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Schussental-Medial
Ich vermute, vielen von uns ergeht es wie den Menschen, die die Krankenschwester Bronnie War über '5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen' befragte. Ihr Ergebnis
- Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben.
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- Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.
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- Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.
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- Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrechterhalten.
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- Ich wünschte mir, ich hätte mir erlaubt, glücklicher zu sein.
Entnommen aus dem Buch "50 philosophische Erkenntnisse ..." von Ulrich Hofmann, Goldmann-Verlag, Seite 27
'Sankt Martin' (11.11.) und die Frage nach der "Sozialen Gerechtigkeit" in unserer Gesellschaft ...
Stefan Weinert, Blogger mit Aussicht
In diesen Tagen wird landauf und landab der "Sankt-Martins-Tag" (11.11.) begangen. Kindergärten und Elterngruppen ziehen mit ihren Kids und brennenden Laternen in abendlichen Stunden durch die Straßen der Stadt. Andere vergnügen sich auf den traditionellen "Martini-Märkten", welche sozusagen den Prä-Advent mit ihren überbordenden Weihnachtsmärkten per Glühwein und gebrannten Mandeln einläuten. Anderswo wiederum ist der 11.11. der Start in die "tollen Tage", dem Fasching und Karneval.
Doch was hat es eigentlich mit dem "Heiligen Martin" auf sich, und warum gedenken wir seiner? Und was hat er eventuell mit sozialer Gerechtigkeit zu tun? Spiegelt sich das Wirken dieses Mannes in der Art und Weise wie wir ihn heute "feiern" (?) eigentlich wider?
Spendet von dem Guten, das ihr erworben habt, und von dem, was für euch aus der Erde hervorkommt, und sucht darunter zum Spenden nicht das Schlechte aus, um es als Almosen zu geben, das ihr selber nicht nehmen würdet, ohne dabei die Augen zuzudrücken.
Liebe Leser/innen,
was glauben Sie, woher dieser Satz stammt?
- Aus der Bibel?
- Aus den Überlieferungen der Indigenen (Indianer) Nordamerikas?
- Stammt der Satz vielleicht aus dem "Kapital" von Karl Marx?
- Oder ist es einer der Glaubenssätze der Mormonen?
- Ist es ein Zitat des Propheten Mohammed?
- Handelt es sich womöglich um einen Auszug des Manifestes der Lebensmittelretter, welche noch genießbare Esswaren aus den Containern retten?
- Oder aber ist dieser Satz ein Kommentar zu den Texten der allgemeinen Menschrechte?
Die Antwort, liebe Leser und Leserinnen, finden Sie ganz unten - auf dem Kopf geschrieben - damit Sie nicht gleich die Antwort vorgefertigt finden.
Wie auch immer - es ist ein ganz wichtiger Satz, der - wie wohl eventuell auch das Gedenken an den "Heiligen Martin" - mit dem leider heute schon wertlos gewordenen Begriff "soziale Gerechtigkeit" zu tun hat. Wertlos deshalb, weil diese Formulierung durch ständige, aber inhaltslose Wiederholungen die Inflation der Weimarer Republik fast in den Schatten stellt.
Denn "sozial-gerechtes" Verhalten hat absolut nichts mit dem Geben von "Almosen" - wie im obigen Zitat erwähnt - zu tun. Vielmehr ist es genau das "Antonym" von der sozialen Gerechtigkeit und bedeutet wörtlich: Mitleid, Mildtätigkeit, Erbarmen, milde Gabe, die dem Geber/Geberin nicht weh tut und dem Empfänger nicht wirklich weiterhilft.
Ob es nun die SPD ist, oder die Linken es waren, oder die "Grünen" und die CDU/CSU meinen, es zu erfüllen, oder Sahra Wagenknecht dieses rein verbale Element in der zukünftigen Zeit gebrauchen wird, sie alle haben das "Soziale" verraten. Ganz schlimm tat dieses die S(oziale)PD im Jahr 2005 mit der Hartz-IV-Gesetzgebung. DENN --->
"Sozial" bedeutet von seinem Wort-Ursprung, ---> hälftig teilen, teilhaben lassen von und an dem, was man/frau selbst hat. Adressat dieses "Sozialen" ist der/die Person, welche NICHTS, oder nicht so viel hat, wie der/die, die aufgefordert wird, entsprechend zu geben. Wer dazu nicht bereit ist, sollte auch dazu stehen und zugeben, dass es ihm schwerfällt (und wer von uns will sich davon freisprechen?), das hart erarbeitete wirklich so zu teilen, wie man/frau ein Laib Brot hälftig teilt, damit der Nachbar nicht verhungert. Aber dann sollte nicht von "sozial" gesprochen werden. Das wäre dann ehrlicher.
Was gemeint ist, "feiern" wir eigentlich jedes Jahr vor allem im süddeutschen Raum am 11. November - und seit über 1.500 Jahren haben wir Menschen es doch nicht begriffen. Der römische Offizier Martinus von Tours (316/317 bis 397), ritt im Winter 334 n. Chr. durch das Stadttor von Amiens (heute Frankreich) und sah dort einen unbekleideten Mann um Almosen bittend. Der Römer hatte außer seinen Waffen und seinem Militärmantel und ein paar Münzen nichts bei sich. Statt aber dem Bettler eine (1) Messing-Sesterze hinzuwerfen und weiter zu reiten, hielt er an, teilte seinen Mantel mit dem Schwert in zwei gleichgroße Hälften und gab diese dem Nackten. Der Mythe nach soll dem Soldaten in der folgenden Nacht im Traum der Zimmermann von Nazareth (Jesus) erschienen sein, und bekleidet mit dem halben Mantel, den Martinus am Stadttor zurückgelassen hatte, sagte dieser: „Ich bin nackt gewesen und du hast mich gekleidet … Was du diesem Geringsten getan hast, das hast du mir getan."
Nicht einmal die Kirche, welche diese Geschichte bis heute tradiert hat, hält sich daran, obwohl sie "Mäntel", Brot und "Dächer über dem Kopf" genug hat. Wie soll es da - bei diesem schlechten Vorbild - der Staat oder der einzelne Bürger tun?!
- Wenn du auf den Mount Everest willst, dann peile den Mond an (Exupéry)
Und wirkliche "Gerechtigkeit" ist ein Zustand, den es in dieser Welt eigentlich nicht gibt und auch nie gegeben hat. Schon gar nicht, wenn dieser Begriff in der Denk-Weise der "Aufklärung" ausgelegt wird. Denn dort - abgeleitet von den alten griechischen Philosophen - bedeutet "Gerechtigkeit" (griechisch: dikaiosyne): jeder erhält ein gleich großes Stück vom Kuchen. Nimmt man/frau die biblische Anschauung von "Gerechtigkeit", dann klingt das schon ganz anders, aber dennoch scheinbar auch unerreichbar: gerecht ist, wenn jeder Mensch das erhält, was er benötigt, um ein Leben führen zu können, in dem seine Grundbedürfnisse (Mantel, Brot, Dach über dem Kopf) vorhanden sind.
Auch da gibt es eine alte Geschichte, die - selbst wenn es sich hier um eine Mythe handeln sollte - zeigt, was gemeint ist. Am Tor der wohl ältesten Stadt der Welt - Jericho - saß vor rund 2.000 Jahren ein blinder Mann und bettelte, bat also um diese bekannten Almosen. Er hörte, wie eine große Menschenmenge vorbeizog. Und als er mitbekam, dass der Prophet Jesus der Grund dafür war, schrie er: "Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" Und tatsächlich blieb der Nazarener stehen. Doch statt ihm zehn Denare hinzuwerfen fragte der den Blinden, wissend, dass diesem die Denare für ein paar Tage aber nicht länger helfen würden, was er denn wirklich bräuchte. "Mach mich sehend," war die mutige, verblüffende Antwort. Und genauso geschah es. Jesus gab ihm das Augenlicht zurück. Damit war dieser Mann gesellschaftlich wieder integriert. Denn sehend konnte er nun einer Arbeit nachgehen, und in der Folge sich Brot und Mantel und ein Dach über dem Kopf leisten. Das ist Gerechtigkeit.
Deshalb sollten wir auch den heute schon inflationären Begriff "Gerechtigkeit" - und vor allem mit dem Affix "sozial" mit großer Vorsicht behandeln und wieder ins angemessene Licht rücken. Und wer es sich ins Parteiprogramm schreibt, sollte es vorher praktiziert haben.
Wirklich "sozial-gerechte" Menschen sehen wir in unserer Gesellschaft so gut wie keine. Nicht, weil es sie nicht gibt, sondern weil sie still und im Verborgenen und unerkannt am Nächsten agieren -ohne ein Aufheben darüber zu machen.
Tja lieber Blogger, wenn das so ist, dann können wir ja gleich alle einpacken, oder? Nein, natürlich nicht. "Soziale Gerechtigkeit", so wie oben ausgeführt, ist zwar ein schier unerreichbares Ideal unter Milliarden von Egoisten (mich eingeschlossen). Aber es sollte als Ziel nicht aus dem Auge verloren gehen - ist doch der Weg das Ziel. Und selbst wenn wir das Ideal (oben im Bild = der Mond) nicht erreichen, der Gipfel des "Mount Everest" ist nachweislich durch Menschen erreichbar.

🔊 "Nun, da ihr wisst, wie alles enden kann - vergesst es nie, wie es begann!"
Dieser Satz stammt von Walter Mehring (1896 - 1981), einem der von den Nazis "verbrannten Dichter". Walter Mehring war Jude, Sohn des Publizisten und Übersetzers Sigmar Mehring; seine Mutter war die Prager Opernsängerin Hedwig Löwenstein, die nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie am 9. August 1942 starb. Mehring besuchte das Königliche Wilhelms-Gymnasium, bis er wegen „unpatriotischen Verhaltens“ von der Schule gewiesen wurde (relegiert), und sein Abitur extern ablegen musste. In den Jahren 1914/15 studierte er zweieinhalb Semester Kunstgeschichte in Berlin und München.
Walter Mehring war nicht so bekannt wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Mascha Kaleko oder Bert Brecht. Er verließ 1921 Deutschland und ging - angeekelt von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in seinem Heimatland - nach Paris. Aufgrund der furchtbaren Ereignisse des Krieges von 1914 bis 1918 war ihm bewusst, dass noch Schlimmeres möglich sein und kommen wird. Unerlässlich hatte er immer wieder vor dem gewarnt, was dann 1933 und in den kommenden 12 Jahren auch tatsächlich dann geschah. 1928 kehrte Mehring nach Deutschland und nach Berlin zurück. Er wurde in Berlin geboren und starb in Zürich (Schweiz)
1933 forderte Joseph Goebbels in seiner Zeitung "Der Angriff" den Galgen für Walter Mehring und wenige Stunden vor seiner Verhaftung, warnte ihn Mascha Kaleko und es gelang ihm, mit dem Abendzug nach Paris zu entkommen, wo er genüsslich Ossietzkys "Weltbühne" las, in der sein aktuelles Gedicht "Die Sage vom großen Krebs" abgedruckt war. Er hatte Carl von Ossietzky kurz zuvor ebenfalls gewarnt, da auch er auf der "Schwarzen Liste" der Nazis stand. Doch der wollte Deutschland nicht verlassen und wurde tags darauf von der SS verhaftet.
Walter Mehring war ein Schreibender, ein Journalist, ein - so würde wir heute adaptiert und zeitgemäß sagen - ein Medium und - ganz modern - ein in den damaligen sozialen Netzwerken tätiger Publizist, ein Blogger.
Vor rund einhundert (100) Jahren, in der Zeit der in Deutschland mehr und mehr heruntergekommenen Demokratie, die sich sukzessive zu einer regressiven wilhelminischen Staatsform entwickelte (Präsident Hindenburg als Kaiserersatz), hin zu einer - von ihm vorausgesagten - Diktatur, schrieb Mehring, was eigentlich im Jahre 78 nach WK II. noch gelten sollte:
Die geistige Entlarvung der Herrschenden, die mit der Würde der Nation ... ihre Zwecke tarnen: dies ist die Aufgabe des Schriftstellers ... Schriftsteller sein bedeutet: Anschauungen unbestechlich analysieren.
Bewusst schreibe ich diesen Artikel in der aktuellen Zeit, wo sich die schreibende Zunft, die Medien - print, digital, Rundfunk, TV - von dieser Aufgabe weitestgehend verabschiedet haben, um die Verkommenheit der deutschen Demokratie zu entlarven und korrumpiert zu "analysieren", was da eigentlich momentan "abgeht".
Mit Halbwahrheiten und verschwiegenen Fakten wird eine Welt aufgebaut, die es in Wahrheit nicht gibt - und es fängt vor Ort, in den Kommunen und Landkreisen an, wo Fakten verdreht oder gar abgestritten werden, nur um das Gesicht - verblasst im Mief der Büros - gewahrt bleibt und nicht enttarnt wird, worum es wirklich geht. Der eigentliche Verrat aber geht von jenen aus, die beide Seiten der Medaille nur zu gut kennen, aber nur die goldene (monetäre und opportunistische) Seite wählen, nicht aber die, die unsere Gesellschaft in den Abgrund führt. Denn täten sie das, wären sie ihren "guten Ruf" und ihre Jobs los.
1928 - nach seiner Rückkehr in Berlin - schrieb Walter Mehring die folgenden Zeilen:
Ich schreib und ich werde kein Atom verändern.
Mein Schreiben macht den Kohl und mich nicht fett!
Von Meetings, Bühnen, Radiosendern sind wir mit Weltverbesserungsideen komplett.
Man speist die Hungrigen mit fetten Lettern,
das heißt mal Volk, mal Vaterland, mal Gott.
Ach Gott! Errette uns vor unseren Rettern.
Die Welterlöser gründen ein Komplott.
SONNTAG - Stopp im Wahnsinn des Alltags ... Selbstreflexion statt Ideologisierung auf der Straße und Verblödung vor dem Fernseher ...
Der Sonntag sollte ja eigentlich der Tag sein, an dem die - zumindest christlich geprägte - Welt einen Augenblick innehält und dem Menschen die Möglichkeit gegeben wird, genauer hinzusehen, was er da die zurückliegende Woche erledigt oder eben nicht erledigt hat.
Statt des alltäglichen weiter, weiter und schneller, schneller und höher, höher und mehr, mehr, mehr. Denn in der Realität steht dieses "Innehalten" unter dem wechselnden Licht von Beschleunigung, Bruchlinien einerseits und der Sehnsucht nach Sinn andererseits. Das einzige Land, in welchem dieses "Gebot" ernstgenommen wird, ist Israel - kein christlich, sondern überwiegend jüdisch geprägtes Land. Dort ist es der Sabbath, an dem die Arbeit ruht. Der 7. Oktober 2023 war ein solcher Sabbath.

Abgesehen davon prägen Beschleunigung und Erschöpfung nicht nur unseren Alltag, sondern auch den Sonntag. Unsere Gegenwart ist getaktet durch ständige Verfügbarkeit, Echtzeitinformationen und das Gefühl, immer reagieren zu müssen. Diese Dauererregung lässt tiefe, langsame Reflexion verkümmern. Und wenn man/frau sich das Programmangebot der Fernsehsender RTL/ProSieben und Kochshows - auch beim ÖRR - und dergleichen betrachtet, dann kommt zu alle dem noch die sukzessive Verblödung der Mehrheit des Volkes, für die wir alle zahlen respektive zahlen müssen. Und das gleich im doppelten Sinne.
Der Rest der noch Nachdenklichen ist gespalten aufgrund der Krisen unserer Zeit: Klimaveränderung, Ukrainekrieg, deutsche Rentenpolitik, Wehrdienst ja oder nein und die Entwicklungen im Nahen Osten. Sie alle rufen beim Menschen - jedenfalls bei jenen, die nicht vor dem Fernseher verblöden - kollektive Schuldgefühle, Angst, Hass auf Andersdenkende oder Ohnmacht hervor.
Die gegensätzliche Narrative verstärken einerseits zwar Identitäten und "Glaubensgemeinschaften", verringern aber andererseits die Bereitschaft, die Welt durch fremde Augen zu sehen. Dazu kommt die digitale Überflutung, in welcher der/die Einzelne trotz der Flut von Kontakten, in der emotionalen Isolation endet.
Leugnung von Realitäten, Verdrängung von uns eigentlich betreffende Probleme und Projektion unseres Versagens treten nicht nur individuell, sondern vor allem kollektiv auf. Der Mensch verlagert Verantwortung nach außen, spaltet komplexe Probleme in ein einfaches Feind-Freund-Bild und beruhigt das Ich respektive das Kollektiv durch Ritualisierung.
Es ist letztlich die Suche nach der narzisstischen Kohärenz und stabilisierenden Selbstbildern in einer im Grunde zerrissenen Gesellschaft. Die so "gewonnene" Identität wird verteidigt, oft auf Kosten von Kurzatmigkeit in Diskussionen und Empathie-Verlust. Dabei sind viele Reaktionen primär nicht rational, sondern verlangen nach eigentlich notwendigen Prozessen der Selbstreflexion, die so aber ungelöst bleiben. Damit dominieren weiterhin Ohnmacht und Wut.
Helfen könnten hier die Rückkehr zu solidarischen Bindungen, die nicht nur instrumentell und vor allem ideologisch geprägt, sondern emotional und zwischenmenschlich getragen sind. Kleine Rituale des Abschaltens würden Raum zum Denken und zur Selbsterkenntnis schaffen. Fragen statt verurteilen; empathisches Zuhören statt sofortiger Verteidigung, und individuelle Schritte respektive kollektive Strukturen könnten sich bei der Annäherung an den Andersdenkenden wechselseitig stützen.
Wir leben in Zeiten, die uns eigentlich zwingen sollten, unsere inneren Räume zu befragen: Was hält mich? Wofür bin ich bereit, meine Gewohnheiten zu ändern? Wer bin ich in Gemeinschaft mit anderen? Der Sonntag wäre dafür ein geeigneter Stopp im Wahnsinn des Alltages. Doch die Antworten werden nicht als Blitz kommen, sondern als Serie leiser Umwandlungen. Wer diese Arbeit beginnt, gibt der Zukunft eine Form, in der weniger gebrüllt, gehasst, skandiert und ideologisiert, sondern mehr verstanden wird.
Stefan Weinert
"Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder" --- Versuch einer theologisch, psychoanalytisch und philosophischen Betrachtung ...
Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder
- Versuch einer theologisch, psychoanalytisch und philosophischen Betrachtung -
Griechischer Urtext
καὶ εἶπεν· ἀμὴν λέγω ὑμῖν, ἐὰν μὴ στραφῆτε καὶ γένησθε ὡς τὰ παιδία, οὐ μὴ
Kai eipen, amän legoo hymin, ean mä straphäte kai gen'ästhe hoos ta paidia, ou mä
εἰσέλθητε εἰς τὴν βασιλείαν τῶν οὐρανῶν
eis'elthäte eis tän basileian toon oupavoon. (oo = langes "o")
Deutsch
Und [Jesus] sagte: "Wahrlich, ich sage euch - wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kleinkinder, werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen."
Dieser Satz aus dem Matthäusevangelium Kapitel 18, Satz 3, ist nicht nur die Eintrittskarte in das "Reich der Himmel", sondern auch das allgemeingültige Rezept für einen "Frieden auf dem Planeten Erde - ohne Waffen". Denn Kleinkinder - und hier sind wirklich die ganz kleinen Kinder gemeint - streiten sich zwar mal kurz, aber während deren Eltern deswegen einen Nachbarschaftszickenkrieg anzetteln, spielen die "paidia" bereits wieder friedlich gemeinsam im Sandkasten, weil sie sich vertragen haben. Von dem Wort "paidion" = das Kleinkind, leitet sich unser Wort für "Pädagoge" ab.
Interessant auch, dass "Himmel" im Plural steht - übrigens genauso wie auch in der Schöpfungsgeschichte auf der ersten Seite der Bibel. Dabei meint hier im Text des Neuen Testaments (NT), "Himmel" nicht das, was wir über uns sehen, das Firmament, oder einen bestimmten Ort (im Englischen = sky), sondern mit "Himmel" ist eine bestimmte Lebensqualität gemeint (= heaven) - die bereits hier auf diesem Planeten, im Leben auf Erden zu erfahren ist. Ansonsten würde hier der Singular stehen. Der, oder besser gesagt, die "Himmel", beginnen nämlich auf Erden - oder er/sie beginnen nie.
Das "nur mal so nebenbei". Denn die kirchliche Vertröstung auf den "Himmel" auf das "Jenseits bei Gott" nach dem Tod auf Erden, ist hier von Jesus nicht gemeint. Die fünf Bücher Mose (Pentateuch), also der älteste Teil der jüdischen Bibel spricht nur Gott ein ewiges Leben zu und es wird dem Menschen abgesprochen. Zwar wird in späteren alttestamentlichen (
Wichtig ist das ganz genaue Hinschauen auf diesen Text, den ich dafür extra auch im griechischen Urtext wiedergegeben habe. Zwar stammt dieser "Urtext" nicht direkt aus den Federn (auf Papyrus) oder Griffeln (auf Tontafeln) der ursprünglichen Autoren, sondern aus den jüngsten Abschriften (etwa 2. und 3. Jahrhundert nach Jesus), die in Israel oder Ägypten gefunden wurden - und sind somit ziemlich nah dran am Ursprung. Übrigens näher, als die Abschriften der Reden und "Bücher" der alten Griechen und Römer im Original!
Jesus sagt nicht: "Wenn ihr nicht Kleinkinder bleibt" - denn das wäre kindisch und infantil, also negativ konnotiert, - sondern er meint: Auch wenn ihr erwachsen geworden seid, euch emotional von den Eltern (besonders von der Mutter) gelöst habt, euch mit "Gut und Böse" auseinandersetzt, Verantwortung übernehmt, was ja alles zur Individualisation eines jeden Menschen unbedingt auch notwendig ist, so ist es bei all dem doch wichtig, im Innern die Gesinnung eines Kleinkindes zu behalten, was sicher eine tägliche "Umkehr" von Konkurrenzdenken, Machtansprüchen, Besitzanhäufung und dergleichen, bedeutet. Und der Zimmermann aus Nazareth meint hier tatsächlich kleinste Kinder seiner Zeit - und nicht etwa jene Erwachsenen, die durch Taufe und Glaubensbekenntnis zu "Kindern Gottes" werden, die dennoch Kriege führen, einander töten, übervorteilen, betrügen und bestehlen und die Kleinsten missbrauchen.
Das griechische Wort "straphäte" leitet sich von dem Griechischen "strephoo" ab, was soviel wie "drehen, winden, Richtung wechseln" bedeutet. Das eingedeutschte Wort "Katastrophe" leitet sich ebenfalls davon ab und bedeutet wörtlich: "etwas, das sich nach unten (kata) wie eine Spirale dreht (strephoo)".
Um es mal so zu sagen: Den Himmel auf Erden, nicht nur für sich, sondern auch für den Mitmenschen, oder auch die vielen Himmel im Plural (für mich eine Anspielung darauf, dass nicht nur Juden und "Christen", Katholen und Evangele, sondern auch Muslime, Buddhisten und Atheisten und eigentlich ALLE) auf Erden zu schaffen, zu "implementieren", fällt uns allen zu und ist für uns alle auch möglich. Deswegen heißt es auch im universellen Gebet "Unser Vater", und nicht "mein" Vater. -
Es bedarf nur des täglichen Schrittes in Richtung "kindliches Vertrauen" und "kindliche Genügsamkeit". Wie gesagt: Der große Meister des Wissens meint die Kleinsten unter uns, deren Augen Unschuld und tiefstes Vertrauen aussenden. Wie schlimm es da in Wirklichkeit ist, solche Kinder zu missbrauchen, lässt sich nur mit den Worten Jesu ausdrücken: "It were better for him that a millstone (Mühlstein) were hanged about his neck, and he cast into the sea, than that he should offend one of these little ones." (King James Version)
Keine Rede ist von einem Ablass, erkauft mit Geld, um vom Konto der guten Taten des "Christus" etwas für sich oder die verstorbenen Verwandten abbuchen zu können; keine Rede von Geldspenden, von Kirch- oder Tempelgängen, von langen Gebeten oder Walfahrten zum Grab des Propheten, um in das Reich der Himmel gelangen zu können. Auch ist hier keine Rede von Taufe, Beichte und Abendmahl, um "open heaven" er-leben zu können. Das sollte zunächst einmal festgehalten werden.
Im Gegenteil. Denn statt des griechischen "straphäte" = sich umdrehen, um wie die Kinder zu werden, gilt nun das lateinische "perversus" = verdreht, verkehrt der Kirche und der Kirchen, denen der Gläubige zu dienen hat. Aus dem Kreis der Gleichgestellten, wurde die Pyramide der Machtstrukturen; aus dem sich gegenseitig die Füße waschen, wurden Weihrauch und Litaneien; aus dem "Hier und Jetzt", wurde die Vertröstung auf das nächste Leben, auf dem die Kirchen bis heute ihren Reichtum aufgebaut haben. Und ob es dieses jenseitige Leben wirklich gibt, weiß so recht niemand von uns.
Dass es den "Himmel auf Erden" geben kann wissen wir, weil es auch die "Hölle auf Erden" gibt. Im Großen und im Kleinen. Von den Kriegen, Seuchen, dem Holocaust und Vergewaltigungen aller Art - bis hin zum Mobbing am Arbeitsplatz oder im sozialen Umfeld.
Dabei ist die Gewichtung erschreckend. Denn - so wage ich es einmal zu schätzen - besteht das Leben der derzeit knapp acht (8) Milliarden Menschen, zu 99 Prozent aus "Hölle". Denn selbst die Reichen und die Schönen, die Mächtigen und Allmächtigen, leben in der Hölle ihres Egos. Nur dort, wo wir miteinander umgehen, wie kleine Kinder es miteinander tun, nur dort, wo wir die Welt als Kinder begreifen, kann es einen (1) der vielen (~~) Himmel geben.
Und das ist übrigens keine "Erfindung" des Nazareners vor gut 2.000 Jahren; sondern 550 Jahre vor ihm hat dies schon der Siddhartha Gautama in Indien erkannt und gelehrt, nachdem er zuvor als Königssohn in Prunk, Reichtum und Abgeschirmtheit vom grausamen Dasein gelebt, und diese "himmlische Sphäre" verlassen hatte. Freiwillig! Wer sich mit dem Buddhismus und der Bibel - vor allem den vier Evangelien - beschäftigt, kommt nicht umhin, einige wichtige Übereinstimmungen festzustellen. Von daher sind Thesen, Jesus sei zwischen seinem 13. und 30. Lebensjahr (über diese Zeitspanne im Leben Jesu schweigt die Bibel beharrlich) in Fernost gewesen und dort mit den Lehren des Erleuchteten = "Buddha" konfrontiert worden, ganz und gar nicht abwegig. Es ist sogar stark anzunehmen. Denn die uns heute bekannte Bibel lässt offen, was sich zwischen der Diskussion als Zwölfjähriger mit den Schriftgelehrten im Jerusalemer Tempel und seiner Taufe im Jordan, im Leben Jesu ereignet hat. Was aber nicht heißt, dass es darüber doch Niederschriften geben könnte, die uns aber seit dem Konzil von Nicäa (324 nach Jesus) - wie übrigens auch viele andere Evangelien und Aufzeichnungen über Jesus - vorenthalten werden, oder aber erst noch gefunden werden müssen.
Um diese Aussage des Zimmermanns von Nazareth einigermaßen richtig einordnen zu können, ist es von unbedingter Wichtigkeit, sie im Kontext zu lesen. Das gilt übrigens bis heute für jeden Satz und jedes Wort, jedes Ereignis, jeden Streit und Konflikt - oder Urteil über einen "Verurteilten". Ohne den Kontext zu kennen, und vor allem ihn nicht mit einzubeziehen, ist eine Fehlinterpretation so gut wie sicher - zumindest aber besteht eine, wenn auch "leichte" - Zielverfehlung nach dem Motto: "Knapp daneben, ist auch vorbei.
Das altgriechische Wort für "Zielverfehlung" heißt "hamarthia" - was Luther durchgehend mit "Sünde" übersetzt hat. Eine Wortschöpfung des Reformators. In der Bibel selbst aber kommt sie nicht vor. Der "Sund" trennt Festland und Insel voneinander. Die "Sünde" trennt Gott und Mensch voneinander. So, meinte Luther, das Volk würde verstehen, was gemeint ist. Gut gemeint, aber dennoch "irreführend", oder?
Im Vorlauf zu unserem Haupttext, wenden sich die zwölf jungen Männer - im Biblischen die "Jünger Jesus" genannt - mit einer für sie, und bis heute wichtige Frage, an ihren Lehrmeister. "Wer ist im Reich der Himmel der Größere/der Größte." Neudeutsch kann diese Frage gut und gerne mit "wer genießt bei Gott das größte Ansehen" übersetzt werden. Oder noch deutlicher, damit es jeder versteht: Wer wird am Ende beim großen "Neujahrsempfang" Gottes, in den ersten beiden Reihen sitzen dürfen, da wo vorher die Schilder "reserviert" lagen?
Es wird wohl vorher so eine Art Streit unter den Jüngern gegeben haben. [Die "King James Version" der Bibel übersetzt das Wort "Jünger" mit "disciple", woher das Deutsche "Disziplin" stammt.] Je nachdem, welche Stellung und Aufgabe sie im "Team Jesu" hatten. Das musste mal geklärt werden. Denn Petrus spielte sich dauernd in den Vordergrund, obwohl es andere waren, die vor ihm von Jesus berufen wurden. Und dann der, welcher behauptete, er wäre der Liebling Jesu. Judas dagegen klopfte auf den Geldbeutel und meinte, er sei es, auf den es ankommt. Matthäus, der einst als Kollaborateur im Zöllnerdienst der verhassten Römer stand erinnerte daran, dass Jesus ihn, den Kleinen, vom Baum geholt und anschließend in seinem Haus gespeist hat. Und so weiter.
Doch wenn Zwölf sich streiten ... Die Antwort des judäischen Predigers, der nie Theologie studiert oder ein Buch geschrieben hatte, war nun die folgende. Er rief eines der kleinen Kinder, dessen Mutter den Worten Jesus lauschte, zu sich, nahm es bei der Hand und stellte es in die Mitte der Erwachsenen und sagt genau diesen Satz: "Das ist die Wahrheit/Lösung eures Problems: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die kleinen Kinder, werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel kommen." Hört man/frau genau hin, dann ist diese Antwort nicht nur frappierend, sondern auch erschreckend. Denn in Jesu optisch-visueller und verbaler Antwort geht es gar nicht mehr um eine bestimmte Reihenfolge, den Tabellenplatz, sondern um das Grundsätzliche. Im Subtext und impliziert meint der HErr: Ihr macht euch Gedanken über euren himmlischen Status und das göttliche Ranking?! Das ist Unfug. Ihr werdet erst gar nicht die Himmelstür von Weitem sehen, wenn ihr nicht umkehrt von eurem Gehabe - und werdet wie eines dieser kleinen Kinder!!
Was nämlich diese "paidia" ausmacht ist die Tatsache, dass sie im Hier und Heute leben, nicht im Gestern verharren und auch nicht in die Zukunft träumen. Sie machen sich keine Sorgen wissend, dass Vater und Mutter sie versorgen und schützen. Und sie glauben (= vertrauen) alles (allem), was Mann und Frau ihnen erzählen, was einerseits für sie eine große Gefahr darstellen kann, anderseits an die Verantwortung der Großen appelliert. Der Text, also der Kontext, geht nämlich noch weiter.
Wer sich erniedrigt wie ein Kind, der - so Jesus ben Joseph - der wird der Größte im Himmelreich sein. Wenn ihr euch schon um das Ranking streitet, dann bitte unter dieser Prämisse! Das Griechische "erniedrigen" kann auch mit "demütigen" übersetzt werden. Doch welcher Erwachsene bringt schon die Demut auf - vor allem, wenn er/sie in Verantwortung steht - für einen begangenen Fehler das Volk, die Betroffenen um Ent-Schuldigung (Tilgung der Schuld) zu bitten? Es gibt da nur wenige, oder?
Und es geht auch nicht - wo oben schon erläutert - um eine irgendwie in zukünftigen von englischen (von "Engel") Gesängen getragenen Sphären, sondern es geht um das Gegenwärtige, das harte Leben auf dem Planeten Erde, auf dem es uns Menschen doch so wichtig ist, welchen Status wir bei anderen haben, welchen Titel, wieviel Aktien, welche Bildung, ein Alphatier oder Vorsitzender zu sein - ob nun mit oder ganz ohne einen Glauben an irgendeinen Gott.
Dabei gibt es Viele, welche behaupten, sie seien überzeugte Atheisten und/oder eher Buddhisten als Christen, und Viele, die am Fließband stehen oder vom Sozialstaat leben, und sind "Gott" doch näher als ein Bischof, ein Pfarrer, ein Pastoralreferent oder ein Dalai Lama.
"Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der/die nimmt micht auf." Ups! Wer hätte das gedacht. Meinten wir doch immer, Jesus in sein Leben aufnehmen, bedeute etwas ganz anderes! Wobei die Formulierung "in meinem Namen" zu verstehen ist mit, "in meinem Sinne" - "meinem Denken verpflichtet". So, wie sich heute Psychologen dem Denken eines S. Freud oder C.G. Jung verpflichtet fühlen; Theologen Küng, Drewermann oder gar Benedikt XVI. anhängen. Das, was zum Beispiel der Kinderschutzbund oder "UNICEF" weltweit machen, ist wahrer Gottesdienst!
Das alles gehört zum Kontext, zur "Metamitteilung", der jesuanischen Aussage im Titel dieses Aufsatzes. Das Lateinische "contexere" ist wörtlich mit "zusammenweben" zu übersetzen. Wer also den Kontext missachtet (siehe oben und siehe die Konflikte der Gegenwart: Kriege und Klima), der zerreißt - bildlich gesprochen - ein Kleidungsstück, nimmt davon einen Flicken und behauptet, dass sei alles, was er gefunden habe und baut darauf seine These auf. Missachtung der "kontextuellen Betrachtungsweise" ist das.
Es kommt nun noch schlimmer. Und gewiss haben Petrus & Partner bei ihrer Frage nicht geahnt, was sie hier lostreten. Es geht um den Missbrauch des unendlichen Vertrauens von Kleinkindern (paidia) und Kindern (teknon) gegenüber den Erwachsenen, den Eltern, Onkel, Tanten, Erziehern, und auch Fremden. Leider gibt es auch an dieser Stelle eine Übersetzung Luthers und anderer, die dem Original im Griechischen nicht gerecht wird. In Kapitel 18 Vers 6 heißt es: "Wer einen dieser Kleinen zur Sünde verführt ..." Bei der Formulierung "zur Sünde verführen", steht im Urtext nur ein (1) Wort: skandalisä! Dieser Begriff, der sich, wie leicht zu erkennen, von "Skandal" (damit ist des Stellholz in einer Falle gemeint) ableitet, ist wörtlich zu übersetzen mit "jemanden zu Fall bringen", oder auch "jemanden Arges zufügen".
Damit ist und kann alles das gemeint sein, was Kinder erleiden müssen, bis hin zu ihrem zu frühem- physischen oder zumindest psychischen - Tod, nur weil sie denen vertraut haben, die ihnen Lügen ins Verderben erzählt und vorgegaukelt haben . . .
Wir würden aber auch diesem Teil des Kontextes nicht gerecht, wenn wir ausklammern, dass es noch danach heißt: diese Kleinen, "... die an mich glauben ...". Nein, hier wird es jetzt nicht missionarisch oder dergleichen. Wie viele von uns, die diesen Text lesen, haben einst als Kinder an einen Gott geglaubt und diesen Glauben verloren -- auch und gerade durch die Kirche, in die sie ungefragt hineingetauft wurden. Durch schlechte elterliche Vorbildfunktionen, oder ... Es ist hier nicht die Rede von jenen Zeitgenossen, die aufgrund eigener Erkenntnis für sich zu dem Schluss gekommen sind, es könne niemals einen Gott geben. Es geht hier auch nicht um eine Verurteilung jener, die ohne einen Gott klarkommen.
Es geht hier um jene, die jenen gegenüber verantwortlich sind, die sich nicht wehren konnten. Hier gilt - wie schon oben zitiert: "It were better for him that a millstone (Mühlstein) were hanged about his neck, and he cast into the sea, than that he should offend one of these little ones." (King James Version)
Die Freiheit der Gedanken reißt Mauern entzwei ...
Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen,
mit Pulver und Blei.
Die Gedanken sind frei.
Ich denke was ich will
Und was mich beglücket,
Doch alles in der Still
Und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
Kann niemand verwehren.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.
Und sperrt man mich ein
Im finsteren Kerker,
Das alles sind rein
Vergebliche Werke;
Denn meine Gedanken
Zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei.
Hoffmann von Fallersleben
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Um 1780 wurde der Text zum ersten Mal auf Flugblättern veröffentlicht. Im Zeitraum zwischen 1810 und 1820 entstand die Melodie dazu. Im Jahr 1842 wurde das Lied in "Schlesische Volkslieder" von Hoffmann von Fallersleben und Ernst Heinrich Leopold Richter veröffentlicht. Das Kernmotiv des Liedtextes findet sich schon im 13. Jahrhundert unter anderem bei Freidank (Bescheidenheit, 1229) und Walther von der Vogelweide (joch sint iedoch gedanke frî – Sind doch Gedanken frei).
Verbot
Seit den Karlsbader Beschlüssen und dem Zeitalter Metternichs war "Die Gedanken sind frei" ein beliebtes Protestlied gegen politische Repressionen und Zensur, insbesondere bei den verbotenen Burschenschaften. Nach der gescheiterten deutschen Revolution von 1848 wurde das Lied verboten.
In diesem Sinne war es auch bei deutschen Widerstandsgruppen während des Nazi-Regimes beliebt. 1942 spielte Sophie Scholl, Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose", das Lied auf ihrer Flöte vor den Mauern des Ulmer Gefängnisses, wo ihr Vater Robert inhaftiert war, weil er den Adolf Hitler als "Geißel Gottes" bezeichnet hatte. Zuvor, im Jahr 1935, hatten die Wärter des Konzentrationslagers Lichtenburg den Häftlingen befohlen, anlässlich des 46. Geburtstags Hitlers eine Aufführung zu veranstalten; der inhaftierte Rechtsanwalt Hans Litten trug daraufhin "Die Gedanken sind frei" vor.
Wo man das all' erfährt, Ist die Welt verkehrt ...
Herren ohne Volk, Volk ohne Zwang,
Stände ohne Recht, Recht ohne Gnade,
Hoffart ohne Gut, Gut ohne Ehre,
Adel ohne Zucht, Zucht ohne Frucht,
Dienen ohne Lohn, Sünde ohne Hohn,
Wohltat ohne Dank, Essen ohne Trank,
Gemeinde ohne Einigkeit, Fürsten ohne Mäßigkeit,
Jungfrauen ohne Scham, Gesinde unachtsam:
Wo man das all' erfährt, Ist die Welt verkehrt.
Unbekannt
Spruch im Heilbronner Rathaus
Worte irgendwo, irgendwann, irgendwie gesprochen, geflüstert, geschrien ...
Worte ergeben einen Sinn, sind sinnvoll ergeben keinen Sinn, sind sinnlos
Worte irgendwo, irgendwann, irgendwie gesprochen, geflüstert, geschrien
Worte kommen und gehen - gehen, bevor ich sie aussprechen konnte
Worte es wurden zu viele gesprochen, zu oft gesagt es wurden zu wenige gesprochen, zu selten gesagt
Worte heftige, sanfte, wütende, zärtliche leise, laute, ergreifende, oberflächliche
Worte Möglichkeit sich auszudrücken sich jemandem mitzuteilen
Worte Möglichkeit zu beeindrucken jemanden zu manipulieren
Worte es ist gut, wenn man die richtigen zur rechten Zeit bewusst einsetzen kann
Sylvia Zellinger
Schwerter oder Pflugscharen?
zum Verletzen zum Töten -
Pflugscharen um Neues zu wagen
um auszusäen um Leben zu fördern -
Schwerter oder Pflugscharen?
Heute verwende ich lieber Pflugscharen
Franz Troyer
"Wir ohne Heimat irren so verloren und sinnlos durch der Fremde Labyrinth . . ."
Wir ohne Heimat irren so verloren
und sinnlos durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen plaudern vor den Toren
vertraut im abendlichen Sommerwind.
Er macht den Fenstervorhang flüchtig wehen
und lässt uns in die lang entbehrte Ruh
des sichren Friedens einer Stube sehen
und schließt sie vor uns grausam wieder zu.
Die herrenlosen Katzen in den Gassen,
die Bettler, nächtigend im nassen Gras,
sind nicht so ausgestoßen und verlassen
wie jeder, der ein Heimatglück besaß
und hat es ohne seine Schuld verloren
und irrt jetzt durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen träumen vor den Toren
und wissen nicht, dass wir ihr Schatten sind.
Max Herrmann-Neiße
Täglich so leben, dass dein Herz und deine Worte übereinstimmen ...
Ich erinnere mich, wie meine Großmutter mir in die Augen schaute, als ich versuchte zu lügen, dass ihre Tonschale zerbrochen war.
"Wenn du mit kleinen Dingen nicht wahrhaftig sein kannst, wie willst du dann die großen Dinge halten?", fragte sie.
So ist Ehrlichkeit. Es fängt klein an, aber es bildet die Grundlage für alles andere.
Der Rabe mit seinen scharfen Augen und den schlanken schwarzen Federn, die durch den Wald schweben, tut nicht so. Er krächzt seine Wahrheit ohne zu zögern, schrumpft oder bläht sich nie auf – er ist einfach.
Ehrlich zu sein bedeutet, so zu sein, so zu leben, dass dein Herz und deine Worte übereinstimmen.
Meine Großmutter musste nie ihre Stimme erheben.
Sie lebte ihre Wahrheit so klar, dass man allein in ihrer Nähe das Gleiche tun wollte.
Makaya Jensen
"Was jetzt prächtig blüht, soll bald zertreten werden .."
Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden,
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.
Was jetzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden;
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein;
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach, was ist alles dies, was wir vor köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder findt!
Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten.
Andreas Gryphius, 1637
Wo Worte nicht ausreichen ...
Meine Mutter hatte die Art von Liebe, die über die Familie hinausging.
Sie ließ Futter für streunende Hunde liegen und sammelte Medizinpflanzen nicht nur für uns, sondern für alle, die sie brauchten.
"Liebe ist nicht klein", sagte sie mir. "Sie hört nicht beim eigenen Blut auf."
Der Adler weiß das.
Er fliegt hoch genug, um das ganze Bild zu sehen, nicht nur einen Teil davon.
Die Liebe bewegt sich auf die gleiche Weise, sie reicht über das Leichte hinaus, über das Bequeme.
Sie hält auch das Zerbrochene, sogar das Schwierige.
Meine Mutter liebte wie der Adler mit breiten Flügeln, der Gebete erhob, wo Worte nicht ausreichten.
Makaya Jensen
Es geht nicht darum, alles zu wissen, sondern ...
Mein Großvater saß immer am Fluss und schaute den Bibern bei der Arbeit zu. Er sagte:
"Seht, wie sie sich bewegen? Sie hetzen nicht. Sie verschwenden nicht. Sie nehmen nur das, was gebraucht wird, und nutzen es gut."
So ist Weisheit. Es geht nicht darum, alles zu wissen, sondern zu verstehen, wie man das, was man weiß, nutzen kann. -
Der Biber kämpft nicht gegen den Fluss, er formt ihn, er weiß, wann er bauen und wann er das Wasser fließen lassen muss.
Ich denke an die Hände meines Großvaters, rau von jahrelanger Schnitzerei, standhaft in ihrer Arbeit.
Er sprach nie nur, um seine eigene Stimme zu hören. Er wartete, er hörte zu, und wenn er sprach, trugen seine Worte das Gewicht von Flüssen.
Makaya Jensen mit Cherokee-, Lakota- und Hopi-Wurzeln
"Was könnte ich schon ändern? Wenn nicht einmal du ..."
Überall.
In den Herzen,
in den Seelen.
In den Kirchen,
in den Menschen.
Was könnte ich schon ändern? Wenn nicht einmal du, Jesus, zu den Menschen durchdringst?
Ich kann mich nicht selbst aus der Finsternis befreien, umgeben vom Wahnsinn der Welt,
umschlungen von Dunkelheit,
gepeinigt von Schatten,
regiert von Angst.
Ich falle.
Sprich nur ein Wort.
Reiche mir die Hand, zieh mich empor ins Licht.
Zu dir.
Sprich nur ein Wort und meine Seele wird gesund.
Richte mich auf und mache mich zum Licht in der Welt,
zum Licht für die Welt.
Dass ich selbst sehe. Und andere auch.
ZEIT ...
Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit;
so wisst, ihr Menschen, nicht von und in was ihr seid.
Dies wisst ihr, dass ihr seid in einer Zeit geboren
und dass ihr werdet auch in einer Zeit verloren.
Was aber war die Zeit, die euch in sich gebracht?
Und was wird diese sein, die euch zu nichts mehr macht?
Die Zeit ist was und nichts, der Mensch in gleichem Falle,
doch was dasselbe was und nichts sei, zweifeln alle.
Die Zeit, die stirbt in sich und zeugt sich auch aus sich.
Dies kommt aus mir und dir, von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen,
doch aber muss der Mensch, wenn sie noch bleibet, weichen.
Die Zeit ist, was ihr seid, und ihr seid, was die Zeit,
nur dass ihr weniger noch, als was die Zeit ist, seid.
Ach dass doch jene Zeit, die ohne Zeit ist, käme
und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme,
und aus uns gelbsten uns, dass wir gleich könnten sein,
wie der jetzt jener Zeit, die keine Zeit geht ein!
Paul Flemming
Wenn man in Märchen und Gedichten erkennt die wahren Weltgeschichten ...
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
sind Schlüssel aller Kreaturen
wenn die, so singen oder küssen,
mehr als die Tiefgelehrten wissen,
wenn sich die Welt ins freie Leben
und in die Welt wird zurückbegeben,
wenn dann sich wieder Licht und Schatten
zu echter Klarheit werden gatten
und man in Märchen und Gedichten
erkennt die wahren Weltgeschichten,
dann fliegt von einem geheimen Wort
das ganze verkehrte Wesen fort.
Novalis
Gib deiner Angst keine Gelegenheit, dir den Kopf zu verdrehen ...
Halte die Türe offen es könnte ja sein…
Oder rollst du einen Stein vor die Türe,
damit der Wind dir nicht den Atem raubt -
und das Haus auf den Kopf stellt -
oder die Nacht dich in ihrer Dunkelheit täuscht?
Sei wachsam und entscheide dich:
ob ja oder nein -
gib deiner Angst keine Gelegenheit,
dir den Kopf zu verdrehen.
Reiche zerfallen zu Staub, die ewige Ordnung zerbricht...
Himmel und Erde werden vergehen:
Schwarze Löcher trinken das Licht;
Reiche zerfallen zu Staub,
die ewige Ordnung zerbricht.
Himmel und Erde werden vergehen:
Der Wandel verwest, hat keinen Bestand;
der letzte Tropfen erreichte das Meer,
kein Sonnenstrahl liebkost mehr das Land.
Himmel und Erde werden vergehen:
Kälte und Finsternis gaffen uns an.
Wo ist die Hoffnung, wo jene Kraft,
die all dem Untergang standhalten kann?
Himmel und Erde werden vergehen:
Da tönt es, das „Werde!“ aus finsterer Nacht,
neu wird die Schöpfung, in Weisheit erdacht.
Gottes Wort bleibt für immer bestehen.
"Richten" ist die halbe Sache nur, wenn es die Vergebung schuldig bleibt - und nicht auch ein Heilen ist!!
Autor: Matthäus Fellinger
Das Recht ist klar:
Schuldige sind auszumachen,
Urteile müssen gesprochen,
Strafen verbüßt werden.
Vergeben riecht nach Begünstigung.
Ist also zu verbieten, was im "Vater unser"
alltäglich und millionenfach gebetet wird:
„... wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“?
Es wird nichts gut,
bloß weil es verurteilt ist,
und es ist auch noch nicht gut,
wenn Strafe verbüßt ist.
Richten ist die halbe Sache nur,
wenn es die Vergebung schuldig bleibt
und nicht auch ein Heilen ist.