Was ist eigentlich ein "Sommerloch"? - Ravensburg demonstriert es optisch ...
Stefan Weinert, Blogger
Dass das so genannte "Sommerloch" ein nur sprichwörtliches ist, war mir seit Langem klar. Allerdings - immer, wenn ich dieses Wort höre, stelle ich mir doch so eine Art "Windhose" oder Wolkenwirbel über der Stadt - oder Ähnliches vor. Andere stellten sich Anderes vor. Der Mensch braucht eben das Haptische.
Doch vor zwei Jahren wurde da nun endlich Klarheit geschaffen. Jedenfalls für die im Süd-Westen gelegene verträumte Stadt Ravensburg.
Das "Sommerloch" ist nämlich seitdem tatsächlich ein optisch wahrnehmbares und sichtbares Loch im Erdboden - und das mitten auf dem Ravensburger Marienplatz, zwischen Oberschwabens längstem Tresen und der ehemaligen Judengasse, die seit 1934 "Grüner-Turm-Straße" heißt.
Dort wurde der Platz aufgegraben, um Fernwärme per Rohr (oder ist es schon die viel wichtigere "Fernkühlung" - siehe die KLIMAERWÄRMUNG!) zu implementieren. Doch stattdessen fanden die Bauarbeiter ein Wasserrohr aus Mitte des 19. Jahrhunderts, das immer noch zu funktionieren scheint, und Mauerreste. Hören wir einmal zu, was der mediale Leiter der lokalen Presse dazu schreibt, und zwar gleich zu Beginn seines - unter dieser Prämisse - dann doch obsoleten Artikels:
"An einer Baustelle direkt neben dem Rathaus sind jetzt massive Reste der alten staufischen Stadtbefestigung entdeckt worden. Ein bisschen ist es noch Spekulation, aber ..."
Das von mir Hervorgehobene ist - man/frau kann es nicht anders hindrehen - eine astreine Tatsachenbehauptung. Nicht im juristischen, aber im archäologischen Sinne. Wollte man/frau diesen Passus so stehen lassen, müsste er konsequenterweise wie folgt vollendet werden: "Ein bisschen ist es noch Spekulation, aber es könnten auch saure Gurken oder kleine Kartoffeln sein, die da gefunden wurden."
Ungefähr zu der Zeit, wo das "antike" Wasserrohr installiert wurde, gab es in der deutschen Gesellschaft Jahreszeiten, in denen nur wenige Lebensmittel zur Verfügung standen, und man/frau da von der "Gurken- oder saure Gurkenzeit" sprach; ähnliche Ausdrücke sind das englische "season of the very smallest potatoes" („Jahreszeit der kleinsten Kartoffeln“) und cucumber time („Gurkenzeit“).
In der deutschen Moderne ohne Hungerszeiten (jedenfalls für alle die, die nicht zur "Tafel" gehen oder "containern" müssen) wurde der Begriff vom Journalismus übernommen, um die nachrichtenarmen Wochen des Sommers mit nebensächlichen, kuriosen, skandalisierenden oder "vermutlichen" Meldungen zu füllen.
Denn - wie oben schon angedeutet - der einleitende Absatz des Zeitungsartikels macht dessen Rest nicht mehr lesenswert. Alles nur Vermutungen, alles nur "Cucumber" und verkümmerte Kartoffeln. Wer allerdings doch weiter seine Augen über dieser "Gurkenseite" aufmerksam offenhält, muss alle Kraft und Beherrschung aufwenden, um nicht den "Scheibenwischer" (mehrmals) zu aktivieren.
Denn da ist etwas unheimlich Wichtiges zu Tage gekommen, das nun wieder zugeschüttet wurde, wegen eines "Ravensburg spielt"! Ich denke da an den Lausbuben aus den Pauker-Filmen der 1960er/1970er Jahren - in denen in einem der Filme übrigens Jürgen Drews mit seiner damaligen Schleswiger Band aufgetreten ist - der immer sagte: "Man fasst es nicht!" In diesem Fall des Jahrhundertfundes Ravensburgis sehr angebracht. Denn so wertvoll und wichtig kann der Fund dann doch nicht gewesen sein!! Und das "Wiederaufgraben" nachher, wird wieder "Mehrgeld" gegen den Steuerzahler bedeuten (siehe auch Rutenfest 2023).
Apropos muss ich dem leitenden Redakteur einen nicht gerade guten Journalismus attestieren. Er schreibt an einer Stelle: "In den 1980er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat man dann auch bei der Renovierung des Waaghauses eine Stadtmauer freigelegt, ..." (fett markiert vom Blogger).
Entweder muss (!) es heißen "in den 1980er-Jahren", oder es muss (!) heißen "in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts"!! Liest denn in der Karlstrasse niemand "Korrektur"?
Doch auch der Top-Archäologe lässt das Gurkenkraut in die Höhe sprießen (und die Zeitung übernimmt es kommentarlos) und attestiert sich selbst nichts Gutes, wenn er meint, man habe hier womöglich das "Stadtwappen-Tor" oder dessen Vorlage gefunden, wobei er in diesem Zusammenhang vom Zeitraum des 14. Jahrhundert als Ursprung spricht.
Doch, liebe Ravensbürger/innen, das Motiv des Stadtwappens stammt von 1267/1268 (bekanntlich das 13. Jahrhundert) und ist da erstmals auf den Stadtsiegeln belegt. Dieses Siegel von 1267/68 (des 13. Jahrhunderts :) zeigt ein offenes Stadttor zwischen zwei Wehrtürmen und symbolisiert damit zugleich Wehrhaftigkeit und Offenheit der Reichsstadt. Dieses "Stadttor" ist zudem lediglich ein symbolisches.
Vom 19. Dezember 1940 bis zum Frühjahr 1946 führte die Stadt Ravensburg ein leicht abgeändertes Wappen, auf dem statt des blauen Schilds mit silbernem Kreuz ein roter Welfenlöwe mit einem roten Schildchen (mit silbernem Querbalken) dargestellt war. Diese Farben und Symbole entstammen dem Wappen der damals eingemeindeten Nachbarstadt Weingarten.
Man fasschd's ned!
Wenn man und frau in Ravensburg historisch genau sein wollte, dann müsste die oben erwähnte "Grüne-Turm-Strasse" unbedingt wieder in "Judengasse" zurück benannt werden! Doch stattdessen kratz man an der Oberfläche mit dem Ergebnis, das nicht erwähnenswert ist.
Man fasst es nicht!