Erfundene Todesmeldung am Rande der Gießener Anti-AfD-Demo, aber: «Pferd stürzte ohne Fremdeinwirkung und blieb völlig unverletzt»
Nach der Demonstration gegen die neue AfD-Jugendorganisation in Gießen verbreiteten sich im Netz Aufnahmen eines gestürzten Polizeipferdes – begleitet von falschen Behauptungen. Obwohl die Polizei die Proteste als überwiegend friedlich einstufte, kursierten online Behauptungen, „Linksextremisten“ hätten das Tier eine Böschung hinuntergestoßen und tödlich verletzt. Die Fotos des am Boden liegenden Pferdes trugen zusätzlich zur Verunsicherung bei. Doch was ist wirklich passiert?
Die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation im hessischen Gießen große Gegenproteste hervorgerufen. Das Bündnis «Widersetzen» geht von mehr als 50.000, die Polizei von rund 25.000 Demonstranten aus. Die Polizei sprach von größtenteils friedlichen Protesten. Doch in den sozialen Netzwerken geht eine Behauptung um, die eher das Gegenteil nahelegt: «Linksextremisten» hätten ein Polizeipferd angegriffen und eine Böschung hinuntergestoßen. In einigen Beiträgen heißt es sogar, dass das Pferd tödlich verletzt worden sei. Gezeigt werden Fotos eines gestürzten Tiers. Aber stimmt auch, was über den Vorfall verbreitet wird?
BewertungLaut Polizei sind Pferd und Reiterin unverletzt. Zu dem Sturz kam es demnach «ohne Fremdeinwirkung». Es gab also keinen Angriff auf das Pferd.
FaktenEin Foto des gestürzten Pferdes verbreitete sich ab Samstagmittag in den sozialen Netzwerken. Zunächst war es in einem Liveticker von «Bild» erschienen (Eintrag um 11.44 Uhr). Laut der Zeitung sei das Pferd gegen 11.15 Uhr am Gießener Bahnhof eine Böschung hinabgestürzt und habe sich schwer verletzt. Auch in einem Video auf Instagram ist das gestürzte Pferd zu sehen.
Nutzerinnen und Nutzer ergänzten die Nachricht daraufhin mit weiteren, unbelegten Angaben. So habe es angeblich einen Angriff auf das Pferd durch linke Demonstranten beziehungsweise die Antifa gegeben. In einigen Beiträgen aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum hieß es sogar, das Pferd sei tödlich verletzt worden. So schrieb der AfD-Politiker Björn Höcke in einem später wieder gelöschten Beitrag auf X von einem «toten Polizeipferd». Die Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich schrieb, das Pferd habe eingeschläfert werden müssen.
Die Bundespolizeidirektion Koblenz, zu deren Reiterstaffel das Pferd gehört, widersprach aber allen diesen Berichten bereits am Samstagnachmittag deutlich: «Ein Dienstpferd unserer Reiterstaffel ist bei dem Einsatz in Gießen ohne Fremdeinwirkung gestürzt. Sowohl Reiterin als auch Dienstpferd sind nicht verletzt», schrieb die Behörde auf der Plattform X.
Blockaden und Festnahmen
Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte ein Polizeisprecher, dass weder Reiterin noch Pferd verletzt worden seien. Auch habe es keine Fremdeinwirkung gegeben. Das Pferd stürzte demnach eine Böschung hinab. Am Ort des Geschehens ist es neben der Straße tatsächlich abschüssig, wie eine Aufnahme auf Google Street View zeigt. Der Maschendrahtzaun, hinter dem das Pferd liegt, war den Google-Bildern zufolge schon vor drei Jahren zur Seite gekippt.
In Gießen wurde am Samstag die neue AfD-Jugendorganisation Generation Deutschland gegründet. Die Vorgängerorganisation Junge Alternative hatte sich im Frühjahr aufgelöst. Sie war vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. Die neue Organisation soll laut AfD-Politikern enger an die Partei gebunden werden.
Mehrere Zehntausend Menschen demonstrierten in Gießen gegen die AfD-Veranstaltung. Laut Polizei blieb der Protest überwiegend friedlich. Am Morgen hatten Demonstranten Zufahrtswege zum Veranstaltungsgelände blockiert. Das Gründungstreffen begann daher mit Verzögerung. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Laut Polizeipräsidium Mittelhessen gab es drei Festnahmen und 25 Strafanzeigen. Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sprach am Montag von mehr als 50 verletzten Polizisten. Es habe aber keine schweren Verletzungen gegeben. Das Bündnis «Widersetzen» wiederum warf der Polizei Gewalt vor.