"Sie sind zu Gast beim Antisemiten Richard Wagner" ▶ Angela Merkel, Friedrich Merz, Ricarda Lang und das deutsche "Who's who" ...
Blogger Stefan Weinert
Aufgrund eines Disputs über den Antisemitismus des großen Reformators Martin Luther, schrieb ich im Jahr 2019 das Manuskript zum meinem Buch "Luther's Liste - Der Reformator und seine Kirche als Garanten für den Holocaust" (c), das bisher noch nicht verlegt wurde. Der Disputant meinte allen Ernstes, Luther wäre am Ende seines Lebenswerkes senil und verwirrt und enttäuscht gewesen und hätte deswegen Dinge gegen die Juden publiziert. Dies aber galt es zu widerlegen, was mir - so denke ich - in dem Buch auch gelungen ist. Martin Luder (er benannte sich erst später in "Luther" um) war von Beginn an ein Anti-Judaist und hat durch seine theologischen Ausflüge quasi daraus den Antisemitismus entstehen lassen. War es beim Anti-Judaismus die Religion, welche verurteilt wurde, so wurde daraus beim Antisemitismus das Blut, welches jeden Juden von seiner Geburt an verdammte.
In "Luther's Liste" gibt es ein Kapitel über den deutschen Komponisten Richard Wagner. Dieser steht quasi zwischen Luther als Wegbereiter des Antisemitismus einerseits, und Adolf Hitler, dem Vollstrecker einer "Endlösung und Enderlösung" vom Judentum andererseits. Wagner und sein Schwiegersohn Chamberlain waren tief überzeugte Antisemiten und ihre Nachfahren gingen im Hause Hitler ein und aus.
Es ist für mich daher unbegreiflich, dass "alle Jahre wieder" die deutsche Prominenz aus Politik und Wirtschaft zu Gast im Hause eines Antisemiten ist und ihm zujubelt. Es ist doch nur seine Musik, nicht seine politische Überzeugung, höre ich jene, die Wagner verteidigen.
Tja, das wäre dann so als würden wir Jahr für Jahr eine Bilderausstellung des österreichischen Gefreiten besuchen. Denn Adolf Hitler konnte relativ gut zeichnen. Die Wiener Kunstakademie sprach ihm sogar wegen seiner Architekturzeichnungen ein Lob aus, verweigerte ihm aber die Aufnahme, weil er beim Zeichnen von Menschen nicht die vorgegebenen Kriterien erfüllte. Viele seiner Gebäudezeichnungen dienten Albert Speer als Vorlagen für dessen Bauten, und für großes Aufsehen sorgte 2006 eine Auktion in England. Dort wurden mehrere Hitler-Gemälde für insgesamt 170.000 Euro versteigert, wobei einzelne Stücke zwischen 4.760 und 15.600 Euro erzielten. Trotz ihrer künstlerischen Mittelmäßigkeit und der belasteten Geschichte des Malers ist dies ein Zeichen dafür, dass das Interesse an diesen Werken ungebrochen ist.
Und doch würde niemand in Deutschland im Ernst un auch zu Recht auf die Idee kommen, eine solche Ausstellung zu inszenieren geschweige denn zu besuchen. Denn zu Recht bestünde die Gefahr, dass diese Objekte eines Mannes, der so viel Unheil, Grauen und Tod über die Menschheit gebracht hat, ohne diesen nötigen Kontext lediglich als Sammlerstücke betrachtet würden.
Wer den folgenden Abschnitt aus meinem o. e. Buch über Wagner liest, wird verstehen, dass ich diesen Vergleich beabsichtigt gewählt habe. Denn zwar war Richard Wagner kein Mörder in dem Sinne, aber ein Mörder hat sich mit seinen tief menschenverachtenden Ansichten gemein gemacht und von ihnen leiten lassen
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Luther's Liste - Stefan Weinert 2019 (c) - Ein Auszug
Die ideologisierte Judenfeindschaft, die in Manifesten und Pamphleten seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts verbreitet wurden (Karl Eugen Dühring mit seinen rassistischen Verschwörungsphantasien, Otto Glagau mit seinen Denunziation in der „Gartenlaube", wo er den Juden Schuld an der wirtschaftlichen Misere von 1873, dem "Gründerkrach" gab - gemeint aber ist der Börsenkrach von 1873 aufgrund vorheriger spekulativer Firmengründungen, und infolge des deutsch-französischen Krieges 1870/71 und der deutschen Reichsgründung 1871). In simplen Welterklärungen für den naiven Bürger wurden Zeitungsartikel, Traktate und Schriften angebotenen, in denen die Juden als Sündenböcke Schuld für alle wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme zugewiesen bekamen.
Es gab aber auch „tiefschürfende“ und philosophisch/psychologisch und wissenschaftlich begründete Versuche, den Antisemitismus und den Glauben an die Herrenrasse im Volk zu etablieren. Zwei Vertreter von ihnen waren der Komponist Richard Wagner in seinem Essay "Das Judentum in der Musik" und sein Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain mit seiner Kulturphilosophie "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts". Ihre Werke beeinflussten das Bildungsbürgertum nachhaltig mit der Lehre von der Überlegenheit gewisser Rassen und der Verunglimpfung der Juden. Beide, Wagner und Chamberlain lebten in einer Zeit, in der Antisemitismus zum guten Ton gehörte. Aber dieser „gute Ton“ war – wie wir schon gesehen haben und noch sehen werden - Luthers Erbe. Zudem war Martin Luther sozusagen der erste Komponist, der seine Lieder in der gesamtdeutschen Sprache komponierte. Und wie sehr sein Liedgut im Deutschen und seinem Denken verankert war, ist wenig später in den Schützengräben von 1914 bis 1918 zu hören: „Ein feste Burg ist unser Gott.“
So schreibt der große deutsche Komponist Richard Wagner:
„Der Jude, der bekanntlich einen Gott ganz für sich hat, fällt uns im gemeinen Leben zunächst durch seine äußere Erscheinung auf, die, gleichviel welcher europäischen Nationalität wir angehören, etwas dieser Nationalität unangenehm Fremdartiges hat: Wir wünschen unwillkürlich mit einem so aussehenden Menschen nichts gemein zu haben. Dies musste bisher als ein Unglück für den Juden gelten: in neuerer Zeit erkennen wir aber, dass er bei diesem Unglücke sich ganz wohl fühlt; nach seinen Erfolgen darf ihm seine Unterschiedenheit von uns als eine Auszeichnung dünken. Der moralischen Seite in der Wirkung dieses an sich unangenehmen Naturspieles vorübergehend, wollen wir hier nur auf die Kunst bezüglich erwähnen, dass dieses Äußere uns nie als ein Gegenstand der darstellenden Kunst denkbar sein kann: wenn die bildende Kunst Juden darstellen will, nimmt sie ihre Modelle meist aus der Phantasie, mit weislicher Veredelung oder gänzlicher Hinweglassung alles dessen, was uns im gemeinen Leben die jüdische Erscheinung eben charakterisiert. Nie verirrt sich der Jude aber auf die theatralische Bühne: die Ausnahmen hiervon sind der Zahl und der Besonderheit nach von der Art, dass sie die allgemeine Annahme nur bestätigen. – Wir können uns auf der Bühne keinen antiken oder modernen Charakter, sei es ein Held oder ein Liebender, von einem Juden dargestellt denken, ohne unwillkürlich das bis zur Lächerlichkeit Ungeeignete einer solchen Vorstellung zu empfinden. Dies ist sehr wichtig: einen Menschen, dessen Erscheinung wir zu künstlerischer Kundgebung, nicht in dieser oder jener Persönlichkeit, sondern allgemein hin seiner Gattung nach, für unfähig halten müssen, dürfen wir zur künstlerischen Äußerung seines Wesens überhaupt ebenfalls nicht für befähigt halten. Ungleich wichtiger, ja entscheidend wichtig ist jedoch die Beachtung der Wirkung auf uns, welche der Jude durch seine Sprache hervorbringt; und namentlich ist dies der wesentliche Anhaltspunkt für die Ergründung des jüdischen Einflusses auf die Musik. – Der Jude spricht die Sprache der Nation, unter welcher er von Geschlecht zu Geschlecht lebt, aber er spricht sie immer als Ausländer. Wie es von hier abliegt, uns mit den Gründen auch dieser Erscheinung zu befassen, dürfen wir ebenso die Anklage der christlichen Zivilisation unterlassen, welche den Juden in seiner gewaltsamen Absonderung erhielt, als wir andererseits durch die Berührung der Erfolge dieser Absonderung, die Juden auch keineswegs zu bezichtigen im Sinne haben können. Dagegen liegt es uns hier ob, den ästhetischen Charakter dieser Ergebnisse zu beleuchten. - Zunächst muss im Allgemeinen der Umstand, dass der Jude die modernen europäischen Sprachen nur wie erlernte, nicht als angeborene Sprachen redet, ihn von aller Fähigkeit, in ihnen sich seinem Wesen entsprechend, eigentümlich und selbständig kundzugeben, ausschließen. Eine Sprache, ihr Ausdruck und ihre Fortbildung ist nicht das Werk Einzelner, sondern einer geschichtlichen Gemeinsamkeit: nur wer unbewusst in dieser Gemeinsamkeit aufgewachsen ist, nimmt auch an ihren Schöpfungen teil. Der Jude stand aber außerhalb einer solchen Gemeinsamkeit, einsam mit seinem Jehova in einem zersplitterten, bodenlosen Volks stamme, welchem alle Entwicklung aus sich versagt bleiben müsse, wie selbst die eigentümliche (hebräische) Sprache dieses Stammes ihm nur als eine tote erhalten ist. In einer fremden Sprache wahrhaft zu dichten, ist nun bisher selbst den größten Genies noch unmöglich gewesen. Unsere ganze europäische Zivilisation und Kunst ist aber für den Juden eine fremde Sprache geblieben; denn, wie an der Ausbildung dieser, hat er auch an der Entwicklung jener nicht teilgenommen, sondern kalt, ja feindselig hat der Unglückliche, Heimatlose ihr höchstens nur zugesehen. In dieser Sprache, dieser Kunst kann der Jude nur nachsprechen, nachkünsteln, nicht wirklich redend dichten oder Kunstwerke schaffen. Im Besonderen widert uns nun aber die rein sinnliche Kundgebung der jüdischen Sprache an. Es hat der Kultur nicht gelingen wollen, die sonderliche Hartnäckigkeit des jüdischen Naturells in Bezug auf Eigentümlichkeiten der semitischen Aussprechweise durch zweitausendjährigen Verkehr mit europäischen Nationen zu brechen. Als durchaus fremdartig und unangenehm fällt unsrem Ohre zunächst ein zischender, schrillender, summsender und murksender Lautausdruck der jüdischen Sprechweise auf: eine unsrer nationalen Sprache gänzlich uneigentümliche Verwendung und willkürliche Verdrehung der Worte und der Phrasenkonstruktionen gibt diesem Lautausdruck vollends noch den Charakter eines unerträglich verwirrten Geplappers, bei dessen Anhörung unsre Aufmerksamkeit unwillkürlich mehr bei diesem widerlichen Wie, als bei dem darin enthaltenen.“ (R. Wagner; Das Judentum in der Musik“, Seite 5f, 1869) – ZitatendeKein Wunder also, das Adolf Hitler und die Nazigrößen den Komponisten Richard Wagner verehrten. 2002 berichtet Spiegel online über eine Sendung von „Spiegel-TV“ vom 22. Juli 2002 mit dem Titel „Götterdämmerung in Bayreuth". Dort heißt es: „Schon in den zwanziger Jahren steht Bayreuth im Mittelpunkt eines rechtsradikalen "Netzwerks", das den Aufstieg Hitlers und seiner Partei nach Kräften fördert und im Ausland immer wieder Finanzquellen für die Nazis erschließt. Die junge Winifred, seit 1915 Ehefrau des homosexuellen Komponistensohns Siegfried Wagner, pflegt eine innige Freundschaft zu Hitler. Die Wagners sind überzeugte Antisemiten. Nach Siegfrieds frühem Tod leitet Winifred die Festspiele, die 1933 nur Dank finanzieller Unterstützung Hitlers dem Ruin entgehen. Bayreuth wird zum Gralstempel des Dritten Reiches, der Reichskanzler ist alljährlich umjubelter Gast im Hause Wagner. Dort spielt Hitler den Ersatzvater für die Wagner-Erben, pflegt engste Freundschaften mit Winifreds Kindern … Winifred stirbt 1980 - ungebrochen in ihrer Verehrung für Hitler. Bereitwillig hat sie die Verantwortung für die dunklen Jahre der Festspiel-Geschichte übernommen, ihren Kindern so das Erbe gerettet. Doch die Schatten der Vergangenheit sind bis heute nicht gewichen:“ (http://www.spiegel.de/sptv/reportage/a-204921.html; zitiert bei Dr. Frederik Weinert in „Nazivergleiche und Political Correctness“, S. 152)
Dennoch: Dass bis heute die Spitzen der bundesdeutschen Politik bis hin zur Kanzlerin Angela Merkel, die Prominenz aus Kunst, Schauspiel und Wirtschaft nach Bayreuth pilgern, wenn alljährlich Richard Wagner auf dem Programm steht, ist genauso widerlich und schizophren, wie die Huldigung Martin Luthers zur „vierten Person Gottes“. Beide aber, Luther und Wagner werden von ihren „Fans“ insofern in Schutz genommen, als dass man sie zweiteilt: Luthers Reformwillen der katholischen Papstkirche einerseits, sein tödlicher Antisemitismus andererseits; Wagners hervorragende Notensätze einerseits, seine Rassenlehre andererseits. Sogar in Israel ist es eine ernsthafte und sehr kontroverse Diskussion, ob Wagner aufgeführt werden soll und darf.
Chamberlain, der eine Tochter Wagners zweiter Ehefrau Cosima geheiratet hatte, schreibt zeitgleich in „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ über Arier, Luther und die Juden folgendes:
„Was die Araber gründen, ist von kurzer Dauer; die Mongolen zerstören, aber schaffen nichts; die großen Italiener des rinascimento [Renaissance] stammen alle aus dem mit lombardischem, gotischem und fränkischem Blute durchsetzten Norden oder aus dem germano-hellenischen äußersten Süden; in Spanien bilden die Westgoten das Lebenselement; die Juden erleben ihre heutige »Wiedergeburt«, indem sie sich auf jedem Gebiete möglichst genau an germanische Muster anschmiegen. Von dem Augenblick ab, wo der Germane erwacht, ist also eine neue Welt im Entstehen, eine Welt, die allerdings nicht rein germanisch wird genannt werden können, eine Welt, in welcher gerade in unserem Jahrhundert neue Elemente aufgetreten sind, oder wenigstens Elemente, die früher bei dem Prozess weniger beteiligt waren, so z. B. die früher reingermanischen, nunmehr durch Blutmischungen fast durchwegs »entgermanisierten« Slawen und die Juden, eine Welt, die vielleicht noch große Rassenkomplexe sich assimilieren und mithin entsprechende, abweichende Einflüsse in sich aufnehmen wird, jedenfalls aber eine neue Welt und eine neue Zivilisation, grundverschieden von der helleno-römischen, der turanischen [Turanismus = Ideologie, die einen gemeinsamen Ursprung der Turkvölker, Finno-Ugrier, Mongolen und Mandschu-tungusischen Völker annimmt], der ägyptischen, der chinesischen und allen andern früheren oder zeitgenössischen.“ (Chamberlain, „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, Seite 8f)
Und weiter schreibt Chamberlain: „Ein Gang durch die Büstensammlung des Berliner Museums wird überzeugen, wie sehr gerade dieser Typus sich in dem durch und durch von Goten, Langobarden und Franken germanisierten Norditalien erblicken will, mit rein germanischem Blut und zwar als dem einzig schöpferischen Element durchsetzt (siehe Savigny: Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, I, Kap. 3) festgesetzt hatte; die nächste unzweifelhafte physiognomische Verwandtschaft finden wir noch heute in jenen vorhin genannten deutschen Tirolern, sowie in Norwegen, und einzelne verwandte Züge überall, wo es echte Germanen gibt. Jedoch, betrachten wir die größten germanischen Männer, so werden wir nicht eine, sondern zahlreiche physiognomische Gestaltungen finden; zwar wiegt die kühne, mächtig geschwungene Nase vor, doch finden wir fast alle denkbaren Kombinationen bis zu jenem gewaltigen Kopfe, der in jedem Zug das Gegenstück zu Dantes abgibt, gerade in diesem Gegensatz die innige Verwandtschaft verratend: bis zu dem Kopf Martin Luthers. Hier umweht jener Orkan, von dem [Honore de] Balzac sprach [„Dieser Orkan von menschlichen Gesichtern, dieses Hin- und Herfließen von durch die gleiche Bewegung getragenen menschlichen Körpern“, in „Adieu“ I], Stirn und Augen und Nase, keine Marmorkuppel wölbt sich darüber; es ruht aber dieser Flammen speiende Vulkan von Energie und Gedankenfülle auf Mund und Kinn wie auf einem graniten Felsen. Jeder kleinste Zug des gewaltigen Antlitzes zeugt von Tatendurst und Tatkraft; bei diesem Anblick steigen Einem die Worte Dantes ins Gedächtnis Colà dove si puote Ciò che si vuole [„Wo das Vollbringen und Verlangen, da muss man es tun“, Dante in Die Hölle: III. Gesang] --- Dieser Mann kann, was er will, und sein ganzes Wollen strebt hinaus zu großen Taten: in diesem Kopf wird nicht studiert, um gelehrt zu sein, sondern um Wahrheit zu erforschen, Wahrheit fürs Leben; er singt nicht um des Ohrenschmauses willen, sondern weil Gesang das Herz erhebt und kräftigt; er hätte es nicht wie Dante vermocht, stolz und verkannt abseits zu leben, seinen Ruhm künftigen Geschlechtern anvertrauend, — was gilt diesem Antlitz Ruhm? »Die Liebe ist der Pulsschlag unseres Lebens«, sagte er. Und wo kräftige Liebe, da ist auch kräftiger Hass. Von einem derartigen Antlitz zu sagen, wie Henke, es repräsentiere den norddeutsch-slawischen Typus1, ist durchaus irrig. Eine so gewaltige Erscheinung ragt über derartige Spezifikationen weit hinaus; sie zeigt uns die äußere Einkleidung einer der erstaunlich reichsten Entwickelungsmöglichkeiten des germanischen Geistes in ihrer höchsten Fülle. Wie Dantes, so gehört auch Luthers Antlitz dem gesamten Germanentum an. Man findet diesen Typus in England, wohin nie ein Slave drang, man begegnet ihm unter den tatkräftigsten Politikern Frankreichs. Lebhaft stellt man sich diesen Mann 1.500 Jahre früher vor, hoch zu Ross, die Streitaxt schwingend zum Schutze seiner geliebten nordischen Heimat, und dann wieder am trauten Herde inmitten der Kinder Schar, oder an der Männertafel, das Methorn bis auf den letzten Tropfen leerend und Heldenlieder den Ahnen zum Ruhme singend.
Zwischen Dante und Luther bewegt sich die reiche physiognomische Skala großer Germanen. Wie Tacitus sagte: sie gleichen nur sich. Jeder Versuch aber einer Lokalisierung der Typen, etwa nach Nord und Süd oder nach keltischem Westen und slawischem Osten, ist offenbar verfehlt, verfehlt wenigstens, sobald man die bedeutenderen und darum charakteristischeren Männer ins Auge fasst und von den Zufälligkeiten der Tracht, namentlich der Barttracht, absieht. Goethe z. B. könnte der Gesichtsbildung nach jedem germanischen Stamme entsprossen sein, Johann Sebastian Bach auch, Immanuel Kant ebenfalls.“ (a.a.O. Seiten 501 ff)
In Dantes Divina Commedia gibt es den Schriftzug über dem Eingangstor zur Hölle. Dort ist zu lesen: Per me si va ne la città dolente, per me si va ne l'etterno dolore, per me si va tra la perduta gente -- durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer, durch mich geht man hinein zum ewigen Schmerze, durch mich geht man zu dem verlornen Volke. Für den italienischen Juden Primo Levi, der das KZ Auschwitz überlebte, war die Reise nach Auschwitz die Reise ins Jenseits, die Reise in die Hölle, und er setzte Dantes Schriftzug gleich mit dem von „Arbeit macht frei". (vergleiche Primo Levi in „Ist das ein Mensch?“)
Auch Anja Lundholm (1914 bis 2007), eigentlich Helga Erdtmann, Tochter einer Jüdin, die das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, in das sie als italienische Widerstandskämpferin 1944 deportiert wurde überlebte, hat ihre Erfahrungen von dort in dem Buch „Das Höllentor“ festgehalten. Auch in Ravensbrück prangte über dem Eingangstor zum KZ der Schriftzug „Arbeit macht frei“. Lundholm hat, bevor sie die Hölle von Ravensbrück beschreiben konnte, mehrere andere Bücher publiziert, um sich durch diese Stück für Stück an dieses eigentlich unaussprechliche Thema heranzuwagen. Aber waren Anja Lundholm und ihre Leidensgenossen – von 130.000 Frauen in Ravensbrück überlebten nur 3.000 (knapp 2,5 Prozent) das KZ – und all die anderen vielen Millionen Juden nicht genau dahin gelangt, wohin Luther sie einst verortet hatte, wenn er sagte, sie, die Juden, seien des Teufels, verortet nämlich in die HÖLLE?“