Der vergessene (?) Buß- und Bettag ... Glühweinbecher statt Kelch?
Mal ehrlich! Wer von uns hat gestern daran gedacht, dass "heute am 19.11.2025 Buß- und Bettag" ist?
Ich jedenfalls wurde in diesem Jahr erst am Abend durch eine Fernsehsendung daran erinnert. Und das als Theologe! Wäre dieser "Mittwoch vor dem Totensonntag" auch in Baden-Württemberg und überhaupt bundesweit - wie er es bis 1994 war - noch ein gesetzlicher Feiertag, dann wäre das so nicht passiert. Aber das liegt auch am täglichen Trubel. Und mancherorts verbrachten Viele diesen Tag bei Glühwein auf den bereits gestarteten "Weihnachtsmärkten" bei hell erleuchteter Stadttanne ("Weihnachtsbaum" zu sagen, wäre hier wohl unangebracht). Gott sei Dank so (noch) nicht in Ravensburg, wo gestern noch nicht einmal eine einzige Bude aufgebaut war.
Was nun hat es mit dem Buß- und Bettag auf sich?
Im Mittelalter gab es in "teutschen Landen" zwei ganz verschiedene Arten von Büßer- und Sühnetagen. Die einen wurden von den politischen Herrschern angeordnet und verfügt und dienten der Abwehr oder Verhinderung von Kriegen und Gefahren für das Land, die anderen waren kirchlich vorgegebene Termine zur inneren Reinigung und Hinwendung zu Gott.Einer der politischen Bußtage war der von 1532. Dieser wurde von Kaiser Karl V. (in meinem Reich geht die Sonne nicht unter) verordnet. Und zwar als ein Bet- und Bußtag des christlichen Abendlandes zur Abwehr des Islams. Denn 1532 stand der osmanische Sultan mit seinem Heer bereits vor Wien. Dieser "Einkehrtag" stand aber keinesfalls in einer Reihe des heuer in Deutschland begangenen kirchlichen "Buß- und Bettages". Im Gegenteil - und das ist gut so, denn heute stehen wir nicht in der Tradition von Abwehr der "Türkengefahr" und der Menschen islamischen Glaubens.
Jedenfalls tut das nicht die aufgeklärten und weltoffenen humanistische und/oder christlich geprägten Bürger und Bürger/innen der Bundesrepublik Deutschland. Die verehrte Leserschaft sollte aber wissen, dass es heute (2025) in Deutschland fundamentalistisch geprägte Christengemeinden und "Gebetskreise" innerhalb der AfD gibt, die "Gott bitten, "uns" von den Muslimen fernzuhalten respektive zu befreien.
Deshalb ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass unser heutiger Buß- und Bettag absolut nicht in der Tradition dessen von 1532 steht - und es steht in der Verantwortung der christlichen Kirchen, ihr (noch) Gläubigen, darauf hinzuweisen.
Der und die Vorgänger des heutigen "Buß- und Bettages", war die zunächst auch von der Katholischen Kirche begangene "Quatember-Woche". Das waren vier auf das Jahr verteilte Bußtage jeweils zu Beginn der vier Jahreszeiten, an denen der Christ sich neu auf Gott besinnen sollte. Zusätzlich zur sowie schon verordneten Fastenzeit von Aschermittwoch bis Karsamstag. Doch die - samt der vorgelagerten "Fasnet, Carnevalis" - lehnte die ab 1517 neu entstandene "Evangelische Kirche" ab, und übernahm stattdessen nur die vier Fastentage, von denen letztlich der eine übrig blieb.
Bereits unter Kaiser Wilhelm I. in den 1870er Jahren wurde der inzwischen von der Evangelischen Kirche festgelegte Buß- und Bettag am "Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres" (das Kirchenjahr beginnt mit dem 1. Advent), zum staatlichen Feiertag ernannt. Unter den Nazis wurde er zum freien Feiertag für "das ganze Reich", während des Krieges wurde er auf einen Sonntag verlegt und bis 1994 galt er im wieder vereinten Deutschland als gesetzlicher Feiertag. Im selben Jahr wurde beschlossen, den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Tag mit Wirkung ab 1995 zu streichen, um im Wege eines politischen Kompromisses die Mehrbelastung für die Arbeitgeber durch die Beiträge zur neu eingeführten Pflegeversicherung durch Mehrarbeit der Arbeitnehmer auszugleichen. Hat aber nicht funktioniert ...
Das Wort "Buße", wie es Martin Luther in der Bibel bis heute verewigt hat, lautet im griechischen Urtext (Griechisch) der Evangelien "metanoia" und bedeutet soviel wie "Umkehr auf dem Weg bis zu dem Punkt, wo man/frau falsch abgebogen ist", und währenddessen aufgearbeitet werden kann, was schiefgelaufen ist. Im religiösen Sinne meint dies die Umkehr zu Gott und seinen Vorstellungen vom Leben (Zehn Gebote, Bergpredigt).
Man/frau muss aber nicht religiös oder Christ sein, um einmal im Jahr innezuhalten und zu überlegen, ob man/frau noch auf dem Weg ist, der einst von sich selbst für richtig und gut gehalten wurde und ob man/frau eventuell zurückgeht und eine neue Abbiegung wählt. Das kann auch für eine ganze Gruppe, Partei, Firma oder Nation gelten.
Deutschland zum Beispiel hat seine braune Vergangenheit von Beginn an nie gründlich und schonungslos aufgearbeitet und befindet sich - wie sich heute durch den aufglimmenden deutschen Antisemitismus zeigt - teilweise immer noch auf dem falschen Weg.
Psychohygiene - die säkulare Buße - empfiehlt sich eigentlich für jeden Tag für jeden von uns Menschen. Denn je länger wir auf dem "falschen" Weg laufen, desto mühseliger wird die Umkehr. Dazu braucht man/frau nicht unbedingt die Kirche.