Wie Ärzte an den Krankenhäusern durch Gesetze, Vorgaben und Verordnungen in der Gefahr stehen, ihren Eid zu brechen ...
- Irrweg in der Personalbemessung an Kliniken: Lauterbachs Pflegepersonal-Regelung PPR 2.0
4. Aug. 2024
"Ich schwöre, Apollon den Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen anrufend, dass ich nach bestem Vermögen und Urteil diesen Eid und diese Verpflichtung erfüllen werde: den, der mich diese Kunst lehrte, meinen Eltern gleich zu achten, mit ihm den Lebensunterhalt zu teilen und ihn, wenn er Not leidet, mitzuversorgen; seine Nachkommen meinen Brüdern gleichzustellen und, wenn sie es wünschen, sie diese Kunst zu lehren ohne Entgelt und ohne Vertrag; Ratschlag und Vorlesung und alle übrige Belehrung meinen und meines Lehrers Söhnen mitzuteilen, wie auch den Schülern, die nach ärztlichem Brauch durch den Vertrag gebunden und durch den Eid verpflichtet sind, sonst aber niemandem. Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht. Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten. Auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben. Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. Auch werde ich den Blasenstein nicht operieren, sondern es denen überlassen, deren Gewerbe dies ist. Welche Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechtes und jeder anderen Schädigung, auch aller Werke der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven. Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten. Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht verletze, möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg zuteilwerden und Ruhm bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn übertrete und meineidig werde, das Gegenteil."
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In Deutschland muss kein Medizinstudent oder Arzt diesen Eid ableisten. Der hippokratische Eid für Ärzte orientiert sich heutzutage an einer modernen Fassung des Genfer Gelöbnisses und wurde von Ethikexperten des Weltärztebundes verabschiedet.
Durch Einführung der DRGs, überforderte Assistenzärzte, Überarbeitung und Übermüdung von Ärzten generell, Schließungen von Krankenhäusern, fehlendes Equipment vor Ort und offensichtliche Bevorzugung von Privatpatienten, steht das medizinische Personal - hier die Ärzteschaft - n Gefahr, ungewollt, aber von Oben angeordnet, ihren einst geleisteten Eid zu brechen.
Bis zum Jahr 2003 wurden allgemeine Krankenhausleistungen über krankenhausindividuelle Pflegesätze vergütet, die je Tag des Krankenhausaufenthaltes zu zahlen waren. Diese tagesbezogenen Pflegesätze wurden unabhängig davon berechnet, wie hoch der Behandlungsaufwand für einzelne Patientinnen und Patienten tatsächlich war. Die Krankenversicherung zahlte damit bei gleicher Behandlungsdauer für leicht erkrankte Patientinnen und Patienten genauso viel wie für schwer kranke Patientinnen und Patienten, die in der gleichen Fachabteilung eines Krankenhauses behandelt wurden. Die Vergütung erfolgte somit tagesbezogen und nicht leistungsorientiert.
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Genfer (Ärzte-)Gelöbnis Vom Weltärztebund 1948 in Genf beschlossene und seitdem mehrfach revidierte Neufassung der ärztlichen Berufspflichten. Offizielle deutsche Übersetzung der Deklaration von Genf autorisiert durch den deutschen Weltärztebund (Oktober 2017):
Als Mitglied der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
- Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten wird mein oberstes Anliegen sein.
- Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.
Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen
- von Alter,
- Krankheit oder Behinderung,
- Glaube, ethnischer Herkunft,
- Geschlecht,
- Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit,
- Rasse,
- sexueller Orientierung,
- sozialer Stellung oder
- jegliche anderen Faktoren
zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.
- Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.
- Ich werde meinen Beruf nach bestem Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis ausüben.
- Ich werde die Ehre und die edlen Traditionen des ärztlichen Berufes fördern.
- Ich werde meinen Lehrerinnen und Lehrern, meinen Kolleginnen und Kollegen und meinen Schülerinnen und Schülern die ihnen gebührende Achtung und Dankbarkeit erweisen.
- Ich werde mein medizinisches Wissen zum Wohle der Patientin oder des Patienten und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung teilen.
- Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.
- Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.
Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei meiner Ehre.
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Die Hans-Böckler-Stiftung schlug bereits Ende 2020 vor, die DRGs wieder abzuschaffen und begründete des damals wie folgt:
Die DRG-Fallpauschalen, über die seit gut 15 Jahren (geschrieben 2020) Behandlungen in deutschen Krankenhäusern abgerechnet werden, erzeugen Kostendruck ohne eine systematische Berücksichtigung von Qualität sowie intransparente, rational nicht begründete Umverteilungseffekte in und zwischen Kliniken. Dadurch hat das DRG-System sehr problematische Entwicklungen ausgelöst oder verstärkt. Dazu gehört die dramatische Unterbesetzung in der stationären Krankenpflege, wo mindestens 100.000 Vollzeitstellen fehlen und negative Konsequenzen für Patientinnen und Patienten dokumentiert sind. Außerdem hat das Fallpauschalen-System eine Privatisierungswelle angeschoben, durch die es erstmals in der Bundesrepublik weniger Allgemeinkrankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft gibt als Kliniken, die zu privaten, gewinnorientierten Konzernen gehören. Dieser Trend könnte sich wieder verschärfen, wenn Einnahmeausfälle durch die Corona-Pandemie nicht ausreichend ausgeglichen werden und Kommunen gleichzeitig aufgrund von Steuerausfällen nicht in der Lage sind, daraus entstehende Verluste ihrer Kliniken auszugleichen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Gesundheitssystemforschers Prof. Dr. Michael Simon.* Angesichts der negativen Erfahrungen empfiehlt der Wissenschaftler, die Fallpauschalen abzuschaffen. Ersetzen sollte sie ein Vergütungssystem, das von einer qualitätsorientierten staatlichen Krankenhausplanung ausgeht und die wirtschaftliche Sicherung aller Krankenhäuser gewährleistet, die auf dieser Basis als bedarfsgerecht eingestuft werden. Dazu seien in letzter Zeit durch die Ausgliederung der Pflegebudgets aus dem DRG-System erste Schritte gemacht worden, die nun fortgeführt werden sollten, analysiert der Experte von der Hochschule Hannover.
Über das DRG-Fallpauschalen-System werden Behandlungen in deutschen Allgemeinkrankenhäusern abgerechnet. Nach Simons Analyse macht es gegenwärtig 70 bis 90 Prozent der Klinikbudgets aus. Vereinfacht gesagt, werden alle Erkrankungen sowie Untersuchungen und Therapien, die Kliniken durchführen, einer Fallpauschale zugeordnet, aus der sich die Vergütung ergibt. Die Höhe der Pauschalen wird jährlich neu kalkuliert auf Basis der durchschnittlichen Behandlungskosten, die in 250 bis 300 Kliniken erhoben werden. In Kombination mit Mengenkontingenten für verschiedene Leistungen, etwa Operationen, deckelt das System die Gesamtausgaben für stationäre Krankenhausleistungen in Deutschland. Aktuell umfasst der DRG-Katalog rund 1300 Fallpauschalen.
Was auf den ersten Blick wie ein recht differenziertes Verfahren wirken mag, entpuppt sich nach Analyse des Experten jedoch als grobes, oft intransparentes Raster, das auf unterschiedlichen Ebenen hoch problematische Wirkungen erzeugt. Das beginne bei der Definition der Fallgruppen. Simon kritisiert das System als „in hohem Maße medizinisch inhomogen. Es fasst Patienten mit teilweise sehr unterschiedlichen Diagnosen und Behandlungsarten zu gleichen Fallgruppen zusammen.“ So entstünden „Kostenunterschiede, die es für Krankenhäuser lukrativ machen, selektiv nur wenig kostenaufwändige Patientengruppen zu behandeln und die anderen entweder abzuweisen oder an andere Krankenhäuser weiterzuleiten.“
Kein systematischer Blick auf Qualität
Diese Verzerrung werde verschärft dadurch, dass die Stichprobe der Kliniken, deren Daten in die Kalkulation der Fallpauschalen einfließen, nicht repräsentativ für die Gesamtheit der deutschen Krankenhäuser ist. Auch dadurch erscheine die jährliche Neufestsetzung der Pauschalen aus Sicht vieler Krankenhäuser als „eine Art Glücksspiel“.
Noch gravierender: Bei der Kalkulation der Pauschalen wird den erhobenen durchschnittlichen Kosten nicht systematisch die dabei erreichte Behandlungsqualität gegenübergestellt, betont Simon. Beispielsweise flössen keinerlei Daten zur „Strukturqualität“ in den Krankenhäusern ein, also etwa der Personalausstattung auf den Stationen. So sei im DRG-System auch nach 15 Jahren „vollkommen unbekannt, welche Qualität hinter den ermittelten Durchschnittskosten steht.“ Folge: Im Bemühen, den Durchschnitt nicht zu überschreiten oder gar zu unterbieten, sparten Krankenhaus-Manager beim größten Posten in ihrer Kalkulation: bei der Belegschaft. So „bestraft das DRG-Fallpauschalensystem eine überdurchschnittlich gute Personalbesetzung mit Verlusten und belohnt Unterbesetzung mit Gewinnen.“
Durch den hohen Druck von außen hätten viele Klinikleitungen in den vergangenen Jahrzehnten höchst problematische Entscheidungen getroffen, die der Wissenschaftler detailliert nachzeichnet: Zwar wurde der ärztliche Dienst in den vergangenen Jahrzehnten deutlich aufgestockt, von 2002 bis 2017 um 46.000 Vollzeitstellen. Das sei auch im Interesse der Patientinnen und Patienten gewesen, weil Personalmangel, zahlreiche unbezahlte Überstunden und viele Bereitschaftsdienste zuvor die Arbeit am Krankenhaus für Ärztinnen und Ärzte zunehmend unattraktiv gemacht hätten, betont Simon. Im durch die Fallpauschalen finanziell gedeckelten System mussten die zusätzlichen Ausgaben aber an anderer Stelle eingespart werden. Das geschah etwa beim technischen und Servicepersonal der Krankenhäuser, das über Ausgliederungen in Tochterfirmen mit oftmals deutlich schlechterer Bezahlung wechseln musste.
Im Pflegedienst fehlen mindestens 100.000 Vollzeitstellen
Noch drastischer waren die Auswirkungen im Pflegedienst: Allein zwischen 2002 und 2006, also rund um die Einführung der Fallpauschalen, fielen an deutschen Akutkrankenhäusern 33.000 Vollzeitstellen in der Pflege weg, ein personeller Aderlass, der längst nicht wieder wettgemacht wurde. Da die Personalausstattung auch zuvor unzureichend war und Patientenzahlen und -alter schon durch den demografischen Wandel weiter gestiegen sind, geht Simon davon aus, dass in deutschen Allgemeinkrankenhäusern aktuell gut 100.000 Vollzeitstellen für Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Würde man die Personalbesetzung im Pflegedienst deutscher Krankenhäuser auf das Niveau anheben, das die Schweiz oder Dänemark pro 1000 Einwohner schon haben, müssten sogar zwischen 160.000 und 260.000 Vollzeitkräfte zusätzlich eingestellt werden.
„Angesichts dieser erheblichen Unterbesetzung im Pflegedienst deutscher Krankenhäuser muss davon ausgegangen werden, dass dies Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung hat“, schreibt der Forscher. Zahlreiche qualitative Untersuchungen und journalistische Beiträge zum Pflegenotstand beschrieben das Problem realistisch, auch wenn es überraschenderweise bislang keine großangelegten bundesweiten Untersuchungen dazu gebe. Im Ausland sei die Forschung weiter, betont Simon. Und der „weit überwiegende Teil dieser Studien kam zu dem Ergebnis, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl und Qualifikation des Pflegepersonals und einem Großteil von Komplikationen gibt. Unterbesetzung erhöht das Risiko schwerer und lebensbedrohlicher Komplikationen bis hin zum Versterben.“
Zwischenfazit des Forschers: Angesichts der Probleme könne „für das DRG-System in keiner Weise der Anspruch erhoben werden, es sei ein vernünftig konstruiertes Vergütungssystem, das in der Lage ist, eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherzustellen.“ Eine gewisse Wirkung habe es lediglich bei der Deckelung der Ausgaben für Krankenhausbehandlungen. Allerdings seien die Kosten für die stationäre Gesundheitsversorgung in Deutschland vor Einführung der Fallpauschalen auch nicht schneller gestiegen als danach, betont Simon. Seit Anfang der 1990er Jahre bewegten sie sich auf einem konstanten Niveau von 2,6 bis 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Anstieg auf 2,9 Prozent im Jahr 2009 erklärt sich damit, dass im Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise die Wirtschaftsleistung einbrach.
Auf die im internationalen Vergleich hohe Krankenhausdichte, die wirtschaftsliberale Gesundheitsökonomen bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie kritisierten, hat sich das DRG-System nach Simons Analyse kaum ausgewirkt. Zwar sank in den vergangenen Jahren die Zahl der eigenständigen Krankenhäuser. Doch meist schlossen Kliniken nicht, sondern sie fusionierten. Daher wurden nur relativ wenige Krankenhausbetten abgebaut. Dazu trug auch bei, dass private Konzerne vor und während der DRG-Einführung etliche zuvor kommunale Krankenhäuser übernahmen: Zwischen 2000 und 2010 wuchs die Zahl der privaten Allgemeinkliniken um rund 30 Prozent von etwa 440 auf 575. Seit 2009 übersteigt sie die Zahl der öffentlich getragenen Häuser. Die Privatisierungswelle dürfte den Druck bei der Krankenhausfinanzierung noch erhöht haben, schätzt Simon. Schließlich müssten Kliniken in privater Trägerschaft ja Gewinne abwerfen.
Rückbesinnung auf Selbstkostendeckungsprinzip
Der Forscher konstatiert eine wachsende Unzufriedenheit mit dem System der Fallpauschalen, gerade auch in der Politik: „In den letzten Monaten ist die Kritik am DRG-System stärker geworden, und erstmals seit Einführung wird auch von Politikern der Regierungskoalition und einigen Landesregierungen eine grundlegende Reform gefordert“, schreibt Simon. Der Gesundheitsexperte plädiert für eine grundlegende Rückkehr zum „Selbstkostendeckungsprinzip“, das bis Anfang der 1990er Jahre galt. Es beruhte darauf, dass Kliniken, die im öffentlichen Krankenhausplan als notwendig anerkannt waren, im Rahmen von Wirtschaftlichkeits-Vorgaben das nötige Geld bekamen, um ihren Betrieb sicherzustellen. Simon empfiehlt zudem, bei der Krankenhausplanung die Orientierung an Qualitätskriterien zu stärken.
Dass das System der Fallpauschalen gescheitert sei, zeigt sich nach Analyse des Forschers auch daran, dass die seit diesem Jahr geltenden neuen Pflegebudgets für Kliniken, mit denen der eklatante Personalmangel gemildert werden soll, auf den tatsächlichen Selbstkosten für Pflegepersonal beruhen und nicht mehr auf dem DRG-System. „Das kann als Beleg dafür gewertet werden, dass die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung ohne das Selbstkostendeckungsprinzip nicht dauerhaft erreichbar und zu gewährleisten ist“, so Simon. Nach diesem sinnvollen ersten Schritt solle die Gesundheitspolitik jetzt konsequent umsteuern und das DRG-System vollständig abschaffen.