Ravensburg: 👨👨👧👦 🏠 👨👨👧👦 Regionale Hausbesetzer-Aktivist/innen beleben leerstehendes Haus in der Hindenburgstraße ...
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Pressemitteilung der "Regionalen Hausbesetzer-Aktivist/innen" vom 15.9.2024 (Sonntag)
Am frühen Sonntagmorgen (15.9.2023) bot das Haus in der Hindenburgstraße 7 einen seit Jahren nicht mehr gesehenen Anblick: Das bisher leerstehende Haus, ist seit heute wieder belebt und wird hergerichtet.
Ein Banner mit der Aufschrift "Bezahlbarer Wohnraum für alle!" ist an der Fassade aufgehängt. Sie bieten kostenlos Kaffee und Kuchen und laden zum Gespräch ein. Wie es dazu kam?
Die Gruppe junger und alter Aktivist*innen aus der Region hat sich zum Ziel gesetzt, das Haus wiederzubeleben und damit auf die große Menge an Leerstand und die damit einhergehende Wohnungsnot aufmerksam zu machen, sowie auf die vielfältigen gesellschaftlichen und verwaltungsrechtlichen Gründe für Leerstand hinzuweisen.
Allein in Ravensburg stehen 300 Wohnungen leer. Im Landkreis sogar über 5000 [1]. Gleichzeitig herrscht Wohnungsnot. Mit momentanen 13,72 € pro Quadratmeter hat der Mietspiegel in Ravensburg sich seit 2011 mehr als verdoppelt. [2] Als Antwort auf dieses Problem werden seit Jahren ressourcenaufwändige Neubauten an den Stadträndern auf kostbares Ackerland gebaut. Wie ist das möglich?
Wir laden alle Anwohner*innen und Interessierten herzlich ein, uns zu besuchen, sich einzubringen und mit uns über Leerstand ins Gespräch zu kommen.
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Angesichts des Wohnungsmangels und der Klimakrise verstehen wir nicht, warum Wohnraum nicht genutzt wird. Das ist kein verantwortungsvoller Umgang mit unseren Ressourcen und Mitmenschen.
Artikel 14 des Grundgesetzes besagt, dass "Eigentum verpflichtet." und "Sein Gebrauch soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Es ist also unserer Meinung nach verfassungswidrig, Häuser leerstehen zu lassen.
Mit unserem Protest werden wir niemandem sein "Häusle" wegnehmen – wir zeigen nur auf, dass es belebt werden könnte und sollte.
Wie geht es mit dem Haus weiter?
Vorerst stellen wir ein Programm aus Kunst und Kultur sowie Workshops zu verschiedenen Themen zusammen. Parallel machen wir das Haus mit unseren Mitteln Stück für Stück wieder wohnlich.
Langfristig könnte es eine Art soziokulturelles Zentrum werden, in dem Vereine einen Ort zum Treffen und Vernetzen oder für Veranstaltungen haben. In den oberen Stockwerken könnten Azubis, Studierende oder Menschen ohne Wohnung einziehen.
"Niemand leidet unter Obdachlosigkeit, wenn es kein gesellschaftliches Versagen gibt, ein Scheitern an der Aufgabe, Wohnungen und Unterkünfte so zu organisieren, dass sie jedem Menschen zugänglich sind." schreibt die Professorin und Philosophin Judith Butler. [3]
Obdachlosigkeit kann also vermindert werden, indem Leerstand genutzt wird. Wer ohne festen Wohnsitz ist, wird vom öffentlichen Leben ausgegrenzt, es ist beinahe unmöglich, Post zu empfangen, einen Arbeitsplatz zu finden oder eine Ausbildung abzuschließen.
Warum vermieten Eigentümer:innen nicht einfach Wohnungen?
Wir möchten nicht gegen den Eigentümer der Hindenburgstraße 7 protestieren, sondern ihn Einladen sich mit uns an einen Tisch zu setzen und sich zu überlegen was er mit dem Haus machen will.
Bürkokratie und Denkmalschtz
Die Gründe, warum insgesamt so viele Häuser leer stehen, sind sehr verschieden, meistens ist es nicht einmal deshalb, weil die Vermieter*innen es absichtlich verfallen lassen wollen. Häufig ist es die komplizierte Bürokratie oder Denkmalschutz, die Steine in den Weg legen und Leerstand in die Länge ziehen. Denkmalschutz der eigentlich dafür sorgt, dass nicht so viel Bewohnbares unnötig abgerissen und dann wieder neugebaut wird, führt durch die Auslegung von Mitarbeiter*innen dann oft dazu, dass es zu kompliziert oder teuer wird, Häuser vorschriftsgemäß zu renovieren oder zu vermieten. Wenn dann Häuser bewusst verfallen gelassen werden, um neu bauen zu dürfen, ist das das Gegenteil von Denkmalschutz.
Neubauten
Leider wird zur Bekämpfung der Wohnungsnot häufig auf Neubauten gesetzt, ohne an den Bestand zu denken. Das heizt unnötig die Klimakatastrophe weiter an und es entstehen meist vor allem teure Wohnungen oder sogar Einfamilienhäuser. Wenn wie im Kreis Ravensburg über 5000 Wohnungen leer stehen und nur 2000 Wohnungen gesucht werden, sollte die Rechnung selbst bei einigen sehr in die Jahre gekommenen Wohnungen dicke aufgehen. Das sieht der Geschäftsführer des Lobby-Instituts, Pestel der Bauwirtschaft, Matthias Günther anders. Er denkt gar nicht ans Sanieren, sondern behauptet, man bräuchte Neubauten.[1]
Die Stadt Ravensburg
Die Aktivist*innen fordern von der Stadt Ravensburg, die auch selbst Eigentümerin von leerstehenden Altstadthäuschen ist, eine Stelle einzurichten, die für gezieltes Vorgehen gegen Leerstand zuständig ist und die Eigentümer*innen aktiv dabei unterstützt, Häuser zu vermieten. Dafür laden die Aktivist*innen grade auch Eigentümer*innen von anderen leerstehenden Häusern in das Haus ein und wollen erfahren, was es braucht, um ihre Häuser wiederzubeleben. Die Caritas bietet an, einen Großteil der Büroarbeit sowie das Auswählen und den Kontakt zu den Mieter*innen zu übernehmen, damit Leerstand wieder in Nutzung kommt. [4]
In anderen Städten müssen Eigentümer*innen Strafen zahlen, wenn sie ein Haus "Zweckentfremden", also über lange Zeiträume leerstehenlassen. Bis zu 50.000€ sind es etwa in Tübingen. Soweit soll es in Ravensburg aber nicht kommen. Die Gruppe der Aktivist*innen in Ravensburg sind zuversichtlich, dass das Leerstandsproblem in Ravensburg bald gelöst werden wird.
QUELLEN:
[1] https://www.schwaebische.de/re
[2]https://www.wohnungsboerse.
[3] Judith Butler, Anmerkungen zur einer performativen Theorie der Versammlung, Berlin 2016, S. 33.
[4] https://www.aktuelles-und-them