"Schwarz-Rot-Peinlich" ist beschämend für das Land -/- Eigentlich sind "Zwangsehen" in Deutschland ja verboten, aber ...
Blogger: Weder ist es eine Liebeshochzeit, noch eine Vernunftheirat - es ist eine in Deutschland eigentlich verbotene Zwangsehe, welche heute vor versammelter Presse und Prominenz vollzogen wurde; allerdings verbunden und unterstützt mit und durch eine Zeremonie der Selbstbeweihräucherung. Ausgeübt wurde der Zwang angeblich, weil es für beide Parteien keine andere Wahl gab. Doch was unter Zwang zustande kommt, kann nicht gut ausgehen. Da kann ich nur - in Anlehnung von Christian Lindner - sagen:
LIEBER NICHT KOALIEREN - ALS SCHLECHT KOALIEREN!
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F A Z
Dass dieser Koalitionsvertrag ein „kleiner Bestseller“ werden wird, wie Markus Söder bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des „gemeinsamen Werkes“ verspricht, glaubt er wohl selbst nicht. Jeder Satz sei „Politik pur“, schwärmt er und hat wie gewohnt ein paar handfeste Beschreibungsbonbons im Angebot: „neuer deutscher Deal“, „Technik-Attacke“ und so weiter. Natürlich, so Söder, werde es wieder einige Kleinkarierte geben, die sich bei „Zeile 2443“ mehr gewünscht hätten, aber Kompromisse sei eben der Kern jeder Koalition, jedes Verhandelns. Klar. Aber was steht denn ganz kleinkariert gefragt in Zeile 2443 des Vertrages? Da geht es um ein Bekenntnis zum Wert der „Forschungsmuseen“ als Hort der „wissenschaftsbasierten Faktenvermittlung“. Dass Söder gerade diese Zeile nennt, ist das Absicht oder beliebig? Immerhin geht es um den Fachbereich Bildung, also das Arbeitsfeld eines zukünftigen CSU-Ministeriums.
Vollkommen egal
Wahrscheinlich ist es eher keine Absicht, denn mit Wissenschaft, Bildung und vor allem Kultur kann dem Anschein nach niemand der vier Verhandlungsführer etwas anfangen. Schon gar nicht Markus Söder. Nur er hätte wohl Friedrich Merz davon abbringen können, Joe Chialo zum Staatsminister für Kultur zu machen. Offiziell bestätigt ist die Personalie noch ebenso wenig wie alle anderen, aber im politischen Berlin gilt Chialo von nun an als gesetzt. Söder war offenbar sowohl die Personalie als auch das dazugehörige Ressort vollkommen egal. Und dieses „egal“ ist es, das sich auch im Kapitel zur Kultur im Koalitionsvertrag mit schallend ohrfeigenhafter Deutlichkeit widerspiegelt. „Da gibt es gerade wirklich sehr viel Wichtigeres“, so lautet hinter vorgehaltener Hand die abwertende Einschätzung vieler, um nicht zu sagen aller amtierender Spitzenpolitiker. Das ist, so deutlich muss man es formulieren, beschämend für dieses Land. Ein Land, das jetzt nicht einmal mehr als „Kulturnation“, sondern nur noch als „Kulturstaat“ vorgestellt wird – so jedenfalls lautet die sozialdemokratisch weichgespülte Kompromissformel in der Präambel des Kulturkapitels.
Erinnerungskultur und Förderpolitik
Die nicht einmal sechs Seiten bieten eine fade Lektüre – vom Bestseller so weit entfernt wie der raketenbegeisterte Markus Söder vom Mars. Es geht um Förderpolitik und gesetzliche Rahmenbedingungen, Erinnerungskultur und Gedenkstättenpolitik. Das interessanteste Thema bietet die Medienpolitik, da ist von einer nicht näher definierten Anti-Fake-News Anstrengung die Rede, wird eine besondere Förderung der traditionellen Medien in Aussicht gestellt – was womöglich auf eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für Printprodukte hinauslaufen könnte.
Clubs als Kulturorte anerkannt
Wenn man Beteiligte der Arbeitsgruppe „Kultur“ danach fragt, wo die Handschrift des angeblich zukünftigen Staatsministers im Vertrag zu finden sei, dann hört man relativ wenig. Von zwei konkreten Gedenkstätten-Ideen ist die Rede, im Kontext Stasi und Checkpoint-Charlie, ansonsten habe Chialo durchgesetzt, dass Clubs als Kulturorte anerkannt werden. Davon steht explizit nichts im Vertrag, allerdings ist von der Förderung für „emblematische Orte der NS-Täter, der Zwangsarbeit und der SED-Diktatur“ die Rede. Überhaupt ist die Abkehr vom Kolonialismus-Schwerpunkt und seine Ersetzung durch eine gestärkte SED-Aufarbeitung einer der wenigen inhaltlichen Signifikanten des Kulturkapitels, die dem Vernehmen nach vor allem durch die ostdeutschen Stimmen in der Arbeitsgruppe angetrieben wurde.
Mehr Mäzenatentum
Zum Thema Finanzierung beziehungsweise Konsolidierung, für deren willfährige Umsetzung die Personalie Chialo wohl in Bälde vor allem stehen dürfte, ist der Satz entscheidend, dass „Kultur-Sponsoring, Mäzenatentum, private Stiftungen und Wirtschaftskooperationen“ in Zukunft „Kultur ermöglichen“ könnten. Geprüft werden sollen im finanziellen Kontext Doppelförderungen und explizit die von Claudia Roth vorangetriebenen, klientelkonzentrierten Prestigeprojekte „Kulturpass“ und „Green Culture Anlaufstelle“. Mit Blick auf die Förderpolitik wird unter anderem eine Fortsetzung der Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angekündigt, sowie eine verlässliche Förderung der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und des Programms „Kultur macht stark“ versprochen.
Beschämend arglos
Zuletzt lässt sich als kleine Auffälligkeit das Bekenntnis zu einer Nicht-Förderung von „antisemitischen und rassistischen“ Kulturprojekten hervorheben. Das klingt wie der Versuch einer Neuauflage dessen, was Joe Chialo im Berliner Zusammenhang vergeblich versucht hat. Es bleibt abzuwarten, ob ein solches Vorhaben im nationalen Kontext bessere Chancen hat. Was sich hinter der knapp umrissenen Überzeugung, dass KI ein „großes künstlerisches und kulturwirtschaftliches Potenzial“ besitze, verbirgt, bleibt schließlich unklar, um nicht zu sagen: beschämend arglos. So ein Satz wird in den Ohren vieler Kunstschaffender, von Synchronsprechern über Musiker bis zu bildende Künstler wohl eher nach einer Dystopie klingen.
Dass bald ein Staatsminister ins Amt eingeführt werden könnte, der solche Sätze sagt und unterschreibt, ohne zu wissen, was sie für die Kunst und Kultur in diesem Land bedeuten, das kann einen nur traurig stimmen. Für die politische und damit gesamtgesellschaftliche Anerkennung des BKM ist das alles schon jetzt verheerend. Es hieß einmal, die Union sei eine der Kultur zugewandte Partei, während die SPD in der Umsetzung die bessere Kulturpolitik mache. Beide Überzeugungen erweisen sich spätestens nach der Lektüre dieses Kulturkapitels als Illusion.