Macron's Schritt Richtung "Palästina" löst Anerkennung, Protest und Dilemma aus ...
Emmanuel Macron will Palästina als Staat anerkennen. Damit wäre Frankreich das erste G7-Land, das diesen Schritt vollzieht. Macron will eine neue Dynamik im Friedensprozess anstoßen - doch ist fraglich, ob das gelingt.
Die Entscheidung verkündete Emmanuel Macron spätabends auf X. In einem langen Post erklärte Frankreichs Präsident, dass sein Land einen Staat Palästina anerkennen werde. Die offizielle Anerkennung, so Macron, solle im September bei der UN-Generalversammlung erfolgen. Es ist eine Reaktion auf die immer verzweifelter werdende Situation in Gaza, auf die Bilder und Berichte von hungernden Menschen, auf die wiederholten dramatischen Appelle zahlreicher Hilfsorganisationen. "Wir brauchen eine sofortige Waffenruhe, die Freilassung aller Geiseln und massive humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza", schreibt Macron. Gleichzeitig fordert er die "Demilitarisierung der Hamas" und des ganzen dann durch Frankreich anerkannten Staates Palästina, der "Israel vollständig anerkennen" müsse. Dies, so Frankreichs Präsident, trüge zur Sicherheit aller in der Region bei. Dazu gebe es keine Alternative.
Der französische Präsident hatte schon mehrfach eine Anerkennung Palästinas in Aussicht gestellt, diese dann aber doch immer wieder hinausgezögert. Eigentlich wollte er den Schritt auf einer UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung in New York verkünden - wegen des israelischen Angriffs auf den Iran wurde diese Konferenz dann aber von Juni auf Ende dieses Monats verschoben.
Nun aber will Macron die festgefahrene internationale Debatte über eine Zweistaatenlösung neu beleben. Frankreich folgt damit dem Beispiel anderer europäischer Länder wie Spanien, Irland oder Norwegen, die erst vor Kurzem Palästina ebenfalls anerkannt haben. Insgesamt haben diesen Schritt mittlerweile 147 Staaten vollzogen. Eine Anerkennung aus Paris hätte aber international ein besonderes Gewicht: Frankreich wäre der erste G7-Staat, der Palästina anerkennen würde - und das erste westliche ständige Mitglied im UN-Sicherheitsrat.
Das Vorpreschen des französischen Präsidenten ist dabei auch innenpolitisch motiviert. Lange haben ihm seine politischen Gegner vorgeworfen, im Nahostkonflikt zu zögerlich zu agieren und keine klare Linie gefunden zu haben. Nun sieht Macron eine Chance, Frankreich als unabhängigen Akteur im Nahostkonflikt zu profilieren. Die Teile der französischen Öffentlichkeit, die schon lange eine aktivere Rolle Europas im Nahen Osten fordern, begrüßen den Schritt ihres Präsidenten. Doch es gibt kaum ein Land in Europa, in dem der Nahostkonflikt so polarisiert wie in Frankreich.
Reaktionen aus Israel auf den französischen Schritt ließen nicht lange auf sich warten. Premierminister Benjamin Netanjahu verurteilte den Schritt auf X scharf: Dieser "belohne den Terrorismus" und "riskiere die Bildung eines weiteren Stellvertreters des Iran, genauso wie Gaza schon einer geworden ist". Ein palästinensischer Staat unter diesen Bedingungen, so Netanjahu, "wäre eine Startrampe zur Vernichtung Israels."
Verteidigungsminister Israel Katz nannte die Anerkennung eine "Schande" und eine "Kapitulation vor dem Terror". Auch in Frankreich selbst warfen rechte und pro-israelische Gruppen Macron bereits vor, sich mit der Hamas gemein zu machen, die unter anderem von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird.
Die Hamas selbst begrüßte Macrons Entscheidung als "Schritt in die richtige Richtung", auch wenn sie mit der Forderung nach ihrer eigenen "Demilitarisierung" sicher nicht einverstanden sein dürfte. Lob kam auch aus der arabischen Welt, insbesondere aus Saudi-Arabien, dessen Außenministerium Macrons Ankündigung ausdrücklich begrüßte.
"Mit der Anerkennung Palästinas wird Frankreich auch andere Staaten ermutigen oder gar dazu drängen, seinem Beispiel zu folgen, ob das nun Belgien, Dänemark oder Luxemburg ist. Oder gar Großbritannien, Australien oder Kanada", erklärte Hugh Lovatt, Nahostexperte des European Council on Foreign Relations, gegenüber der DW. Großbritanniens Premierminister Keir Starmer zeigte sich grundsätzlich offen für eine neue europäische Initiative zur Beendigung des Gazakrieges, bleibt aber in der Frage der Anerkennung Palästinas zurückhaltend.
Auch das politische Berlin äußerte sich bislang vorsichtig und abwägend zu Macrons Vorstoß. Deutschland erkennt Palästina bislang nicht an und hält an der bisherigen Linie fest, dass ein solcher Schritt nur im Einklang mit internationalen Verhandlungen erfolgen sollte. Frankreichs Initiative bringt Berlin in eine unangenehme Lage: Einerseits sucht man nach europäischer Geschlossenheit, andererseits ist Deutschland Israels engster Partner in Europa.
Im Gegensatz dazu haben die USA sich deutlich an die Seite Israels gestellt und die Ankündigung des französischen Präsidenten scharf kritisiert. US-Außenminister Marco Rubio postete auf X, die Entscheidung "diene lediglich der Propaganda der Hamas" und sei "ein Schlag ins Gesicht der Opfer des 7. Oktober". Der Terrorangriff der Hamas auf Israel mit über 1200 Getöteten und mehr als 250 nach Gaza verschleppten Geiseln war der unmittelbare Auslöser für den derzeitigen Krieg im Gazastreifen.
Die Entscheidung ist vor allem symbolischer Natur, konkrete völkerrechtliche Folgen über das bilaterale Verhältnis zwischen Frankreich und einem Staat Palästina hinaus ergeben sich daraus zunächst nicht. Allerdings könnte Frankreich künftig direkte Beziehungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde aufbauen oder vertiefen - etwa durch Botschaften, Handelsabkommen oder Hilfsprogramme.
Dennoch dürfte die Anerkennung allein zunächst einmal nichts an der Lage vor Ort ändern. Zumal wichtige Fragen ungeklärt bleiben - etwa die, in welchen Grenzen ein palästinensischer Staat anerkannt würde. Unklar ist auch, wie Macrons Idee von einem "entmilitarisierten Staat", der von Israel anerkannt werden soll, mit den Vorstellungen der israelischen Regierung und der Hamas in Einklang zu bringen sein soll.