Brief an Frau Julia Klöckner (Bundestagspräsidentin) - Kirchen und der Staat ...
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KIRCHEN UND DER STAAT
Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin Julia Klöckner,
als Sie einst Bundeslandwirtschaftsministerin waren, hatten ich Ihnen einen Brief mit einem Vorschlag geschrieben, auf den Sie mir auch persönlich dankend geantwortet hatten. Vielen Dank noch einmal dafür!
Nun gehörten Sie damals und gehören Sie auch heute einer politischen und säkulären Partei in dem weltlichen Staat Deutschland an, welche den Namen des "Christus" in sich trägt. Jenes Zimmermanns aus Nazareth, dessen Botschaft und Mission auch unser Land bis heute geprägt hat; jenes jüdischen Rabbis der auf die Frage eines Zeitgenossen, ob es Recht sei, dem römischen Kaiser, der Palästina zu dieser Zeit besetzt hielt, Steuern zu zahlen (eine klassische Fangfrage, um ihn beseitigen zu können) antwortete: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist - und gebt Gott was Gott gehört."
Das klingt irgendwie nach einer Trennung von "weltlichen" und "Gottes" Angelegenheiten, ja, nach einer "Trennung von Kirche und Staat", welche Sie in diesen Tagen - zumindest, was die Äußerungen und die vernachlässigten Tätigkeiten der Kirchen anbetrifft - in einem Interview fordern. Die Kirche - so ihre Botschaft implizit - solle sich nicht mit ihren Kommentaren und Forderungen tagesaktuell in die Politik einmischen, sondern dafür lieber ihrem ursprünglichen Auftrag des Jesus Christus, nämlich sich um das seelische Wohl des Menschen zu kümmern, nachkommen.
Der obige Satz aus der Bibel könnte Ihnen dabei sogar Recht geben, gleichzeitig aber auch ihre Tätigkeit (und die Ihrer Parteifreunde) als "christliche Politikerin" ad absurdum stellen - vorausgesetzt, man/frau interpretiert die Antwort des Nazareners so wie oben. Im Grunde genommen ist dann auch das Akronym "CDU" respektive der Name "Christlich Demokratische Union" nichts anderes als ein Oxymoron, eine widersprüchliche Wortverbindung (siehe: "bitter süß" oder "stummer Schrei").
Wenn dieser Aufruf an die Kirchen von der SPD oder den Linken käme, wäre das vielleicht noch nachzuvollziehen - abgesehen davon sehen diese Parteien das aber genau gegenteilig; aber gerade Ihre Christliche Partei müsste doch dafür dankbar sein, wenn die Christlichen Kirchen, ihr christliches Salz in die oft fade Suppe der Politik streuen. "Ihr seid das Salz der Erde!" (Jesus)
Als Theologe ist es mir ein Anliegen und erlaube ich mir, noch auf folgendes Beispiel Ihres Parteinamensgebers hinzuweisen.
Es gibt eine Situation, wo tausende von Menschen diesem Christus Richtung des See Genezareth folgen, weil auch sie von ihm geheilt werden und - wie auch andere zuvor - mutmachende Worte von ihm hören möchten (Seelsorge).
"Die Volksscharen folgten Jesus zu Fuß. Als er die vielen Menschen sah und Mitleid mit ihnen hatte, heilte ihre Kranken. Als es Abend wurde, kamen die Jünger zu ihm und sagten: Schick die Leute weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen! Jesus aber antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische hier. Er antwortete: Bringt sie mir her!"
Wie es dann weitergeht, ist bekannt. - Zuvor doch wollten die Jünger tatsächlich die körperlich, materiell hungernden Menschen einfach wegschicken nach dem Motto, wir haben unseren Seelsorgeauftrag erfüllt, alles andere geht uns nichts an. Doch denkste. Der "Christus" sieht das ganz anders. Er stillt ihren physischen Hunger, nachdem er zuvor dem ihrer Seele abgeholfen hatte. Beides - auch heute - ist Auftrag der Kirchen.
Auch wenn ich für die klare Trennung von Kirche und Staat im Sinne des Laizismus plädiere - ist damit der Doppelauftrag der Katholiken, "Evangelen", Freikirchen und anderer christlicher Gemeinschaften nicht aufgehoben, im Gegenteil!!
Für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes Segen!
Mit Respekt und mit Freundlichkeit,
Stefan Weinert, Ravensburg
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