🔊 "Nun, da ihr wisst, wie alles enden kann - vergesst es nie, wie es begann!"
Dieser Satz stammt von Walter Mehring (1896 - 1981), einem der von den Nazis "verbrannten Dichter". Walter Mehring war Jude, Sohn des Publizisten und Übersetzers Sigmar Mehring; seine Mutter war die Prager Opernsängerin Hedwig Löwenstein, die nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie am 9. August 1942 starb. Mehring besuchte das Königliche Wilhelms-Gymnasium, bis er wegen „unpatriotischen Verhaltens“ von der Schule gewiesen wurde (relegiert), und sein Abitur extern ablegen musste. In den Jahren 1914/15 studierte er zweieinhalb Semester Kunstgeschichte in Berlin und München.
Walter Mehring war nicht so bekannt wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Mascha Kaleko oder Bert Brecht. Er verließ 1921 Deutschland und ging - angeekelt von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in seinem Heimatland - nach Paris. Aufgrund der furchtbaren Ereignisse des Krieges von 1914 bis 1918 war ihm bewusst, dass noch Schlimmeres möglich sein und kommen wird. Unerlässlich hatte er immer wieder vor dem gewarnt, was dann 1933 und in den kommenden 12 Jahren auch tatsächlich dann geschah. 1928 kehrte Mehring nach Deutschland und nach Berlin zurück. Er wurde in Berlin geboren und starb in Zürich (Schweiz)
1933 forderte Joseph Goebbels in seiner Zeitung "Der Angriff" den Galgen für Walter Mehring und wenige Stunden vor seiner Verhaftung, warnte ihn Mascha Kaleko und es gelang ihm, mit dem Abendzug nach Paris zu entkommen, wo er genüsslich Ossietzkys "Weltbühne" las, in der sein aktuelles Gedicht "Die Sage vom großen Krebs" abgedruckt war. Er hatte Carl von Ossietzky kurz zuvor ebenfalls gewarnt, da auch er auf der "Schwarzen Liste" der Nazis stand. Doch der wollte Deutschland nicht verlassen und wurde tags darauf von der SS verhaftet.
Walter Mehring war ein Schreibender, ein Journalist, ein - so würde wir heute adaptiert und zeitgemäß sagen - ein Medium und - ganz modern - ein in den damaligen sozialen Netzwerken tätiger Publizist, ein Blogger.
Vor rund einhundert (100) Jahren, in der Zeit der in Deutschland mehr und mehr heruntergekommenen Demokratie, die sich sukzessive zu einer regressiven wilhelminischen Staatsform entwickelte (Präsident Hindenburg als Kaiserersatz), hin zu einer - von ihm vorausgesagten - Diktatur, schrieb Mehring, was eigentlich im Jahre 78 nach WK II. noch gelten sollte:
Die geistige Entlarvung der Herrschenden, die mit der Würde der Nation ... ihre Zwecke tarnen: dies ist die Aufgabe des Schriftstellers ... Schriftsteller sein bedeutet: Anschauungen unbestechlich analysieren.
Bewusst schreibe ich diesen Artikel in der aktuellen Zeit, wo sich die schreibende Zunft, die Medien - print, digital, Rundfunk, TV - von dieser Aufgabe weitestgehend verabschiedet haben, um die Verkommenheit der deutschen Demokratie zu entlarven und korrumpiert zu "analysieren", was da eigentlich momentan "abgeht".
Mit Halbwahrheiten und verschwiegenen Fakten wird eine Welt aufgebaut, die es in Wahrheit nicht gibt - und es fängt vor Ort, in den Kommunen und Landkreisen an, wo Fakten verdreht oder gar abgestritten werden, nur um das Gesicht - verblasst im Mief der Büros - gewahrt bleibt und nicht enttarnt wird, worum es wirklich geht. Der eigentliche Verrat aber geht von jenen aus, die beide Seiten der Medaille nur zu gut kennen, aber nur die goldene (monetäre und opportunistische) Seite wählen, nicht aber die, die unsere Gesellschaft in den Abgrund führt. Denn täten sie das, wären sie ihren "guten Ruf" und ihre Jobs los.
1928 - nach seiner Rückkehr in Berlin - schrieb Walter Mehring die folgenden Zeilen:
Ich schreib und ich werde kein Atom verändern.
Mein Schreiben macht den Kohl und mich nicht fett!
Von Meetings, Bühnen, Radiosendern sind wir mit Weltverbesserungsideen komplett.
Man speist die Hungrigen mit fetten Lettern,
das heißt mal Volk, mal Vaterland, mal Gott.
Ach Gott! Errette uns vor unseren Rettern.
Die Welterlöser gründen ein Komplott.