💢4 Grundgesetz und Demokratie: Teil 2.2 - Was genau ist mit "Würde" des Menschen gemeint? - Vom Mutterleib an ist die Würde des Menschen unantastbar ...
>>> Was aber ist mit „Würde“ genau gemeint? - Spätestens wenn sie verletzt ist wird es von uns allen bemerkt. - Es handelt sich hierbei also um einen komplexen Begriff, der einen weiten Umfang hat, aber einen kleinen Kern. Somit ist der Begriff schwierig einheitlich und allgemein zu definieren. ... Die Menschenwürdegarantie ist eine Art „letzte Verteidigungslinie“. Davor sind stets konkrete Normen aufgrund von Spezialität zu prüfen. <<<
Mit dieser Fußnote endete der vorherige Beitrag auf diesem Blog zu Artikel 1 des Grundgesetzes, und soll nun hier fortgesetzt werden.
Wobei es sich um ein Zitat aus "Die Garantie der Menschenwürde" handelte. Aus diesem Werk werde ich auch hier zitieren respektive Bezug nehmen. Gleiches gilt für den Beitrag "Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung", den ich im Folgenden mitverarbeite.
----------------------------------
"Die Garantie der Menschenwürde"
1) Persönlicher Schutzbereich
Der Normalfall ist: jedermann und jedefrau, also alle natürlichen Personen haben die Würde, welche grundgesetzlich unantastbar ist.Ein Sonderfall ist die Grundrechtsträgerschaft des ungeborenen Lebens im Mutterleib. Hier hat der deutsche Staat eine objektive Schutzverpflichtung.
>>> In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird der Embryo durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2, Satz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützt, vgl. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 13.07.2017 (BGBl. I S. 2347), abrufbar unter: https://www.gesetze im-internet.de/gg/ (Letzter Abruf: 10.12.2018). Während der personale Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des „Menschen“ erfasst, schützt Art. 2 Abs. 2, Satz 1 GG das menschliche „Leben“. Durch das Grundgesetz werden dem Staat nicht nur unmittelbare Eingriffe in das menschliche Leben untersagt, er wird zugleich ver pflichtet, sich schützend und fördernd vor jedes menschliche Leben zu stellen. Dies umfasst auch das ungeborene Leben. Begründet liegt diese Schutzpflicht in der Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG, ihr der Gegenstand wird in Art. 2 Abs. 2, Satz 1 GG bestimmt. Die Schutzpflicht beginnt jedenfalls mit der Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter (sogenannte Nidation), denn fortan handelt es sich um ein individuelles, genetisch einmaliges und nicht mehr teilbares Leben. Das Ungeborene wird im Wachstumsprozess nicht erst zum Menschen, sondern entwickelt sich als solcher weiter, vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28.05.1993 – 2BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1993, 1751 (1752). Das Bundesverfassungsgericht hat offengelassen, ob der verfassungsrechtliche Schutz des menschlichen Lebens bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt. Vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Fortschritts, der eine extrakorporale Entwicklung menschlichen Lebens ohne eine Nidation ermöglicht hat, und der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass jedes menschliche Leben schützenswert ist, gesteht ein großer Teil der Literatur dem ungeborenen Leben bereits ab diesem Zeitpunkt den Schutz der Verfassung zu. Das ungeborene Leben ist mithin bereits Träger von Grundrechten. Eine Verletzung seiner Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG kann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden, ein Ein griff in Art. 2 Abs. 2, Satz 1 GG unterliegt dem einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 2, Abs. 2, Satz 3 GG. <<< (zitiert aus "Schutz des ungeborenen Lebens in Deutschland", Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages)
>>> Im Strafgesetzbuch ist das ungeborene Leben daher nach überwiegender Auffassung allein nach dem speziellen Tatbestand des § 218 StGB geschützt. In § 218 Abs. 1, Satz 2 StGB wird klargestellt, dass die Vorschrift ihren Schutz ab der Einnistung der befruchteten Eis in der Gebärmutterschleimhaut (Nidation) entfaltet. Aus dem Umkehrschluss des § 218 Abs. 3 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch durch die Schwangere selbst privilegiert, lässt sich ableiten, dass sowohl der Selbstabbruch als auch der Fremdabbruch von dem Tatbestand erfasst werden müssen. Wissenschaftliche Dienste Seite 6 Sachstand WD 7 - 3000 - 256/18 Der Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB stellt die fahrlässige Begehung nicht ausdrücklich unter Strafe, sodass ein fahrlässiger Schwangerschaftsabbruch gemäß § 15 StGB nicht in Betracht kommen kann, vgl. Gropp, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 218, Rn. 24. In § 218a StGB werden Regelungen zur Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs getroffen, insbesondere zur Tatbestandslosigkeit des sogenannten „beratenen Schwangerschaftsabbruchs“. Gemäß § 218a Abs. 1 StGB ist der Tatbestand des § 218 StGB nicht erfüllt, sofern eine Schwangere den Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt verlangt, diesem eine Bescheinigung vorlegt, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird und seit der Empfängnis nicht mehr als 12 Wochen vergangen sind. In § 218a Abs. 2, 3 StGB wird festgelegt, dass der „indizierte Schwangerschaftsabbruch“ zwar den Tatbestand erfüllt, allerdings gerechtfertigt ist; in § 218a Abs. 4 StGB wird die persönliche Straffreiheit der Schwangeren trotz rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch geregelt. <<< (a.a.O.)
Urteil des Bundesverfassungsgerichts, 2. Senat vom 28.05.1993 – 2 BvF 2/90 –2 BvF 4/922 BvF 5/92
Leitsätze
1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG ; ihr Gegenstand und - von ihm her - ihr Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt. Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu. Die Rechtsordnung muß die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im Sinne eines eigenen Lebensrechts des Ungeborenen gewährleisten. Dieses Lebensrecht wird nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet.
2. Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf menschliches Leben allgemein.
3. Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes sind zwei untrennbar verbundene Elemente des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes.
4. Der Schwangerschaftsabbruch muß für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein (Bestätigung von BVerfG, 1975-02-25, 1 BvF 1/74, BVerfGE 39, 1 <44>). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.
5. Die Reichweite der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben ist im Blick auf die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts einerseits und damit kollidierender Rechtsgüter andererseits zu bestimmen. Als vom Lebensrecht des Ungeborenen berührte Rechtsgüter kommen dabei - ausgehend vom Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) - vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Dagegen kann die Frau für die mit dem Schwangerschaftsabbruch einhergehende Tötung des Ungeborenen nicht eine grundrechtlich in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition in Anspruch nehmen.
6. Der Staat muß zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, die dazu führen, daß ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird (Untermaßverbot). Dazu bedarf es eines Schutzkonzepts, das Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindet.
7. Grundrechte der Frau tragen nicht so weit, daß die Rechtspflicht zum Austragen des Kindes - auch nur für eine bestimmte Zeit - generell aufgehoben wäre. Die Grundrechtspositionen der Frau führen allerdings dazu, daß es in Ausnahmelagen zulässig, in manchen dieser Fälle womöglich geboten ist, eine solche Rechtspflicht nicht aufzuerlegen. Es ist Sache des Gesetzgebers, solche Ausnahmetatbestände im einzelnen nach dem Kriterium der Unzumutbarkeit zu bestimmen. Dafür müssen Belastungen gegeben sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, daß dies von der Frau nicht erwartet werden kann (Bestätigung von BVerfGE 39, 1 <48 ff.>).
8. Das Untermaßverbot läßt es nicht zu, auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung für das menschliche Leben frei zu verzichten.
9. Die staatliche Schutzpflicht umfaßt auch den Schutz vor Gefahren, die für das ungeborene menschliche Leben von Einflüssen aus dem familiären oder weiteren sozialen Umfeld der Schwangeren oder von gegenwärtigen und absehbaren realen Lebensverhältnissen der Frau und der Familie ausgehen und der Bereitschaft zum Austragen des Kindes entgegenwirken.
10. Der Schutzauftrag verpflichtet den Staat ferner, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewußtsein zu erhalten und zu beleben.
11. Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht verwehrt, zu einem Konzept für den Schutz des ungeborenen Lebens überzugehen, das in der Frühphase der Schwangerschaft in Schwangerschaftskonflikten den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen, und dabei auf eine indikationsbestimmte Strafdrohung und die Feststellung von Indikationstatbeständen durch einen Dritten verzichtet.
12. Ein solches Beratungskonzept erfordert Rahmenbedingungen, die positive Voraussetzungen für ein Handeln der Frau zugunsten des ungeborenen Lebens schaffen. Der Staat trägt für die Durchführung des Beratungsverfahrens die volle Verantwortung.
13. Die staatliche Schutzpflicht erfordert es, daß die im Interesse der Frau notwendige Beteiligung des Arztes zugleich Schutz für das ungeborene Leben bewirkt.
14. Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle kommt von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht in Betracht. Deshalb verbietet es sich, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen.
15. Schwangerschaftsabbrüche, die ohne Feststellung einer Indikation nach der Beratungsregelung vorgenommen werden, dürfen nicht für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) erklärt werden. Es entspricht unverzichtbaren rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß einem Ausnahmetatbestand rechtfertigende Wirkung nur dann zukommen kann, wenn das Vorliegen seiner Voraussetzungen unter staatlicher Verantwortung festgestellt werden muß.
16. Das Grundgesetz läßt es nicht zu, für die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs, dessen Rechtmäßigkeit nicht festgestellt wird, einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Die Gewährung von Sozialhilfe für nicht mit Strafe bedrohte Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung in Fällen wirtschaftlicher Bedürftigkeit ist demgegenüber ebensowenig verfassungsrechtlich zu beanstanden wie die Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
17. Der Grundsatz der Organisationsgewalt der Länder gilt uneingeschränkt, wenn eine bundesgesetzliche Regelung lediglich eine von den Ländern zu erfüllende Staatsaufgabe vorsieht, nicht jedoch Einzelregelungen trifft, die behördlich-administrativ vollzogen werden könnten. Gleichzeitig müssen die - wirtschaftlichen und tatsächlichen - Bedingungen des Schwangerschaftsabbruchs so ausgestaltet werden, dass es für die betroffenen Frauen nicht naheliegt, einer Beratung auszuweichen und damit die Schutzmaßnahmen nicht zur Geltung kommen zu lassen ...
Quelle und hier weiterlesen: https://www.rehm-verlag.de/eLine/portal/start.xav