"Wer diskriminiert wird, fühlt sich sicher nicht integriert" . . .
Walter Leimgruber, Präsident der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM)
Interview mit Walter Leimgruber - Das Gespräch führte Theodora Peter
Walter Leimgruber: Das Thema Migration hat viel und gleichzeitig auch wenig Einfluß. Und es beeinflußt auf verschiedene Arten. So ruft die Fluchtmigration die heftigsten rassistischen Äußerungen hervor, obschon sie nur einen ganz kleinen Teil der weltweiten Migration ausmacht. Migration ist mit der Globalisierung insgesamt verbunden. Diese Neustrukturierung der Welt führt zu Verunsicherung und Ängsten. Rassistische Positionen sind für die Menschen verlockend, um die mit der Globalisierung verbundenen Schwierigkeiten einzuordnen. Denn es ist extrem einfach, einen Sündenbock für alles verantwortlich zu machen, was nicht gut läuft.
Eine Gruppe auszuschließen und die Probleme einem Sündenbock zuzuschieben, dafür braucht es keine Migration. Dies sieht man bei der Diskriminierung von Gruppen, die schon immer hierzulande gelebt haben, wie etwa den Juden oder den Jenischen und Sinti.
Wie nehmen Sie den aktuellen politischen Diskurs wahr?
Rassismus ist nicht zwingend mit einem großen gesellschaftlichen Wandel verknüpft. Doch derzeit befinden wir uns in Westeuropa in einer Umbruchsituation. Die Menschen merken, dass es punkto Wohlstandes und sozialer Sicherheit nicht mehr so aufwärts geht wie in den letzten 50 Jahren. Diese Wahrnehmung eines linearen Aufschwungs ist durchbrochen. Derzeit ist die Angst spürbar, dass alles, was bisher als sicher galt, in Zukunft anders sein könnte. Das befördert die Suche nach Schuldigen. Weil man sein Unwohlsein nicht an komplexen Vorgängen wie der Globalisierung oder dem Freihandel festmachen kann, werden die Probleme den Flüchtlingen zugeschoben.
Gilt dies auch für die Schweiz?
In der ganzen westlichen Welt nehmen die Kräfte zu, die mehr oder weniger offen rassistisch, fremdenfeindlich oder migrations- skeptisch sind und die für Abschottung plädieren – sei es beim Handel oder bei der Zuwanderung. In der Schweiz ist diese Entwicklung durch den direktdemokratischen Prozess mitunter früher spürbar. Doch nun sieht man, dass diese Auseinandersetzung in anderen Ländern mindestens so heftig geführt wird.
Der Bund (CH) sieht in seiner Integrationspolitik auch Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung vor. Inwiefern kann man durch Integration Rassismus bekämpfen?
Das kommt darauf an, wie man Integration versteht. Aus Sicht der EKM betrifft das
Thema alle. Integration heißt für uns, dass die
Gesellschaft in einem Aushandlungsprozess
Lösungen findet, für das Zusammenleben aller.
Dabei einigt man sich auf Kriterien, die gelten
sollen, damit jeder in der Gesellschaft seinen
Platz hat. Wenn man Integration in diesem
erweiterten Sinne versteht, gehört selbstverständlich der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus dazu.
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