Ravensburg und "vom großen und kleinen Widerstand": Offener Brief an Heribert Prantl
"Auch in demokratischen Zeiten gilt die Mahnung der Weißen Rose: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt habt!“ Jede und Jeder muss für sich nachdenken, was dieser Satz heute bedeutet und wozu er verpflichtet. Die Gefahr, der Anpassung zu erliegen, wie dies die Weiße Rose angeprangert hat, gibt es heute so wie damals. Der bekannte Journalist und Publizist Heribert Prantl spricht im Medienhaus Ravensburg über Widerstand damals und heute und liest aus seinem aktuellen Buch."
Der Veranstaltungsort wird das "Medienhaus Ravensburg" sein, jenem Gebäude, indem auch die "Schwäbische Zeitung" ihre Büros und Journalistenzimmer beherbergt. Da Sie einer der bestvernetzten, bestinformierten und am besten recherchierenden Journalisten Deutschlands sind, dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren um den Qualitätsverlust - und gerade in den vergangenen Monaten um den angeblichen Rechtsruck dieses Mediums "Schwäbische Zeitung" heftige und kontroverse Diskussionen entstanden sind. Beispielhaft seien hier drei Beiträge anderer Medien darüber genannt:
https://taz.de/Schwaebische-Zeitung-auf-Abwegen/!6029392/
https://www.kontextwochenzeitung.de/medien/699/oberschwaben-ist-nicht-meck-pomm-9704.html
Sehr zu betonen von meiner Seite als Ravensburger Bürger ist, dass in der Stadt Ravensburg - nach meinen eigenen Erfahrungen und nach meiner persönlichen Meinung - gerade der "kleine Widerstand gegen Gleichgültigkeit und Achselzucken" angesichts des wieder aufkeimenden Faschismus, von der aktuellen Administration in den Rathäusern nicht nur nicht ernstgenommen, sondern auch ignoriert boykottiert wird.
So wurde trotz Widerstände aus der Bevölkerung, im Jahre 2015, die ehemalige NSDAP-Zentrale (1937 - 45) in der Ravensburger Seestraße 32 zum Festabzeichen des jährlich stattfindenden Heimatfestes erkoren, und von 52.000 Bürger/innen und Gästen am Revier getragen. Dieses bierselige "Feiern" der Erinnerungskultur hat sogar Eingang in die deutsche Literatur gefunden: https://www.nomos-shop.de/de/p/die-sprache-der-rechten-gr-978-3-8288-4045-4 (Seite 100).
Auf meine Petition vom 3. September 2023, die Ravensburger "Hindenburg Straße" umzubenennen, wurde seitens der Stadtverwaltung mir gegenüber überhaupt nicht reagiert - weder Eingangsbestätigung noch ein Ergebnis eventueller Beratungen wurden mir persönlich zugesandt. Diese Petition ist hier zu finden: https://www.change.org/p/ravensburger-hindenburgstrasse-muss-umbenannt-werden-steigb%C3%BCgelhalter-des-faschismus
Und so kann ich fortfahren: Rückbenennung "Grüner-Turm-Straße" in Judengasse/straße (bis 1937) - wurde negativ beschieden; Umwidmung des Ravensburgers "Frauentorplatzes" in den "Shani-Louk-Platz" - bisher keine Entscheidung mitgeteilt.
Mittlerweile könnte ich das natürlich auch persönlich nehmen, da alle die aufgeführten Beispiele auch meinen Familiennamen tragen. Aber das täuscht, denn teilweise (Judengasse) gab es diese Bürgerbemühungen entweder bereits vor meiner Zeit in Ravensburg (seit 1989), oder ich habe sie erneut aufgegriffen (Hindenburg Straße), oder aber habe mich einer vorherigen Initiative anderer angeschlossen (NSDAP-Zentrale).
Wenn Sie nun am 30. Oktober 2024 im "Medienhaus Ravensburg" sprechen, werden auch viele prominenten und angesehenen Damen und Herren aus Ravensburg und dem Umland vor Ihnen sitzen. Auch jene, die den Widerstand des "kleinen Mannes" nicht wollen. Die Presse - auch die "Schwäbische Zeitung" wird gewiss am 2./3. November 2024 darüber berichten. Was wird da wohl über Ihren Auftritt zu lesen sein? Werden Sie - wie es die Ravensburger Stadtverwaltung in ihrer Ablehnung "Judenstrasse" tat - die Erinnerungskultur in Ravensburg in höchsten Tönen loben, weswegen eine Judenstrasse auch nicht nötig sei? Werden Sie dieses Thema meiden? Machen Sie es eventuell so, wie die drei Bürgermeister und der Gemeinderat es tun, und mich als Querulanten und Wichtigtuer abwatschen?
Ich verbleibe mit Freundlichkeit und Respekt und wünsche Ihnen in Ravensburg einen guten Aufenthalt,
Stefan Weinert, 88212 Ravensburg
Blogger, Publizist, Theologe, Sozialarbeiter i.R., Case Manager FH, Konfliktmanager FH