PROTEST: Kein Blankoscheck für Erdgasförderung in der Nordsee
Quelle: Newsletter des BUND
Mit einem Vertragsgesetz zum sogenannten Unitarisierungsabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden sollen neue Gasbohrungen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet ermöglicht werden – auch in unmittelbarer Nähe des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer und unter deutschen Meeresschutzgebieten. Trotz massiver Kritik von Umweltverbänden hat die Bundesregierung am 22.10.2025 das Gesetz beschlossen. Nun muss der Gesetzentwurf noch durch den Bundestag und Bundesrat.
Der BUND warnt eindringlich vor einer Verabschiedung des Gesetzes: Denn mit dem Abkommen würde nicht nur die aktuell vom niederländischen Konzern One Dyas beantragte Erdgasbohrung vor Borkum endgültig ermöglicht. Das Abkommen würde eine unbegrenzte Anzahl weiterer Gasförderungen in deutschen Küstengewässern möglich machen. Der Gaskonzern One Dyas erhielte damit einen Blankoscheck für die Erschließung und Ausbeutung weiterer neuer Gasfelder auch in deutschen Küstengewässern.
Das Abkommen ist unvereinbar mit den nationalen und internationalen Klimazielen, steht im Widerspruch mit dem Klimaschutzgebot des Grundgesetzes und dem Pariser Klimaabkommen. Auch widerspricht das Gesetz in eklatanter Weise den Klimazielen des Landes Niedersachsen – und das zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Landesregierung mit der Novellierung des Klimagesetzes gerade zur Einhaltung der Klimaneutralität bis 2040 verpflichtet hat.
Die durch das Abkommen ermöglichte Gasförderung würde zu rund 65 Millionen Tonnen CO2 sowie zusätzlichen Methanemissionen führen. Gleichzeitig würde es weniger als ein Prozent des jährlichen deutschen Jahresverbrauchs liefern – und das sogar nur in den intensiven ersten Förderjahren. Die Fördermenge nimmt danach rapide ab. Das Projekt des niederländischen Konzerns leistet somit keinen relevanten Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland. Hinzu kommt, dass die Gasmangellage im Juli 2025 offiziell vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) für beendet erklärt wurde.
Niedersachsen ist mit seinem Küstenmeer von diesem Abkommen massiv betroffen. So belegen aktuelle Pläne des Konzerns One Dyas die Erkundung weiterer riesiger Erdgasfelder im hoch sensiblen Meeresökosystem nahe des Nationalparks und UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer. Geplante Fördergebiete liegen teilweise sogar direkt unterhalb des wertvollsten europäischen Schutzgebietes „Borkum Riffgrund“ und innerhalb des europäischen Vogelschutzgebietes an der Küste. Die Bohrplattform befindet sich unweit von wertvollen Riffen mit streng geschützten Arten wie dem Schweinswal.
Damit würde es zu einer weiteren Industrialisierung der bereits stark belasteten Nordsee und des Küstenmeeres kommen. Der Weltnaturerbe-Status des Wattenmeers würde bedroht. Hinzu kommt der Aufbau der industriellen Infrastruktur für die Förderung. Diese würde Küstenbewohner, Fischerei und vor allem auch eine der bedeutendsten Einnahmequellen der Küstenregionen, den Tourismus, erheblich beeinträchtigen. Für den Hauptwirtschaftsfaktor der Region sind der Nationalpark Wattenmeer und die Naturerlebnisse an der Nordseeküste von zentraler Bedeutung.
- Das Vorhaben bedroht die Meeresnatur durch die Einleitung von Schadstoffen wie Benzol und Quecksilber
- Geschützte Arten wie der Schweinswal leiden unter Schadstoffen und massiven Lärmemissionen durch Rammungen und Schallkanonen
- Verlust eines der letzten und größten geschützten Steinriffe in der deutschen Nordsee
- Erhöhter Ausstoß von Stickoxiden gefährden den Erhalt terrestrischer geschützter Gebiete wie die umliegenden Dünenökosysteme
- Absenkung des Meeresbodens mit Erdbebengefahren
- Pläne bedrohen den weltweiten Status des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer
- Weitere Industrialisierung der bereits stark belasteten Nordsee und des Küstenmeers steht im gravierenden Gegensatz zur Tourismusregion der niedersächsischen Nordseeküste
- Verschärfung der Klimakrise durch Ausstoß von 65 Millionen Tonnen zusätzlichem CO2
Deutschland verzichtet mit dem Abkommen einseitig auf bestimmte Rechte und stellt damit seine Souveränität und die Belange von Umwelt, Natur und Klimaschutz zugunsten eines niederländischen Konzerns zurück.
Deutsche Genehmigungsbehörden werden durch das Abkommen in ihren Befugnissen an verschiedenen Stellen eingeschränkt, zum Beispiel bei Genehmigungen und deren Verlängerung, bei Messsystemen, Prüfungen und Lizenzvereinbarungen. So sind Änderungen von Genehmigungen deutscher Behörden zum Beispiel unzulässig, wenn dabei niederländische Interessen erheblich beeinträchtigt werden können.
Selbst bei Auslaufen von Genehmigungen muss eine neue erteilt werden, wenn die wirtschaftliche oder praktische Weiternutzung möglich erscheint. Dabei werden Klimaschutz und ökologische Risiken ausgeblendet. Diese Regelung könnte auch die Gasbohrungen vor Borkum verlängern, die das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen in 2022 bis zum Jahr 2042 genehmigt hat.
Schließlich verzichtet Deutschland faktisch auf sein Recht, eigene strengere Messysteme und Standards für das eigene Staatsgebiet durchzusetzen, um beispielsweise Schallschutz oder Schutz vor Einleitung von Chemikalien sicherzustellen.
Klagen und Protest
Seit Langem regt sich umfassender Widerstand gegen die geplanten Erdgasbohrungen in der Nordsee und die dafür notwendige Infrastruktur. Neben breiten zivilgesellschaftlichen Protesten begleiten Umweltverbände und Kommunen das Vorhaben auch juristisch. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) führt mehrere Klageverfahren, unterstützt vom BUND Niedersachsen. Im Widerstand gegen die geplanten Erdgasbohrungen arbeiten die Umweltverbände eng mit der Stadt Borkum, der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland e. V. sowie Fridays for Future zusammen.
Und der öffentliche Widerstand wächst: Bei großen Demonstrationen – etwa auf Borkum, in Hannover und Berlin – haben Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet deutlich gemacht, dass sie neue Gasförderprojekte in der Nordsee ablehnen und einen konsequenten Ausstieg aus fossilem Gas fordern.
Forderungen des BUND
- Keine Zustimmung im Bundesrat: Landesregierungen werden aufgefordert, ihre Zustimmung zu verweigern, da das Gesetz gravierend gegen geltendes Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht verstößt und zentrale Klima- und Naturschutzvorgaben missachtet.
- Ablehnung im Bundestag: Die Abgeordneten werden aufgefordert, den Gesetzesentwurf zurückzuweisen und Verantwortung für den Schutz der deutschen Küstengewässer, der Meeresschutzgebiete und der nationalen Klimaziele zu übernehmen.
- Keine neuen fossilen Projekte in Schutzgebieten: Der BUND verlangt einen klaren politischen Kurswechsel, der neue Gasförderungen in der Nordsee ausschließt und die Belastung des marinen Ökosystems nicht weiter erhöht.
