Die Freiheit der Gedanken reißt Mauern entzwei ...
Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen,
mit Pulver und Blei.
Die Gedanken sind frei.
Ich denke was ich will
Und was mich beglücket,
Doch alles in der Still
Und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
Kann niemand verwehren.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.
Und sperrt man mich ein
Im finsteren Kerker,
Das alles sind rein
Vergebliche Werke;
Denn meine Gedanken
Zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei.
Hoffmann von Fallersleben
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Um 1780 wurde der Text zum ersten Mal auf Flugblättern veröffentlicht. Im Zeitraum zwischen 1810 und 1820 entstand die Melodie dazu. Im Jahr 1842 wurde das Lied in "Schlesische Volkslieder" von Hoffmann von Fallersleben und Ernst Heinrich Leopold Richter veröffentlicht. Das Kernmotiv des Liedtextes findet sich schon im 13. Jahrhundert unter anderem bei Freidank (Bescheidenheit, 1229) und Walther von der Vogelweide (joch sint iedoch gedanke frî – Sind doch Gedanken frei).
Verbot
Seit den Karlsbader Beschlüssen und dem Zeitalter Metternichs war "Die Gedanken sind frei" ein beliebtes Protestlied gegen politische Repressionen und Zensur, insbesondere bei den verbotenen Burschenschaften. Nach der gescheiterten deutschen Revolution von 1848 wurde das Lied verboten.
In diesem Sinne war es auch bei deutschen Widerstandsgruppen während des Nazi-Regimes beliebt. 1942 spielte Sophie Scholl, Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose", das Lied auf ihrer Flöte vor den Mauern des Ulmer Gefängnisses, wo ihr Vater Robert inhaftiert war, weil er den Adolf Hitler als "Geißel Gottes" bezeichnet hatte. Zuvor, im Jahr 1935, hatten die Wärter des Konzentrationslagers Lichtenburg den Häftlingen befohlen, anlässlich des 46. Geburtstags Hitlers eine Aufführung zu veranstalten; der inhaftierte Rechtsanwalt Hans Litten trug daraufhin "Die Gedanken sind frei" vor.