GOTT weint über den Menschen, doch am meisten weint ER über sich selbst
Schussental-Medial
Von Stefan Weinert
Er hatte sie gekränkt, sie verletzt und ihre Geschenke für allzu selbstverständlich genommen. Was noch konnte er von ihr erwarten. Doch zum Ende des Tages trat sie in den Garten
Sie pflückte eine pralle Frucht vom Baum, wandte sich ihm zu und sah in verführerisch an;
sollte er seinen Augen wirklich trauen?
Doch während er so dachte, streckte sie ihm die Hand weiter entgegen und ihre Augen sprachen nur ein Wort: Nimm! Es war aber nicht nur diese lautlose Aufforderung aus der Tiefe einer Frau und es war auch nicht nur dies eine Frucht, die zu ihm sprach.
Sollte er? Erregung! Und auch sein Inneres zitterte. Dann griff er zu. Doch im selben Moment zog sie die Hand zurück, so dass die seine ins Leere griff - und sie wandte sich von ihm ab.
Er hörte ihre lachende Stimme: Das hast du nur geträumt, das hast du nur geträumt.
Doch das hatte er nicht.
Denn jene Frucht - sie war vom Baum verschwunden, ohne dass er von ihr gekostet hätte.
Er ging hinüber zum Hain, um IHN in der Kühle des Abends zu treffen, so wie es immer geschah, und sprach. DU hast mir das Paradies versprochen, doch es ist wohl eher die Hölle.
Sprach ER: Wie konnte ich ahnen, dass ihr in der Lage sein würdet, das Schöne zu gebrauchen, um Hässliches damit zu tun; das Prickelnde zu überhöhen zu einem tödlichen Vulkan; das Gute zum Bösen werden zu lassen, ohne dass es sein Gesicht verändert? Und vergiss nicht: Auch in dir wohnt die Schlange.
ICH - so sprach ER weiter - nehme die Schuld aber auf mich. Denn ihr wart meine Idee. ICH werde es wieder gut machen.
Da trat eines der Lichtwesen aus der Dämmerung hervor und sagte: HERR, wie willst DU das wieder gutmachen!? Was DU geschaffen hast, hast DU geschaffen. Und die Welt wird ernten, was DU in sie hineingesät hast. DU hättest es doch vorher wissen müssen.
Ich weiß - sprach ER - und ich muss mir eine gute Lösung einfallen lassen, eine, die nicht wieder in Böses verwandelt werden kann.
So geschah es Äonen später - nicht nur das eine Mal, sondern bis heute wiederholt --- doch es hielt immer nur kurze Zeit, für ein paar Jahrzehnte, oder wenige Jahre, oder nur für Momente. Und immer noch und wohl bis in alle Ewigkeit, macht der Mensch das Schöne zu Hässlichem, das Prickelnde zum tödlichen Vulkan, das Gute zum Bösen.
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