Am 20. Juli 1944 "... erschüttert eine ohrenbetäubende Explosion die Lagebaracke ..." - Von Bad Sachsa nach Ravensburg
Schussental-Medial
Stefan Weinert
Im Jahre 1958 - ich war gerade mal sechs Jahre alt - mussten und durften mein älterer Bruder (10) und ich für sechs Wochen in ein Erholungsheim, um (es war Nachkriegszeit und zu der Zeit waren wir eine sechsköpfige Familie) "aufgepäppelt" zu werden und die Eltern zu entlasten. Das Problem war nur, dass dieses Heim weit weg von zu Hause lag: Bad Sachsa im Harz. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich gerade mal bis Eckernförde zum Baden am Ostseestrand, das 20 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt liegt, gekommen.
Nachdem ich drei Tage lang unter extrem starkem Heimweh litt, waren auch die restlichen 5 1/2 Wochen nicht unbedingt ein Zuckerschlecken. Gut, dass mein Bruder dabei war, das gab mir Halt.
Wo 13 Jahre vorher noch das Hakenkreuz über Kindern der Hitlerattentäter und -Gegner wehte, musste/durfte ich 1958 sechs Wochen zur Erholung verbringen. Immerhin schlief ich dort in einem Bett, indem womöglich ein Kind von Graf Stauffenberg geschlafen hatte.-- https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Sippenhaft-Hitlers-Rache-fuer-Attentat-am-20-Julili-1944,badsachsa136.html
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich natürlich nicht, dass genau in diesen Häusern des Heims - es waren drei - in den Jahren 1944 und 45 die Kinder der Hitlerattentäter vom 20. Juli 1944 in Sippenhaft festgehalten wurden.
Zwischen August und September 1944 brachten die Nazis insgesamt 46 Kinder der Widerstandskämpfer nach Bad Sachsa. Sie waren im Alter von 1 Monat bis zu 15 Jahren. Statt der ursprünglich geplanten 200 Kinder wurden aber eben "nur" 46 Kinder in Bad Sachsa untergebracht. Ab Mitte Februar 1945 wurden nur noch 18 von ihnen festgehalten - die Nazis hatten die meisten bereits wieder nach Hause entlassen. Die verbliebenen Kinder entgingen wenige Wochen später nur knapp dem Tod: Sie sollten kurz vor Kriegsende, am 3. April 1945, mit dem Zug von Nordhausen ins KZ Buchenwald gebracht werden. Doch ein Bombenangriff hatte in der Nacht zuvor den Bahnhof zerstört - statt ins Konzentrationslager kamen die Kinder zurück nach Bad Sachsa.
Dennoch waren alle diese Mädchen und Buben - samt ihren Müttern, eben den Frauen der Umstürzler - noch bis Anfang der 1960er Jahre im Nachkriegsdeutschland stigmatisiert, als Angehörigen von Verrätern! Erst als die darauffolgende zeitliche Forschung die Motivlage der Widerstandskämpfer herausgearbeitet hatte, gelang es den entsprechenden Initiatoren, Graf Stauffenberg, seine Mitstreiter, deren Frauen und Kinder, zu rehabilitieren. Zumindest in der Bundesrepublik galt ihr Kampf gegen Hitler nunmehr als Ausdruck für ein "anderes Deutschland".
Vielleicht auch deshalb fühlte ich mich 1960 in Bad Sachsa nicht wohl und heute - 66 Jahre später - bin ich fassungslos, dass die AWO und/oder andere Organisationen, dieses "Sippenheim" für Nachkriegskinder zur Erholung auswählte. Meinen Eltern mache ich allerdings keinen Vorwurf - die kämpften um die Existenz der jungen Familie - und ich hatte gerade meinen schweren Autounfall hinter mir.
Fassungslos bin ich aber auch, dass heute ---> am 20. Juli 2024 (wie übrigens auch im Vorjahr), im Regionalteil meiner Zeitung kein Sterbenswörtchen über den 20. Juli 1944 zu finden ist, keine Jota, kein Hinweis, kein Erinnern. Ja, im Mantelteil gibt es dazu einen großen Artikel (im Gegensatz zum Vorjahr), nicht aber bei "Ravensburger Regional" - dort in Ravensburg lebe ich set nun 35 Jahren - was aber gerade in der Aktualität der Zeit aus verschiedenen Gründen auch für den Ravensburger Regionalteil wichtig gewesen wäre.
So aber wird kaum jemand - das gilt vor allem für die Generationen "X -Y -Z" und für den Rest der taumelnden Masse - heute, am 20.Juli 2024, an das gedenken, was sich vor 80 Jahren im Osten des Deutschen Reiches bei der "Wolfsschanze" ereignete. Zudem würde es - "bei allem Respekt" - nur als Störenfried im Taumel des "Festes aller Feste", dem Ravensburger Rutenfest (19. Juli bis 23. Juli 2024) gelten
Stattdessen dominiert natürlich auf der ersten Seite des Regionalteils das gestern begonnene "Rutenfest", wo wieder einmal vielfältig geschossen wird und militant und martialisch aufgemachte Trommlergruppen die deutsche Straßenverkehrsordnung für eine knappe Woche für obsolet erklären. Ich habe nichts gegen Volksfeste - aber Maß und Mitte und Anstand sollten schon dazugehören.
Fehlt nur noch - wie in der Vergangenheit bereits schon geschehen - dass die Behörden in Ravensburg und seinem Kreis vergessen - die für den 20 Juli vorgeschriebene Beflaggung vorzunehmen.
Fassungslosigkeit aber auch deshalb, weil sich die ideologische Nachfolgepartei der NSDAP (AfD) nicht nur im Bundestag und den Landtagen etabliert hat, sondern ab dem 9. Juni 2024 auch mit acht Sitzen im Ravensburger Kreistag vertreten ist. Weil in der Zeit der "Weimarer Republik" (1918 bis 1933) die politische Mitte respektive die Regiernden mehr und mehr versagten, konnten sich in jener Zeit die beiden Ränder des politischen Spektrums "Fett anfressen". Einerseits war das die KPD (nicht die SPD bzw. die MSPD) und andererseits war dies die NSDAP. Beide wollten eine Revolution. Wir wissen, wie die Geschichte (im wahrsten Sinne des Wortes) ausging! Und das Ende war bereits 1919 mit der Ermordung Rosa Luxemburgs vorgezeichnet.
Und leider wiederholt sich dieses grausame Spiel in unseren Tagen - in Berlin, Stuttgart und Ravensburg, will das aber niemand so richtig wahrhaben. Aber wenn doch, dann werden die entscheidenden Konsequenzen nicht ergriffen. Im Gegenteil, wir zetteln auch noch einen Konflikt mit Russland an. Und zwar mit fliegenden Fahnen und Bombern!! -
Und gerade in diesem aktuellen Kontext, fehlt in der hiesigen Presse jeder Hinweis auf das Datum, welches Deutschland und weltweit Millionen von Menschen das Leben hätte retten können, und welches dem Morden in den KZs, beispielsweise in Ravensbrück - dem Tor zur Hölle -, ein Ende hätte setzen können.
---------------------------------------
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/141288/20-juli-1944-attentat-auf-adolf-hitler/
20. Juli 1944, gegen 12.40 Uhr: Claus Schenk Graf von Stauffenberg stellt seine Aktentasche mit einer Bombe in der Nähe Adolf Hitlers ab und verlässt unter einem Vorwand den Raum. Wenige Minuten später kommt es in der "Wolfsschanze", Hitlers "Führerhauptquartier" in Ostpreußen, zur Explosion. Mindestens vier der vierundzwanzig Anwesenden werden getötet - Hitler überlebt leicht verletzt.
Attentat und Umsturz waren von langer Hand geplant: von einer heterogenen Gruppe ziviler und militärischer Oppositioneller, unter ihnen Generäle, Offiziere sowie Verwaltungsbeamte. Viele von ihnen hatten Kontakte zum Kreisauer Kreis, der Widerstandsgruppe um Helmuth James Graf von Moltke.
Treibende Kraft der Widerstandsgruppe des 20. Juli war Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Offizier der deutschen Wehrmacht. Stauffenberg war zunächst kein ausgesprochener Gegner des NS-Regimes. Er bejahte sogar einige Grundideen des Nationalsozialismus wie den Gedanken des Führertums oder die Volksgemeinschaft. Doch sehr bald gehörte er zu den Kritikern Hitlers. Seit dem Winter 1938/39 war er entschlossen, selbst zum Sturz Hitlers beizutragen. Dem aktiven Widerstand schloss er sich im September 1942 an. Er stand unter dem Eindruck der Massenmorde an Juden, der hohen Verluste der Wehrmacht in Russland und der brutalen Behandlung der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten.
Die Gruppe um Stauffenberg plante einen militärischen Umsturz mit dem Ziel, Hitler auszuschalten und die nationalsozialistische Herrschaft sowie den Krieg zu beenden. Im Gegenzug wollten die Verschwörer die militärische Befehlsgewalt und die Regierungsverantwortung übernehmen. Über ein künftiges Staatsmodell herrschten unterschiedliche Auffassungen. Was die Gegner des Nationalsozialismus einte, war der Wille, der staatlichen Willkür und den Verbrechen der NS-Herrschaft ein Ende zu setzen.
Operation "Walküre"Für die Zeit nach dem Umsturz existierten bereits konkrete Pläne. General Friedrich Olbricht, Generaloberst Ludwig Beck, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, Generalmajor Henning von Tresckow sowie Carl Friedrich Goerdeler - Kopf des zivilen Widerstandes - hatten in monatelanger Konspiration die Operation "Walküre" erarbeitet: Der Plan basierte auf der bereits vorhandenen "Geheimen Kommandosache" der Nationalsozialisten, mit der etwaige Aufstände ausländischer Zwangsarbeiter im deutschen Reich niedergeschlagen werden sollten. Auf dieser Grundlage knüpfte die Gruppe ein Netz an Vertrauensleute in Wehrkreisen, wichtigen Ämtern und in den Berliner Schaltstellen der Macht. Auch der Entwurf einer Regierungserklärung, die von Beck als provisorischem Staatsoberhaupt und Goerdeler als Kanzler unterzeichnet werden sollte, war bereits ausgearbeitet.
1943 wurde Stauffenberg zum Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres (BdE) berufen und erhielt Gelegenheit, an Lagebesprechungen bei Hitler teilzunehmen. Anfang Juli 1944 beschloss er, das Attentat bei einer Lagebesprechung in der "Wolfsschanze" selbst auszuführen. Zuvor waren bereits mehrere Versuche der Widerstandsgruppe gescheitert. Auch das Attentat am 20. Juli schlug fehl - und damit die gesamte Operation Walküre. Noch in derselben Nacht wurden Stauffenberg und weitere Hauptverantwortliche des Attentats im Hof des Bendlerblocks, der Berliner Zentrale des Umsturzversuches, erschossen. Ludwig Beck wurde zum Selbstmord gezwungen. Henning von Tresckow nahm sich später an der Ostfront das Leben.
In den Tagen nach dem Attentatsversuch nahm die Gestapo tausende von Regimegegnern fest. Anfang August begannen die Prozesse vor dem "Volksgerichtshof", die bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes im Mai 1945 andauerten. Hunderte wurden hingerichtet.
Bedeutungswandel des 20. Juli in der NachkriegszeitDie geschichtspolitische Einordnung der Widerstandsgruppe um Stauffenberg hat in den Nachkriegsjahren einen Bedeutungswandel erfahren. Bis in die 1950er Jahre wirkte die NS-Propaganda nach, die den Umsturzversuch als Vaterlandsverrat und Eidbruch durch eine kleine Gruppe ehrgeiziger Offiziere stigmatisierte. Viele Zeitgenossen betrachteten das Hitler-Attentat als Versuch der Militärkaste ihren eigenen Ruf in letzter Minute zu retten. Auch in der DDR, wo dem kommunistischen Widerstand gegen Hitler eine zentrale Rolle beigemessen wurde, war der 20. Juli 1944 als reaktionärer Junkeraufstand denunziert worden. Wobei diese Sichtweise unterschlägt, dass Stauffenberg mit Vertretern der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung
wie Julius Leber und Adolf Reichwein zusammenarbeitete und auch Kontakt zu kommunistischen Widerstandsgruppen suchte.Erst als die zeitgeschichtliche Forschung in den 1960er Jahren die Motivlage der Widerstandskämpfer herausarbeitete, gelang es Stauffenberg und seine Mitstreiter zu rehabilitieren. Zumindest in der Bundesrepublik galt ihr Kampf gegen Hitler nunmehr als Ausdruck für ein "anderes Deutschland". Dennoch wird immer wieder kritisch darauf verwiesen, dass die Widerstandskämpfer um Stauffenberg keine geborenen Gegner des NS-Regimes gewesen sind und ihre Vorstellung einer Nachkriegsordnung keinesfalls auf demokratische-freiheitlichen Grundsätzen beruhte, wie sie in der Bundesrepublik nach Kriegsende verankert wurden. Die Akteure des 20. Juli sollten jedoch im historischen Kontext betrachtet werden, denn nur so "wird ihre ungeheure Leistung in dürftiger Zeit deutlich", schreibt der Politikwissenschaftler Tilman Mayer (APuZ 27/2004).
------------------------------------
https://www.planet-wissen.de/geschichte/nationalsozialismus/attentat_auf_hitler/index.html
20. Juli 1944, 12 Uhr 42: Rastenburg, Ostpreußen. In der Wolfsschanze, dem streng abgeriegelten Führerhauptquartier, beugt sich Adolf Hitler während einer Lagebesprechung über den schweren Eichentisch. Um ihn herum stehen mehrere Generäle. Gemeinsam beraten sie das weitere militärische Vorgehen an der Ostfront.
Plötzlich erschüttert eine ohrenbetäubende Explosion die Lagebaracke. Durch die Druckwelle stürzt die Decke ein, der schwere Tisch wird regelrecht in die Luft gehoben. Fast alle der ins Freie wankenden Männer sind verwundet. Vier Männer sterben.
Zwei Männer fahren an der zerstörten Baracke vorbei: Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Adjutant Werner von Haeften. Sie sehen das Chaos, die Verwundeten. Sie wissen, was vor sich gegangen ist.
Denn Stauffenberg hat soeben versucht, mit einer Bombe Adolf Hitler zu töten. Ziel des Anschlags ist es, Deutschland vom Nationalsozialismus zu befreien.
Im sicheren Glauben, dass Hitler der Explosion zum Opfer gefallen ist, gelingt es ihnen, die Sperrkreise der Wolfsschanze zu verlassen, obwohl der Alarm schon ausgelöst ist.
Stauffenberg, dem Titel nach Chef des Generalstabs beim Oberbefehlshaber des Ersatzheeres, gehört zu den wenigen Offizieren, die an den Lagebesprechungen im Führerhauptquartier teilnehmen dürfen. In einer Aktentasche hatte Stauffenberg eine präparierte Bombe in die Baracke geschmuggelt und dort unter dem Tisch abgestellt, möglichst nahe bei Hitler. Danach verließ er unauffällig die Lagebaracke, um der drohenden Explosion zu entgehen.
Stauffenberg wird in Berlin noch gebraucht. Dort soll unter seiner Leitung die "Operation Walküre" starten – der zweite Teil des Attentats.
Was Stauffenberg nicht weiß: Der Führer lebt. Hitler, der sich eben noch über die Tischplatte gelehnt hat, wird durch die Wucht der Explosion nur leicht nach oben geschleudert. Der schwere Tisch rettet ihm das Leben. Seine Trommelfelle sind geplatzt, er trägt Prellungen und einige Verbrennungen davon.
"Operation Walküre"In der Berliner Bendlerstraße, dem Sitz des Allgemeinen Heeresamtes, befindet sich das militärische Zentrum der Verschwörung. Plan der Verschwörer ist es, den Staatsstreich mit der "Operation Walküre" zu tarnen.
Ursprünglich war der Walküre-Plan dazu gedacht, im Falle innerer Unruhen das in der Heimat stehende Heer zu mobilisieren. Doch die führenden Köpfe des militärischen Widerstands haben im Bendlerblock die Operation Walküre abgeändert.
Zu Beginn des Staatsstreichs steht der Anschlag auf Hitler. Nach Hitlers Tod sollen die Soldaten der Wehrmacht vom Eid auf den Führer entbunden werden. Das Attentat wollen die Verschwörer als innerparteilichen Machtkampf ausgeben und der SS, dem Sicherheitsdienst und der Gestapo in die Schuhe schieben.
Danach sollen Verbände der Wehrmacht innerhalb von 36 Stunden die vollziehende Gewalt im Staat übernehmen. Die Wehrmacht soll die Institutionen der NS-Diktatur – Partei, Regierung, Gestapo und SS-Verbände – nach und nach ausschalten und Deutschland zu einer politischen Neuordnung verhelfen.
Aufstand der OffiziereNoch während Stauffenberg das Flugzeug zurück nach Berlin besteigt, informiert der in die Verschwörung eingeweihte General Fellgiebel von der Wolfsschanze aus die in Berlin wartenden Verschwörer, dass Hitler überlebt habe. Unsicher geworden, unternehmen die in Berlin wartenden Beteiligten keine weiteren Schritte.
Stauffenberg landet in Berlin-Rangsdorf gegen 15.45 Uhr und übermittelt General Olbricht telefonisch den Tod Hitlers. Dabei erfährt er, dass wertvolle Stunden vergangen sind, ohne dass der Staatsstreich vorangetrieben wurde.
Als er um 16.30 Uhr im Bendlerblock eintrifft, sind schließlich durch das beherzte Vorgehen von Albrecht Mertz von Quirnheim Teile der Operation Walküre doch noch in Gang gekommen. Stauffenberg gelingt es, mithilfe der Mitverschwörer Generaloberst Friedrich Fromm festzunehmen, den Befehlshaber des Ersatzheeres.
Von nun an beginnt Stauffenberg mithilfe der am Staatsstreich beteiligten Offiziere ein aussichtsloses Rennen gegen die Zeit. Mit einer Lawine von Fernschreiben und Telefonaten versuchen sie die Operation Walküre durchzuführen und Wehrkreise im Deutschen Reich und den besetzen Gebieten zum Staatsstreich zu bewegen.
Doch bis 19.00 Uhr sind der Rundfunk, die Reichskanzlei, das Reichspropagandaministerium und das Reichssicherheitshauptamt immer noch nicht besetzt. Fatalerweise wird im Rundfunk bereits mehrfach vom fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler berichtet. Am Abend entgleitet den Verschwörern die Operation endgültig. Ihre Befehle werden kaum mehr befolgt, die ersten Gegenbefehle aus der Wolfsschanze dringen durch.
Major Remer, glühender Nationalsozialist und Kommandeur des Berliner Wachbataillons, will sich von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels den angeblichen Tod des Führers bestätigen lassen. Goebbels erkennt sofort die Chance und stellt ein Blitzgespräch zwischen Remer und Hitler persönlich her.
Hitler befördert Remer auf der Stelle durchs Telefon zum Oberst und befiehlt ihm, mit seinen Truppen den Putsch niederzuschlagen. Gegen 22.40 Uhr belagert Remers Wachbataillon den Gebäudekomplex der Bendlerstraße. Die Verschwörer sind eingeschlossen, der Staatsstreich ist gescheitert.
Vernichtung des WiderstandsMit unvorstellbarer Grausamkeit übt das nationalsozialistische Regime Vergeltung an den Verschwörern. General Ludwig Beck, der nach dem Putsch das neue Staatsoberhaupt werden sollte, wird am selben Abend in den Selbstmord getrieben.
Um Mitternacht werden im Hof des Bendlerblocks Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Werner von Haeften, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Scheinwerferlicht der Wehrmachtsfahrzeuge standrechtlich erschossen.
An der Ostfront nimmt sich der Mitverschwörer Henning von Tresckow einen Tag später mit einer Handgranate das Leben. Die übrigen Verschwörer werden fast ausnahmslos festgenommen, tagelang verhört und gefoltert. Eine Welle der Verfolgung setzt ein, die den militärischen und zivilen Widerstand gegen das Regime endgültig bricht.
Beispielloser SchauprozessZiel der Nationalsozialisten ist es, die Widerständler nicht nur zu beseitigen, sondern sie bis in den Tod zu demütigen und jedes Andenken an sie zu vernichten. In einem beispiellosen Schauprozess werden die Männer des militärischen Widerstands vor dem Volksgerichtshof einzeln vorgeführt und des Hochverrats bezichtigt.
Der berüchtigte Vorsitzende Richter Roland Freisler schreit ihnen die vorher festgelegten Todesurteile förmlich ins Gesicht. Oft werden die Todesurteile nur wenige Stunden nach der Verkündung vollstreckt. Hitler will die Männer "wie Schlachtvieh aufgehängt" sehen. In der Hinrichtungsstätte Plötzensee werden die Verschwörer und Mitglieder des Widerstands in Drahtschlingen langsam erhängt.
Ihre Familien fallen der Sippenhaft zum Opfer. Zwei Wochen nach dem Stauffenberg-Attentat kündigt Himmler auf der Gauleitertagung in Posen an, er werde "eine absolute Sippenhaftung einführen (...) Sie brauchen bloß die germanischen Sagas nachzulesen. Wenn (...) eine Blutrache in einer Familie war, dann war man maßlos konsequent. Wenn die Familie vogelfrei erklärt wird und in Acht und Bann getan wird, sagten sie: Dieser Mann hat Verrat geübt, das Blut ist schlecht, da ist Verräterblut drin, das wird ausgerottet. Und bei der Blutrache wurde ausgerottet bis zum letzten Glied in der ganzen Sippe. Die Familie Graf Stauffenberg wird ausgelöscht werden bis ins letzte Glied."
Das nahende Ende des Krieges verhindert die Pläne der kollektiven Auslöschung durch das NS-Regime. Die meisten Angehörigen der Verschwörer überleben.
Bilanz des SchreckensDie Bilanz des gescheiterten Attentats lässt sich in ihrer Tragweite kaum beziffern. Nach dem 20. Juli 1944 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs sterben fast ebenso viele Menschen wie in den ganzen Kriegsjahren zuvor. Mit den Attentatsplänen scheitert auch die letzte Gelegenheit, dem Morden in Konzentrations- und Vernichtungslagern, dem Sterben an den Fronten, der Zerstörung durch Bombenangriffe und den großen Fluchtbewegungen Einhalt zu gebieten.
Himmler gelangt erst durch den 20. Juli 1944 auf den absoluten Höhepunkt seiner Macht, als er einen Tag nach dem Attentat zum Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt wird. Hitler wird stärker als je zuvor eine fast kultische Verehrung zuteil.
Doch dem Triumph der Nationalsozialisten zum Trotz hat das Attentat des 20. Juli sichtbar gemacht, dass es im Dritten Reich noch Vertreter eines anderen, nicht gleichgeschalteten Deutschlands gab.