đș "Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.â (Albert Einstein im Mai 1946) --- "Globozid" ist möglich!!
Quelle: GlobalBridge ch.
âDie entfesselte Kraft des Atoms hat alles verĂ€ndert â nur nicht unsere Art zu denken, und so treiben wir auf eine Katastrophe ohnegleichen zu. Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.â Dies schrieb am 24. Mai 1946 kein Geringerer als Albert Einstein, der seinerseits an der âentfesselten Kraft des Atomsâ â vorsichtig gesprochen â nicht ganz unschuldig war.
Es sollte noch fast ein Jahrzehnt dauern, bis namhafte Intellektuelle begannen, die Forderung Einsteins einzulösen, nĂ€mlich die Folgen der Erfindung der Atombombe fĂŒr die Menschheit, ja fĂŒr den gesamten Planeten konsequent zu durchdenken und prĂ€zise auf den Begriff zu bringen. Einer der ersten war der Philosoph GĂŒnther Anders, der in den fĂŒnfziger Jahren den unerhörten Umstand einer möglichen menschgemachten Apokalypse auf klassische Formulierungen brachte. Anders unterschied drei Epochen der Menschheitsgeschichte: Bis zur Entwicklung der Vernichtungsanlagen der Nazis hatte der klassische Satz âAlle Menschen sind sterblichâ gegolten. Dieser Satz war durch die Tötungsmaschinerien in den Vernichtungslagern zur zynischen Formel âAlle Menschen sind tötbarâ gesteigert worden. Mit dem Einsatz der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki war selbst dieser boshafte Satz bereits antiquiert. Die finale Klimax lautet seitdem und fĂŒr alle kommenden Zeiten: âDie Menschheit als ganze ist tötbar.â
Was alle treffen kann, betrifft uns alle
Seit dem 6. August 1945, dem Abwurf der Atombombe ĂŒber Hiroshima, steht also nichts weniger als das Ăberleben der Menschheit selbst auf dem Spiel, die sich durch dieses Epochenereignis als Menschheit â wenn auch modo negativo â ĂŒberhaupt erst konstituiert hat. GĂŒnther Anders: âDenn eines hat sie erreicht, die Bombe: ein Kampf der Menschheit ist es nun. Was Religionen und Philosophien, was Imperien und Revolutionen nicht zustande gebracht haben: uns wirklich zu einer Menschheit zu machen â ihr ist es geglĂŒckt. Was alle treffen kann, das betrifft uns alle.â
Die Konsequenz: Da radioaktive Wolken sich um MilitĂ€rbĂŒndnisse, Machtblöcke und Landesgrenzen einen Dreck scheren und da die heutigen genetischen Mutationen alle kommenden Generationen mitaffizieren, ja die Vernichtung der Menschheit heute sĂ€mtliche ungeborenen Generationen mitvernichten wĂŒrde, gibt es nur noch âNĂ€chsteâ: im Raum und in der Zeit. Erstmals in der Geschichte der Menschheit gibt es tatsĂ€chlich ein alle Klassen-, Religions- und andere GegensĂ€tze ĂŒberwölbendes Menschheitsinteresse: das Weiterleben als Gattung.
Diese Erkenntnis zum entscheidenden Dreh- und Angelpunkt zu machen und daraus die notwendigen Konsequenzen fĂŒr politisches Handeln zu ziehen, das ist die Maxime des Neuen Denkens.
Es sollte noch weitere Jahrzehnte dauern, bis das Neue Denken mit seinen grundlegenden Momenten â PrioritĂ€t der allgemein menschlichen Interessen als Voraussetzung zur Befriedigung aller ĂŒbrigen Interessen, BekĂ€mpfung der menschheitsbedrohenden Gefahren (Massenvernichtungsmittel, ökologische Katastrophe) und Verzicht auf Gewalt â endlich die Ebene der Politik erreichte. In den achtziger Jahren betrat es in Gestalt von zwei Akteuren die weltpolitische BĂŒhne: in Westeuropa als Friedensbewegung, die, in Reaktion auf die drohende Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen, mit der Forderung âEiner muss anfangen, aufzuhören!â den Ausstieg aus der Logik des WettrĂŒstens postulierte und sich sehr schnell als Bewegung fĂŒr das Ăberleben der Menschheit ĂŒberhaupt begriff â und im Osten in Gestalt des sowjetischen Parteivorsitzenden Michail Gorbatschow und seiner Administration.
Ausgehend von der Tatsache, âdass die Menschheit zum ersten Mal in ihrer Geschichte sterblich geworden ist und der Charakter der modernen Waffen keinem Staat mehr Hoffnung lĂ€sst, sich allein mit militĂ€rtechnischen Mitteln, und sei es der allerstĂ€rksten, zu verteidigenâ, gelangte Gorbatschow zu einer Konsequenz, die bis in die Formulierung hinein an Willy Brandts und Egon Bahrs Konzept der âGemeinsamen Sicherheitâ anklang: âUnter den heutigen Bedingungen kann die Sicherheit, vor allem der atomaren GroĂmĂ€chte, nur gegenseitig und â im globalen Rahmen â nur allumfassend sein. Die Politik der StĂ€rke hat sich grundsĂ€tzlich ĂŒberlebt.â Daraus folgte fĂŒr ihn das Primat der Politik, sprich: Verhandlungen, Verzicht auf die Methode des âNullsummenspielsâ (mein Gewinn ist dein Verlust) und der Mut, eine Menschheitsvision in ein konkretes Ziel politischen Handelns zu verwandeln: âDer einzig richtige Weg ist die Beseitigung der Atomwaffen, die Reduzierung und Begrenzung der RĂŒstung ĂŒberhaupt.â Am 15. Januar 1986 war die politische Sensation perfekt: Der damalige GeneralsekretĂ€r der KPdSU verlas eine ErklĂ€rung, die in konkreten und realisierbaren Teilinitiativen den Weg zu einer atomwaffenfreien Welt bis zum Jahre 2000 wies.
Neues Denken und Neues Handeln
In der Retrospektive hat Gorbatschow immer wieder betont, dass seine Politik des Neuen Denkens nicht als gigantische Kopfgeburt am Schreibtisch entstand, sondern im Wechselspiel mit der praktischen Politik Schritt fĂŒr Schritt entwickelt, modifiziert, umgesetzt und weiterentwickelt wurde. Neues Denken und Neues Handeln bedingten sich gegenseitig.
Und weil diese Politik mit Hochdruck und konsequent von der Sowjetunion vorangetrieben wurde und nun â eine wahre âKopernikanische Wende in der AbrĂŒstungspolitikâ! â nicht in quantitativen, sondern in qualitativen Kategorien gedacht wurde, gelangen dieses Mal echte Erfolge auf dem Gebiet der AbrĂŒstung: Der gemeinsamen ErklĂ€rung mit Ronald Reagan, ein Atomkrieg könne niemals von einer Seite gewonnen, dĂŒrfe daher auch niemals begonnen werden und keine Seite dĂŒrfe militĂ€rische Vorherrschaft anstreben, folgten u.a. die Verschrottung sĂ€mtlicher landgestĂŒtzter nuklearer Kurz- und Mittelstreckenraketen, die Verringerung strategischer Atomraketen und die Vernichtung von insgesamt 80% aller Atomsprengköpfe weltweit. Und in der im November 1990 von allen europĂ€ischen Staaten â inclusive der Sowjetunion, den USA und Kanada â verabschiedeten âCharta von Parisâ, die das offizielle Ende des Kalten Krieges besiegelte, schien auch Michail Gorbatschows Vision des âGemeinsamen EuropĂ€ischen Hausesâ bereits deutlich Konturen anzunehmen. Ihre epochale Maxime lautete: âSicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden.â
Long time ago.
ZweitausendfĂŒnfhundertmal ein II. Weltkrieg
Seitdem haben sich die Zeiten allerdings grĂŒndlich geĂ€ndert. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurden nahezu sĂ€mtliche AbrĂŒstungs- und RĂŒstungskontrollvertrĂ€ge â fast ausschlieĂlich auf Druck der USA â geschleift, unter anderem der bedeutendste AbrĂŒstungsvertrag der Weltgeschichte, der Ende 1987 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnete INF-Vertrag.
Die Kalten Krieger in West und Ost bekommen nicht erst seit Russlands Krieg gegen die Ukraine wieder Oberwasser: Atombomben sind allseitig erneut salonfĂ€hig, Sprengköpfe werden âmodernisiertâ und âpassgenauâ â das heiĂt: handhabbar â gemacht, ihr möglicher Ersteinsatz ist in den Doktrinen der USA und Russlands nun nicht nur ausdrĂŒcklich verankert, im Zuge des Ukrainekrieges gibt es bereits namhafte Stimmen, die auch noch unverhohlen dafĂŒr werben! All dies, obwohl die gegenwĂ€rtig weltweit gelagerten 15.800 Atombomben zusammen noch ĂŒber eine Sprengkraft von rund zweitausendfĂŒnfhundert Zweiten Weltkriegen verfĂŒgen!
Kurz: Das abrĂŒstungspolitische Erbe Michail Gorbatschows, die sensationelle praktische Konsequenz seines Neuen Denkens, wurde mit voller Wucht mutwillig an die Wand gefahren. Eine kraftvolle Friedensbewegung wie in den achtziger Jahren ist immer noch nirgends in Sicht, der Widerstand gegen diese Entwicklung regt sich erst zaghaft.
FĂŒr ein âNeues Denken 2.0â!
Wenn es ĂŒberhaupt eine Aussicht auf Abhilfe geben soll, dann wĂ€re die erste Konsequenz, diese Tatsachen, so alarmierend sie sein mögen, endlich wieder zur Kenntnis zu nehmen und im allgemeinen Bewusstsein von Politikern und Bevölkerungen der direkt und mittelbar betroffenen LĂ€nder â also aller! â zu verankern. Eine RĂŒckbesinnung auf die Prinzipien des Neuen Denkens, sprich: ein âNeues Denken 2.0â, ist heute not-wendiger denn je! Daher nochmal und sei es zum hundertsten Male:
Ein Atomkrieg kennt keinen Gewinner, sondern ausschlieĂlich Verlierer. Entweder wir schaffen die Atombombe ab oder die Atombombe schafft uns ab! Wer den Frieden will, der muss â in Umkehrung des klassischen lateinischen Sprichwortes â den Frieden vorbereiten. Und das gilt nicht nur fĂŒr die Politiker, sondern ebenso fĂŒr die StaatsbĂŒrger aller LĂ€nder.
In diesem Sinne appellieren wir an die Menschen in den jetzt verfeindeten Staaten:
- Verweigern Sie sich der âEskalation in den Köpfenâ, sprich: jeglicher Verteufelung der Menschen auf der jeweils anderen Seite!
- KnĂŒpfen Sie freundschaftliche Kontakte ĂŒber die Grenzen der â direkt oder indirekt â kriegfĂŒhrenden Staaten hinweg!
- Bauen Sie alle bestehenden Kontakte aus: in den Wirtschaftskooperationen, StÀdtepartnerschaften, im Sport, im Jugendaustausch und den interkonfessionellen Dialogen!
- Schaffen Sie eine âentfeindete Ăffentlichkeitâ ĂŒber die politischen Lager und Grenzen hinweg â im virtuellen Raum und darĂŒber hinaus!
- Befördern Sie eine âKultur des Zuhörens und des direkten Dialogsâ!
- Schauen Sie nicht auf das, was Sie trennt, sondern auf das, was Sie verbindet!
Sollte sich die Politik der neuen Eskalation noch weiter verschĂ€rfen und ihr âvon untenâ kein Druck in Gestalt einer âInternationale fĂŒr das Ăberleben der Menschheitâ entgegengesetzt werden, dann droht in letzter Konsequenz nichts weniger als â Globozid! Sei es militĂ€risch via Massenvernichtungsmittel oder âfriedlichâ als Klimakatastrophe. TrĂ€gheit oder gar Resignation können wir uns nicht leisten. Nach wie vor gilt Einsteins Ermahnung: âBloĂes Lob des Friedens ist einfach, aber wirkungslos. Was wir brauchen, ist aktive Teilnahme am Kampf gegen den Krieg und alles, was zum Kriege fĂŒhrt.â
Dies wÀre die beste Weise, das einzigartige politische Lebenswerk des vor einem Jahr verstorbenen Michail Gorbatschow angemessen zu ehren.
Prof. Dr. Ruslan Grinberg, wissenschaftlicher Leiter des âInstitut fĂŒr Wirtschaftâ der âRussischen Akademie der Wissenschaftenâ, Moskau und langjĂ€hriger Berater Michail Gorbatschows in Fragen der Ăkonomie