💢6 - Teil 2.4: Die "Würde des Menschen" ist so unumstößlich, dass sie selbst durch eine verfassungsändernde Mehrheit nicht eingeschränkt werden kann ...
(vgl.:
Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung)
Der Begriff "Dogma" ist in unserer Zeit ein eher negativ besetzter und/oder konnotierter. Und er wird vor allem im Bereich des Religiösen, sprich der christlichen Kirchen benutzt, wenn es darum geht, etwas als "in Stein gemeißelt, betoniert, über allem stehend, über jede Kritik erhaben, unumstößlich" zu beschreiben. Für die Kirchen - von der katholischen bis hin zu kleinen evangelisch freikirchlichen und fundamentalistischen (!) - ist das zwar eine Selbstverständlichkeit, für die säkulare Welt da draußen im Alltag des Lebens allerdings eher ein "Stein des Anstoßes". Die "Zehn Gebote", welche ja tatsächlich in "Stein gemeißelt" waren, mögen da eine Ausnahme sein. Aber alles andere, beginnend mit der "Jungfrauengeburt des Jesus von Nazareth" bis hin zu dessen "Himmelfahrt" von Beginn an und seiner Mutter Maria seit dem 1. November 1950 (Papst Pius XII.), sind zwar vom gesunden Menschenverstand her diskussionswürdig, doch wird jede Infragestellung von der Kirche als Ketzerei hingestellt.
Auch in der bundesdeutschen Politik gibt es Dogmen - allerdings mit dem Unterschied, dass sie im Laufe der Zeit mehr und mehr "aufgeweicht" werden - je nachdem, wer in Bonn und später Berlin an der Macht war oder ist. Und je nachdem, welche Forderungen die Gesellschaft durch ihren wandelnden Lebensstil oder durch offene Proteste an sie stellt(e). Mit der einen absoluten Ausnahme. DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST SEIT 1949 UND 1990 IN DER BUNDESREPUBLIK EIN SOLCHES D O G M A !!
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Position der "Menschenwürde" wiederholt bestätigt und hervorgehoben, dass diese Würde jedermanns und jederfrau nicht einmal durch eine verfassungsändernde Mehrheit eingeschränkt werden kann (vgl. BVerfGE 1, 97; 30, 1), was aber durchaus in so manchen "rechten Köpfen" als Zielvorstellung herumschwirren könnte ...
Die Menschenwürdegarantie gilt jedoch absolut - was bedeutet, sie ist jedem Menschen ohne Ausnahme zu eigen. Sie kann von keinem Gesetzgeber und keiner eventuellen parlamentarischen Mehrheit aufgeweicht werden. Auch eine Abwägung mit anderen Verfassungswerten ist ausgeschlossen.
Anders formuliert: Jeder Mensch auf dem Staatsgebiet Deutschlands ist ein Subjekt und darf nicht wie ein Objekt behandelt oder zu einem solchen degradiert werden (Aktenzeichen, Nummer, betriebswirtschaftlicher Faktor, für die Staatskasse belastendes Element, Schübling usw.). Das umfasst auch die Verbote, Menschen einer Behandlung auszusetzen, die als entwürdigend oder erniedrigend angesehen werden können und den Schutz der individuellen Integrität und Identität - einschließlich des Rechts auf Selbstachtung und Selbstbestimmung eines jeden Menschen.
Ein absoluter Schutzbereich der Menschenwürde ist damit auch das Verbot von Folter, das auch in extremen Situationen (wie beispielsweise terroristische Bedrohungslagen) aufrechterhalten werden muss (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 - 1 BvR 357/05, Luftsicherheitsgesetz). Die Verfassungswidrigkeit von Demütigungen und Misshandlungen in der Haft oder im Polizeigewahrsam ist ebenfalls Ausdruck des unantastbaren Schutzes der Menschenwürde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 4/73). Das gilt für Straftäter, in Gewahrsam genommene Flüchtlinge aber auch Klimaaktivist/innen.
Bei dem Thema "Menschenwürde" darf weder die menschenwürdige Unterbringung von Obdachlosen und Asylbewerbern/Flüchtlingen vergessen werden, noch die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die Genannten und überhaupt für ALLE vergessen werden. Denn beides fällt unter den Schutzbereich der Menschenwürde (vgl. z. B. - BVerfGE 125, 175, „Hartz-IV-Urteil“).
- Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) dürfen die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt werden und muss die Höhe existenzsichernder Leistungen insgesamt tragfähig begründbar sein.
- Der Gesetzgeber ist von Verfassung wegen nicht gehindert, aus der grundsätzlich zulässigen statistischen Berechnung der Höhe existenzsichernder Leistungen nachträglich in Orientierung am Warenkorbmodell einzelne Positionen herauszunehmen. Der existenzsichernde Regelbedarf muss jedoch entweder insgesamt so bemessen sein, dass Unterdeckungen intern ausgeglichen oder durch Ansparen gedeckt werden können, oder ist durch zusätzliche Leistungsansprüche zu sichern.