"ACAB" - Ein ungerechtfertigter beleidigender Vorwurf, der - signifikant anders (!) formuliert und buchstabiert - jedoch durchaus teilweise berechtigt wäre ...
Stefan Weinert
Auf ihrem Instagram-Kanal präsentiert sich Jette Nietzard, Vorsitzende der Grünen Jugend, mit einem Pullover, auf dem der polizeifeindliche Spruch „ACAB“ zu sehen ist. Von einem früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten kommt Kritik. - Was die Grüne dabei übersieht ist die Tatsache, dass ebenfalls die Faschisten auf der Straße dieses Akronym benutzen.
Symbolbild (c)
Auch im Gebiet der Stadt Ravensburg habe ich das Akronym "ACAB" gesprüht an Wänden gesehen. Auch wenn ich mich persönlich an mindestens drei *) ungute Erfahrungen und/oder Begegnungen mit der Ravensburger Polizei erinnere (zwei davon erwähne ich weiter unten), so kann ich dieses "All Cops Are Bastards" weder unterschreiben, noch es gutheißen, noch eine Partei wählen, aus deren Reihen dieser Spruch kommt.
Die deutsche Polizei steht nicht nur in dem Verdacht, sondern hat erwiesener Maßen, teilweise rechtsextreme Beamte in ihren Reihen, was erschreckend und indiskutabel ist. Allerding ist man/frau wohl bemüht, diesen Miss-Stand zu beheben.
Die Abkürzung "ACAB" ist allerdings gleichermaßen auf linken und rechten Demos zu sehen und in Fußballstadien. Ende der 1970er-Jahre tauchte das Kürzel zuerst in englischen Subkulturen der Punks und Skins auf. Alternativ wird auch die Zahlenfolge „1312“ genutzt, die sich auf die Position der Buchstaben im Alphabet bezieht und somit wieder ACAB ergibt.
Das Bundesverfassungsgericht hob im Sommer 2016 die vorherigen Urteile, die die Äußerung "ACAB" als strafbar sah, auf.. In der Urteilsbegründung hieß es:
„Die Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht; ansonsten ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.“
Das bedeutet im Klartext: Wenn man/frau einen Polizisten oder eine klar definierte Gruppe von Polizisten als „bastards“ bezeichnet, dann handelt es sich um eine „persönliche“ Beleidigung. Doch der Schriftzug „ACAB“ beziehungsweise die Übersetzung „Alle Polizisten sind Bastarde“ ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
In Deutschland hat Amnesty International laut dem Bericht im vergangenen Jahr 2024 gravierende Mängel festgestellt. Rassistische Diskriminierung und Hassverbrechen gegen Minderheiten haben stark zugenommen, ohne dass die Behörden ausreichend dagegen vorgehen. Insbesondere mangelt es an unabhängigen Beschwerdestellen bei Vorwürfen von Polizeigewalt und Racial Profiling, so die Menschenrechtler.
Auch bei der Aufklärung von Menschenrechtsverstößen durch Polizeibeamte gibt es dem Bericht zufolge noch viel Verbesserungsbedarf. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat Deutschland durch unzureichende Ermittlungen bei Racial-Profiling-Vorwürfen gegen die Polizei sogar gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. (Amnesty)
In Hanau hatte am 19. Februar 2020 ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Ein Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags hatte sich mit der Tat befasst und in seinem 750-seitigen Abschlussbericht 60 Handlungsempfehlungen genannt – ein Großteil fällt in die Zuständigkeit des Innenressorts.
Weder der damalige Innenminister Peter Beuth (CDU) noch der damalige Präsident des Polizeipräsidiums Südosthessen hatten Fehler der Polizei bei dem Einsatz eingeräumt. Bei einem politisch motivierten Anschlag hätte aber »eine sogenannte Landeslage im Landeskriminalamt ausgelöst werden müssen, bei welcher die Führung der Lage an einen besonders erfahrenen Polizeiführer mit dessen Führungsstab übergeben worden« wäre, wird Daniel Muth, der aktuelle ud neue Polizeipräsident zitiert. »Das ist damals nicht geschehen.« Muth bat 2024 die Hinterbliebenen der Opfer öffentlich um Entschuldigung. Er folgte damit dem neuen Innenminister Roman Poseck (CDU), der diese Entschuldigung schon zuvor ausgesprochen hatte. (Spiegel)
Im Spätsommer 2024 wurde eine große Polizeistudie veröffentlicht, bezahlt vom Bundesinnenministerium. Das Ergebnis: Nur eine minimale Zahl an Polizist*innen habe ein geschlossenes demokratiefeindliches Weltbild, und laut Studienleiterin Anja Schiemann gibt es „kein Rassismus-Problem in der Polizei“. Andererseits wurden „mehr als nur Einzelfälle“ an problematischen Einstellungen festgestellt.
Dennoch - eine solche Pauschalisierung wie durch das Akronym "ACAB" ist nicht nur sachlich und faktisch falsch, sondern auch ideologisch geprägt. Wie ich schon erwähnte sehe ich das "ACAB" weder allgemein, noch auf die Ravensburger Polizei bezogen als irgendwie annähernd berechtigt - schon gar nicht in dieser menschenunwürdigen und respektlosen Tonalität.
*)
- 1. Aufgrund einer Petition (über 5.000 Unterschriften) gegen die Mobilfunkstrahlung 5G in Ravensburg wurde ich verdächtigt, mit dem damaligen Brand des Ravensburger Hochhause am Goetheplatz in Verbindung zu stehen. Die beiden mich zu Hause aufsuchenden Polizei-Beamten wollten nicht nur a) die Liste der Mitpetent/innen von mir haben (was ich strikt bis heute verweigerte), sondern sie fragten mich auch, b) wo ich eigentlich zu der Tatzeit gewesen sei und verdächtigten mich dadurch quasi. Ich brachte meine Empörung über beides zum Ausdruck - trotz Bitte um Entschuldigung, geschah bis heute nichts.
- 2. Als zu Coronazeiten auf dem Ravensburger Marienplatz eine Demonstration stattfand, trug eine der Teilnehmerinnen einen gelben "Judenstern" mit der Aufschrift "Ungeimpft". Als ich auf eine junge Polizeibeamtin zuging um Anzeige zu erstatten, a) wies sie mich ab. Daraufhin ging ich auf den Staffelleiter der Polizei zu und trug ihm mein Anliegen vor. Als er mich nach meinem Namen fragte und ich ihm diesen nannte, meinte er im b) abwertenden Ton sinngemäß: 'Ach ja, Sie stellen ja dauernd Strafanzeigen' - was erstens nicht stimmt und zweitens eindeutig negativ konnotiert war. Aber er nahm die Anzeige immerhin auf.
In beiden Fällen waren es immer zwei (a + b) Verhaltensweisen der Polizei, die eigentlich nicht sein sollten
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Die Nachwuchspolitikerin zeigte sich am Freitag mit einer Baseballcap mit der Aufschrift „Eat the rich“ (zu Deutsch etwa: „Esst die Reichen“) und einem Pullover mit der Abkürzung „ACAB“.
Dazu schrieb Nietzard: „Auf dem Weg in den Bundestag“. Und sie ließ ihre Follower abstimmen: „Was findet Julia Klöckner schlimmer: ACAB Pulli – Eat the rich Cap“.
Die Buchstabenreihe ACAB steht üblicherweise für „All Cops Are Bastards“ (sinngemäß: Alle Bullen sind Schweine) und ist ausdrücklich abwertend gemeint. Die polizeifeindliche Parole wird in linken bis linksextremen Kreisen verwendet. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 ist die Kundgabe dieser Buchstabenkombination „im öffentlichen Raum vor dem Hintergrund der Freiheit der Meinungsäußerung nicht ohne weiteres strafbar“.
Am Samstag berichtete die „Bild“-Zeitung über das Instagram-Posting von Nietzard. Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck kritisiert die Grüne-Jugend-Chefin im Online-Dienst X. Die Parole sei womöglich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber: „Es ist ein Ausdruck gruppenbezogener Menschenfeindlichleit gegen Polizist:innen. Für demokratische Poliker:innen inakzeptabel (sic!).“
Nietzard verteidigte sich am Samstag – und kritisierte die Polizei. „Einen Ort, wo 1/4 der Menschen rechts sind, wo mehr Einzelfälle existieren als man zählen kann, Munition verschwindet, und der strukturell rassistisch ist, aber nicht mal was dagegen tun will, werde ich nicht verteidigen“, zitiert die „Bild“-Zeitung aus einem Instagram-Beitrag. „ACAB“ sei „ne Systemkritik. Und das System ist mehr als nur kritikwürdig“.