Was ist dran an der „Klimatheorie“ von Montesquieu? - Bringt der "Klimawandel" unsere politischen Bezugspunkte durcheinander? •
Bestimmt der Ort, an dem wir leben, die Art und Weise, wie wir leben und regiert werden möchten? Diese Frage steht im Mittelpunkt der „Klimatheorie“, einer berühmten These von Montesquieu in seinem Buch Vom Geist der Gesetze.

Inspiriert von den Alten, aber systematisch formuliert von Baron de Montesquieu in Vom Geist der Gesetze (1748), besagt die Klimatheorie, dass die Breitengrade einen so starken Einfluss auf die Völker ausüben, dass sie teilweise ihre Sitten und die für sie geeigneten Regierungsformen bestimmen. Bedeutet das, dass eine geografische Fatalität [vom "Schicksal" bestimmt] darüber entscheidet, was gute Politik ist? Für Montesquieu, einen feinsinnigen Vertreter der Philosophie der Aufklärung, ist die Antwort nicht so einfach...
- Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu (1689 bis 1755), bekannt unter dem Namen Montesquieu, war ein französischer Schriftsteller, Philosoph und Staatstheoretiker der Aufklärung. Er gilt als bedeutender politischer Philosoph und Mitbegründer der modernen Geschichtswissenschaft. Seine Ideen hatten Einfluss auf die lange nach ihm entstandene Soziologie.
In den Kapiteln XIV bis XVIII des Werkes "Vom Geist der Gesetze", die sich mit dem Einfluss natürlicher Faktoren auf Gesetze und menschliches Verhalten befassen, entwickelt Montesquieu seine Klimatheorie. Obwohl er sich in eine bestimmte philosophische Tradition einreiht, ist es nicht sein Ziel, die Beobachtungen von Aristoteles oder den antiken Ärzten Hippokrates und Galen aufzugreifen – ersterer hatte sich dem Mut der Völker gewidmet, die in kalten Ländern leben, letztere dem Einfluss der Feuchtigkeit auf die Nerven. Montesquieu leitet vielmehr allgemeine Gesetze ab, die zunächst die Verbindung zwischen Topografie und Soziologie – deren Vorreiter Montesquieu ist – und dann die Verbindung zwischen Soziologie und Politik betreffen. Er erklärt dies in der „allgemeinen Idee“, die seiner Analyse zugrunde liegt: „Wenn es wahr ist, dass Denkweise und Empfindungsweise unter verschiedenen Himmelsstrichen außerordentlich verschieden sind, so müssen sich die Gesetze dieser Verschiedenheit genau anpassen.“ (Montesquieu, Vom Geist der Gesetze)
Mit anderen Worten: Man kann die Vielfalt der Sitten nicht verstehen, ohne sie auf die Vielfalt der natürlichen Lebensbedingungen der Menschen zu beziehen. Und es wäre ein sehr schlechter Gesetzgeber, der nicht wüsste, was das Klima aus den Völkern gemacht hat und was es weiterhin aus ihnen machen wird. Nehmen wir hier ein Beispiel, das Montesquieu anführt: In sehr kalten Breitengraden seien die Körper weniger empfindlich, so dass man, wie er schreibt, „einen Moskowiter [Einwohner Moskaus] häuten müsste, um ihm Gefühl zu geben“. In denselben eisigen Breitengraden ist die Arbeit jedoch besonders beschwerlich. Daher ist es laut dem Philosophen nicht verwunderlich, dass die Leibeigenen in Russland mit der Knute zur Arbeit gezwungen wurden und dass dieses kalte und riesige Reich von tyrannischen Zaren regiert wurde. Nicht, dass Montesquieu – ein Gegner der Sklaverei – diese grausame Praxis gutheißen würde. Das Klima ist nicht alles. Aber zumindest erklärt es diesen Sachverhalt. Er würde diese Praxis nicht rechtfertigen, sondern lediglich Gründe benennen, meint Montesquieu hierzu.
Das Klima zu berücksichtigen, bedeutet jedoch nicht, sich ihm zu unterwerfen. Nur bei den „Wilden“ „herrschen fast ausschließlich die Natur und das Klima“, schreibt Montesquieu in der für seine Zeit charakteristischen, aus heutiger Sicht problematischen, Sprache. Anderswo kommen andere Faktoren ins Spiel, wie „Gewohnheiten“ in China oder die „Regierungsgrundsätze“ und „alten Sitten“ in Rom.
Um gute Gesetze zu erlassen, ist es daher wichtig, diesen Einfluss zu relativieren. Montesquieu meint: „Schlechte Gesetzgeber sind die, welche die im Klima begründeten Laster begünstigen, gute, die sich ihnen widersetzt haben.“ Der Denker und Richter bedauert daher, dass in bestimmten heißen Ländern der Religion mehr Wert beigemessen wurde als produktiver Arbeit („In Asien scheint die Zahl der Derwische oder Mönche mit der Wärme des Klimas zuzunehmen.“), wodurch die Macht bestimmter Staaten geschwächt wurde.
Aber inwieweit kann man verhindern, dass der schlechte Einfluss des Klimas die Sitten und Gesetze ungünstig bestimmt? Als Liberaler und Bewunderer Englands vertritt Montesquieu dennoch die Ansicht, dass sich bestimmte Länder nicht mit einer parlamentarischen Monarchie und erst recht nicht mit einer republikanischen Gesetzgebung zufriedengeben könnten. Er zögert nicht zu schreiben: „Selbst die Freiheit hat Völkern unerträglich geschienen, die an ihren Genuss nicht gewöhnt waren.“ Und um dies verständlich zu machen, verwendet er ein eindrucksvolles Bild: „So ist manchmal reine und frische Luft denen schädlich, die in einer Sumpfniederung aufgewachsen sind.“
Hier zeigt sich die ganze Nuance von Montesquieus Denken, auch wenn es wahr ist, dass es nicht frei von Ethnozentrismus ist. [E. bezeichnet eine politische Einstellung, die die Werte und die Besonderheiten (z. B. Hautfarbe) der eigenen Volksgruppe über die anderer Völker stellt bzw. zur Bewertungsgrundlage nimmt].
Das Klima erklärt nicht alles, aber es ist niemals ein zu vernachlässigender Faktor, selbst für die fortgeschrittensten Völker, in diesem Fall diejenigen, die in gemäßigten Breiten leben, wie die Europäer. Letztere täten also gut daran, anzuerkennen, dass ihre fortschrittlichen Ideen vielleicht nicht überall hin exportierbar sind.
Man versteht, warum die Klimatheorie von anderen Philosophen der Aufklärung angefochten wurde. Denis Diderot, der den Artikel „Climat“ (1752) der Encyclopédie betreute, räumte zwar ein, dass „das Klima zweifellos die Konstitution des Körpers beeinflusst“, stellte sogleich jedoch klar, dass es „nicht unbedingt die Sitten bestimmt“. Condorcet, Revolutionär und überzeugter Abolitionist [Gegner de Sklaverei], erklärte seinerseits in seinen Réflexions sur l’esclavage des nègres (1781), dass „die Trägheit bestimmter Völker weder auf das Klima, noch auf den Boden, noch auf die körperliche Konstitution, noch auf den Nationalcharakter zurückzuführen ist, sondern auf die schlechten Gesetze, denen sie unterworfen sind“.
Die Klimatheorie von Montesquieu ist insofern beunruhigend, als sie dazu neigt, die Fähigkeit der Menschen einzuschränken, sich von ihrer natürlichen Veranlagung zu befreien, um sich auf gemeinsame Grundsätze der Gerechtigkeit zu einigen. Aber wollte Montesquieu mit seiner Behauptung, dass „das Reich der Klimazonen das erste aller Reiche“ sei, nicht einfach nur sagen, dass das Klima sowohl für den Soziologen als auch für den Politiker eine Grundlage sein muss? Und dass diese Ursache, die eher differenzierend als determinierend [in Beton gegossen, festgelegt] ist, allzu oft ignoriert wird, obwohl sie doch das Verhalten vieler Völker erklärt und den Gesetzgeber zwingt, seine Überzeugungen an die Realität vor Ort anzupassen?
Als Produkt eines anti-utopischen Denkens, das jedoch weniger konservativ ist, als es scheint, gilt die Klimatheorie heute als wissenschaftlich und anthropologisch überholt. Dennoch hat sie nichts von ihrer philosophischen Relevanz eingebüßt, denn sie stellt uns Menschen des 21. Jahrhunderts vor eine neue Frage: Müssen wir nicht befürchten, dass der Klimawandel auch unsere politischen Bezugspunkte durcheinanderbringt? •