‼Wenn das Existenzrecht Israels nicht nur infrage gestellt wird, sondern linke Kreise postulieren, seine Gründung sei allein "zur Rettung westlicher Interessen in der Region" erfolgt ...
Stefan Weinert
Prolog
Aufgrund der geschichtlichen Ereignisse in Politik, Religion und Gesellschaft in Europa und vor allem im Deutschen Reich ab dem 17. respektive dem 19. Jahrhundert bis hin zum 14. Mai 1948 ist eindeutig klar und erwiesen, dass die Gründung des Staates Israel den Verfolgungen der Juden einerseits, und deren großes Bedürfnis zur Überlebensfähigkeit andererseits gegründet wurde.
Doch trotz dieser Überlebensstrategie des jüdischen Volkes, einen eigenen ihn schützenden Staat und sie vor einem erneuten "Holocaust" bewahrendes Territorium zu gründen - und trotz der Tatsache, dass im Jahre 1948 die UNO mehrheitlich die Existenz des "Staates Israel" bestätigt hat, sprechen mehrheitlich nicht nur die umliegenden arabischen Staaten Israel diese Recht auf Existenz ab. Und das bereits seit weit vor der Netanjahu-Administration, sondern grundsätzlich. Nein - es sind nicht nur die arabischen, die islamischen Staaten.
Dazu kommt eine weitere - skandalöse - Ungeheuerlichkeit, welche mein "Herz und Verstand" kaum fassen können, aber in der politisch linken Szene offensichtlich bei einigen Vertretern und Vertreterinnen (ich will das hier nicht verallgemeinern und pauschalisieren) in die DNA übergegangen ist. Ich las sie (die Ungeheuerlichkeit, wie ich es empfinde) jüngst - tendenziös gestaltet und formuliert - in einem deutschen Medium, das explizit links-marxistisch ausgerichtet ist: die "junge Welt".
Dort heißt es zitierend in dem oben erwähnten Artikel wie folgt:
»Der Staat Israel wurde nicht für die Rettung der Juden geschaffen, sondern für die Rettung westlicher Interessen. Das wird jetzt klar (ich muss sagen, dass es mir schon immer klar war). Die Palästinenser zahlen seit mehr als dreißig Jahren [Zitat im Original geschrieben 1979] einen hohen Preis für die britische Kolonialpolitik des ›Teile und herrsche‹ und für Europas schlechtes christliches Gewissen.« https://www.jungewelt.de/
Und weiter heißt es in diesem Artikel:
Aber für mich war es offensichtlich, warum die westliche Welt den Staat Israel geschaffen hat, der eigentlich kein jüdischer Staat ist. Der Westen brauchte einen Hebel im Nahen Osten, und sie schufen den Staat als europäische Schachfigur. (…) Ich bin überhaupt nicht antisemitisch, aber ich bin antizionistisch. Ich glaube nicht, dass sie (die Juden) das Recht haben, nach 3.000 Jahren das Land mit westlichen Bomben und Gewehren auf biblisches Geheiß zurückzuerobern.« [Zitat im Original geschrieben 1972] (a. a. O)
Die Zitate in diesem Beitrag stammen von James Arthur Baldwin (1924 - 1987), einem der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus bekannt wurde. Er veröffentlichte sie 1979 (Zitat 1) in einem kontrovers diskutierten Essay »Offener Brief an die Wiedergeborenen« - und (Zitat 2) 1972 in seinem Essay »Take Me to the Water«.
Von wegen "Ich bin überhaupt nicht antisemitisch, aber ich bin antizionistisch. Ich glaube nicht, dass sie (die Juden) das Recht haben, ..." Wie gesagt, werden diese Parolen in der deutschen linken Szene publiziert und postuliert und als "Wahrheit" (siehe unten) hingestellt, was impliziert, dass die Gründung des Staates Israel zum zukünftigen Schutz der Juden erfolgte, eine Lüge ist.
Überschrieben - Titel und Untertitel - übrigens ist der Beitrag in der "jungen Welt" mit "HISTORISCHE SPIEGELUNGEN" - James Baldwin erkannte Parallelen zwischen der Lage der Schwarzen in den USA und der Situation der Palästinenser in Israel.
Dazu heißt es in dem Artikel: "Für Baldwin ist dies »ein Aspekt des ambivalenten Verhältnisses« der Schwarzen zu den Juden: Denn obwohl der traditionelle Vorwurf christlicher Gläubiger, »dass die Juden für den Tod Christi verantwortlich seien, weder in Frage gestellt noch angezweifelt« werde, schließe der Begriff »Jude« in diesem Kontext »alle Ungläubigen weißer Hautfarbe ein, die den Erlöser nicht angenommen haben«. Im Widerspruch dazu identifizierten sich Schwarze in den USA fast vollständig mit dem Schicksal der Juden. Die frommsten unter ihnen fühlten selbst wie Juden und warteten darauf, dass Moses sie aus Ägypten hinausführen werde: »Wie Israel auserwählt wurde, so halten auch sie sich für auserwählt. Die Bilder des leidenden Christus' und die des leidenden Juden verbinden sich mit dem Bild des leidenden Sklaven, und sie sind eins: Das Volk, das in der Finsternis wandelte, sah ein strahlendes Licht!"
Am Ende des Beitrages heißt es: "Angesichts des vom Westen gedeckten Genozids, den die rechtsextreme Netanjahu-Regierung an der Bevölkerung von Gaza verübt, ist es an der Zeit, dass auch James Baldwins mahnende Stimme anerkannt und gehört wird, der seit den 1960er Jahren trotz aller Anfeindung den Mut gefunden hatte, öffentlich die Wahrheit zu sagen über die seit 1948 nicht endende Katastrophe für die palästinensische Bevölkerung." (a. a. O.)
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Um der Wahrheit (siehe oben) doch ein wenig mehr Gerechtigkeit zu verschaffen, sei von mir hier auf die Entstehungsgeschichte samt den Gründen für den heutigen Staat Israel hingewiesen.
Theodor Herzl war ein dem Judentum zugehöriger österreichisch-ungarischer Schriftsteller, Publizist und Journalist. Im Jahre 1896 veröffentlichte Herzl sein Buch "Der Judenstaat", welches er unter anderem auch unter dem Eindruck der damals aktuellen Dreyfus-Affäre geschrieben hatte. Der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus war 1894 durch ein Kriegsgericht in Paris wegen angeblichen Landesverrats zugunsten des Deutschen Kaiserreichs aufgrund rechtswidriger Beweise und zweifelhafter Handschriftengutachten verurteilt worden.
Höchste Kreise im Militär wollten die Rehabilitierung Dreyfus’ und die Verurteilung des tatsächlichen Verräters verhindern. Antisemitische, klerikale und monarchistische Zeitungen und Politiker hetzten Teile der Bevölkerung auf, während Menschen, die Dreyfus zu Hilfe kommen wollten, ihrerseits bedroht, verurteilt oder aus der Armee entlassen wurden.
Seit dem 17. Jahrhundert stand in Europa die so genannte "Judenfrage" im Focus. Zunächst in Großbritannien und dann in Frankreich. Bei ihr ging es ursprünglich um die Frage der jüdischen Emanzipation. Ab dem Jahr 1860 griff die deutsche Gesellschaft und deutsche Politik diesen Begriff auf, in dem sich die Judengegner den Begriff im Kontext des aufkeimenden Nationalismus zu eigen machten. Seit dem Börsenkrach von 1873 wurde der Begriff "Judenfrage" im deutschen Kaiserreich zu einem feststehenden Ausdruck des zeitgenössischen Antisemitismus, der Juden jede Fähigkeit zur Integration und Assimilation absprach und ihnen ein Weltherrschaftsstreben unterstellte - eben das später von Adolf Hitler aufgegriffene "Weltjudentum". Ab dem Jahr 1941 tarnte und rechtfertigte dieser Begriff die Durchführung des Holocaust.
Unter dem Eindruck eben dieser antijudaistisch und antisemitisch geprägten Judenfrage in Europa und in Deutschland, war Theodor Herzl zu der Überzeugung gekommen, dass die Juden zu ihrem Schutz eine Nation unter der Maßgabe der Bildung eines eigenen Staates - des Staates Israel - bilden müssen. Herzl wurde also bereits rund 40 Jahre vor der Machtergreifung der deutschen Nazis zum Vordenker eines die Juden schützenden eigenen Staates: ISRAEL.
In seinem Buch (verfasst 1894/95; veröffentlicht 1896) schreibt Herzl einleitend, die Nuancen der Judenfeindlichkeit seien zahllos: „In Russland werden Judendörfer gebrandschatzt, in Rumänien erschlägt man ein paar Menschen, in Deutschland prügelt man sie gelegentlich durch, in Österreich terrorisieren die Antisemiten das ganze öffentliche Leben, in Algerien treten Wanderhetzprediger [gegen die Juden] auf, in Paris knöpft sich die sogenannte bessere Gesellschaft zu, die Cercles [vornehme, geschlossene Gesellschaft] schließen sich gegen die Juden ab.“
Im weiteren Verlauf der Bestrebungen, einen schützenden eigenen Staat zu bilden, wurde für die Juden Europas klar, dass dafür nur das "Land ihrer Väter" zwischen Jordan und dem Mittelmeer und zwischen dem Libanon und dem "Roten Meer" in Frage kommt.
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Mir geht es in diesem Artikel um die Klarstellung für das Motiv einer Gründung des STAATES ISRAEL. Die Frage nach dem Schicksal der bisherigen Bewohner des nahöstlichen Landstriches ist - zugegeben - ein anderes ernstes Thema. Leider ist schon Theodor Herzl in seinem oben erwähnten Buch "Der Judenstaat" nur halbherzig an dieses Thema herangegangen. Auch wenn eine Lösung dieses Problems unabdingbar ist - sie scheint irgendwie in weiter Ferne.