IDENTITÄT im Spannungsfeld von INTEGRATION & ASSIMILATION
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Stefan Weinert
18. August 2020 / 27. August 2024
In den 1980er Jahren fragte Herbert Grönemeyer “Wann ist ein Mann ein Mann?“ und Frank Sinatra sang einst „I did it my way“. In beiden Liedern geht es um Identität und ein Stück weit auch um Authentizität. Es geht um das „sicht treu bleiben“ - und eben auch dann, wenn man als Fremder in ein anderes Land, in eine andere Kultur immigriert, immigrieren muss. Von den Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak (Muslime), Westafrika und den schon lange bei uns lebenden Türken (ebenfalls Muslime) wird erwartet, dass sie sich in unsere Nation, Wertevorstellung und Kultur integrieren und auch integrieren lassen. Das sind allerdings 250 Jahre alte deutsche Wertevorstellungen, die bis heute in deutschen Köpfen Bestand haben.
Gerade deshalb scheinen für einige unter den Deutschen die Begriffe „Integration“ und "Assimilation" als austauschbare Synonyme zu sein. Aber weit gefehlt. Der Begriff "Integration" ist von dem Lateinischen „integratio“ = Erneuerung abgeleitet und hat in der Soziologie die Bedeutung eines dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozesses des Zusammenfügens und Zusammenwachsens (siehe DDR/BRD - neue und alte Bundesländer).
Integration hebt den Zustand von Exklusion (Ausschluss) und Separation (Absonderung) auf. Ein gutes Beispiel für gelungene Integration ist mein Freund Hamid, der 1998 aus Afghanistan nach Deutschland flüchtete. Schon längst beherrscht er die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Heute lebt er in einem Reihenhaus in unserer Stadt und ist Inhaber einer florierenden Pizzeria. Er bezahlt seine Steuern und eine Familie hat er auch gegründet. Doch spricht er mit Frau und Kind auch das Farsi und er ist seinem Gott Allah und seinem Glauben treu geblieben.
Im Jahr 2023 betrug der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland 29,7 Prozent. - Laut Definition der Quelle hat eine Person dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.
Im Einzelnen umfasst diese Definition folgende Personen:
1. zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer;
2. zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte;
3. (Spät-)Aussiedler;
4. Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Adoption durch einen deutschen Elternteil erhalten haben.
5. mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Nachkommen der vier zuvor genannten Gruppen.
Nun gibt es in unserem Land verstärkt seit 2015 - latent aber schon immer vorhanden - eine leider nicht kleine Gruppe von Menschen, die – wenn sie denn überhaupt einen Fremden in Deutschland duldet – von den zu uns Zugereisten und Geflüchteten eine Integration im Sinne von Assimilation erwarten. Dieses Wort leitet sich von dem Lateinischen „assimilatio“ = Angleichung, Ähnlichmachung ab. Assimilation bezeichnet in der Soziologie das „einander Angleichen“ verschiedener gesellschaftlicher Gruppen bis hin zur Verschmelzung und ist demnach ein Prozess des Kulturwandels. Assimilation ist das Aufgehen einer ethnischen, religiösen, kulturellen Gruppe in einer anderen Gruppe. Aus einem Türken, einem Syrer, einem Iraker und Afghanen soll eben ein „richtiger Deutscher mit deutschen Gepflogenheiten“ werden.
Ein Beispiel für Assimilation ist Mister Ex-Universum Arnold Schwarzenegger, der in die USA immigrierte und dort nicht nur Schauspieler, sondern auch Gouverneur wurde. Und sicher wäre er auch Präsident der USA geworden, wenn er denn dort auch geboren worden wäre. Aber – und das ist wichtig – Schwarzenegger assimilierte sich freiwillig. Und diese Verschmelzung muss immer ein freiwilliger Vorgang sein.
Für einen Fremden würde die Assimilation das Aufgeben seiner eigenen kulturellen, religiösen und auch sozialen Prägung bedeuten, und analog dazu das vollkommene Aufnehmen und Aufsaugen der Werte der anderen Gesellschaft. Ein solcher Akt führt ganz zwangsläufig zum Verlust der eigenen Identität. Wer dies für sich so sieht, kann es tun. Aber es darf nie erzwungen sein (siehe oben).
Die erzwungene Assimilation gehört leider zur deutschen Geschichte. Bereits gegen Ende des 11. Jahrhunderts gab es Pogrome gegen jüdische Gemeinden entlang des Rheins. Viele Juden begingen lieber Selbstmord, als sich zwangsweise christlich taufen zu lassen. Das Ganze gipfelte dann in den Jahren der deutschen NS-Herrschaft. Die Evangelische Kirche Deutschlands gar schloss 1941 zum Christentum konvertierte Juden aus, womit diese ihren Schutz vor dem Holocaust verloren. Denn, so war die gängige Meinung, ein Jude bleibt immer ein Jude. Die Juden als Rasse zu bezeichnen, ist ein Produkt der europäischen Aufklärung. Es war der ‚wissenschaftliche’ Ersatz für den alten, religiös motivierten Judenhass. Da der Vorwurf des ‚Gottesmordes’ infolge der Aufklärung nicht mehr zog, musste die bis heute verbreitete Abneigung gegen Juden anders begründet und motiviert werden. Dazu diente die Rassentheorie. Unter Hitler führte sie zu den bekannten Exzessen.
"Wer heute irgendwelchen Menschengruppen und speziell den Juden separate Gene nachsagt, stellt sich in eine Reihe mit den übelsten Rassisten.“ (Ulrich W. Sahm, Jerusalem) Damals also waren es die Juden wegen ihrer „Rasse“ und heute könnten es die Flüchtlinge wegen ihres „Glaubens“, oder ihres anderen „Aussehens“ oder anderen „Seins“ sein. Das darf nicht, das darf nie wieder passieren.
Integration unter der Prämisse und dem Verbund der Akzeptanz des "Anderen anders sein zu lassen", ist der einzige Weg zu einem fruchtbaren Wachstum der Gesellschaft. Beide Seiten müssen einsehen: „Wir sind nicht gleich. Wir sind verschieden. Und das ist gut so.“