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Zum Weihnachtsfest 2025
Kaum eine Redewendung ist heute so abgedroschen, wie die des "Nutze den Tag", die der römische Dichter Horaz vor über 2.000 Jahren niederschrieb. CARPE DIEM heißt es im Lateinischen; jedoch treffen die heute geläufigen deutschen Übersetzungen „Nutze den Tag“ oder „Genieße den Tag“ nicht ganz das, was im Original gemeint war. Schon die englische Übersetzung "seize the day" macht dies deutlich: Ergreife den Tag. Denn im Kontext der horazischen Dichtung geht es genau darum. Der Mensch soll die Früchte und die Blumen des heutigen Tages - nicht die verwelkten von gestern, oder gar die ungewissen von Morgen - pflücken und sich an ihnen erfreuen respektive sie genießen. Es geht um das sinnliche Erleben des aus der Natur wurzelnden Augenblicks, gepaart mit der Einstellung einer einfachen, genügsamen, aufmerksamen, aber doch genuss- und lustvollen Lebensweise; wobei dies auch eine Anspielung auf die Lust der Sexualität ist.
Das Bewusstsein der Endlichkeit ist – kirchlich (!) verstanden – das Wissen um die größere Bedeutung des jenseitigen Lebens. Die Orientierung am Genuss, die im carpe diem liegt, birgt also aus kirchlicher Sicht die Gefahr, dieses jenseitige Leben zu verspielen. Wenn man/frau aber beim Lesen biblischer Texte genau hinschaut (hier vor allem die vier Evangelien), ist zu erkennen, dass der historische Jesus das "sowohl - als auch" betont.
Andererseits aber sagt jener selbige Jesus später auch: "Glücklich (makarios) jene, die um der Gerechtigkeit Willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Reich der Himmel." (Matthäus, Kapitel 5 ab Vers 1)
- "Frage nicht (denn eine Antwort ist unmöglich), welches Ende die Götter mir, welches sie dir,
- Leukonoe, zugedacht haben, und versuche dich nicht an den babylonischen [Wahrsagerinnen mit ihren] Berechnungen!
- Wie viel besser ist es doch, was immer kommen wird, zu ertragen!
- Ganz gleich, ob Jupiter dir noch weitere Winter zugeteilt hat oder ob dieser jetzt,
- der gerade das Tyrrhenische Meer an widrige Klippen branden lässt, dein letzter ist,
- sei nicht dumm, filtere den Wein und verzichte auf jede weiter reichende Hoffnung!
- Noch während wir hier reden, ist uns bereits die missgünstige Zeit entflohen:
- Genieße den Tag (carpe diem), und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!" - Carmen I,11
C A R P E D I E M !!