542 | Vertreibung der Juden aus Böhmen |
1543 | Veröffentlichung von drei judenfeindlichen Schriften Martin Luthers |
1543 | Aufhebung von Durchzug und Geleit für Juden im Kurfürstentum Sachsen |
1543 | Zulassung von Juden in der Mark Brandenburg |
1543 | Vertreibung der Prager Juden |
1544 | Speyrer Judenprivileg von Kaiser Karl V., worin den Juden umfassende Freiheiten und Sicherheiten gewährt werden |
1545 | Wiederzulassung von Juden in Prag |
1546 | Vertreibung der mittelalterlichen Gemeinde Braunschweigs als Maßnahme lutherischer Judenpolitik Luthers (Frei?) Tod |
1548 | Bestätigung des Speyrer Privilegs von 1544 durch Kaiser Karl V. |
1549 | Unter König Sigmund II. August von Polen wird eine Kopfsteuer für die Juden in Polen und Litauen eingeführt |
1553 | Verbrennung jüdischer Bücher in Rom auf Veranlassung von Papst Julius III. |
1554 | Josel von Rosheim gestorben |
1558 | Versuchte Vertreibung der Wormser Juden |
1559 | Erneute Vertreibung der Prager Juden |
1562 | Wiederzulassung von Juden in Prag |
1562 | Ermordung des Friedberger Rabbiners Elasar Lipmann Mise'a durch den Christen Kunz Feisel, der auf Befehl von Kaiser Maximilian II. im selben Jahr vor dem Eingang in die Friedberger Judengasse enthauptet wird |
1564/65 | Erstveröffentlichung des "Schulchan Aruch", Sammlung und Beschreibung religiöser Vorschriften und Gebräuche |
1565 | Erneute Ansiedlung von Juden im französisch besetzten Metz, im Weiteren entsteht eine der bedeutendsten europäischen Gemeinden |
1566 | Wörtliche Bestätigung des Speyrer Privilegs durch Kaiser Maximilian II. |
1571 | Vertreibung der Juden aus Berlin |
1579 | Erstveröffentlichung der aschkenasischen Kommentare und Anpassungen des Schulchan Aruch, "HaMappa", von Moses Isserles aus Krakau |
1585 | Ausweisung von 19.000 Kaufleuten aus Antwerpen, unter ihnen eine Reihe von "maranos", zwangskonvertierten Juden aus Spanien und Portugal, von denen sich viele in Amsterdam ansiedelten und so den Ausgangspunkt für die bedeutende sefardische Gemeinde bildeten |
1590/91 | Vertreibung der Juden aus dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg und dem Fürstbistum Halberstadt |
1592 | 1. Kurkölnische Judenordnung |
1601 | Wiederaufnahme der 1595 vertriebenen Juden in Hildesheim, eine der bedeutenden Gemeinden Norddeutschlands entsteht |
1603 | Versammlung von Vertretern jüdischer Gemeinden aus dem Reich in Frankfurt a.M., wurde später den Juden als "Hochverrat" angelastet und führte zu Untersuchungen der Interna jüdischer Organisation durch kaiserliche Kommissionen |
1603 | Einrichtung einer Judengasse in Hanau |
1603 ca. | Gründung der ersten sefardischen Gemeinde "Beit Ja'akov" in Amsterdam |
1606 | Der Bischof von Halberstadt lässt wieder Juden in der Stadt zu, die Gemeinde gewinnt zentrale Bedeutung für den norddeutschen Raum |
1612 | Der Hamburger Senat schließt einen "Contract" zur offiziellen Niederlassung in Hamburg mit den zum Judentum zurückgekehrten sefardischen Juden (Portugiesen); allgemeines Privileg für die aschkenasischen Juden in Altona |
1614 | Frankfurter Fettmilch-Aufstand und zeitweilige Vertreibung der Juden aus der Stadt |
1615 | Zeitweilige Vertreibung der Wormser Juden |
1616 | Wiedereinführung der Wormser Juden in die Stadt durch Kurfürst Friedrich von der Pfalz |
1616 | Feierliche Wiedereinführung der Frankfurter Juden in die Stadt durch Kaiser Matthias |
1617 | Frankfurter Judentätigkeit (städtische Judenordnung) |
1617 | Auflösung der jüdischen Gemeinde Günzburg durch die vorderösterreichische Regierung |
1619 | Die Regierungen der Provinzen Holland und Friesland erlauben den Städten, ihre jeweils eigene Politik gegenüber den Juden zu betreiben, die übrigen niederländischen Provinzen schließen sich dem bald an |
1622 | Jacob Bassevi (von Treuenburg) errichtet mit Wallenstein und dem Prinzen von Lichtenstein ein Konsortium zur Pacht der böhmischen Münze und wird in diesem Zusammenhang als erster Jude außerhalb Italiens geadelt |
1624 | Kaiser Ferdinand II. verweist die Wiener Juden in ein Ghetto |
1624 | Bann gegen den sefardisch-jüdischen Religionsphilosophen Uriel da Costa |
1626 | Menasse ben Israel gründet in Amsterdam eine hebräische Druckerei, in der in den darauf folgenden 30 Jahren ca. 80 Titel gedruckt werden; diese Druckerei setzt den Anfangspunkt für die hebräische Buchproduktion in Amsterdam, die bald für ganz Europa höchste Bedeutung erlangen sollte |
1635 | Gründung einer aschkenasischen Gemeinde in Amsterdam |
1639 | Vereinigung der vier sefardischen Gemeinden Amsterdams |
1648/49 | "Chmelnicki-Aufstand" in Polen: dabei massive Pogrome an Juden durch die aufständischen Kosaken unter Bogdan Chmelnicki |
1649 | Vertreibung der aschkenasischen ("hochdeutschen") Juden aus Hamburg, die bis dahin inoffiziell dort gelebt hatten |
1655/56 | Auf Betreiben Menasse ben Israels wird in England Juden wieder die Niederlassung gestattet |
1660 | Großzügige Konzession des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, um jüdische Einwohner für Mannheim zu gewinnen, Grundlage einer großen und blühenden Gemeinde im 18. Jh. |
1665/66 | Messianische Bewegung um Sabbatai Zwi und Nathan von Gasa, die neben dem nahöstlichen Raum auch in zahlreichen jüdischen Gemeinden in Europa Anhänger fand |
1670/71 | Ausweisung der Juden aus Wien |
1670 | Erstveröffentlichung des "Tractatus theologico-politicus" des jüdischen Philosophen Baruch Spinoza in Amsterdam |
1671 | Aufnahme von 50 wohlhabenden jüdischen Exilantenfamilien aus Wien in Berlin unter günstigen ökonomischen Bedingungen, Neugründung der dortigen jüdischen Gemeinde |
1675 | Beginn des Erscheinens der ersten jüdischen Zeitung Gazeta de Amsterdam |
1675 ca. | Erneute Zulassung ausschließlich von Hofjuden und ihrem Anhang in Wien, Verbot der Gemeindegründung |
1678 | An der Universität Frankfurt/Oder wird das Medizinstudium für Juden zugelassen |
1680 | erste öffentliche Synagoge in Altona |
1699 | Pogrom im Hochstift Bamberg |
1700 | Durch konzertierte politische Interessenvertretung gelingt es einigen Hofjuden, den Druck des judenfeindlichen Buches "Entdecktes Judenthum" von Johann Andreas Eisenmenger vorläufig zu verhindern |
1704 | Religionsgespräch am Hof zu Hannover, der jüdischen Seite wird attestiert, mit ihren Argumenten nicht unterlegen zu sein |
1707 | Der Arzt Tobias Cohen veröffentlicht in Venedig seine frühaufklärerische hebräische Enzyklopädie "Ma'aseh Tuviyyah" |
1710 | Legalisierung des Aufenthalts der aschkenasischen Juden in Hamburg durch eine Judenordnung; die Dreigemeinde Altona-Hamburg-Wandsbek zählt zu den bedeutendsten jüdischen Gemeinden im Reich |
1712 -14 | Bau der ersten öffentlichen Synagoge in Berlin (Heidereutergasse) |
1730 | Eröffnung der ersten öffentlichen Synagoge in New York |
1730 | erstes Preußisches Generalprivileg mit erheblichen Einschränkungen, 1737 infolgedessen Ausweisung von knapp 400 Juden/jüdischen Familien |
1738 | Hinrichtung des Hofjuden Josef Süß Oppenheimer mit großem publizistischen Nachhall; 1739 Ausweisung der Juden aus Württemberg |
1744/45 | Ausweisungsverfügung gegen die Juden in Prag, Böhmen und Mähren; Vertreibung der Prager Juden, die böhmischen und mährischen können dank der erfolgreichen diplomatischen Intervention der einflussreichsten Juden Mitteleuropas bleiben |
1750 | "Revidiertes General-Privilegium und Reglement" für die Juden im Königreich Preußen mit Einteilung in sechs Klassen und Solidarhaftung |
1750 - 53 | Auseinandersetzung zwischen den Rabbinern Jakob Emden und Jonathan Eibeschütz wegen der angeblichen Zugehörigkeit des letzteren zur Sekte des "Messias" Sabbatai Zwi |
1755 ca. | Sekte des Jakob Frank (Frankisten) mit gewissen Parallelen zum Sabbatianismus in Polen |
1760 | Israel ben Elieser, Ba'al Schem Tow (abgek. BeSchT), Begründer des osteuropäischen Chassidismus, gestorben |
1767 | Erstveröffentlichung des "Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele" von Moses Mendelssohn |
1778 | Gründung der Freischule in Berlin, der ersten modernen jüdischen Schule |
1780 | Abschaffung des Leibzolls in Preußen |
1781 | Beginn des Erscheinens der deutschen Bibelübersetzung von Moses Mendelssohn |
1781 | Veröffentlichung der Schrift des preußischen Kriegsrates Christian Wilhelm von Dohm "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden" |
1782 | Toleranzpatent des Kaisers Joseph II. für die Juden der habsburgischen Erblande |
1786 | Tod Moses Mendelssohns |
1788 | erste öffentliche Synagoge in Hamburg |
1791 | Die französische Nationalversammlung beschließt die volle bürgerliche Gleichstellung der französischen Juden |
1791 | Naturalisationspatent für Daniel Itzig und seine Nachkommen in Berlin |
1798 ff. | Wiederzulassung von Juden und Gemeindeneugründungen in einigen Reichs- und Bischofsstädten (z.B. Köln, Augsburg, Würzburg) |
1808 | Uneingeschränkte bürgerliche und staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden im Königreich Westfalen, Errichtung des Jüdischen Konsistoriums in Kassel (bis 1813) |
1812 | Preußisches Emanzipationsedikt |
ZEITTAFEL II.
(Quelle: https://www.rechtskarten.de/zeiten/1500-1600/)
Martin Luthers Jahrhundert
1495 Reichstag zu Worms: Reform der Reichsverfassung: »Ewiger Landfrieden« durch Kaiser Maximilian I.; Schaffung eines ständig tagenden »Reichskammergerichts« als von der Person des Kaisers unabhängige Einrichtung für die Rechtsprechung
Aufkommen des Humanismus in Deutschland; in Italien Diskussion um Verhältnis der Wissenschaften zueinander. Forderung nach Erziehung zum verantwortungsbewussten Staatsbürger
1500 über tausend Buchdruckereien in Europa mit über 35000 Druckerzeugnissen
1503 Kopernikus erlangt den Doktorgrad der Rechtswissenschaften und der Theologie in Ferrara
1510 Hamburg Freie Reichsstadt
1510 Banken- und Unternehmenskonsortium der Fugger
1512 Reichstag zu Köln. Einteilung des Reiches in 10 Reichskreise (Österreichischer, Burgundischer, Kurrheinischer, Fränkischer, Bayerischer, Schwäbischer, Oberrheinischer, Obersächsischer, Niederrheinisch-Westfälischer und Niedersächsischer Kreis), denen bestimmte Aufgaben übertragen werden: u.a. Wahrung des Landfriedens, Verteidigung nach außen
1516 Thomas Morus: »De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia« (Über die beste Staatsform und über die neue Insel Utopia)
1522 Beginn der weltlichen Armenpflege in deutschen Städten
1523 Luther : Von weltlicher Obrigkeit
1525 Hochmeister Albrecht (1490 – 1568) verwandelt den preussischen Ordensstaat in eine weltliche Herzogtum unter polnischer Lehnshoheit
1530 Erste Reichspolizeiordnung
1537 Jülicher Landfrieden
1548 Karls V. Landfrieden. Zweite Reichspolizeiordnung. Reichsexekutionsordnung
1551 Collegium Romanum als päpstliche Universität in Rom
1559 Reichshofratsordnung und Reichsmünzordnung: Durchführung wird den Reichskreisen übertragen; förmliche Anerkennung der bestehenden Silberwährung
1566 Endgültige Legitimierung des Reichstalers, Trennung Deutschlands in ein Taler- (Nord- und Ostdeutschland) und in ein Guldengebiet (Süd- und Westdeutschland) (Augsburger Münzordnung)
1587 Erste öffentliche Girobank (Banca di Rialto) in Venedig
1595 Amsterdam: Gründung des Zuchthauses
1597 Das Postwesen wird kaiserliches Regal; Leonhard von Taxis wird Generalpostmeister
1598 Edikt von Nantes sichert Rechte der Protestanten: Kultfreiheit, Zulassung zu allen Würden und Ämtern, Konfessionell gemischte Kammern in den Parlamenten für Streitsachen zwischen Katholiken und Protestanten
ZEITTAFEL III.
(Quelle: https://www.coingallery.de/KarlV/_Zeittafel.htm)
Martin Luthers politischer, religiöser und gesellschaftlicher Kontext
1477 Karl der Kühne stirbt in der Schlacht von Nancy. Seine Erbtochter Maria von Burgund heiratet Maximilian, den späteren Kaiser
1479 Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón vereinigen Kastilien und Aragón.
1483 Geburt Martin Luthers (Martin Luder) in Eisleben
1486 Maximilian wird in Frankfurt zum römischen König gewählt und in Aachen gekrönt.
1492 Christoph Kolumbus entdeckt Amerika. Granada, das letzte maurische Gebiet in Spanien, wird eingenommen.
1500 Geburt Karl V. in Gent. Seine Eltern sind Philipp der Schöne von Burgund und Johanna von Kastilien.
1502 Friedrich der Weise gründet die Universität Wittenberg.
1509 Beginn der Regierungszeit von Heinrich VIII., König von England.
1515 Karl V. wird im Ständesaal des Hofes zu Brüssel für volljährig erklärt.
Im Stephansdom zu Wien wird die 1506 vereinbarte Doppelehe Habsburg-Ungarn gefeiert, wobei Maximilian für einen seiner abwesenden Enkel auftritt.
1517 Karl reist auf dem Schiff "Plus oultre" aus den Niederlanden nach Spanien und tritt 17-jährig die Herrschaft Spaniens als König Carlos I an.
1518 Philipp der Großmütige, Landgraf von Hessen wird einer der ersten protestantischen Fürsten.
1519 Karl V. Großvater, Kaiser Maximilian I., stirbt.
Kaiserwahl. Karl wird gegen Franz I. in Frankfurt zum Kaiser gewählt und akzeptiert die von Kurfürst Friedrich dem Weisen entworfene "Wahlkapitulation".
Hernán Cortés erobert das Aztekenreich im Mexico.
Magellan beginnt die erste Weltumsegelung. Auf halben Weg benennt er die Philippinen nach Karl V. Vater. Elcano gelingt die Vollendung der Weltumsegelung.
1520 Süleyman II., der Prächtige, wird Sultan des Osmanischen Reiches.
1520 Bannandrohungsbulle von Papst Leo X. gegen Martin Luther, dessen gedruckte Schriften sich rasant verbreiten.
Karl V. wird in Aachen zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt.
1521 Papst Leo X. vollzieht mit einer Bannbulle die Exkommunikation Luthers, nachdem dieser sein Exemplar der Bannandrohungsbulle öffentlich verbrannt hatte.
Reichstag in Worms. Luther tritt vor Karl V. Im Wormser Edikt verfügt Karl die Ächtung Luthers und verbietet die Verbreitung seiner Schriften. Luther wird trotz päpstlicher Bannbulle freies Geleit gewährt.
Die Türken unter Süleyman erobern Belgrad.
Die Osmanen vertreiben den Johanniterorden aus Rhodos.
1524 Beginn der dreijährigen Bauernkriege in Deutschland.
1525 Niederschlagung der thüringischen Bauern in der Schlacht von Frankenhausen und Tod Thomas Münzers.
Karl V. heiratet seine Cousine Isabella von Portugal in Sevilla, ihr Sohn Philipp wird 1527 geboren.
1527 Karl V. Truppen plündert Rom (Sacco di Roma). Papst Clemens VII. bleibt 7 Monate in der Engelsburg eingeschlossen.
1529 2. Reichstag in Speyer. Der Versuch, das Wormser Edikt von 1521 durchzusetzen, löst den Protest von Luthers Anhängern aus; seither werden sie "Protestanten" genannt.
Erste Belagerung Wiens der Türken unter Süleyman mit 250000 Kriegern. Die Türken ziehen sich jedoch wegen Regen, Kälte und Hunger zurück.
1530 Kaiserkrönung Karl V.
Reichstag in Augsburg. Melanchthon vertritt die "Confessio Augustana", das Bekenntnis der Protestanten. Karl V. unterschreibt die katholische Widerlegung "Confutatio".
1531 Karl V. lässt Sohn Ferdinand I. in Köln zum römisch-deutschen König wählen und in Aachen krönen.
Protestantische Fürsten und Städte gründen den Schmalkaldischen Bund zur Verteidigung ihres Glaubens.
1531 Francisco Pizarro erobert das Inkareich in Peru.
1532 Reichstag in Regensburg. Die Religionsfrage wird erneut bis zu einem Konzil vertagt. Im "Nürnberger Religionsfrieden" erhalten die Lutheraner Duldung und Nießnutz der eingezogenen Kirchengüter, solange sie Unterstützung gegen die Türken leisten.
Karl V. und Ferdinand I. ziehen nach Wien; Suleyman zieht sich wieder zurück, so dass es zu keiner Entscheidungsschlacht kommt.
Der englische König Heinrich VIII. lässt sich von Karl V. Tante Katharina von Aragón scheiden, um die schwangere Hofdame Boleyn zu heiraten. Das führt 1539 zur Exkommunikation des englischen Königs. (Anglikanische Kirche)
Ferdinand schließt einen Waffenstillstand mit den Türken.
1534 Wiedertäufer in Münster.
Erasmus von Rotterdam stirbt in Basel.
1539 Karl V. Ehefrau Isabella stirbt 36-jährig nach der 7. Schwangerschaft. Eine Wiederverheiratung lehnt Karl strikt ab.
1541 Erzbischof Albrecht von Mainz gewährt Magdeburg und Halberstadt "Religionsfreiheit" gegen 500.000 Gulden
Süleyman besetzt große Teile Ungarns.
1542 Ein protestantisches Bündnis vertreibt den Braunschweiger Herzog Heinrich d. J. aus seinem Land und nimmt ihn 1545 gefangen.
1543 Publikation des heliozentrischen Weltbildes des Nikolaus Kopernikus (1473-1543).
1543 Luther veröffentlicht seine schlimmsten antijüdischen Schriften
1546 Martin Luther stirbt in Eisleben.
Die Fugger erreichen mit 5 Millionen Gulden ihr höchstes Gesellschaftsvermögen.
1547 Tod Heinrichs VIII. von England. Ihm folgt Eduard VI. (1547-1553)
1547 Geharnischter Reichstag zu Augsburg. Karl V. verordnet für die Protestanten das "Augsburger Interim" an (katholische Lehre in milderer Form).
1551 Die Fürstenverschwörung gegen Karl V. wird von Kurfürst Moritz von Sachsen angeführt.
1552 Waffenstillstand mit den Osmanen in Ungarn gegen ein Tribut von 30000 Dukaten jährlich.
1553 Maria Tudor, die katholische Königin von England.
1554 Karl erhebt seinen Sohn Philipp zum König von Neapel und Sizilien.
Karl V. Sohn Philipp und Maria Tudor heiraten in Winchester.
1555 Reichstag zu Augsburg. König Ferdinand und die Reichsfürsten handeln den Augsburger Religionsfriede aus: Das Augsburger Bekenntnis der Lutheraner von 1530 wird anerkannt. Der Landesherr bestimmt die Konfession seiner Landsleute. Geistliche Reichsstände müssen katholisch bleiben.
1558 Die Kurfürsten proklamieren König Ferdinand, Bruder Karl V., in Frankfurt zum Römischen Kaiser.
Karl V. stirbt.
Stimmen zu Martin Luther
„Luther, der bei der ZDF-Show Unsere Besten hinter Adenauer auf den zweiten Platz der bedeutendsten Deutschen gewählt wurde, ist ein Mythos. Vieles von dem, was man über ihn zu wissen glaubt, ist falsch: Die 95 Thesen hat er wohl nie an die Schlosskirchentür in Wittenberg geschlagen. Dafür, dass er Kaiser Karl V. ein trotziges "Hier stehe ich, ich kann nicht anders!" entgegenschleuderte, gibt es keinen Beweis. Und seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche war mitnichten die erste (allein hat er sie schon gar nicht gestemmt) – vorher gab es bereits 18 gedruckte Übersetzungen. Selbst das Lutherzitat schlechthin: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen" ist die Erfindung eines hessischen Pfarrers aus dem Kriegsjahr 1944. ‚Es ist nicht leicht, den realen Luther unter dem Schutt der Überlieferung zu finden’, sagt Stefan Rhein, Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten. [Archäologisches] Graben ist da ein passabler Weg.“ (Karl Michel in Die ZEIT, 8.12. 2012)
„Der Historiker Michael Fessner entlarvte durch Archivstudien die in vielen Biografien auftauchende Geschichte von Luthers Vater Hans als sich hoch schuftendem Berghauer. Hans Luder (erst Martin wird sich mit "th" schreiben) war Sohn einer begüterten Bauernfamilie im thüringischen Möhra, die schon im Bergbau tätig war. Er heiratete die Tochter einer reichen Eisenacher Patrizierfamilie: Margarete Lindemann. Die beiden zogen nach Eisleben, dann nach Mansfeld. Dort wurde Hans Luder Hüttenmeister und betrieb fünf Schmelzhütten, Kupferminen inklusive. Ein einfacher Hauer hätte mit seinem Jahreseinkommen von 30 Gulden noch so viel schuften können: Die jährliche Pachtsumme von 500 Gulden hätte er sich nie leisten können. Als ‚Vierherr’ war Vater Luder eine Art städtischer Ratsherr, als ‚Schauherr’ diente er den Mansfelder Grafen und kontrollierte die anderen Hüttenmeister, ob sie ihre Abgaben zahlten. Daneben investierte er in die Landwirtschaft und betrieb Geldverleih. Wie konnte Martin Luther also nur behaupten: ‚Ich bin der Sohn eines Bauern. Meine Vorfahren sind rechte Bauern gewesen. Danach ist mein Vater nach Mansfeld gezogen und dort ein Berghauer geworden’? Warum predigte er Wasser, obwohl man Wein getrunken hat zu Hause? ‚Man hat in der Forschung nie wirklich auf die Familienverhältnisse geschaut’, sagt Stefan Rhein, Leiter der Luthergedenkstätten. Jetzt erst denkt man stärker darüber nach, wie Luther wurde, was er war. Denn Luther als Unternehmerspross – da erscheint einiges in neuem Licht, findet Archäologe Schlenker. Etwa seine Haltung im Bauernkrieg, als er die Fürsten aufrief, mit aller Härte gegen die "räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" vorzugehen, sie ‚wie die tollen Hunde’ zu erschlagen. Das erklärt sich leichter, wenn Luther kein Bauernsohn war. (Karl Michel in Die ZEIT, 8.12. 2012)
„Er (Luther) machte Karriere, wurde Universitätsprofessor und Distriktsvikar. Als Reformator legte er sich mit dem Papst an, heiratete eine Adlige und empfing reihenweise Fürsten zu Besuch. Manche der Geschenke, die diese ihm brachten, fanden die Archäologen bei der Sanierung des Wittenberger Lutherhauses…Kostbares venezianisches Glas fand sich, Fayencen aus der Türkei, Kacheln eines Prunkofens, aber auch viele Gelehrtenutensilien. .. Als Distriktsvikar verwaltete er schließlich elf Klöster, war Universitätslehrer und Prediger an der Schlosskirche. Auch hier klaffen Realität und Rezeption auseinander. Luther ist eher ein Manager gewesen als der einsame Mönch, der sich selbst geißelnd in der Klosterzelle um einen gnädigen Gott sorgte“. (Karl Michel in Die ZEIT, 8.12. 2012)
„Und der Teufel, Luthers Teufel, Faustens Teufel, will mir als eine sehr deutsche Figur erscheinen, das Bündnis mit ihm, die Teufelsverschreibung, um unter Drangabe des Seelenheils für eine Frist alle Schätze und Macht der Welt zu gewinnen, als etwas dem deutschen Wesen eigentümlich Naheliegendes.“ (Thomas Mann)
„Luthers antipolitische Devotheit, dies Produkt musikalisch-deutscher Innerlichkeit und Unweltlichkeit, hat nicht nur für die Jahrhunderte die unterwürfige Haltung der Deutschen vor den Fürsten und aller staatlichen Obrigkeit geprägt; sie hat nicht nur den deutschen Dualismus von kühnster Spekulation und politischer Unmündigkeit teils begünstigt und teils geschaffen. Sie ist vor allem repräsentativ auf eine monumentale und trotzige Weise für das kerndeutsche Auseinanderfallen von nationalem Impuls und dem Ideal politischer Freiheit. Denn die Reformation, wie später die Erhebung gegen Napoleon, war eine nationalistische Freiheitsbewegung.“ (Thomas Mann)
„Warum wurden die Fugger zwar verflucht, die Juden aber verjagt?“ (Heiko A. Obermann, zitiert bei A. Pangritz, ebd.)
„Dr. Martin Luther schrieb seine Schriften gegen die Juden nicht aus Alzheim, sondern aus Wittenberg.“ (Emanon)
„Deutschland, ob unter Kaiser Karl V., Bismarck, Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Wilhelm II., in der Weimarer Republik, unter Hitler und das Nachkriegsdeutschland hat keine christlich-jüdischen Wurzeln, wie es noch heute gerne vor allem von rechts- und rechts außen gerichteten Politikern und Gruppierungen, und vor allem von evangel(!)likalen Christen gesagt, betont und behauptet wird. NEIN, die Wahrheit ist, dass Deutschland seit dem 16. Jahrhundert pseudochristlich - kirchlich/institutionell - lutherisch/devot, lutherisch/elitär und durch Luther extrem antisemitisch bis in die Gegenwart geprägt ist. Und da nach dem Desaster (= ohne Stern, unter einem schlechten Stern) der Jahre 1933 bis 45 und der unvorstellbaren Singularität des Holocaust keine wirkliche, tiefgehende Wurzelbehandlung dieses Übels stattgefunden hat, sitzen diese Radikale immer noch in des Deutschen Seele.“ (der Autor)
„Luther predigte (...) eine Judenausrottung, die nicht einmal von Hitler übertroffen wurde. Luther war der Begründer des modernen Nationalismus in seiner übelsten Form. --- Peter F. Wiener (in „Martin Luther: Hitlers geistiger Ahnherr“.)