Eine "Gemeinwohl-Ökonomie" gibt es nicht, denn Ökonomie geht immer auf Kosten der Ökologie ... Marktwirtschaft funktioniert nur mit Wachstumswahn ...
Ich teile wie vermutlich alle vernünftigen Leute die Werte Kooperation, Umweltschutz, Geschlechtergleichstellung usw. Doch Felbers Analyse und Rezept überzeugen mich nicht. Schon der Begriff des Gemeinwohls ist problematisch. Er ignoriert gesellschaftliche Interessengegensätze und Widersprüche, bildet sich eine alles übergreifende große Gemeinschaft ein und hat eine offene Flanke zur „Volksgemeinschaft“.
Lothar Galow-Bergemann
Stefan Weinert, Blogger
Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs. Heute erhielt ich eine E-Mail, welche mich schon bei der Überschrift stutzig gemacht hat. Dieses Empfinden verstärkte sich beim Lesen des Folgetextes und entwickelte sich zum Kopfschütteln. Denn als Klimaaktivist und Umweltschützer war ich schon immer der Meinung, dass "Ökonomie" und "Ökologie" sich beißen, nicht zusammenpassen und in einer negativen Korrelation zueinanderstehen. *) Und genau umgekehrt - so empfand ich es - ging es in dieser Mail zu, welche den Begriff und eine dazu gehörige Veranstaltung zum Thema "Gemeinwohl-Ökonomie" behandelte.
Deswegen habe ich im Netz recherchiert um zu sehen, wie es sich damit verhält und ob mein wachsendes Misstrauen irgendwie berechtigt ist. Ergebnis: ist es. Und die beiden von mir recherchierten Artikel **) scheinen dies zu bestätigen.
Aus dem Verteiler der Mail und dem dort angegebenen Ort der Veranstaltung (Wirtschaftsmuseum Ravensburg) ist zu für mich zu ersehen, dass dies keine von Klimaschützern initiierte Veranstaltung ist, sondern eine von der Stadtverwaltung (Staat) und Interessensvertretern der Wirtschaft.
*) Schon 1913 spricht der Philosoph Ludwig Klages angesichts der industriellen Produktion von einer „Verwüstunsorgie ohnegleichen“, und der Soziologe Max Weber prophezeit am Vorabend des I. Weltkrieges, dass der moderne Kapitalismus sich so lange austoben werde, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffes verbraucht sei. Industrielle Produktion, Expansion der kapitalistischen Produktionsweise und Naturzerstörung bilden einen Zusammenhang. Immanuel Kant ging damit radikaler um: In Besitz nehmen, als mein Eigentum betrachten, darf ich auf Dauer und von Rechts wegen nur dasjenige, das ich auch beschützen kann. Er nimmt eine ganz moderne Einsicht vorweg, nämlich die, dass die Natur gleichsam als ein Wesen, dem auch Rechte zukommen sollen, betrachtet werden muss.
Die Umweltethik bezieht sich auf moralische Fragen beim Umgang mit der belebten und unbelebten Umwelt des Menschen. Im engeren Sinne verstanden, beschäftigt sie sich in moralischer Hinsicht mit dem Verhalten gegenüber natürlichen Dingen und dem Verbrauch von natürlichen Ressourcen (Umgang mit natürlichen Ressourcen und Umweltmedien (beispielsweise Wasser, Boden, Klima, genetische Vielfalt) beschäftigt. Im weiteren Sinne umfasst sie auch Tierethik und ebenso die Pflanzenethik. Zu den zentralen Fragen der Umweltethik gehört, welche Dinge bzw. Lebewesen einen Wert oder Rechte im moralischen Sinne haben. Zwischenzeitlich gesteht man Tieren durchaus Rechte zu, im Gegensatz zu Pflanzen, Bergen und Seen. Ob diese einen Eigenwert haben, ist umstritten, jedoch in Hinsicht auf den Menschen für schützenswert. Einen solchen Anthropozentrismus kritisierend, bezieht der Physiozentrismus auch Pflanzen (Biozentrismus) oder Berge und Seen ein (Holismus). allerding gehören ie alle zu einem zu schützenden Ökosystem. Deshalb versteht sich die Umweltethik auch als ökologische Ethik und setzt sich in ihrer Richtungsgebenden Ausprägung für den Erhalt von Tieren und Pflanzen bzw. deren Arten und eine Schonung von Ressourcen ein.
--------------------------------------------------
**)
Stellungnahme von Lothar Galow-Bergemann zu
Gemeinwohl-Ökonomie
Ich teile wie vermutlich alle vernünftigen Leute die Werte Kooperation, Umweltschutz, Geschlechtergleichstellung usw. Doch Felbers Analyse und Rezept überzeugen mich nicht. Schon der Begriff des Gemeinwohls ist problematisch. Er ignoriert gesellschaftliche Interessengegensätze und Widersprüche, bildet sich eine alles übergreifende große Gemeinschaft ein und hat eine offene Flanke zur „Volksgemeinschaft“. Ich plädiere dafür, nicht von Gemeinwohl als Ziel zu reden, sondern vom guten Leben für alle.
Wenn sich dieses allerdings mittels hehrer Werte und schöner Rezepte realisieren ließe, wäre es schon längst da, denn das wurde schon seit Jahrhunderten versucht. Warum hat es nie funktioniert? Viele denken über Alternativen zum Kapitalismus nach. Nur – was ist das eigentlich, der Kapitalismus? Ganz offensichtlich kommen wir nicht weiter ohne Theorie und Kritik. Dazu einige Thesen.
1. Das Problem heißt Marktwirtschaft
Es gibt keinen Unterschied zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus. Marktwirtschaft lebt nicht von irgendwelchen „Werten“, sondern vom Geldverdienen. Und sie funktioniert nicht ohne Maximalprofit und Wachstumswahn. Es geht dem Markt nie um die konkreten, stofflichen Dinge, um die Bedürfnisse der Menschen. Ob aus Wert mehr Wert wird, aus Geld mehr Geld, das ist die alles entscheidende Frage der Marktwirtschaft. Sich selbst verwertenden Wert nennt man Kapital. Ein Markt, der die Verwertung des Kapitals nicht ermöglicht, existiert im Handumdrehen nicht mehr. Ob Kapital mit Plüschsofas, mit Pflaumenkuchen oder mit Panzern Profit macht, ist ihm wurscht. Hauptsache, es wird der maximal mögliche Profit realisiert. Denn nur wer den meisten Profit erzielt, kann am meisten reinvestieren und hat damit die besten Ausgangskarten für die nächste Runde im mörderischen Konkurrenzkampf um die gelingende Kapitalverwertung. Der Knauser Dagobert Duck ist jedenfalls ein besserer Kapitalist als der feiste Fettsack, der seinen Profit verjubelt und verprasst. Kapital hat kein anderes Ziel, als sich bis in alle Ewigkeit immer weiter zu verwerten. Markt ist nichts anderes als der notwendige Austragungsort des Kampfes des Kapitals um seine gelingende Verwertung. Markt ohne Kapital kann es genauso wenig geben wie Kapital ohne Markt. Wer glaubt, man könne einen anderen Markt, ein anderes Kapital herbeizaubern, glaubt auch, dass man einen Löwen mit Salat satt kriegt. Wo Konkurrenz durch Kooperation ersetzt und das Prinzip der Profitmaximierung überwunden wäre, gäbe es keine Marktwirtschaft mehr. Auch Felbers Konzept beruht übrigens auf Kapital. Er nimmt das Wort zwar nicht in den Mund, aber es gibt bei ihm ganz selbstverständlich Lohnarbeiter und Kapitalisten. Und wo es die gibt, gibt es Kapital.
2. Das Problem heißt Staat
Der Staat ist nicht neutral. Man kann mit ihm nicht eben mal schnell das „Richtige“ und „Gute“ machen. Ohne Staat kein funktionierendes Kapitalverhältnis – angefangen bei der Garantie des Eigentumsrechts bis hin zur massiven Staatsintervention in die Ökonomie, selbst im Neoliberalismus. Aber ohne Kapital auch kein moderner Staat. Jeder Staat ist machtlos ohne Steuereinnahmen. Die kriegt er aber nur, wenn die Marktwirtschaft funktioniert. Und die braucht Maximalprofit und ewiges Wachstum. Siehe oben. Deswegen muss der Staat bei Strafe seines eigenen Untergangs dafür sorgen, dass die Maximalprofit- und Wachstumsmaschine brummt. Das und nur das ist auch das Geheimnis dafür, warum alle linken und alternativen Parteien und Politiker, wenn sie denn endlich in der Regierung sitzen, kaum etwas anderes machen als die andern auch. Nicht weil sie über Nacht allesamt böse Verräter oder von ein paar besonders gewieften hinterhältigen und raffinierten Lobbyisten umgedreht wurden – sondern weil der ganze Laden prinzipiell gar nicht anders funktionieren kann. Warum machen Regierungen und Parlamente oft nicht das, was die Menschen wollen? Weil man in der Marktwirtschaft oft das Gegenteil von dem machen muss, was man eigentlich will . Zwar finden es alle doof, Zinsen zu zahlen und die Banken zu retten, aber ohne das funktioniert Marktwirtschaft eben nicht. Dass Staaten auch bankrott gehen können und dass das eine höchst reale Gefahr ist, beweist uns der Zustand der Weltwirtschaft heute mehr denn je.
3. Es gibt keinen Gegensatz von Produktiv- und Finanzkapital
Kapital braucht nicht nur den Markt, sondern auch den Finanzmarkt: Je teurer die Produktion, desto weniger kann der einzelne Kapitalist die Investitionen allein aus seinem Profit finanzieren. Banken vergeben Kredite und verlangen wie in der Marktwirtschaft üblich einen Preis dafür: den Zins. Kapital kann nur durch Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft Profit machen. Denn nur die schafft aus Wert mehr Wert. Gleichzeitig muss Kapital immer mehr Arbeitskraft überflüssig machen, denn die Löhne schmälern den Profit. Die mikroelektronische Revolution macht seit 30 Jahren immer mehr Arbeit überflüssig. Profit kann deswegen zunehmend nur noch „auf Pump“ in der Finanzsphäre gemacht werden. Ohne Finanzmärkte kann die Realwirtschaft deswegen schon lange nicht mehr existieren. Marktwirtschaft bringt zwangsläufig Kapital, Staat, Wachstumswahn, Zins und Finanzmärkte hervor.
4. Das Gegenteil von Marktwirtschaft heißt nicht Planwirtschaft.
Marktwirtschaft und Planwirtschaft sind nur scheinbare Gegensätze. In Wirklichkeit sind sie Zwillingsbrüder. Der (mit Recht) gescheiterte Staatssozialismus hat das Koordinatensystem von Staat und Markt nie verlassen. Die alten Ökonomielehrbücher der DDR können einem da weiterhelfen: das Lohnsystem hieß fortan sozialistisches Lohnsystem, der Profit hieß sozialistischer Gewinn und die Warenproduktion sozialistische Warenproduktion. Von Überwindung der Warenproduktion und des Lohn- und Profitsystems, worauf es doch eigentlich ankäme, keine Spur. Zwar war die Staatsfixierung im Realsozialismus besonders ausgeprägt, aber er hat nie ohne marktwirtschaftliche Elemente existiert. Und die westliche Marktwirtschaft kam nie ohne massive staatliche Intervention aus. Was versprechen alle Parteien bei jeder Wahl? Arbeit! Also eine Sache, die doch ganz klassisch in der Ökonomie zuhause ist. Wie wenig gegensätzlich Marktwirtschaft und Planwirtschaft sind, beweist übrigens auch Felbers Konzept.
5. Die „Gemeinwohlökonomie“ ist ein Mischmasch aus Gescheitertem
Felber sagt, eine Alternative zur Marktwirtschaft habe noch nie funktioniert, deswegen lohne sich nicht darüber zu diskutieren. Aber Felbers Rezept hat auch noch nie funktioniert. Die in den 70er Jahren zuhauf gegründeten Alternativbetriebe sind entweder eingegangen oder zu elenden Selbstausbeutungsklitschen verkommen, einige wenige haben den Sprung ins „normale“ kapitalistische Leben geschafft. Und wie? Indem sie ordentlich Profit abgeworfen haben, was denn sonst? Mit anderen Worten: die Zwänge der Marktwirtschaft haben sich durchgesetzt. Bis vor kurzem wurden „Mikrokredite“ als Wundermittel gegen die Armut in der so genannten Dritten Welt angepriesen – wer sich darauf eingelassen hat, versinkt heute in Schulden und ist ärmer als zuvor. Denn, was Wunder, die Marktmechanismen haben sich durchgesetzt.
Das wird auch mit der Schnapsidee von der „Demokratischen Bank“ passieren. Als ob Mehrheitsbeschlüsse die Zwänge der Kapitalverwertung außer Kraft setzen könnten. Herauskommen wird bestenfalls eine Art regionaler Sparkasse fürs laufende Geschäft von Kleinkapitalisten, Handwerksbetrieben etc. Microsoft, die Bahn und Siemens brauchen andere Finanzkaliber. Und moderne Verkehrs- und Kommunikationssysteme, das Internet und medizinische Großgeräte sind mit einer regionalen Krauterökonomie nicht zu haben. Felbers Rezept setzt unausgesprochen voraus, dass die Globalisierung ungeschehen gemacht werden soll. Das ist weder möglich noch wünschenswert. Die „Gemeinwohlökonomie“ bezieht sich rückwärtsgewandt auf den Nationalstaat. Der müsste sich, damit er nicht sofort implodiert, notgedrungen von der internationalen Konkurrenz und der globalisierten Welt abschotten. Vielleicht mit einem nationalen nicht konvertierbaren Regiogeld.
Spätestens hier wird klar, dass bei diesem Rezept nicht nur das Kapital, sondern auch der verblichene Realsozialismus immer wieder um die Ecke schaut. Der hat das Vorhandene auch nicht infrage gestellt, sondern ihm lediglich neue, positive Werte verordnen wollen. Dafür sollte insbesondere das Schul- und Erziehungssystem einen „neuen Menschen“ schaffen. Auch hier eine frappierende Ähnlichkeit zu Felber. Ihm vorzuwerfen, er sei Anhänger des Realsozialismus wäre falsch und unfair. Doch er muss sich Fragen stellen lassen. Wenn er es etwa zum „springenden Punkt“ seines Rezepts erklärt, dass „der Gewinn vom Mittel zum Zweck“ werde, so lohnt ein Blick ins Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Berlin, DDR, 1973. Dort lesen wir unter dem Stichwort Gewinn: „Im Kapitalismus ist der Profit Ziel der Produktion und resultiert aus der Ausbeutung der Werktätigen. Dagegen ist der Gewinn im Sozialismus … das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen der Werktätigen… Er dient … der planmäßigen Verbesserung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes.“ Alles schon mal dagewesen. Hat aber nicht funktioniert. Hat bloß eine überbordende Bürokratie installiert. Und genau das wird Felbers System auch tun, auch wenn er es nicht glauben mag. Die ganze „Gemeinwohlbilanz“ sei öffentlich überprüfbar, das könne quasi jeder mit seinem Handy machen, behauptet er. Da fragt man sich, warum er dann eigentlich noch einen neuen Beruf einführen will, nämlich den der „Gemeinwohlauditoren“. Die müssen nämlich „Gemeinwohlpunkte“ erfassen und vergeben. Die „Gemeinwohlunternehmen“ (das zu sein glaubten übrigens die Volkseigenen Betriebe in der DDR auch) werden sich tausendundeinen Trick einfallen lassen, um auf Schleichwegen an die Punkte ranzukommen. Ein ausufernder Kontrollapparat wäre die Folge. Nicht zufällig wimmelt es bei Felber von Punkten, Gesetzen, Konventen, Anreizen, Bilanzen usw. Unternehmer, die der Kapitalakkumulation frönten, müsste man als Gesetzesbrecher ins Gefängnis stecken. 10 Mio als Obergrenze für Erbschaften: Wer kontrolliert, ob da nicht geschummelt wird? Wer ermittelt überhaupt den Wert? Wer verteilt das „zuviel Geerbte“ an die „Nichterben“ und nach welchen Kriterien? Wer kontrolliert Mindestlöhne und Höchsteinkommen und all die Tricks, mit denen sie verschleiert werden können? Unternehmen über 5000 Beschäftigte sollen enteignet werden, „regionale Wirtschaftsparlamente“ sollen sie verwalten und führen. Auch Titos Jugoslawien wurde von einer gigantischen Bürokratie erstickt. Es erginge der Gemeinwohlökonomie wie dem dahingeschiedenen Realsozialismus: Eine staatskapitalistische Ökonomie würde den Markt nicht wirklich überwinden und ihn lediglich ineffizienter machen.
5. Und die Alternative?
Soll Emanzipation gelingen, muss eine kritische Masse von Menschen entstehen, die Markt und Staat grundsätzlich infrage stellt. Schauen wir uns die Produktion Freier Software im Netz an: Dort wird bereits dezentral, kostenlos und ohne Markt bedürfnisorientiert produziert. Wenn wir mit wesentlich weniger Arbeit als früher genug für alle im Überfluss produzieren können – und dazu sind wir technisch in der Lage – warum muss dann unser ganzes Leben überhaupt noch durch das Nadelöhr von Kauf und Verkauf, Geld, Lohnarbeit, Kapital und Profit gequetscht werden? Geld funktioniert nur, wenn es knapp ist. Wo genug für alle da ist, steht die Geldwirtschaft selbst zur Disposition.
Zum Schluss noch ein Vorschlag. Er ist nicht neu und nicht von mir, aber er birgt großes gesellschaftliches Veränderungspotential: Kämpfen wir um massive Arbeitszeitverkürzung. Man will uns ernsthaft einreden, wir müssten heute länger arbeiten als früher. Nach der Rente mit 67 ist jetzt von der Rente mit 69 und 70 die Rede und von der 45- und 50-Stundenwoche. Viele kloppen Überstunden ohne Ende. Die einen sollen schuften bis zum Umfallen, die andern werden zum überflüssigen Menschenmüll erklärt, d.h. arbeitslos. Anstatt dass alle deutlich weniger arbeiten würden. So absurd und dogmatisch ist Marktwirtschaft.
Wir können heute in immer kürzerer Zeit immer mehr und immer besser produzieren. Mithilfe der Mikroelektronik explodiert unsere Arbeitsproduktivität schon seit drei Jahrzehnten. Jahrtausende haben Menschen davon geträumt, ihr Leben nicht mit Maloche, sondern mit angenehmeren Dingen zu verbringen. Heute wären 20-Stunden-Woche, drei Monate Urlaub und Rente mit 50 für alle problemlos machbar. Warum holen wir uns nicht das gute Leben? Es liegt vor der Haustür. Es ist Zeit für einen allgemeinen Aufstand für radikale Arbeitszeitverkürzung.
Das wäre ein wirklicher, ein großer Schritt hinein in eine bessere und menschlichere Welt. Und das Schöne ist: er stünde sowohl mit der Logik als auch mit unseren technischen Möglichkeiten in Übereinstimmung.
Dass Felber darauf nicht kommt, sondern von „Leistungsgesellschaft“ und „Selbstorganisation der Arbeitszeit“ redet – als ob nicht schon lange haufenweise „freiwillig“ unbezahlte Überstunden aus Angst vor Jobverlust gemacht würden – unterstreicht erneut, dass von Marktwirtschaft nichts Gutes zu erwarten ist. Denn die macht aus überflüssiger Arbeit überflüssige Menschen. Das spricht nicht gegen die Arbeitszeitverkürzung, sondern gegen die Marktwirtschaft.
-------------------------------------------------------------
**)
https://utopia.de/ratgeber/gemeinwohl-oekonomie_43607/
Die Gemeinwohl-Ökonomie bietet eine verlockende Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft: Geld und Märkte sollen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Es geht nicht mehr um Wirtschaftswachstum, sondern um die stetige Erhöhung des Gemeinwohls.
Die globale Wirtschaft ist auf grenzenloses Wachstum ausgerichtet. Unternehmen sind gezwungen, immer größere Gewinne zu erzielen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dafür müssen sie möglichst billig produzieren, meist auf Kosten der Umwelt und der Lebensqualität. Geldgier und Profit stehen im Mittelpunkt des derzeitigen ökonomischen Systems, und dabei bleiben mehr und mehr Menschen auf der Strecke.
Kein Wunder, dass die allgemeine Unzufriedenheit wächst – ebenso wie der Wille zur Veränderung. So wünschen sich 88 Prozent aller Deutschen und 90 Prozent aller Österreicher laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung eine „neue Wirtschaftsordnung“.
Gemeinwohl-Ökonomie: zum Wohle der Allgemeinheit
Der österreichische Philologe Christian Felber hat dazu einen umfassenden Lösungsansatz gefunden und 2010 die Reformbewegung „Gemeinwohl-Ökonomie“ (GWÖ) ins Leben gerufen. Ziel seines „entwicklungsoffenen“ Veränderungsprozesses ist es, das Wohlergehen des Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt ökonomischen Handelns zu rücken.
Als Grundlage dienen Werte, die auch in zwischenmenschlichen Beziehungen von Vorteil sind, wie Ehrlichkeit, Kooperation, Solidarität, Wertschätzung und Vertrauen. Unternehmen sollen einander in Zukunft unterstützen, statt zu konkurrieren. Ziel jedes ökonomischen Handelns ist nicht mehr die Gewinnmaximierung, sondern die Steigerung des Allgemeinwohls.
Aber wie bringt man Konzerne dazu, ihre wirtschaftliche Ausrichtung komplett auf den Kopf zu stellen?
Felber will den Unternehmen Anreize bieten, ethisch und nachhaltig zu handeln, indem er sie etwa mit Steuervorteilen und günstigen Krediten belohnt. Erfolg wird in einer Gemeinswohl-Ökonomie nicht länger am finanziellen Gewinn gemessen, sondern an den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Verbesserung der Lebensqualität, allgemeines Wohl etc.), die sich ein Unternehmen steckt.
In basisdemokratischen Prozessen soll definiert werden, was das Gemeinwohl fördert und wie es gemessen sowie unterstützt werden kann. Ein Punktesystem – die sogenannte Gemeinwohl-Bilanz – zeigt dann an, wie erfolgreich ein Betrieb diesen Anliegen nachkommt. Auf diese Art lassen sich unterschiedlichste Unternehmen und Produkte transparent machen und miteinander vergleichen.
Natürlich löst ein Modell wie das der Gemeinwohl-Ökonomie Kontroversen aus. Kritiker bezeichnen Felber – in Anlehnung an seinen Nebenberuf als zeitgenössischer Tänzer – nicht nur als „Traumtänzer“, sondern auch als „Anarchomarxisten“, „neokommunistischen Pseudoökonomen“ oder ganz einfach „weltfremd“. In der österreichischen Tageszeitung Die Presse hieß es: „Angesichts der Fülle an demokratischen Institutionen, die Felber zur Bändigung des Kapitalismus erfindet, wird einem angst und bange.“
Wirtschaftsexperten warnen vor den tiefgreifenden Veränderungen, die mit einer Etablierung der Gemeinwohl-Ökonomie einhergehen würden. Sie befürchten enorme Kosten durch bürokratischen Aufwand, die Abwanderung von Unternehmen, der Verlust von Wohlstand und vor allem – so Mag. Karin Steigenberger von der Österreichischen Wirtschaftskammer – „erhebliche Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheiten von Individuen bzw. Unternehmen, bis hin zu Enteignungen.