Beifall für Brunetti, statt Pfiffe gegen Cucurella - Das infantile und unreflektierte Verhalten deutscher Fan(antiker)s ...
Theo Thürmlein
Gestern Abend gab es Wichtigeres für mich, als mir ein Fußball-Halbfinale zwischen bisher enttäuschenden Franzosen und professionell abgebrühten Spaniern im ZDF anzuschauen. Meine seit Tagen immer wieder aufgeschobenen und nun gestern endlich durchgeführte Hausarbeit ging eh bis 20:22 Uhr. Dann ließ ich mich auf meine Couch fallen und zippte "Commissario Brunetti" mit Uwe Kokisch im ERSTEN an. Da liefen zwar zwei Wiederholungen mit Michael Degen (+ 2022) als weiterer hervorragender Protagonist, aber das war immer noch besser - wie mir im Nachherein auch bestätigt wurde - als mir das deutsche Pfeifkonzert beim Fußallspiel ohne Beteiligung des DFB anzuhören. Da ist mir die Titel-Melodie von André Rieu im Venediger Ambiente allemal lieber.
Übrigens: 14,56 Millionen deutsche Fußballfans erfreuten sich an den/m Pfeifen auf ZDF gegen den spanischen Spieler und unterstellten ihm damit impliziert ein mutwilliges Vergehen - und nur 3,18 Millionen sahen sich stattdessen Donna Leons "Schöner Schein" in der ARD an.
Bereits an jenem Abend, als der deutsche Fußballnationalspieler Jamal Musiala mit einem feinen Schuss die Hand des Spielers Marc Cucurella in dessen eigenem Strafraum traf, und daraufhin der berühmte Pfiff des Schiedsrichters und der Eingriff des VAR ausgeblieben sind, hatte ich mich gefragt, wie es wohl gewesen wäre, wenn das Szenario um 180 Grad gedreht und in 90 Meter Entfernung - eben exakt "spiegelverkehrt" - stattgefunden hätte? Cucurella trifft mit einem bravourösen Schuss die linke Hand Musialas, welche samt Arm zwar nicht direkt am Körper anlag, aber doch "lose herunterhing" (demnach war es im Falle Cucurella keine böse Absicht). Und zudem vermutlich (?) der deutsche Spieler Füllkrug (in umgekehrten Fall Olmo) im Abseits stand.
Mich hat auch gewundert, dass bis heute niemand ernstlich und virtuell eine solche durchaus mögliche Situation "durchgespielt" hat. Weder in den TV-Runden, noch in den Printmedien. Und schon gar nicht von TV-Experten.
Eines dürfte klar sein, wie auch die schier endlosen (eine genügt doch) Torwiederholungen aus allen Winkeln: Proteste aus deutschen Reihen hätte es in der geschilderten umgekehrten Situation nicht gegeben. Selbst dann nicht, wenn "Musiala" beabsichtigt seine Hand im Spiel gehabt hätte. "Wetten, dass ...!"
Oder auch eine PK mit Julian Nagelsmann hätte es nicht gegeben, wo dieser unter Tränen bekennt, es wäre zwar eine Fehlentscheidung des "zwölften Mannes auf dem Platz" gewesen - aber so sei eben Fußball und ihm tue La Rocha sehr leid.
Und ganz gewiss gäbe es auch keine deutsche Petition welche fordert, das Spiel Deutschland gegen Spanien deshalb zu wiederholen, weil den Spaniern (im umgekehrten Fall) ein berechtigter "Elfer" wegen Handspiels Musialas in der eigenen "Box" versagt wurde, was im Falle des Haltens von Nacho durch Niklas Füllkrug in der 77. Minute der gleiche Fall war. Wetten, dass ... !!
Doch seit fünf Tagen gibt es da keine Ruhe in Deutschland. Als ich mich nun gestern Abend doch entschloss, mir ab der 70. Minute jenes, den Deutschen versagtes, Halbfinale anzuschauen, musste auch ich erleben, wie der sportlich perfekte Marc Cucurella bei jedem seiner Ballkontakte - und selbst wenn es nur 0,95 Sekunden waren - ausgepfiffen wurde. Welch` ein infantiles und unreflektiertes Verhalten vor allem deutscher Fan(natiker)s!
Was denn nun im spiegelverkehrten Fall auf medial-spanischer Seite und unter der iberischen Bevölkerung geschehen wäre, ist hier völlig irrelevant! Entscheidend ist die deutsche Reaktion, die allerdings laut dem spanischen Trainer nicht für die ganze Nation Deutschland spreche. Deutschland sei ein guter Gastgeber gewesen, meinte Luis de la Fuente.