§§ RAVE: "Aufenthaltsqualität" oder "Diebstahl des öffentlichen Raums" ..?
Schussental-Medial
Stefan Weinert
Heute las ich auf einer fachlich sehr versierten Internetseite den folgenden Text:
„Fußgänger müssen die Gehwege benutzen.“, so steht es in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO, §25 (1)) und gemeint ist damit jede öffentliche Verkehrsfläche, die erkennbar dem Fußverkehr dienen soll. Deshalb sind die baulichen Regelungen für die Sicherheit und den Komfort des Gehens besonders wichtig."
Dass es in der deutschen Provinz - für die allerdings die StVO auch ohne Abstriche auch gilt - etwas anders heißen muss, wurde mir gestern Mittag beim schönsten Kaiserwetter mal wieder deutlich vor Augen geführt. Denn da war ich unterwegs zum Landgericht am Ende des "Südlichen Marienplatzes", der längsten Theke Oberschwabens. Auf dem kürzesten Weg dahin wollte ich den dafür eigentlich vorgesehenen "öffentlich Raum" nutzen, heißt, den Fußgängerweg direkt an der linken Häuserfassade vom "Kupferle", vorbei am "Italiener" bis zur Stadtbücherei.
Doch als ein Kellner mich fragte, zu welcher Gruppe der Wartenden ich gehöre war mir klar, dass der gastronomische Tunnelblick hier gar keinen Raum mehr hat für Menschen, die mit anderen Absichten in die Stadt gehen. Mein Ziel war nämlich die "Mahnwache" vor der Stadtbücherei für einen Klimaschützer. Da der Fußgängerweg vollgestopft mit wartenden Gästen war, musste ich ausweichen und mich zwischen den vollbesetzen Tischen hindurch manövrieren und wurde dabei von den wohl sich gestört fühlenden Gästen wie ein Fremdkörper angestarrt.
Also muss der Satz in der StVO für die Oberschwabenmetropole etwas anders lauten, nämlich: „Fußgänger müssen die Gehwege in der Stadt 88212 Ravensburg benutzen dürfen.“ Straßenverkehrs-Ordnung (StVO, §25 (1-rv) - Satire.
Der folgende Plan zeigt den südlichen Marienplatz mit den beiden Häuserzeilen rechts und links. Auf beiden Seiten sind nicht nur die Fußgängerwege aufgrund kreuzender Kellner/innen mit vollen Tabletts für die Fußgänger lästig, sondern teilweise mit dort trinkenden Gästen.
Aber was noch schlimmer ist - auf beiden Seiten geht die Bestuhlung weit in den öffentlichen Raum des "Marienplatzes hinein, so dass nach meiner gestrigen Einschätzung um Punkt 12:30 Uhr, 2/3 durch Gäste der dort beheimateten Gastronomien belegt waren. Sehr "schön und romantisch" auch der von sitzenden Menschen fast eingekreiste Brunnen vor dem Italiener.
Ich bin gerne bereit, das Ganze mit Metermaß auf den Zentimeter genau auszumessen. Aber jeder, der/die durch die Stadt geht, um dort nicht zu schmausen und zu trinken, wird bestätigen, dass das Ganze unerträglich und bürgerfeindlich ist. Das hat mit "Aufenthaltsqualität" nichts mehr zu tun. Und ob es legal ist - ich rede hier in Richtung Ordnungsamt und seinem Bürgermeister - ist auch die rechtliche Frage. Das muss geklärt werden, denn es geht ja noch weiter.
Nach der Veranstaltung musste ich mich um noch andere Dinge kümmern und ging die Bachstraße zwischen "Walfisch" und all den anderen Locations und dem "Seelhaus" hinunter. An der gesamten Front jenes Seelhauses befindet sich eine zwei Meter in den öffentlichen Raum hineinragende Bestuhlung - um diese Uhrzeit und bei diesem Wetter - voll besetzt. Und dann die hin und der eilenden Kellner.
google/ Stef-Art
Dasselbe in der unteren Eisenbahnstraße auf beiden Seiten - und ganz sicher, habe ich da längst noch nicht alles erfasst. In der Eisenbahnstraße werden dadurch sogar Parkflächen für PKW entwidmet. Ein kleiner Skandal!
Schlimm ist es auch in der Marktstrasse, wo die Fußgängerwege teilweise fast unpassierbar sind und am unteren Teil der öffentliche Raum zwischen Rathausrückeingang und der gegenüberliegenden Location meinem Empfinden nach dem Bürger weggenommen wurde.
Insgesamt aber ist das ein großer Skandal. Für mich persönlich und nach meinem Rechtsempfinden, ist das Diebstahl des öffentlichen Raums. Und während Bürger und Bürgerinnen wegen kleinster Vergehen mit einem Ordnungsgeld belegt werden und Klimaschützer wegen guter Taten vor Gericht und/oder hinter Gitter müssen, Jugendliche von ihren Partyflächen verscheucht werden - feiert Ravensburg PARTY IN DER CITY, welche dem Profit geweiht und unantastbar ist.
Als Bürger dieser Stadt erwarte ich von den zuständigen Behörden und Institutionen - als auch von Ihnen -, dass hier genauso nach "Recht und Gesetz" vorgegangen wird, wie auch in allen anderen den Bürger, die Kommune und den Staat betreffende Angelegenheiten in Ravensburg.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Weinert, 18. Juni 2024