😱OSTEUROPA UND DER HOLOCAUST - "Wer nicht verurteilt, der erlaubt!" - „Eines jeden Menschen Asche glänzt in anderer Farbe.“
- Lesen Sie dazu aktuell, was gestern Nacht in Washington DC geschah:
- 🕎 Bei einem Anschlag in Washington wurden zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft getötet ... Es handelt sich um ein Pärchen, das kurz vor seiner Verlobung stand ... Täter" "Free, frei Palestine!" ... Ich habe es für Gaza getan ...
Nun aber tun sie es, und wie! - allerdings mit den Fahnen und Tüchern der Palästinenser und klagen Israel für das an, was als deren Reaktion auf den 7. Oktober 2023 folgte. Es wird Humanität von Israel gefordert - doch die Forderung Israels nach Freilassung aller noch lebender Geiseln und die Übergabe der Leichnahme hingerichter Israelis wird verweigert und als Waffe der Erpressung benutz.
Leider fordert auch der Papst nur einseitig Humanität von jenen, die einst mit Hilfe und mit Schweigen der katholischen Christen und anderer Christen, als Rauch und Asche über Europa niedergingen. Aufgrund der Geschichte verbietet es sich, von deutschem Boden aus, Israel nur einseitig und überhaupt anzuklagen. Das können die Franzosen tun, die Briten und die Niederlande ... nicht aber Deutachland.
"Wer im Angesicht des Mordes schweigt, wird zu einem Komplizen des Mörders. Wer nicht verurteilt, der erlaubt.“
Das galt von 1933 bis 45 genauso wie von 2023 bis dato.
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Karol Sauerland
Ab Ende März 1942 bis in den Herbst 1944 wurden in Birkenau über eine (1) Million Juden und Jüdinnen vergast, ferner 20000 „Zigeuner“ und einige Hundert polnische politische Gefangene. Eigentlich müssten Treblinka und Birkenau das Wahrzeichen des Holocausts bilden. Die Nationalsozialisten gingen bekanntlich stufenweise vor. Vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs förderten sie noch die Auswanderung der Juden; nach der gemeinsam mit der Sowjetunion durchgeführten Teilung Polens schufen sie im „Generalgouvernement“ und in Łód /Litzmannstadt Ghettos. Und im ersten Jahr des deutsch-sowjetischen Krieges nutzten die NS-Führer den Umstand, dass die nicht jüdische Bevölkerung in den von den Sowjets besetzten Gebieten der baltischen Staaten und des Ostteils der Zweiten Republik Polen nicht nur die deutschen Truppen zumeist als Befreier begrüßten, sondern auch bereit waren, die einheimischen Juden zu erschlagen oder deren Ermordung tatenlos zuzusehen.
Ein Jahr später hatten die Besatzer jedoch nicht mehr den Mut und die Kraft, die Erschießungskommandos weiterzuführen. Sie hätten jetzt in dicht besiedelten Gebieten diese Aktionen vornehmen müssen. Sie zogen daher eine weniger auffällige Art der Ermordung vor: die Vergasung. Das viel genannte Argument, dass für die SS-Einheiten die Ermordung mit der Waffe in der Hand zu anstrengend gewesen sei und bei manchen zu psychischen Störungen geführt habe, ist mehr Ausdruck des Wunsches, dass die Mörder mehr menschliche Regungen gehabt hätten, als man im Allgemeinen annimmt.
Spätestens nach der Beendigung der Kampfhandlungen im Sommer 1944 in den baltischen Ländern, in Ostpolen und im östlichen Südeuropa sowie Anfang 1945 in Zentralpolen mussten sich die Einheimischen und die Sieger – die vermeintlichen und die wirklichen – auf irgendeine Weise mit dem Judenmord auseinandersetzen, zumal es Überlebende gab. Diese kamen im Laufe der nächsten Monate in ihre heimatlichen Ortschaften zurück, um zu erkunden, was mit ihren Angehörigen geschehen war, und um ihr ehemaliges Eigentum zurückzuverlangen. Es war zumeist von den „arischen Nachbarn“ – eine Bezeichnung, die in Polen gang und gäbe war – in Beschlag genommen worden. In einigen Ländern konnten sich die Überlebenden an jüdische Komitees wenden, die allmählich in den Städten entstanden. In der Sowjetunion hatten die Überlebenden diese Chance allerdings nicht. Dort wurden die jüdischen Opfer geringgeschätzt. Sie passten nicht in die einsetzende Legende vom „Großen Vaterländischen Krieg“, demzufolge alle Völker der Sowjetunion gegen den faschistischen Okkupanten gekämpft hatten. Erst nach der Auflösung der Sowjetunion durften die Juden als Holocaustopfer bezeichnet werden, und sie konnten endlich die Zeit, in der ihre Nächsten umgebracht wurden, so beschreiben, wie sie sie erlebt bzw. in Erinnerung hatten. Nun wurden auch hier und da Gedenksteine errichtet, die nicht mehr an „heldenhafte“ Taten erinnerten, sondern an jüdische Opfer.
Hierbei darf man nicht vergessen, dass in der Sowjetunion, insbesondere in den Nachkriegsjahren, Juden Verfolgungen ausgesetzt waren. Anfänglich gab es noch Versuche, den Mord an den Juden zu beschreiben, wie es etwa Wassili Grossman und Ilja Ehrenburg in dem von ihnen betreuten Schwarzbuch unternommen hatten. Es war bereits 1947 druckfertig, durfte aber nicht erscheinen, da es angeblich den Eindruck erweckte, dass die Deutschen nur Juden ermordet hätten. Kurz nach diesem Verbot setzte die antisemitische Politik der Sowjetführung ein. Im November 1948 wurde das Erscheinen der Ejnigkeit, des offiziellen Presseorgans des sowjetischen Jüdischen Antifaschistischen Komitees, verboten. Ein Jahr später wurde das Komitee aufgelöst, und seine Mitglieder landeten im Gefängnis. 25 von ihnen wurden angeklagt, die Abspaltung der Krim von der Sowjetunion geplant zu haben. Dreizehn von ihnen wurden am 12. August 1952 hingerichtet.
Anfang 1953 wurde prominenten jüdischen Ärzten vorgeworfen, sie hätten führende Regierungsmitglieder ermordet bzw. ermorden wollen. Dieser Antisemitismus endete nicht mit Stalins Tod, wie es viele glauben wollen, denn noch in den 50er und 60er Jahren wurden unter Chruschtschow so gut wie alle bestehenden Synagogen geschlossen. In den von der Sowjetunion beherrschten Ländern erfolgte unmittelbar nach dem Krieg eine große Auswanderungswelle der jüdischen Überlebenden. So schrumpfte in Rumänien, die bis dahin größte jüdische Minderheit in Osteuropa bis 1956 um die Hälfte zusammen: von etwa 390000 auf 150000. - 1977 wurden nur noch etwas über 25000 Juden registriert, was zwischen 0,2 und 0,1 % der Bevölkerung des Landes entsprach. In der Tschechoslowakei verließ der größte Teil der überlebenden Juden (etwa 10000 in der Slowakei und 11000 in Böhmen) das Land. Anfang der 1950er Jahre lebten in der Slowakei nur noch etwa 3000 jüdische Bürger. Aus Polen wanderten nach dem Pogrom in Kielce am 4. Juli 1946 etwa 100000 Juden aus, d.h. fast 50% der polnischen Juden, die zum großen Teil aus der Sowjetunion zurückgekehrt waren.
Diese Auswanderungen aus Ostmitteleuropa waren einerseits durch die antisemitische Stimmung in den betreffenden Ländern, andererseits durch die Gleichschaltungspolitik der unter sowjetischem Diktat agierenden Regierungen bedingt. Den Juden wurde nicht erlaubt, in ihrer Vielfalt zu leben und zu wirken, sondern sie hatten sich nach den Vorstellungen eines Komitees zu richten, das wiederum von den Richtlinien der Partei und der Regierung abhängig war. Die sowjetische Führung duldete die Emigration höchstwahrscheinlich deshalb, weil sie prinzipiell antisemitisch gesinnt war und weil sie glaubte, auf diese Weise die Vereinheitlichung des gesellschaftlichen Le bens besser vorantreiben zu können. Erst als sich die Kon frontation mit den Vereinigten Staaten und dem Westen ins gesamt, einschließlich des neu entstandenen Staates Israel, verschärfte, wurden in allen Ländern des sogenannten Ost blocks die Auswanderungen für einige Jahre gestoppt. Bei dieser Art von Politik den jüdischen Minderheiten ge genüber war es nicht leicht, den Judenmord zu thematisieren. Erschwert wurde dies noch durch das herrschende Bewusst sein, dass alle Bevölkerungsteile durch die NS-Politik im Osten und Südosten gelitten hätten, ja vielen hätte ebenfalls die Ausrottung gedroht. Trotzdem versuchten überlebende Juden, das Ausmaß und die Form des Judenmords zu eruie ren, um danach über die Ursachen und Folgen sprechen zu können. Hier wäre vor allem die Jüdische Historische Kommission zu nennen, die im Sommer 1944 in Lublin gegründet wurde. Ihr gehörten Historiker, Journalisten und Schriftsteller an. Ziel ihrer Arbeit war die „Erforschung der Geschichte der Juden in Polen" während der Besatzungszeit, insbesondere die Dokumentation der bestialischen Verbrechen, die von Hitlerdeutschland am jüdischen Volk begangen worden waren, die Untersuchung des Prozesses der Vernichtung des Judentums, des Kampfes der Nation gegen den verhassten Feind, der moralischen Haltung der jüdischen Gesellschaft, ihres kulturellen Lebens, des literarischen und volkskünstlerischen Schaffens während der Besatzung, des Wirkens einzelner Gruppen und Individuen auf das gesamte jüdische Leben in jener Zeit. Die Kommission sammelte Handschriften, Drucke, Fotos, Dokumente und Berichte jüdischer Überlebender über ihr Schicksal und das ihrer Angehörigen und Freunde während der Kriegszeit. Bis Ende 1947 lagen etwa 3500 solcher Berichte vor. Heute befinden sich im Warschauer Jüdischen Historischen Institut etwa 7200 Berichte, davon sind etwa 1100 in Jiddisch abgefasst, die anderen in Polnisch, Deutsch, Hebräisch und Russisch. Es geht in ihnen um das Leben in den Ghettos, die Tätigkeit der Judenräte, die Lager, die jüdischen Partisanen, das Überleben im Ver steck mit gefälschten „arischen Papieren“, die Verbrechen der Deutschen gegenüber den Juden, die „Befriedungsaktionen“ und Aussiedlungen, die Beziehungen der Juden unter einander sowie zwischen Juden und Nichtjuden. Man sammelte auch Erinnerungen, Tagebücher und deutsche Materialien zum Holocaust.
In Łód wurde das sogenannte Rumkowski-Archiv sowie das Archiv von Hans Biebow, dem Leiter der Ghettos in Łód sichergestellt. Diese Dokumente sind schließlich 2007 auf Deutsch und 2009 auf Polnisch in je fünf Bänden erschienen. Gleich nach dem Krieg hatte man in Warschau etwa zwei Drittel des Ringelblum-Archivs, die vergraben worden waren, gefunden. Der Entschluss, alle wichtigen, das Getto betreffenden Ereignisse regelmäßig aufzuzeichnen, wurde im Herbst 1940 gefasst. Die erste Aufzeichnung stammt vom 12.01.1941. Das Getto bestand mittlerweile seit über sieben Monaten. Das Archiv wurde nach dem Namen des Vorsitzenden des Judenrats, Chaim Rumkowski, benannt. Emanuel Ringelblum (1900-1944) hatte als Historiker zusammen mit anderen Persönlichkeiten im Warschauer Ghetto ein Archiv angelegt, in dem so viel Zeugnisse wie nur möglich über das Ghettoleben und die Judenvernichtung insgesamt gesammelt wurden.
Als klar wurde, dass das Ghetto der Vernichtung anheimfallen würde, vergrub man die Dokumente in Blechkästen und großen Milchkannen in größter Tiefe. Etwa zwei Drittel fand man nach dem Krieg wieder. Etwa 25000 in Jiddisch, Hebräisch, Polnisch und anderen Sprachen beschriebene Blätter sind erhalten geblieben. In den 1990er Jahren und zu Beginn unseres Jahrhunderts brachten Ruta Sakowska und Andrzej Bikowski drei Bände mit Dokumenten aus diesem Archiv heraus. Weitere sind geplant, aber es ist ungewiss, wann sie ediert werden. In den Publikationen der Jüdischen Historischen Kommission wurden Auszüge aus Zeugenaussagen veröffentlicht, zum Beispiel in den 1946 erschienenen Anthologien Ruch podziemny w gettach i obozach (Die Untergrundbewegung in den Ghettos und Lagern) von Betti Ajzensztejn und Michał Borwicz, in den von Borwicz und anderen herausgegebenen Dokumenty zbrodni i mczestwa (Dokumente von Verbrechen und Märtyrertum) sowie in der erschütternden Arbeit Dzieci oskaraj (Kinder klagen an) von Maria Hochberg Mariaska und Noe Grüss von 1947.
Ferner gab die Historische Kommission bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1950 Bücher heraus, in denen das Bild eines jüdischen Widerstands entworfen wurde, der – wie es die damalige offizielle Geschichtsschreibung wollte – dank der links orientierten Gruppierungen möglich gewesen sei. Ab 1948 publizierte die Jüdische Historische Kommission regelmäßig wichtige Dokumente und Zeitzeugnisse in den auf Jiddisch erscheinenden Bleter far Geszichte, und ab März 1950 im polnischsprachigen Bulletin des Jüdischen Historischen Instituts. In den 50er und 60er Jahren stand Bernard Mark (1908-1966), ein bekannter Vertreter der kommunistischen Bewegung, an der Spitze des Jüdischen Historischen Instituts, das aus der Historischen Kommission erschienen sind.
Die Vernichtung der Juden auf polnischem Boden durch die deutschen Okkupanten musste gezwungenermaßen auch die „arischen“ Polen beschäftigen. Eine tiefe Erschütterung ergriff viele nach dem Abtransport von Hunderttausenden Juden aus dem Warschauer Ghetto und anderen Orten rund um Warschau ins Vernichtungslager Treblinka im Sommer 1942. Die Erschütterung kam besonders in dem Aufruf der katholischen Schriftstellerin Kossak-Szczucka zum Ausdruck, welcher in der ersten Augusthälfte 1942 in einer Auflage von 5000 Exemplaren unter dem Titel Protest gedruckt wurde. Im Nachkriegspolen wurde zumeist nur der erste Teil dieses Manifests zitiert, in dem die Autorin schrieb, dass im Warschauer Ghetto einige Hunderttausende Juden auf ihren Tod warteten: „Für sie gibt es keine Hoffnung auf Rettung, von nirgendwo kommt Hilfe. Auf den Straßen laufen die Häscher, die auf jeden schießen, der es wagt, das Haus zu verlassen. Sie sollen auch auf jeden schießen, der im Fenster steht. Auf den Fahrbahnen häufen sich unbestattete Leichen. Die vorgeschriebene Tagesmenge an Opfern beträgt 8-10 Tausend. Die jüdischen Polizisten sind verpflichtet, sie den deutschen Henkern zu übergeben. Tun sie dies nicht, kommen sie selber um."
In den folgenden Absätzen schildert Kossak-Szczucka, wie die Juden in die Waggons gepfercht wurden, in denen sie kaum eine Überlebenschance hatten. Die Zahl der ermordeten Juden betrage bereits über eine Million, sie wachse von Tag zu Tag, und alle schwiegen: „Alle sind des Todes. Reiche und Arme, Alte, Frauen, Männer, Jugendliche, Säuglinge, Katholiken, die mit dem Namen Jesus und Maria auf den Lippen sterben, ebenso wie Altgläubige. Ihre Schuld ist es, im jüdischen Volk geboren zu sein, das Hitler zur Ausrottung verurteilt hat. Die Welt schaut auf dieses Verbrechen, das schrecklicher ist als alles, was die Geschichte bisher gesehen hat, – und schweigt. Das Gemetzel von Millionen wehrloser Menschen umgibt ein allgemeines, feindlich-böses Schweigen. Es schweigen die Henker, sie brüsten sich nicht mit dem, was sie tun. Weder England noch Amerika erheben die Stimme, sogar das einflussreiche internationale Judentum schweigt, das früher für jedes Unrecht an den Ihrigen überaus hellhörig war. Auch die Polen schweigen. Die polnischen politischen Freunde der Juden beschränken sich auf Presseinformationen, die polnischen Gegner der Juden zeigen kein Interesse für eine ihnen fremde Angelegenheit.“
Dieses Schweigen müsse gebrochen werden: „Dieses Schweigen kann nicht länger toleriert werden. Welches auch seine Beweggründe sind – es ist schändlich. Wer im Angesicht des Mordes schweigt, wird zu einem Komplizen des Mörders. Wer nicht verurteilt, der erlaubt.“ Diese Worte sind nach dem Krieg immer wieder zitiert worden. Der darauffolgende Teil wurde bis in die 90er Jahre hinein in Polen verschwiegen. Erst Jan Błoski hat ihn zu Beginn der 90er Jahre einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dieser Teil wirkte zu beschämend, weil er wie ein antijüdisches Manifest klingt. Kossak-Szczucka gibt offen zu, dass sie als polnische Katholikin die Juden auf heimischem Boden „als politische, wirtschaftliche und ideelle Feinde Polens“ ansehe. Diese würden wiederum in den Polen die eigentlichen Urheber ihres Unheils erblicken. Doch all das berechtige die polnischen Katholiken nicht dazu, den Mordaktionen schweigend zuzusehen. Aus christlich-religiösen und politischen Gründen müsse die Stimme erhoben werden. Ein Christ mordet nicht, und ein Pole weiß, dass ihm „die deutschen Grausamkeiten“ keinen Vorteil bringen. „In dem hartnäckigen Schweigen des internationalen Judentums“ und in der deutschen Propaganda lasse sich nach Kossak-Szczucka schon heute erkennen, dass die Verantwortung für den Judenmord auf die Litauer und – es folgen drei Pünktchen – die Polen geschoben werden solle. Gleichzeitig könne die „erzwungene Teilnahme des polnischen Volkes an dem blutigen Schauspiel“, das „auf polnischem Boden“ seine Erfüllung finde, leicht zu „Gleichgültigkeit dem Unrecht“ gegenüber, zu „Sadismus“ und über all das hinaus zu der Überzeugung führen, dass „der Nächste straffrei ermordet werden darf“. Wer das nicht verstehe, wer es wage, „die stolze, freie Zukunft Polens mit der niederträchtigen Freude am Unglück des Nächsten zu verbinden“ – der sei „weder ein Katholik noch ein Pole“.
In der Folge entstand am 27. September 1942 das Provisorische Hilfskomitee für Juden, das unter dem Namen "Egota", bekannt geworden ist. Im Dezember wurde es in den Hilfsrat für Juden umgewandelt. An der Gründung des Komitees hatte Kossak-Szczucka, die auch von der Londoner Exilregierung zu seiner Vorsitzenden ernannt wurde, großen Anteil. Dem Komitee gehörten nicht nur Persönlichkeiten aus katholisch-demokratischen Kreisen an, sondern auch Sozialisten, die selber bereits vorher aktiv geworden waren.
Ginczanka bzw. Ginsburg ist tatsächlich von einer Denunziantin 1944 den Deutschen ausgeliefert worden. Die ersten polnischen Dichter nicht-jüdischer Herkunft, die nach dem Ghettoaufstand im Frühjahr 1943 auf das jüdische Schicksal reagierten, waren Jerzy Andrzejewski mit der Erzählung "Die Karwoche" und Czesław Miłosz mit dem Gedicht "Campo di Fiori", das 1944 in den kleinen Band Zotchłani (Aus dem Abgrund) aufgenommen wurde. Er erschien im Untergrund. Miłosz’ Gedicht soll, wie man oft lesen kann, das Einzige in dem schmalen Band sein, das von einem Autor nicht-jüdischer Herkunft stammte. In Wirklichkeit gab es aber noch ein zweites Gedicht aus der Feder des nicht-jüdischen Herausgebers Tadeusz Jerzy Sarnecki, der das Pseudonym Jan Wajdelota verwandte. Campo di Fiori sollte zusammen mit dem Gedicht Biedny Chrzecijanin patrzy na getto (Der arme Christ schaut auf das Ghetto) in späteren Diskussionen über die polnisch-jüdischen Beziehungen noch eine große Rolle spielen. Das lyrische Ich erinnert sich im zuerst genannten Gedicht von Miłosz an den Campo di Fiori und die Verbrennung Giordano Brunos, als es das Karussell mit der fröhlichen Menge an der Mauer des brennenden Warschauer Ghettos sieht (das Karussell gab es tatsächlich, und es war am Ostersonntag 1943 in Betrieb). Damals wie heute, d.h. während des Ghettoaufstands und seiner Niederschlagung, ließ sich die Menge in ihrer Heiterkeit nicht beirren, während andere den Feuertod starben. Vielleicht zeuge das, meint das lyrische Ich von der festen Meinung, dass das Leben vergänglich sei. Doch war es von etwas anderem tief bewegt, nämlich von der Einsamkeit der Sterbenden, die kein entsprechendes Wort mehr finden könnten und für die es auch kein Wort mehr gebe.
Es werde einst der Poet kommen müssen, um die Erinnerung an sie wieder auferstehen zu lassen, ja den Aufstand zu entfachen. Hiermit meinte Miłosz 1943, als er das Gedicht verfasste, und auch noch im Frühjahr 1944, als das Gedicht im Untergrund erschien, offenbar den künftigen Aufstand, der einige Monate später, am 1.August 1944 in Warschau, ausbrach. An ihm nahmen auch Juden, die überlebten, aktiv teil. Dem bereits erwähnten Literaturkritiker Jan Błoski zu Folge war Miłosz mit diesem Gedicht nicht zufrieden. Er schrieb daher, wie Błoski annimmt, noch im gleichen Jahr ein anderes Gedicht: Biedny Chrzecijanin patrzy na getto (Der arme Christ schaut aufs Ghetto). Dedecius übersetzt „Armer Christ sieht das Ghetto“, womit er diesem die Aktivität nimmt. Diese Übersetzung erweckt den Eindruck, dass der „Christ“ es ganz zufällig erblicke. Nein, er schaut bewusst auf das zerstörte Ghetto, das umbaut und bedeckt wird. Da geht es nicht um Neuaufbau, wie Dedecius in seiner Übertragung meint, sondern um das Verbergen des Ghettos durch ein Darüber-Bauen. So geschah es ja auch. Heute kann man kaum noch eine Spur vom Ghetto erkennen.
Erst wird der schwarze – d.h. verkohlte – Knochen mit etwas umwoben, dann der weiße – in seiner Form erhalten gebliebene – Knochen; schließlich kommt die Stelle dran, an welcher der Körper des lyrischen Ich lag. Er ist zerschlagen, geschunden, aber nicht verstorben. Vorher war alles vernichtet worden, geblieben ist nur sandige, zertrampelte Erde mit einem blattlosen Baum. Geblieben ist aber auch das schlechte Gewissen des Christen, der zwar von den Juden abstammt (er unter scheidet sich von ihm nur dadurch, dass er nicht beschnitten ist) und auf die Wiederkehr des Juden Jesus Christus wartet, aber der Wächter-Maulwurf, einem jüdischen Patriarchen ähnlich, hält diesem Gewissen die Toten vor, die zum großen Teil verbrannt sind. Der Maulwurf verfügt über die Wunderkraft, dass er mit Hilfe seiner grubenartigen Lampe an der Stirn an dem Glanz der Asche die Toten („Eines jeden Menschen Asche glänzt in anderer Farbe“) identifizieren kann. All diese Toten hätte es vielleicht nicht gegeben, wenn die Christen aktiv geworden wären. So müssen sie damit rechnen, zu den „Gehilfen des Todes“ gezählt zu werden. Mit den Christen meint Miłosz natürlich vor allem die Polen. Sie schauen ja auf das Ghetto. Sie sind hier zu Hause.
Die Karwoche muss sich mithin einer besonderen Popularität unter deutschen Lesern erfreuen. Große Erregung rief 1946 Tadeusz Borowskis leidenschaftlicher Angriff gegen Zofia Kossak-Szczuckas Auschwitzbuch "Zotchłani" (Aus dem Abgrund) hervor. Schon der Titel seiner Besprechung lässt aufhorchen: Alice im Wunderland. Borowski warf der bekannten polnischen Schriftstellerin vor, dass sie die Fakten nicht kenne und noch dazu ein heroisches Bild entwerfe, vor allem in Bezug auf die Polinnen, insbesondere die katholischen. Wenn es darauf ankam, den für die Gaskammer bestimmten Frauen Wasser zu geben, taten dies Kossak zufolge nur die Polinnen, nicht die ängstlichen Jüdinnen, die sich, wenn ihnen eine Funktion übertragen worden sei, ihren Landsmänninnen und anderen gegenüber brutal verhielten. Auch die Frauen anderer Nationalitäten werden schlechter beurteilt als die Polinnen. So hätten die deutschen Frauen gestohlen und lesbische Liebe betrieben. Die Ukrainerinnen hätten nur ans Essen gedacht und traurige Lieder gesungen etc. Aber das Schlimmste sei, so Borowski, dass Kossak immer „unpersönlich“ schreibe, nicht zeige, wie die oder der Einzelne habe überleben können. Die Frage, welche man sich bei der Lektüre ihres Buches stelle, sei nämlich: „Wie kommt es, dass gerade Sie überlebten?“. Zu deren Beantwortung „müsst Ihr endlich erzählen“, fordert Borowski, „wie Ihr im Krankenhaus einen Platz gekauft, die Muselmänner in den Schornstein gestoßen, Frauen und Männer gekauft habt, was Ihr in den Unterkünften, "Kanadas" *), Krankenbaus, im Zigeunerlager gemacht habt, erzählt vom Alltag im Lager, von der Organisation, von der Hierarchie der Angst, der Einsamkeit eines jeden. Und schreibt, dass Ihr das getan habt“.
*) Bei den "Kanadas" handelt es sich um die Effektenlager, in denen das Raubgut gesammelt wurde. Die Häftlinge gebrauchten diesen Namen als Symbol für Reichtum.
An anderer Stelle erklärt Borowski, dass es die erhaltenen Päckchen und die Leitungsfunktionen waren, durch die die Polinnen eher als andere damit rechnen konnten, zu überleben. Wie es mit der Möglichkeit aussah, Päckchen zu erhalten, erfahren wir aus den Briefen, die Borowski als Auschwitzhäftling seinen Eltern, Freunden und Freundinnen schickte. Sie sind allerdings erst 2001 erschienen. Borowski musste sie auf Deutsch – daher auch die Fehler, denn er beherrschte die Sprache nicht perfekt – verfassen, damit sie durch die Lagerzensur gehen konnten: „Bei mir alles in Ordnung. Gerade zum Geburtstag bekam ich zwei Päckchen. Alles gut gepackt und in grosster Ordnung, Kuchen war extra, Sardinenfische prima, sehr dankbar für die Adressen. Ich bin gesund, mir fehlt nur das Heim.“ Oder: „Endlich meine kleine Sachen: Mutter, gebratene Kohlkraut ist sehr praktisch, also mehr schicken; außerdem etwas Schuhpaste und möglichst viel Cebion in fast jedem Paket. Für meine Freunde, Zosia, Staszek und die alle, die mich nicht vergessen haben – Grüsse“. Am 7.5.1944 teilte er den Eltern u.a. mit: „Pakete kommen in Ordnung“. Am 2.7.1944 lesen wir, dass die Eier ausgesprochen frisch seien, die Butter hätte noch den Geschmack, als käme sie direkt von der Kuh. Das gleiche beträfe den Käse. Er habe noch zwei andere Pakete bekommen, eines vom Roten Kreuz aus Genf.
Nach dem Krieg betont er immer wieder, dass er ohne diese Hilfe und ohne seine Funktion als Pfleger nicht hätte überleben können. Den größten Hunger litt er wahrscheinlich, als er ins Innere des Reichs in andere Lager transportiert wurde, so dass er, als die Amerikaner Dachau befreiten, völlig ausgezehrt war. Er wog nur noch 35 kg.
Borowskis Kritik an der Autorin Kossak-Szczucka, die über dreißig Jahre älter war als er und allgemeine Hochachtung genoss, nahmen ihm verständlicherweise viele übel. Bis heute erregt Borowskis Angriff von 1946 die Gemüter, ob wohl kaum noch jemand lebt, der in dieser Zeit gewirkt hat. Es gibt sogar solche, die Alice im Wunderland als ersten Schritt hin zur Anerkennung des neuen von der Sowjetunion installierten Regimes interpretieren. Aber Borowski war bereits in München über Kossaks Buch empört, als er noch nicht mit dem Kommunismus sympathisierte. Freunde hielten ihm zu Recht entgegen, dass er die Autorin von ihren Auschwitz-Schilderungen stärker hätte trennen sollen. Schließlich erwartete auch er von seinen Kritikern, könnte man hinzufügen, dass sie das Erzählte und dessen Autor voneinander abheben. Sicher hat Borowskis Kritik indirekt dazu beigetragen, dass man ihn auf der berühmten Schriftstellerkonferenz in Stettin (Januar 1949), auf dem der sozialistische Realismus als die von nun an zu befolgende Doktrin beschlossen wurde, als Schwarzmaler und Pessimisten kritisierte, obwohl er mittlerweile in die Partei eingetreten und sogar aus tiefer Überzeugung auf den neuen Kurs umgeschwenkt war.
Im Februar 1950 veröffentlichte er eine der damals üblichen Selbstkritiken. Er „bekannte“ in ihr, er sei der westlichen Literatur erlegen, das KZ habe er nicht vom Klassenstandpunkt aus beschrieben; obgleich er die Wahrheit habe sagen wollen, habe er sich am Ende in Übereinstimmung mit der faschistischen Ideologie befunden. Ein Jahr später verübte er Selbstmord.
Die Zeit der relativ offenen Auseinandersetzung mit dem Judenmord im Allgemeinen und der Lagerwirklichkeit im Besonderen war zu Ende. Erst nach dem Oktober 1956 konnte wieder ungehindert über alles geschrieben werden, aber nun ging es in Polen vor allem darum, die brutale Politik gegenüber der sog. polnischen Heimatarmee, der Armia Krajowa, und den Teilnehmern des Warschauer Aufstandes von 1944 zu verurteilen und die vielen Opfer zu rehabilitieren, die aus den Gefängnissen Freigelassenen wieder in den Alltag zu integrieren und den Widerstandskämpfern und -kämpferinnen ihre Ehre zurückzugeben. Gleichzeitig nahm in Polen der Antisemitismus zu und erreichte 1967/68 einen Höhepunkt. Zehntausende Juden verließen im Sommer und Herbst 1968 Polen. Die Reste jüdischen Lebens waren zerstört. Es sollte etwa zwanzig Jahre dauern, bis wieder eine Debatte über den Holocaust und die Rolle der nicht-jüdischen Polen geführt wurde – sie wurde durch einen Artikel über die beiden bereits angeführten Gedichte von Miłosz ausgelöst. Aber zu einer wirklich intensiven Auseinandersetzung kam es erst 2000 nach dem Erscheinen des Buches über Jedwabne von Jan T. Gross.
Auch in der Tschechoslowakei begannen Überlebende gleich nach der Beendigung der Kriegshandlungen mit der Dokumentierung des Judenmords, vor allem dessen, was sich in Theresienstadt abgespielt hatte. Zeew Scheck initiierte die Dokumentani akce (Dokumentationsaktion), „in deren Rahmen binnen kürzester Zeit Beweise für die Verfolgung der Juden in der Tschechoslowakei gesammelt, die Erinnerungen von Verfolgten dokumentiert und Kunstwerke, die in Konzentrationslagern entstanden waren oder eine Verbindung mit ihnen aufwiesen, gekauft wurden“. Scheck hatte sich von einer ähnlichen Sammlungsaktion in Ungarn inspirieren lassen. Zeew Scheck siedelte bereits Anfang 1946 nach Palästina um und nahm das Meiste von dem Gesammelten mit. H.G. Adler (1910-1988), der zeitgleich nach Kriegsende für das Prager Jüdische Museum arbeitete, floh Anfang 1947 nach England, 1955 veröffentlichte er sein berühmtes Werk Theresienstadt 1941 - 1945. Das Antlitz einer Zwangsge meinschaft. Geschichte Soziologie Psychologie bei Mohr, Tübingen. Drei Jahre später folgte Die verheimlichte Wahrheit. Theresienstädter Dokumente.
In der Tschechoslowakei wurde in dieser Zeit der Judenmord in Einklang mit der offiziellen, d.h. der sog. marxistischen Geschichtsschreibung gebracht, d.h. er wurde unter anderem als der erste Versuch dargestellt, ein ganzes Volk auszulöschen. Die nächsten Kandidaten wären die Tschechen und Slowaken bzw. die slawischen Völker überhaupt gewesen. Hier ist vor allem Vaclav Král zu nennen. Er klagte die tschechische Bourgeoisie an, sie habe jüdisches Vermögen rauben wollen und deswegen die Nazis unterstützt, was sicherlich nicht unrichtig war, aber der Holocaust passt nun einmal nicht in das Klassenschema.
Die Tschechoslowakei folgte nach dem sog. Gottwald Putsch dem antisemitischen Kurs der Sowjetunion. Hier wäre vor allem der Slánský-Prozess zu nennen. Es handelte sich zwar um einen politischen Prozess, durch den der Wille zur Abgrenzung des Sowjetblocks vom Westen demonstriert werden sollte, aber wie bei den Moskauer Schauprozessen der 30er Jahre war die Mehrzahl der Angeklagten jüdischer Herkunft, nämlich elf von vierzehn. Im Rahmen dieses neuen Kurses verlor Miroslav Kárný (1919-2001), ein Überlebender von Theresienstadt, seinen Posten bei der Rudé Právo, der Tageszeitung der Kommunistischen Partei für den tschechischen Teil des Landes. Nach einem wechselvollen Leben widmete er sich nach seiner Pensionierung im Jahre 1974 der Erforschung der sog. Endlösung in Böhmen und Mähren, d.h. insbesondere des KZs Theresienstadt.
Zu Kárný und seiner Frau Margita Krausová stießen jüngere Historiker, die ihm zur Seite standen und später sein Werk fortsetzten. Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts konnten endlich seine Studien zu Theresienstadt erscheinen. Auf einer Konferenz zum Thema Theresienstadt, die im November 1991 dort stattfand, sprach Kárný von einer politischen und polizeilichen „Sonderbehandlung“ der jüdischen Thematik in der sozialistischen Tschechoslowakei.
Quelle: Lucia Scherzberg (Hg.) „Doppelte Vergangenheitsbewältigung“ und die Singularität des Holocaust.