MIGRATIONSHINTERGRUND - WANN? WER? WESHALB? WIEVIELE? - Mit Rückblick bis in die Zeit von "damals" ...
MIGRATIONSHINTERGRUND
Ein Begriff, viele Definitionen
Quelle: Statistisches Bundesamt 2020
Der Begriff Migrationshintergrund wird seit der Jahrtausendwende vermehrt genutzt, um Zugewanderte und ihre Nachkommen zu beschreiben. Seit 2002 werden für die nationale Auswertung der PISA-Studien „Jugendliche mit Migrationshintergrund“ abgegrenzt, bei denen „mindestens ein (1) Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde“. Ab 2001 arbeiteten auch Kommunalstatistikerinnen und Kommunalstatistiker daran, mithilfe der Melderegister einen „Zuwanderungshintergrund“ abzuleiten. Das Statistische Bundesamt begann 2006, einen Migrationshintergrund auf Basis des Mikrozensus 2005 auszuweisen, die neuen migrationsbezogenen Merkmale enthielt. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand kein Konsens, wie ein Migrationshintergrund in einer Repräsentativstatistik zu definieren ist. Ziel war eine flexible und transparente Definition, die zur Diskussion gestellt wurde. Parallel etablierten sich weitere Definitionen eines Migrationshintergrunds in den Kommunalstatistiken, im Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowie den Teilhabegesetzen der Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin. Auch mit dem Zensus 2011 wurde ein Migrationshintergrund abgegrenzt, der jedoch nur Zuzüge ab 1956 berücksichtigt.
Am Zensus 2011 orientieren sich das aktuelle Integrationsmonitoring der Länder und das Partizipationsgesetz Baden-Württembergs. Zusätzlich existiert der Begriff „Migrationshintergrund“ in der Kinder- und Jugendhilfestatistik, den Schulstatistiken der Länder, sowie in nationalen und internationalen Erhebungen. Seit dem Jahr 2000 führt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) internationale Untersuchungen über die Leistungen von Schülerinnen und Schülern unter dieser Bezeichnung durch. Die Ergebnisse werden seitdem in der Fachserie „Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ veröffentlicht (Statistisches Bundesamt, 2020).
Seit 2015 wird die Zensusdefinition zur Abgrenzung genutzt und auf die Mikrozensusdaten angewendet. Für eine (weitgehende) Vergleichbarkeit unterschiedlicher Statistiken wird oft der Wunsch geäußert, sich auf eine einheitliche Definition zu einigen. Aber keine Definition kann allen Erkenntnisinteressen gerecht werden, die von der Planung von Plätzen in Kindertagesstätten über Fördermaßnahmen für den Arbeitsmarkt, dem Nachweis von Benachteiligungen bis zur Messung von Gleichbehandlung und Repräsentanz reichen. Um die hierzu notwendigen Diskussionen datenbasiert führen zu können, sind im Folgenden unterschiedliche Operationalisierungen eines Migrationshintergrunds einander gegenübergestellt. Für den zahlenmäßigen Vergleich werden die Daten des Mikrozensus 2018 genutzt, weil mit ihnen umfangreich migrationsbezogene Variablen vorliegen, die es ermöglichen, verschiedene Abgrenzungen vorzunehmen.
Der gesamte Beitrag bezieht sich ausschließlich auf Personen in Privathaus- halten am Hauptwohnsitz, da für Personen in Gemeinschaftsunterkünften seit 2017 nicht mehr alle für die Bestimmung eines Migrationshintergrunds notwendigen Informationen erhoben werden.
Im Folgenden werden die Grundannahmen hinter den Unterscheidungen nach familiärem Migrationsbezug, Staatsangehörigkeit und Wanderung angerissen und dargelegt, welche Möglichkeiten der Operationalisierung sie bieten und wie sie sich zahlenmäßig auswirken. Mit dem Mikrozensus 2017 wurden Fragen geändert und weitere ergänzt. Fragen der Integration wurden in der bundesdeutschen Geschichte auch früher schon intergenerational betrachtet, das heißt neben selbst Zugewanderten waren auch ihre Nachkommen von Interesse. Die Nachkommen von ausländischen Zugewanderten rückten ab den 1970er-Jahren in den Fokus von Statistik und Forschung. Die meisten der im Folgenden vorgestellten Abgrenzungsvarianten eines Migrationshintergrunds sind intergenerational. Dabei erfolgt eine Klassifikation auf der Basis von Elterneigenschaften, wenn die Person selbst nicht die definitorischen Bedingungen für die Zuweisung eines Migrationshintergrunds erfüllt. Bei den Mikrozensusfragen zur Zuwanderung und Staatsangehörigkeit der Eltern handelt es sich um Auskünfte über Dritte, die gegebenenfalls aufgrund fehlenden Wissens nicht gemacht werden können. Deshalb gibt es bei diesen Fragen höhere Anteile fehlender Antworten. Hinzu kommt, dass sich Familienkonstellationen ändern können und damit auch die Angaben zu den Eltern.
Als besonders stabil können alle Angaben gelten, die Auskunftsgebende zu sich selbst machen, sowie die Angaben, die daraus resultieren, dass sowohl Eltern als auch Kinder in einem gemeinsamen Haushalt befragt werden (interne Elterninformation). Solche Angaben dienen zur Abgrenzung des Migrationshintergrunds „im engeren Sinn“ in den Veröffentlichungen von Mikrozensusergebnissen des Statistischen Bundesamtes. Seit 2017 liegen die zuvor nur alle vier Jahre verfügbaren Angaben zu den Eltern, die nicht mehr mit den Befragten im selben Haushalt wohnen (externe Elterninformation), jährlich vor. Sie werden genutzt, um den Migrationshintergrund „im weiteren Sinn“ zu bestimmen. Insbesondere für die Zuzugsjahre von nicht mehr im Haushalt der Befragten lebenden Elternteilen (externe Elterninformation) fehlen häufiger Angaben als für ihre Geburtsländer. Im Mikrozensus werden die Fragen zu den sozialen Eltern gestellt, das heißt auch zu Stief-, Pflege- beziehungsweise Adoptiveltern.
Die Europäische Union schreibt die Erhebung der Staatsangehörigkeit(en) in Migrationsstatistiken vor und definiert Staatsangehörigkeit als „the particular legal bond between an individual and his or her State, acquired by birth or naturalisation, whether by declaration, choice, marriage or other means according to national legislation“ (Verordnung [EG] Nr. 862/2007; Artikel 2, Absatz 1, Buchstabe [d]). Staatsangehörigkeiten bleiben nicht zwangsläufig im Lebensverlauf stabil, sie können erworben, aufgegeben oder verloren werden. Unsicherheiten bezüglich der Staatsangehörigkeit ergeben sich zeitweise aus Mobilität, wenn sich Grenzen über Menschen bewegen oder Menschen über Grenzen. Beide Mobilitätsformen sind für Deutschland prägend, es gab Grenzverschiebungen, Zu- und Abwanderung. Wird die deutsche Staatsangehörigkeit zur Abgrenzung des Migrationshintergrunds genutzt, wirken sich Besonderheiten des bundesdeutschen Staatsangehörigkeitsrechts auf die Kategorisierung aus. Zu diesen Besonderheiten gehören, dass erstens neben deutschen Staatsangehörigen auch Flüchtlinge und Vertriebene sowie deutsche Minderheiten im Ausland mit deutscher Volkszugehörigkeit und Verfolgungsschicksal staatsangehörig sind (Artikel 116 Grundgesetz).
Letztere wanderten bis 1993 als Aussiedlerinnen und Aussiedler zu und seitdem als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Zweitens wurde bis zum Jahr 2000 die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt ausschließlich über das Abstammungsprinzip erworben. Seit 2000 erhalten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt. Drittens war das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht bis 1975 patrilinear strukturiert und auf die Institution der Ehe ausgerichtet. Deutsche Väter gaben ihre Staatsangehörigkeit nur in einer Ehe weiter. Erst seit 1993 können auch außerehelich geborene Kinder nach einer Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.
Die von 1949 bis 1990 existierende Staatsbürgerschaft der ehemaligen DDR wird hier nicht näher betrachtet, weil sich die Erhebung des Mikrozensus auf das bundesdeutsche Staatsangehörigkeitsgesetz bezieht. Für die aktuellen Grundlagen des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit siehe §§ 3 und 4 Staatsangehörigkeitsgesetz. Kinder deutscher Mütter, die mit einem Ausländer verheiratet waren, wurden als Ausländerinnen und Ausländer geboren und mussten sich zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einbürgern lassen. Seit 1975 erhalten Kinder von mit einem Ausländer verheirateten deutschen Müttern (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit.
Zudem wurde viertens die deutsche Staatsangehörigkeit während der Zeit des Nationalsozialismus durch Gesetze und Verordnungen überprägt. Sie führten zum einen zu Ausbürgerungen von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern sowie von Regimekritikerinnen und Regimekritikern, zum anderen zu Sammeleinbürgerungen von Menschen, die als „deutsche Volkszugehörige“ betrachtet wurden oder als „ehemalige polnische Staatsangehörige deutschen Volkstums“. Diese vier Besonderheiten bewirken unter anderem, dass Daten zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit mit Unsicherheiten behaftet sind. Es ist nicht möglich, alle individuellen und historischen Konstellationen problemfrei im Fragebogen zu erfassen, der sich am aktuell gültigen Staatsangehörigkeitsgesetz orientiert.
Im Folgenden werden drei Varianten der Operationalisierung eines Migrationshintergrunds anhand der Staatsangehörigkeit vorgestellt.
Variante 1.1: Selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren Diese Abgrenzung nutzt das Statistische Bundesamt in den Veröffentlichungen der Mikrozensusergebnisse über die „Bevölkerung mit Migrationshintergrund“. Dabei wird der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt über zwei Generationen zur Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund herangezogen. Nach dieser Definition hatten 20,8 Millionen Personen im Jahr 2018 einen Migrationshintergrund. Hierzu zählen auch Personen, die lediglich ein nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit. Im Juli 1933 wurde das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit erlassen. So etwa die Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. März 1941 (Reichsgesetzblatt Teil I, Seite 118 ff.).
In der Variante 1.2 haben ausschließlich Personen einen Migrationshintergrund, die selbst oder deren beide Elternteile nicht mit der deutschen Staatsangehörigkeit geboren wurden. Werden Personen, die laut Variante 1.1 einen einseitigen Migrationshintergrund haben (2,8 Millionen), entsprechend der engeren Abgrenzung zu den Personen ohne Migrationshintergrund gezählt, hatten 18,0 Millionen Menschen im Jahr 2018 einen Migrationshintergrund.
Variante 1.3: Ausländer/-innen und Staatenlose Nach dem Ausländerkonzept werden alle Personen betrachtet, die zum Zeitpunkt der Befragung nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (Staatenlose eingeschlossen). Diese Variante beschränkt sich auf die Abgrenzung von „deutsch“ im Gegensatz zu „nicht deutsch“ und ist eine Rückkehr zum traditionellen Prinzip, die Bevölkerung ausschließlich nach Staatsan- gehörigkeit zu unterscheiden. Angaben zur Staatsangehörigkeit von im Befragungshaushalt lebenden Personen (nicht jedoch zu ihren in einem anderen Haushalt lebenden Eltern) liegen in der Regel vor. Daher hat diese Abgrenzung eine große Kontinuität und Verbreitung in der (Bevölkerungs-)Statistik und sichert damit die Ver- gleichbarkeit. Im Jahr 2018 waren laut Mikrozensus 9,9 Millionen Personen in Privathaushalten Ausländerinnen und Ausländer oder Staatenlose.
Abweichend zu den Varianten 1.1 und 1.2 wird die Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Befragung berücksichtigt und nicht zum Zeitpunkt der Geburt. Elterninformationen bleiben unberücksichtigt. Doppelstaatlerinnen und Doppelstaatler, die sowohl die deutsche als auch mindestens eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler, aus dem Ausland Adoptierte und Eingebürgerte haben nach dieser Definition als Deutsche keinen Migrationshintergrund.
Ein anderer Ansatz, den Migrationshintergrund zu definieren, basiert auf der individuellen Zuwanderung von Personen oder ihrer Eltern(-teile). Eine verbindliche Definition von „Migration“ und damit Wanderung gibt es jedoch nicht. Die International Organization for Migration (IOM) definiert in ihrem Glossar Migration als: „The movement of persons away from their place of usual residence, either across an international border or within a State“ (IOM, 2019). Sie weist aber explizit darauf hin, dass dies keine legale Kategorie begründen soll. Aktuell wird Migration im Mikrozensus über die Merkmale Geburt im Ausland, Zuzug(-sjahr) und die jeweils entsprechenden Informationen zu den Elternteilen abgebildet.
Variante 1.1 selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren 20,799
Variante 1.2 selbst oder beide Elternteile nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren 18,034
Variante 1.3 Ausländer/-in (aktuelle Staatsangehörigkeit) 9,907
Variante 2.1 selbst zugewandert oder selbst nicht, aber mindestens ein Elternteil zugewandert 22,255
Variante 2.2 selbst zugewandert oder selbst nicht, aber beide Elternteile zugewandert 18,182
Variante 2.3 selbst zugewandert 13,577
Vertriebene des Zweiten Weltkriegs und ihre Nachkommen werden in diesen Berechnungen nicht als Zugewanderte erfasst. S
Ist jemand im Ausland geboren, wird aber in Deutschland im Rahmen des Mikrozensus befragt, wird eine Zuwanderung angenommen. Für die Eltern gilt dies nicht: Sind sie im Ausland geboren, kann es genauso sein, dass sie nicht zugewandert sind und noch im Aus- land leben oder verstorben sind. Im internationalen Vergleich wird oft die Kategorie foreign born, also die im Ausland Geborenen betrachtet. Diese Abgrenzung ist relativ einfach und klar, enthält aber auch Menschen, die aus nationalstaatlicher Perspektive nicht als Migrantinnen oder Migranten gelten. In Deutschland betrifft dies die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen und im Ausland als Deutsche geborene Kinder von Eltern, die als Deutsche geboren wurden. Wer zur Kategorie der Migrantinnen und Migranten zu zählen ist, variiert von Staat zu Staat und unterliegt Änderungen.
Bei einer Betrachtung von Wanderung muss im deutschen Kontext das gemeinte Territorium durch einen Zeitraum näher definiert sein. Grundsätzlich bezieht sich der Mikrozensus auf das heutige Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Auf dieses Gebiet zugewandert sind auch Flüchtlinge und Vertriebene des Zweiten Weltkriegs sowie Menschen, die vor oder während des Zweiten Weltkriegs aus den Ostprovinzen des Deutschen Reichs in westliche Staatsteile umzogen. Mittlerweile betrifft dies nur noch Personen im Alter von über 70 Jahren. Vertriebene, die vor 1950 auf das heutige Bundesgebiet zuwanderten, sowie ihre Kinder werden trotz ihres Zuzugs auf das heutige Bundesgebiet nicht in die Kategorie „mit Migrationshintergrund“ gezählt. Die Datumsgrenze wird in der Variante 1.1 (derzeitige Mikrozensusdefinition des Statistischen Bundesamtes) verwendet, um Vertriebene eindeutig von Aussiedlerinnen und Aussiedlern abzugrenzen und zur Vergleichbarkeit auch auf die anderen hier vorgestellten Varianten angewandt. Bei fehlenden Angaben bleibt der Sachverhalt unklar. Personen, die angeben, sie hätten die deutsche Staatsangehörigkeit als Aussiedlerin oder Aussiedler erworben, seien aber vor 1950 auf das heutige Staatsgebiet zugewandert, werden im Rahmen einer Plausibilisierung als Vertriebene kategorisiert. Bei ihnen handelt es sich vermutlich um Statusdeutsche, die zwar nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind, diese aber aufgrund ihrer „deutschen Volkszugehörigkeit“ erhalten haben.
Eine Ausnahme sind die im Ausland als Deutsche Geborenen mit zwei Elternteilen, die ebenfalls mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind. Sie haben in Variante 1.1 keinen Migrationshintergrund. Zugewanderten im Alter von unter 70 Jahren handelt es sich um Personen, denen auch ein Migrationshintergrund zugewiesen wird. Die Definitionen der Bundesagentur für Arbeit sowie die Partizipations- und Teilhabegesetze von Berlin und Nordrhein-Westfalen berücksichtigen Zuwanderung generell erst ab 1950, im Zensus 2011 sowie im Partizipationsgesetz Baden-Württembergs wird Zuwanderung erst ab 1956 erfasst. Hierdurch werden Ausländerinnen und Ausländer sowie Eingebürgerte, die vor diesen Jahresgrenzen zugewandert sind, nicht als Personen mit Migrationshintergrund klassifiziert. Anhand der Klassifikation nach Wanderung ergeben sich folgende drei Definitionsvarianten.
Variante 2.1: selbst oder mindestens ein Elternteil zugewandert Wenn laut Definition die Person selbst oder mindestens ein Elternteil zugewandert ist, hatten im Jahr 2018 nach den Ergebnissen des Mikrozensus 22,3 Millionen Personen einen Migrationshintergrund. Diese Zahl verringert sich um etwa 400 000 Personen, wenn nur Zuwanderung ab 1950 betrachtet wird, beziehungsweise um rund 600 000 Personen, wenn Zuwanderung erst ab 1956 berücksichtigt wird.
Variante 2.2: selbst oder beide Elternteile zugewandert Im Unterschied zu Variante 2.1 wird in dieser Definition des Migrationshintergrunds auf die Wanderungserfahrung beider Elternteile abgestellt. Nur wenn die Person selbst oder beide Eltern im Ausland geboren sind, wird ein Migrationshintergrund zugewiesen. Nach dieser Definition hatten 18,2 Millionen Personen im Jahr 2018 einen Migrationshintergrund, rund 4,1 Millionen in Deutschland Geborene mit lediglich einem zugewanderten Elternteil weniger als in Variante 2.1.
Wird zusätzlich als einheitliche Datumsgrenze das Jahr 1950 für die Zuwanderung berücksichtigt, so sind 18,1 Millionen Menschen entweder selbst zugewandert oder dies traf auf beide Elternteile zu. Bei 1,3 Millionen von ihnen liegen keine Angaben zum Zuzugsjahr (der Eltern) vor. Sie wurden in Variante 2.2 mit einbezogen, da angenom- men wird, dass sie zugewandert sind, weil sie beziehungsweise ihre Eltern im Ausland geboren wurden.
Variante 2.3: selbst zugewandert/foreign born. Restriktiv wird ein Migrationshintergrund abgegrenzt, wenn lediglich Zugewanderte, also nur Personen, die selbst im Ausland geboren und zugewandert sind (foreign born), betrachtet werden, ohne weitere Informationen zu den Eltern einzubeziehen. Diese Abgrenzung ist einfach und auch deshalb im internationalen Kontext geläufig. Nach dieser Definition hatten im Jahr 2018 in Deutschland 13,6 Millionen Personen einen Migrationshintergrund.
Zwischenfazit Je nach gewählter Definition unterscheidet sich die Zahl derjenigen deutlich, die in die Kategorie „mit Migrationshintergrund“ fallen. In den engsten Definitionen nach Ausländerinnen und Ausländern beziehungsweise selbst Zugewanderten (Varianten 1.3 beziehungsweise 2.3) hatten 2018 in Deutschland rund 9,9 Millionen beziehungsweise 13,6 Millionen Menschen in Privat- haushalten einen Migrationshintergrund. In der am weitesten gefassten Variante 2.1 sind es 22,3 Millionen Personen, die in diese Kategorie fallen. Dazwischen liegen die anderen Varianten, unter anderem die derzeit im Mikrozensus durch das Statistische Bundesamt verwendete Definition (Variante 1.1), die 20,8 Millionen Personen mit Migrationshintergrund im Jahr 2018 aus- weist. Die Wahl der Definition verändert den Umfang der zu definierenden Kategorie „mit Migrationshintergrund“ um bis zu 12,4 Millionen Personen, wenn die Daten des Mikrozensus 2018 verwendet werden. Diese große Varianz zeigt auch die starke Heterogenität der Personen mit potenziellem Migrationshintergrund. Wo Unterschiede zwischen der auf Staatsangehörigkeit basierenden Vari- ante 1.1 und den auf Wanderungserfahrung basieren- den Alternativen liegen, wird im Folgenden vertieft. 16 Im Gegensatz zur nationalen Berichterstattung Deutschlands, die von Beginn an einen einseitigen Migrationshintergrund eingeschlossen hat, wurde international 2018 erstmals eine Kategorie „mixed heritage“ ausgewiesen, die mit einem einseitigen Migrationshintergrund vergleichbar ist Kombination der Konzepte „Staatsangehörigkeit“ und „Wanderung“ und Wanderungserfahrung überschneiden sich, sind aber nicht deckungsgleich. Eine kombinierte Betrachtung führt zu unterschiedlichen Teilpopulationen.
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