JUDENSTRASSE in Ravensburg - Erinnerung und Forderung ... "Wertschätzung" nacholen
Von Stefan Weinert
Im Januar 2017 war klar, dass acht Monate später Bundestagwahlen stattfinden werden. Klar war aber nicht, dass ab September jenes Jahres über einhundert Mandate an die AfD fallen würden.
Im selben Jahr befand sich auch auf dem gut erhaltenen Kellergewölbe der ehemaligen Synagoge (jüdisches Gebetshaus) in der Ravensburger "Grüner-Turm-Straße" der florierende Döner-Imbiss "Saray", um dort hungrige Mäuler zu stopften, was auch immer besser gelang. Doch 2021 hatte ein Rotlicht-Betreiber dieses Haus gekauft und zwei Jahre später dort sein "Food-House" eröffnet. Wegen schlechter Umsatzzahlen aber musste dieser Imbiss zehn Monate später schon wieder geschlossen werden. Der Besitzer führt das unter anderem auf seinen schlechten Ruf zurück.
Doch zunächst zurück nach 2017. Ein knappes 3/4 Jahr vor diesem demokratisch abgesegneten Tabubruch, hatte ein Ravensburger Bürger eine Petition ins Leben gerufen, welche die Rückbenennung der derzeitigen "Grüner-Turm-Strasse" in Ravensburg in ihren ursprünglichen Namen "Judenstraße" fordert.
Doch das Anliegen scheiterte kläglich, erbärmlich, kümmerlich und erschreckend. Ein schwergewichtiger CDU-Politiker schreib mir damals sinngemäß, eine solche Umbenennung käme für ihn deshalb nicht infrage, weil der Begriff "Jude" heute (2017) einen schlechten Ruf habe. Mich hat dieses Argument schier umgehauen. "Schlechter Ruf". Unglaublich. Wenn ein Herr Plösser oder ein Herr Schneider oder ein Herr Weinert einen "schlechten Ruf" in Ravensburg haben, dann ist das das Eine. Doch wenn der Begriff oder der Name "Jude" ihn hat - und zwar unter Demokraten, dann ist das eine Schande.
Ähnlich klingt der damalige Pressesprecher der Stadt, über den es im SZ-Artikel folgend heißt respektive er zitiert wird: "Der ursprüngliche Name sei seinerzeit ein Begriff gewesen für den zwangsweisen Wohnort der Ravensburger Juden, so Oswald: „Wie eine Art Ghetto.“ Mit Wertschätzung habe dieser Name nichts zu tun gehabt." - Aber sollte nicht gerade in einer freiheitlichen Demokratie diese "Wertschätzung nachgeholt werden. Gerade weil der Schutz jüdischen lebens in Deutschland mehr als "Staaträson", sondern eine unendliche Verpflichtung ist.
Die Ravensburger Stadtverwaltung mit den damaligen und heute immer noch im Amt seienden Bürgermeistern, hatte das Anliegen von Vornherein rigoros abgelehnt, noch meines Wissens noch nicht einmal im Gemeinderat behandelt - und der Petent hat auch nie eine Reaktion der Stadtverwaltung erhalten, sondern es nur aus der Zeitung erfahren.
Doch nun zum damaligen Presseartikel der "Schwäbischen Zeitung".
Der "Initiator der angestrebten Umbenennung der Grüner-Turm-Straße in Judenstraße ... begründet seine Initiative so: „In einer Zeit [2017], wo das nationalsozialistische und arische Gedankengut in Deutschland und Europa mehr und mehr aufkeimt, wo die AfD die Anzahl der jüdischen Opfer in den Konzentrationslagern und Ghettos der Nazidiktatur versucht zu halbieren oder gar zu dritteln und meint, man müsse die Erinnerung an die Jahre 1933 bis 1945 zugunsten anderer deutscher Werte der Vergangenheit vernachlässigen, ist es unbedingt notwendig, ein klares Zeichen zu setzen ... Eine Gedenktafel ist keine postalische Anschrift und auch auf keinem Stadtplan verzeichnet, eine Judenstraße aber schon. Mir kommt das Ganze wie eine Verleumdung der Ravensburger Vergangenheit vor.“
Seitdem sind sieben Jahre und fünf Monate und zwei Europawahlen vergangen. Was 2017 bereits offen geschwelt hatte, ist zu einem Flächenbrand geworden. Mit acht Mandaten sitzt die AfD im Ravensburger Kreistag. Mitbürger/innen mit Migrationshintergrund haben Angat, offen gegen Rechts Position zu vertreten, weil sie Angst vor Repressalien von dieser Seite haben.
Deshalb habe ich mich entschlossen, die Petition vom Januar 2017 noch einmal aufzugreifen, zu erneuern und der Aktualität anzupassen. Sie ist gerichtet an die Ravensburger Stadtspitze und dem neu gewählten Ravensburger Gemeinderat.
Die Petition ist >>> H I E R zu finden.